TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/2 W257 2133355-2

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Veröffentlicht am 02.04.2019
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Entscheidungsdatum

02.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W257 2133355-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Herbert Gerhard MANTLER, MBA, als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.03.2019, IFA-Zahl: XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird wegen bereits entschiedener Sache in der gleichen Angelegenheit als unbegründet abgewiesen.

II. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in der Folge teilweise kurz "BF genannt), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 27.01.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.01.2016 wurde ihm weder Asyl noch subsidiärer Schutz zugestanden. Dieser Bescheid wurde in Beschwerde gezogen, wobei das Bundesverwaltungsgericht am 10.05.2016 unter der Zl. W124 2133355-1/22E diesen Bescheid bestätigte. Die Erkenntnis erwuchs am 10.11.2017 in Rechtskraft.

Entgegen der Ausreiseverpflichtung tauchte der Beschwerdeführer unter und befand sich von einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt, jedenfalls ab Juli 2017 bis zum 18.02.2019 in Deutschland. Er wurde dort aufgegriffen und nach Österreich überstellt.

Er stellte am 18.02.2019 in Österreich erneut einen Antrag auf internationalen Schutz

Bei der Erstbefragung am selben Tag vermeinte der Beschwerdeführer, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert hätte und er in Deutschland sich mit Hepatitis C angesteckt hätte. Zudem sei er in Deutschland drogenabhängig geworden.

Am 27.02.2019 wurde er von der Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, zu dem neuen Asylantrag befragt. Dabei führte er aus, dass er an "Hepatitis C" leide und das ein Medikament in Afghanistan ca 17.000 Euro kosten würde. Dies könne er sich nicht leisten. In dem ersten Asylverfahren hätte er gesagt, dass er homosexuell sei. Er wisse, dass das Gericht ihm keinen Glauben geschenkt hat und dass das Erkenntnis rechtskräftig sei. Man hätte jedoch zu einem Arzt geschickt werden sollen, welcher die Homosexualität feststellen hätte können. Am 24.03.2019 wurde er nochmals einvernommen. Ihm wurde seitens der Behörde vorgehalten, dass entsprechend den Länderberichten seine Krankheit in Kabul heilbar sei und ein Medikament umgerechnet ca 227,34 Euro kosten würde. Die Behandlung würde lediglich drei Monate andauern. Hinsichtlich seiner Drogenabhängigkeit gäbe es laut den Länderberichten in Afghanistan 123 Rehabilitationszentren mit Resozialisierungsmaßnahmen, allein fünf davon gäbe es in Kabul. Der Beschwerdeführer entgegnete darauf, dass er gehört hätte, dass nach seiner Information eine Behandlung 30.000.- bis 40.000.- Euro kosten würde.

Mit dem im Spruch erwähnten Bescheid wurde der Antrag vom 18.02.2019 auf intern. Schutz (i) und der Antrag auf subsidiären Schutz wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG (iii) ein Aufenthaltstitel gem § 57 AsylG nicht erteilt, (iv) eine Rückkehrentscheidung erlassen, sowie wurde mit Spruchpunkt (v) festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, (vi) eine Frist zur freiwilligen Ausreise nicht bestehe, (vii) ein befristetes Einreiseverbot nicht erlassen und schließlich mit Spruchpunkt (viii) eine Quartierzuweisung erlassen.

Am 28.03.2019 wurde gegen den Bescheid Beschwerde erhoben. Darin wurde der Antrag gestellt, die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Begründend wurde ausgeführt, dass die zu Verfügung stehenden Medikamente zur Behandlung seiner Krankheit eine dauernde Kühlung bedürfen, wobei in Afghanistan nur wenige einen Kühlschrank besitzen würden. Zudem wäre eine Behandlung nur in Kabul möglich, doch Kabul sei derzeit wegen seiner instabilen Lage als sehr unsicher einzustufen. Seiner Ausreiseverpflichtung sei er deswegen nicht nachgekommen, weil sein Leben in Afghanistan in Gefahr sei.

Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt von Amts wegen am 01.04.2019 dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung des Bescheids vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt steht fest!

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Aus dem ersten Verfahrensgang ergibt sich: Der BF ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitisch-moslemischen Glaubens. Er war bis 2007 gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern (zwei jüngere Brüder, eine Schwester) im Herkunftsstaat in der Provinz Ghazni im Distrikt Muqur in einem Dorf wohnhaft. Er ist gesund, arbeitsfähig und in der Lage, sich im Herkunftsstaat seinen notwendigen Unterhalt zu sichern, verfügt über eine fünfjährige Schulbildung, hat Berufserfahrung in der Landwirtschaft und spricht als Muttersprache Dari sowie Pashtu. Er hat seinen Lebensunterhalt bis zur Ausreise aus Afghanistan als Arbeiter in der Landwirtschaft betrieben. Cousins und Cousinen des BF leben in Kabul sowie Onkel und Tanten in der Provinz Ghazni. Der BF wurde vor seiner endgültigen Ausreise aus Afghanistan ca. 3 Monate von den in Kabul lebenden Verwandten beherbergt. Der BF ist ledig, hat keine Kinder und lebt im Bundesgebiet auch nicht in einer Lebensgemeinschaft. Er verfügt über keinen Freundeskreis in Österreich, dem österreichische Staatsbürger angehören. Der BF ist strafrechtlich unbescholten. Der BF verfügt über keine nachgewiesenen Deutschkenntnisse. Er ist nach seinen Angaben bisher im Bundesgebiet nicht erwerbstätig gewesen, sondern bezieht staatliche Grundversorgung und ist demnach nicht selbsterhaltungsfähig. Es konnten somit neben einer sehr geringen sozialen Integration auch keine Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in Österreich in beruflicher Hinsicht festgestellt werden. Der BF verließ seinen Herkunftsstaat Afghanistan im Jahr 2007 und ging mit seiner Familie in den Iran. Während seine Eltern und Geschwister nach wie vor im Iran aufhältig sind, reiste der BF nach Griechenland, wo er im Jänner 2015 einen Asylantrag stellte und Dezember 2015 bei einem Aufgriff illegal aufhältig war. Der BF reiste schließlich ohne Dokumente illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 27.01.2016 den ersten Asylantrag auf internationalen Schutz stellte.

Aus dem zweiten Verfahrensgang ergibt sich: Der Ausreiseverpflichtung entsprechend dem ersten Rechtsgang kam er nicht nach und tauchte im Juli 2017 in Deutschland unter. Dort lebte er knapp zwei Jahre, wurde er drogenabhängig und infizierte sich mit "Hepatitis C". Gegen ihn wurde wegen Diebstahl ermittelt, doch statt Anklage zu erheben, wurde er nach Österreich abgeschoben.

1.2. Zur den Fluchtgründen:

Der Asylwerber stellte erstmals am 27.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen damit, er wegen Grundstückstreitigkeiten mit den Nachbarn geflohen sei. Zudem sei er homosexuell und werde deswegen in Afghanistan verfolgt.

Dieser Antrag wurde letztlich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.05.2016 rechtskräftig abgewiesen.

Am 18.02.2019 stellte der Asylwerber einen Asylfolgeantrag.

Er hat in Bezug zu seinem Erstantrag keine im Kern andere Fluchtgründe vorgetragen.

Die Krankheiten, unter der er leidet, sind in Afghanistan, Kabul, behandelbar. Seine Krankheiten sind dadurch nicht lebensbedrohend.

1.3. Zur Lage in seiner Heimatregion

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des BF wurde zum Zeitpunkt der ersten niederschriftlichen Einvernahme am 27.02.2019 das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation seitens der Behörde in das Verfahren eingebracht. Zusätzlich wurden die unten angeführten Anfragebeantwortungen, welche eingeholt wurden, dem Asylwerber zum Parteiengehör vorgelegt und auch nochmals in einer zweiten Einvernahme vorgehalten:

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Afghanistan, "Hepatitis C/alle Genotypen"

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Afghanistan, Heroin Drogenentzug, Entzugsprogramme, alternative Entgiftungsprogramme".

Hinsichtlich des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation führte er in der ersten Einvernahme aus, dass er nicht vorhabe nach Afghanistan zurückzukehren und deswegen würde er auf die Ausfolgung des Länderinformationsblattes verzichten (AS 127, OZ1).

Der BF brachte keine Berichte ein. Lediglich in der Beschwerde führte er an, dass die Lage in Afghanistan nach wie vor volatil sei. Als Grundlage wird auf das Länderinformationsblatt verwiesen. Der Staat Afghanistan sei nicht gewillt und nicht in der Lage ihn ausreichend zu schützen (ohne Quellenangabe). Aus der UNHCR-Richtlinie vom 19.04.2016 gehe hervor, dass dem afghanischen Staat keine ausreichende Schutzfähigkeit zukomme.

Aus den Berichten ist nicht zu entnehmen, dass der BF in Kabul mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit an Leib und Leben gefährdet ist. Ebenso ist nicht zu entnehmen, dass er aus wirtschaftlicher Sicht keine Überlebenschance hätte. Es hat sich grundsätzlich an seiner Erwerbsfähigkeit - bei Genesung - gegenüber dem ersten Erkenntnis bzw Bescheid nichts verändert.

Aus den Berichten ist zusammenfassend zu entnehmen:

Zu Kabul:

2.5.1 Zur allgemeinen Sicherheitslage:

"Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018). (LIB auf Seite 24)."

2.5.2 Zur aktuellen Sicherheitslage in Kabul (LIB ab Seite 46ff)

"Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. ....

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018). Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

Informationen und Beispiele zu öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) können dem Kapitel 3. "Sicherheitslage (allgemeiner Teil)" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

(Grafik)

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018). Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018)."

Zu seiner Erkrankung der Hepatitis C (angesteckt während des Drogenkonsums in Deutschland):

"Es gibt keine finanzielle Unterstützung durch die Regierung oder NGOs für das Kaufen der Medikamente... Die Deckungskosten für die Medizin werden sehr wahrscheinlich eine finanzielle Belastung für den Patienten darstellen (das offizielle Mindesteinkommen liegt bei 150 USD pro Monat). Zusätzlich, muss die Medizin im Kühlschrank aufbewahrt werden. Aber nicht jeder hat einen zu Hause. Dies könnte zu einem Behandlungsfehler führen. Alle Genotypen von Hepatitis C können in Kabul behandelt werden."

Zu seiner Drogenabhängigkeit:

"Zusammenfassung: Der nachfolgend zitierten Quelle von ist zu

entnehmen, dass es kein methadon-Entzugsprogramm in Afghanistan

gibt, alternative Entzugsprogramme existieren in Kabul auf

Afghanistanweit. Ferner, unterstützten NGOs Drogensüchtige. ... Es

bit in Afghanistan 123 Rehabilitationszentren für Drogensüchtige mit

einer Behandlungskapazität von 32.170 für Drogensüchtige gibt. ...

das Ministerium für Gesundheitswesen betreibt landesweit 86 von 123

Drogenbehandlungszentren. ... die Anzahl der Drogensüchtigen hat

letztes Jahr etwa 3,6 Millionen erreicht...".

1.4. Zu seiner persönlichen Situation in Österreich

Der Beschwerdeführer lebte seit der ersten rechtskräftigen Entscheidung in Deutschland, war dort drogenabhängig und infizierte sich in diesem Zuge, wodurch er heute an Hepatitis C leidet.

Er verfügt in Österreich über keine Verwandten und keine sonstigen engen sozialen Bindungen in Österreich. Er verfügt über keine Nachweise über deutschsprachigen Ausbildungen. Es gibt keine Nachweise einer gesicherten und nachhaltigen Integrationsbestrebung.

2. Beweiswürdigung:

Beweise wurden erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt.

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zu den persönlichen Daten des BF gründen sich auf den unbedenklichen Verwaltungsakt.

2.1. Zu den Fluchtgründen:

Die Feststellung, dass es sich bei dem Asylfolgeantrag auf die gleichen Fluchtgründe bezieht wie auf das abgeschlossene Asylverfahren, ergibt sich aus seinen im Verwaltungsakt aufliegenden Aussagen. Er selbst brachte wiederholt vor, dass er homosexuell sei. Über dieses Vorbringen wurde bereits rechtskräftig entschieden. Er entschied sich gegen die rechtskräftige Entscheidung und tauchte in Deutschland unter. Dort wurde er drogenabhängig und infizierte sich mit Hepatitis C. Er wiederholt im Kern seine Homosexualität.

Zusätzlich bringt er vor, dass er krank sei und deswegen nicht zurückkehren könne. Selbst wenn er gesunden würde, brachte er vor, dass er nach Afghanistan nicht zurückkehren wird.

In der Beschwerde wird auch kein weiterer Grund vorgebracht. Aus amtlicher Sicht ist auch kein weiterer Grund hinzugetreten. Er wurde bei der Behörde zweimal einvernommen. In beiden Fällen brachte er die gleichen Fluchtgründe vor. Im Grunde konnte er außer der Erkrankung, die er sich während des Drogenkonsums in Deutschlang zugezogen hat, nichts Weiteres vorbringen. Dass er das Medikament nicht kühlen könne, weil es zu wenig Kühlschränke in Afghanistan gäbe, stellt keinen nachvollziehbaren Grund dar, dass er sterben wird. Das Gericht geht davon aus, dass er in Kabul landen wird. Dort kann er sich einer Behandlung unterziehen. Die 5 Drogenkliniken in Kabul werden wohl einen Kühlschrank haben.

2.2. Zur Lage in seiner Heimatregion

Dies ergibt sich aus den angeführten einschlägigen Länderberichten der Staatendokumentation, dem der BF im Grunde nicht widersprach. Er brachte keine gegenteiligen Berichte vor. In seiner Stellungnahme wies er zwar darauf hin, dass Kabul als unsichere Stadt gilt, doch entspricht dies nicht gänzlich den unwidersprochenen Länderberichten. Das Gericht erkennt zwar, dass die Lage volatil ist, doch selbst unter der Berücksichtigung der nicht in das Verfahren eingebracht, doch zu berücksichtigende UNHCR-Richtlinie vom 30.06.2018, ist anzumerken, dass nicht jeder, unabhängig an seiner Person anhaftenden Umstände so sehr gefährdet ist, dass es in Kabul aus sicherheitsrelevanter Sicht soweit sei, dass von einer sicheren Gefahr für Leib und Leben auszugehen ist. Der UNHCR stellt selbst in der Richtlinie mehrfach klar, dass von einer Einzelfallentscheidung auszugehen ist Dies wird gegenständlich vorgenommen. In seinem Fall ist zu berücksichtigen, dass er zwar krank, wenn auch nicht lebensbedrohend krank ist und dass er den Großteil seines Lebens in Afghanistan verbracht hat. In dem ersten Verfahrensgang wurde festgestellt, dass er in Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative hat, weil er bereits drei Monate dort gelebt hat. An diesen Umstand hat sich nichts geändert. Es ist ihm, der sich zwei Jahre in Deutschland durchgeschlagen hat, zuzumuten, dass er sich auch in Kabul durchschlagen wird können. Sein mehrfacher zum Ausdruck gebrachter Wille, dass er nicht zurückkehren will, ist zwar nachvollziehbar, doch nicht sachentscheidend. Ebenso wenig ist vor dem Hintergrund der einschlägigen Länderberichte, insbesondere der Tatsache, dass es Kliniken für Drogenabhängige gibt und seine Krankheit heilbar ist, nachvollziehbar, warum er nicht in sein Heimatland zurückkehren könne.

2.3. Zu seiner persönlichen Situation in Österreich

Diese Feststellung ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Er selbst brachte seit seinem Untertauchen in Deutschland keine Nachweise einer Integration vor.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Anzuwendendes Recht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, in der Fassung BGBl. I. Nr. 57/2018 (in der Folge kurz "VwGVG" genannt) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrens - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen im Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt mangels gesonderter Bestimmungen im

-

Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, (in der Folge kurz: "AsylG 2005" genannt)

-

im Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in der Folge kurz "FPG" genannt), oder im

-

Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2002, in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2018 (in der Folge kurz "BFA-VG" genannt), die Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Die allgemeinen Verfahrensbestimmungen, die für alle Fremden in einem Verfahren vor der Behörde, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten, werden durch das BFA-Verfahrensgesetz, geregelt. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt (§ 1 leg cit).

Die Beschwerde ist daher zulässig.

Zu A):

§ 12a Abs. 2 AsylG 2005:

Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

§ 12a Abs. 6 AsylG 2005:

Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden.

§ 22 Abs. 10 AsylG 2005:

Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

§ 22 BFA-VG:

(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.

Als Folgeantrag gilt laut Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 idgF jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag.

An dieser Stelle ist der Vollständigkeit halber auf das jüngst ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10.10.2018 zu G 186/2018-25 zu verweisen, in welchem der Verfassungsgerichtshof die vom Verwaltungsgerichtshof und vom Bundesverwaltungsgericht gestellten Anträge auf Aufhebung des § 22 Abs. 10 dritter, vierter und fünfter Satz AsylG 2005 und des § 22 BFA-VG abwies. Im o.a. Erkenntnis wird zusammengefasst ausgeführt, dass die vom Gesetzgeber in § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-VG angeordnete Rechtsschutzkonstruktion in Form einer fiktiven Parteibeschwerde in ausnahmslos jedem Fall einer Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes mit dem in Art. 130 und 132 B-VG vorgesehenen System der Verwaltungsgerichtsbarkeit vereinbar ist. Der Gesetzgeber gehe in der spezifischen Konstellation zulässigerweise davon aus, dass eine Beschwerdeerhebung in Form einer gesetzlichen Fiktion dem rechtlichen Interesse des von einem Aufhebungsbescheid betroffenen Fremden entspreche. Da es dem Fremden nicht verwehrt sei, eine Stellungnahme abzugeben bzw. durch eine Beschwerdeergänzung auf Umstände des Falles hinzuweisen, die ihm entscheidungsrelevant erscheinen, werde dem Fremden insbesondere auch nicht die Möglichkeit genommen, von ihm behauptete Rechtswidrigkeiten des Aufhebungsbescheides vorzubringen. Weiters werde auch keine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes begründet, weil die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes durch das Bundesamt in Bescheidform ergehe und das Bundesverwaltungsgericht folglich über die Rechtmäßigkeit des Bescheides einer Verwaltungsbehörde erkenne. Damit sei das Bundesverwaltungsgericht jedoch (ausschließlich) zur Überprüfung des Bescheides berufen und werde als Kontroll- bzw. Rechtsmittelinstanz, nicht jedoch als erste Instanz tätig.

Gegen den Beschwerdeführer besteht nach dem rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.05.2016 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, die mangels Ausreise aus dem Bundesgebiet noch aufrecht ist.

Aus dem Vorbringen zum Folgeantrag ergibt sich kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt, der erst nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Verfahrens entstanden ist (keine "nova producta"). Das im zweiten Verfahren zum Fluchtgrund erstattete Vorbringen, das jedoch angesichts des vom Beschwerdeführer als Lüge bezeichneten Vorbringens im ersten Verfahren auch nicht an Glaubwürdigkeit zu gewinnen vermag, hätte auch im Erstverfahren erstattet werden können und kann somit keinen neuen Sachverhalt begründen.

Die Ländersituation hat sich teilweise verändert, doch entsprechend der Feststellungen ist dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Kabul weiterhin zumutbar.

Bereits im ersten Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson als ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde.

Auch in diesem Verfahren ist nichts hervorgekommen, was gegen die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat im Sinne dieser Bestimmungen spricht.

Wie dargelegt ist im gegenständlichen Fall auch nicht davon auszugehen, dass es sich um keinen "besonderen Ausnahmefall" und um keine schwerkranke Person iSd EGMR 13.12.2016, 41738/10 (Paposhvili gg. Belgien), handelt. Die Erkrankungen sind in Kabul heilbar.

Es ist der Ansicht des Bundesamtes beizupflichten, dass kein schützenswertes Familien- oder Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich feststellbar ist. Im Hinblick auf die Zeitspanne, seit der sich der 2016 eingereiste Beschwerdeführer im Bundesgebiet aufhält, kann eine von Art. 8 EMRK geschützte "Aufenthaltsverfestigung" nicht angenommen werden (vgl. etwa VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger Aufenthalt "jedenfalls" nicht ausreichte, um daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abzuleiten; VwGH 20.12.2007, Zl. 2007/21/0437, VwGH 25.02.2010, Zl. 2010/18/0026; VwGH 30.04.2009, Zl. 2009/21/0086; VwGH 08.07.2009, Zl. 2008/21/0533; VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354). Somit kann nicht festgestellt werden, dass dem subjektiven Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Inland Vorzug gegenüber dem maßgeblichen öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. VwGH 22.01.2013, Zl. 2011/18/0036; VwGH 10.05.2011, Zl. 2011/18/0100; VwGH 22.03.2011, Zl. 2007/18/0628; VwGH 26.11.2009, Zl. 2007/18/0305), zu geben ist.

Da insgesamt die Voraussetzung des § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 62 Abs. 2 AVG idgF für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, ist der Bescheid des Bundesamtes vom 15.03.2019 rechtmäßig.

Gemäß § 22 Abs. 1 zweiter Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, Behandlungsmöglichkeiten,
entschiedene Sache, faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung
rechtmäßig, Folgeantrag, gesundheitliche Beeinträchtigung, Identität
der Sache, medizinische Versorgung, non-refoulement Prüfung,
Prozesshindernis der entschiedenen Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W257.2133355.2.00

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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