TE Vwgh Erkenntnis 1998/11/6 95/21/0960

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.11.1998
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §6 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §114 Abs4;
FrG 1997 §114 Abs7;
FrG 1997 §36 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, in der Beschwerdesache des FM, geboren am 15. Februar 1949, vertreten durch Dr. Gabriel Liedermann, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Gudrunstraße 143, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 16. November 1994, Zl. Fr 2814/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes und Zurückweisung eines Antrages auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung,

Spruch

1. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen das über den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot richtet, als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

2. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Zurückweisung des Antrages auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung zum Gegenstand hat, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 18 Abs. 1 und 2 Z. 8 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein befristetes Aufenthaltsverbot erlassen; weiters wurde sein Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung zurückgewiesen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer von einem Organ der regionalen Geschäftsstelle des zuständigen Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung - ohne im Besitz einer dazu erforderlichen Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz zu sein - betreten worden sei.

Die Zurückweisung des Antrages auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung begründete die belangte Behörde damit, daß für die Entscheidung über diesen Antrag die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese, zuständig sei und der Antrag (daher) mangels Zuständigkeit zur Entscheidung zurückzuweisen gewesen sei.

Zum Aufenthaltsverbot:

Mit dem - am 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen - Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75, wurden die gesetzlichen Voraussetzungen zur Verhängung eines Aufenthaltsverbotes unterschiedlich zu jenen des Fremdengesetzes aus 1992 geregelt.

§ 114 Abs. 4 und 7 des Fremdengesetzes 1997 lautet:

"(4) Aufenthaltsverbote, die beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof angefochten sind, treten mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes außer Kraft, sofern der angefochtene Bescheid nicht offensichtlich auch in den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes eine Grundlage fände.

...

(7) In den Fällen der Abs. 4 und 5 ist die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers einzustellen; mit dem Beschluß über die Gegenstandslosigkeit der Beschwerde tritt in diesen Fällen auch der Bescheid erster Instanz außer Kraft. Solchen Aufenthaltsverboten oder Ausweisungen darf für Entscheidungen, die nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes getroffen werden sollen, keine nachteilige Wirkung zukommen."

Die Voraussetzungen für die Erklärung der Beschwerde als gegenstandslos und die Einstellung des Verfahrens im Sinn der eben genannten Bestimmung sind im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen erfüllt:

§ 36 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 lautet:

"§ 36. (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt

1.

die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.

anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft."

Damit wurde der Behörde - anders als nach § 18 Abs. 1 FrG - Ermessen eingeräumt.

Der Beschwerdeführer hatte in dem zur Erlassung des von ihm angefochtenen Aufenthaltsverbotes führenden Verfahren keine Möglichkeit, erst im Rahmen der nunmehrigen Ermessensentscheidung gemäß § 36 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 relevante, gegen dessen Erlassung sprechende Umstände aufzuzeigen. Insbesondere enthält der angefochtene Bescheid keine Begründungselemente, die eine Überprüfung im Hinblick auf die nunmehr gebotene Ermessensübung ermöglichen würden.

Es liegt auch kein Fall vor, in welchem das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eindeutig und daher eine gesonderte Begründung der Ermessensentscheidung entbehrlich wäre (vgl. die in § 38 Abs. 1 Z. 3 sowie § 35 Abs. 3 Z. 1 und 2 Fremdengesetz 1997 genannten Fälle und zum Ganzen den hg. Beschluß vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490). Somit kann nicht gesagt werden, daß der angefochtene Bescheid in seinem Ausspruch über die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 114 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 "offensichtlich auch in den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes eine Grundlage fände", weshalb er in diesem Umfang gemäß § 114 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 mit 1. Jänner 1998 außer Kraft getreten ist.

Somit war diesbezüglich die Beschwerde gemäß § 114 Abs. 7 iVm Abs. 4 und § 115 des Fremdengesetzes 1997 als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Hingewiesen wird darauf, daß mit dem vorliegenden Beschluß gemäß § 114 Abs. 7 erster Satz, zweiter Halbsatz, des Fremdengesetzes 1997 auch der Bescheid der Behörde erster Instanz außer Kraft tritt.

Zur Zurückweisung des Antrages auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung:

Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der von der belangten Behörde gewählten Vorgangsweise wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 4. Dezember 1996, Zl. 96/21/0041, verwiesen. Aus den dort angeführten Erwägungen war auch der hier angefochtene Bescheid im besagten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 6. November 1998

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Verhältnis zu anderen Materien und Normen AVG Wahrnehmung der Zuständigkeit von Amts wegen Zurückweisung wegen Unzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995210960.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten