Entscheidungsdatum
04.04.2019Norm
AsylG 2005 §54Spruch
W192 2193618-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Georgien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.03.2018, Zahl 410639103-170614634, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.01.2019 zu Recht erkannt:
A) In Erledigung der Beschwerde wird ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, iVm § 9 Absatz 3 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, auf Dauer unzulässig ist. Gemäß §§ 54 und 55 AsylG 2005 wird
XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Am 23.05.2017 stellte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK und führte im Rahmen des Antragsformulars insbesondere aus, sie habe sich seit 11.05.2007 durchgängig in Österreich aufgehalten und über Aufenthaltstitel als Schüler verfügt. Sie legte ihren am 26.10.2016 ausgestellten georgischen Reisepass, ihre georgische Geburtsurkunde, die zuletzt bis 20.05.2017 gültige österreichische Aufenthaltsbewilligung als Schüler, Zeugnisse über Deutschkurse, darunter ein Zeugnis der Universität Wien über die Absolvierung der Prüfung auf dem Niveau B1 mit sehr gutem Erfolg vom 20.06.2012, eine Bestätigung über eine Ausbildung zur pädagogisch qualifizierten Person für Kinderbetreuung vom 12.03.2016, einen Vorvertrag eines Gewerbebetriebs über die Vollzeit-Beschäftigung der Beschwerdeführerin als Verkäuferin vom 15.05.2017, eine Sozialversicherungskarte, den von der Beschwerdeführerin nach ihrer erstmaligen Einreise nach Österreich 2007 abgeschlossenen Au-pair-Vertrag und die entsprechende Anzeigebestätigung des AMS, eine Kopie des von der Beschwerdeführerin gemeinsam mit einer weiteren Mieterin am 08.04.2016 abgeschlossenen bis 10.05.2019 befristeten Mietvertrags über eine Wohnung, Bestätigungen über die erfolgten Mietüberweisungen, Energielieferung-und Netznutzungsverträge, eine Bestätigung der Meldung einer Rundfunkanlage sowie diverse Empfehlungsschreiben bei.
Die Behörde forderte die Beschwerdeführerin in einem Verbesserungsauftrag vom 23.05.2017 auf, ihren Antrag in deutscher Sprache ausführlich schriftlich zu begründen.
Die Beschwerdeführerin führte dazu in einem "Motivationsschreiben-Aufenthaltstitel" vom 11.6.2017 aus, dass sie im Mai 2007 durch eine Agentur als Kinderbetreuerin nach Österreich gekommen sei und in den folgenden Jahren mehrere Deutschkurse besucht und erfolgreich abgeschlossen habe. Sie habe auch den Vorstudienlehrgang an der Universität Wien besucht und eine Prüfung abgelegt und habe später aus gesundheitlichen Gründen das Vorstudium abbrechen müssen.
Die Beschwerdeführerin interessiere sich seit ihrem Aufenthalt in Österreich für die österreichische Kultur, Geschichte und Tradition und besuche gerne mit vielen österreichischen Freunden verschiedene Veranstaltungen. Sie sei auch durch verschiedene Länder gereist und Österreich sei ihre Heimat geworden, wo sie leben und arbeiten wolle und ihre österreichischen Freunde habe.
Am 08.02.2018 wurde die Beschwerdeführerin zum verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Die Beschwerdeführerin gab zusammengefasst an, dass sie gut deutsch könne, ein B2-Zertifikat habe und mit der Durchführung der Einvernahme in deutscher Sprache einverstanden sei.
Sie habe von 2005 bis 2017 über Aufenthaltsbewilligungen der zuständigen Niederlassungsbehörde verfügt, zuletzt eine Aufenthaltsbewilligung als Schüler mit Gültigkeit bis 20.05.2017. Sie sei zunächst zu einer Tätigkeit als Au-pair nach Österreich gekommen und habe einen Aufenthaltstitel "Sonderfälle unselbstständiger Erwerbstätigkeit" gehabt. Später sei eine Zweckänderung auf "Student" erfolgt, nachdem sie als außerordentliche Schülerin und Teilnehmerin an Vorstudienlehrgängen tätig gewesen sei. Sie habe wegen Panikattacken das Studium aus gesundheitlichen Gründen abbrechen müssen. Dies sei jetzt besser, es komme aber noch mal vor, wenn sie unter Druck sei. Sie sei aber voll arbeitsfähig. Zuletzt sei eine Zweckänderung des Aufenthaltstitels auf "Schüler" erfolgt, weil sie nach Abbruch des Studiums von 2016 bis 2017 eine Abendschule für Berufstätige über Management und Handelsschulinhalte besucht habe. Sie habe diese Ausbildung abgebrochen, weil sie am Business-Englisch gescheitert sei. Sie habe den vorliegenden Antrag gestellt, weil sie bei der Niederlassungsbewilligung keine Chance mehr habe, da sie in keiner Ausbildung mehr sei. Im Falle der Erteilung eines Aufenthaltstitels wolle sie arbeiten und eine Ausbildung als Kindergärtnerin machen. Die Beschwerdeführerin sei seit 2007 nur dreimal in Georgien gewesen, zuletzt im Juni 2016 für zwölf Tage. Sie habe nicht so viel Geld gehabt, um nach Hause zu reisen. Die Beschwerdeführerin sei Hauptmieterin einer Wohnung und zwei weitere Freundinnen würden bei ihr als Untermieterin leben. Es stehe ihr ein monatliches Einkommen von Euro 500 zur Verfügung. Sie habe keine Ersparnisse und sei privat als Babysitterin tätig, um ein Einkommen zu erzielen. Die Beschwerdeführerin sei selbstversichert. Sie verwies auf den mit dem Antrag vorgelegten Arbeitsvorvertrag und wurde aufgefordert, eine Bestätigung vorzulegen, dass dieser noch aufrecht sei.
Im Herkunftsstaat habe die Beschwerdeführerin die Schule mit Matura abgeschlossen und Jus und Theologie studiert, aber nur Theologie abgeschlossen. Sie habe neben dem Studium als Verkäuferin gearbeitet. Im Herkunftsstaat seien ihre Eltern, ein Bruder, eine Schwester und andere Angehörige aufhältig, mit denen sie etwa einmal im Monat telefonisch Kontakt habe.
Im Falle einer negativen Entscheidung wisse sie nicht, ob sie Österreich freiwillig verlassen werde. Sie wolle nicht nach Georgien, sie sei dort quasi fremd.
In einem Schreiben vom 08.02.2018 wurde die Beschwerdeführerin durch die Behörde vom Ergebnis einer Beweisaufnahme verständigt, wonach sie in Österreich relativ gut integriert sei, jedoch keine Ausbildung zu Ende gemacht habe. Ihr Aufenthalt sei seit Ablauf der Gültigkeit der Aufenthaltsbewilligung als Schüler rechtswidrig und die Beschwerdeführerin versuche, mit dem vorliegenden Antrag das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zu umgehen. Die individuellen Interessen im Sinne des Art. 8 EMRK seien nicht so ausgeprägt, dass die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der polizeilichen und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen höher zu bewerten sei. Es sei beabsichtigt, den Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels abzuweisen und mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Bezüglich der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidungen und der Abschiebung wurde auf vorläufige Feststellungen über die Situation im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer hingewiesen, wonach ihr eine Rückkehr zumutbar sei.
Mit Nachricht vom 14.02.2018 legte die Beschwerdeführerin einen aktuellen Arbeitsvorvertrag vor.
Nach Vollmachtsvorlage und Fristerstreckung wurde durch den nunmehrigen Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 14.03.2018 eine Stellungnahme eingebracht, in der auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu langen Aufenthaltszeiten hingewiesen wurde.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt II.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte der Entscheidung umfassende Länderfeststellungen zur Grundversorgung im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin zugrunde und hielt begründend im Wesentlichen fest, dass die Beschwerdeführerin sich von 2007 bis 23.05.2017 mit Aufenthaltsbewilligungen der zuständigen Niederlassungsbehörde in Österreich aufgehalten habe. Sie halte sich seither rechtswidrig in Österreich auf. Sie habe in Österreich kein Familienleben aber aufgrund der langen überwiegend legalen Aufenthaltsdauer ein "gewisses" Privatleben, wobei dieses nicht ausreichend schützenswert sei. Die Beschwerdeführerin habe bisher nur Aufenthaltsbewilligungen gehabt und sei nur im Rahmen einer Ausbildung zum Aufenthalt berechtigt gewesen. Sie habe die Ausbildungen nicht mit der notwendigen Ernsthaftigkeit betrieben und keinen Abschluss erworben. Die Beschwerdeführerin sei in gewisser Form integriert, jedoch nicht derart, dass eine Rückkehrentscheidung unzulässig wäre. Es könne kein schützenswertes Privatleben festgestellt werden. Es sei der Beschwerdeführerin zumutbar, in den Herkunftsstaat zurückzukehren und ihren Aufenthalt über die Schiene des Niederlassungs-und Aufenthaltsgesetzes zu legalisieren. Die Beschwerdeführerin sei im Prinzip gesund, behandle ihre Probleme mit der Schilddrüse bloß medikamentös, sei im Herkunftsstaat nicht gefährdet und es sei daher ihre Abschiebung dorthin auch zulässig.
3. Gegen den dargestellten Bescheid wurde durch den gewillkürten Vertreter der Beschwerdeführerin am 19.04.2018 die verfahrensgegenständliche Beschwerde per Telefax eingebracht, in welcher begründend zusammengefasst ausgeführt wurde, dass sich die Beschwerdeführerin seit elf Jahren durchgehend und weitgehend rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Aufgrund einer Erkrankung habe sie den Studienerfolg nicht ausreichend nachweisen können und den gegenständlichen Aufenthaltstitel beantragt. Sie spreche sehr gut Deutsch auf Sprachniveau B2, sei aus eigenen Mitteln krankenversichert, verfüge über eine ordnungsgemäße Unterkunft und es liege ein aktueller arbeitsrechtlicher Vorvertrag vor. Sie sei seit 2007 nur dreimal zu Kurzbesuchen in Georgien gewesen und die Bindungen dorthin seien weitgehend abgerissen. Es werde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu langen Aufenthaltszeiten verwiesen, nach der bei rund zehnjährige Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet von einer Unverhältnismäßigkeit einer Aufenthaltsbeendigung ausgegangen werde, sofern der Fremde nicht die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genutzt habe, sich sozial und beruflich zu integrieren. Im Falle der unbescholtenen Beschwerdeführerin würden keine Verstöße gegen das AuslBG, keine unbegründeten Asylanträge und keine unrichtigen Angaben zur Identität vorliegen. Deshalb erfülle die Beschwerdeführerin gerade nicht die Kriterien für ein Überwiegen der öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung trotz elfjährigem Aufenthalt.
4. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.09.2018 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung L518 abgenommen und der Gerichtsabteilung W192 neu zugewiesen.
5. Am 31.01.2019 fand eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, an welcher die beschwerdeführende Partei, deren bevollmächtigter Vertreter sowie eine Dolmetscherin für die georgische Sprache teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl war ordnungsgemäß geladen worden, hatte jedoch bereits im Vorfeld mit Schreiben vom 14.01.2017 mitgeteilt, nicht an der Verhandlung teilzunehmen. Dabei machte die Beschwerdeführerin auf Befragen Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen in Österreich und im Herkunftsstaat und legte eine Bestätigung über geleistete ehrenamtliche Arbeiten und ein ärztliches Attest vor.
Mit Schriftsatz vom 06.03.2019 legte die Beschwerdeführerin ein Zeugnis des ÖIF über die am 15.02.2019 erfolgte Ablegung der Integrationsprüfung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin ist eine Staatsangehörige Georgiens; ihre Identität steht fest.
Die Beschwerdeführerin befindet sich nach legaler Einreise seit 2007 im Bundesgebiet und verfügte über Aufenthaltstitel "Sonderfälle unselbstständiger Erwerbstätigkeit" zur Ausübung einer Au pair-Tätigkeit, später "Student" und zuletzt "Schüler" mit Gültigkeit bis 20.05.2017, hat Deutschkurse und Vorstudienlehrgänge besucht, spricht hervorragend Deutsch und hat am 20.06.2012 ein Sprachzertifikat auf Niveau B1 erworben. Sie bewohnt eine eigene Mietwohnung, ist selbstversichert und konnte dartun, dass sie in der Lage war, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Beschwerdeführerin hat in Österreich keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und hat keine Leistungen des Grundversorgungssystems in Anspruch genommen.
Darüber hinaus legt die Beschwerdeführerin einen Arbeitsvorvertrag vor, welcher darauf hindeutet, dass sie auch in Zukunft in der Lage sein wird, ihren Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Die Beschwerdeführerin legt eine Vielzahl an Unterstützungserklärungen vor und hat ehrenamtliche Tätigkeiten geleistet. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin auch eine Zusatzausbildung als pädagogisch qualifizierte Kinderbetreuerin absolviert.
Die Beschwerdeführerin hat bis 2007 in Georgien gelebt, spricht Georgisch auf muttersprachlichem Niveau und verfügt über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat. Die Beschwerdeführerin hat allerdings seit 2007 nur drei Besuchsaufenthalte im Herkunftsstaat absolviert konnte glaubhaft darlegen, dass ihr Lebensmittelpunkt nunmehr in Österreich gelegen ist. Sie hat in Österreich keine Familienangehörigen, aber einen großen Freundeskreis. Die Beschwerdeführerin ist unbescholten.
Die Beschwerdeführerin wurde im Herbst 2012 zufolge einem Arztschreiben der Notfallaufnahme eines Landesklinikums vom 17.09.2012 bei Diagnose einer Panikattacke behandelt, wobei in der Anamnese festgehalten wurde, dass ihr möglicherweise etwas in ein Getränk geschüttet worden sei. Die Beschwerdeführerin war laut dem Attest einer Fachärztin für Neurologie vom 29.01.2019 seit 2012 unter regelmäßiger medikamentöser Therapie und hat auch Psychotherapie wahrgenommen. Deshalb habe sie wegen bestehender Konzentrationsstörung und Antriebsstörung nicht in vollem Umfang studieren können. Seit etwa zwei Jahren bestehe ein stabiles Zustandsbild und die Beschwerdeführerin ist seither wieder arbeitsfähig und lernfähig.
Am 15.02.2019 legte die Beschwerdeführerin vor dem österreichischen Integrationsfond die Integrations Prüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenzniveau A2 und zu Werte- und Orientierungswissen ab.
2. Beweiswürdigung:
Aufgrund des vorgelegten Reisepasses steht die Identität der Beschwerdeführerin fest.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister. Die Feststellungen über ihre Lebensumstände in Österreich sowie in Georgien sowie zu ihrem Gesundheitszustand ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin in Zusammenschau mit den in Vorlage gebrachten ärztlichen Unterlagen sowie den Unterlagen zum Beleg ihrer Integrationsbemühungen.
Die (auch) künftig zu erwartende Selbsterhaltungsfähigkeit der Beschwerdeführerin ist auf Grund ihrer Ausbildung und ihren Sprachkenntnissen in Zusammenhang mit dem Umstand, dass sie bisher in Österreich keine Unterstützungs- und Versorgungsleistungen der öffentlichen Hand in Anspruch genommen hat, prima vista zu erwarten.
Aus dem ärztlichen Attest der Fachärztin für Neurologie vom 29.01.2019 geht weiters hervor, dass die Beurteilung seitens der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe ihre Ausbildung in Österreich nicht mit der notwendigen Ernsthaftigkeit betrieben und sich als "Ewig-Student" durchschwindeln wollen, unzutreffend ist, da ersichtlich ist, dass der eingetretene Leistungsabfall bei der Beschwerdeführerin auf die seit 2012 vorliegende gesundheitliche Beeinträchtigung zurückzuführen war.
Die seit etwa zwei Jahren wieder vorliegende Arbeitsfähigkeit und Lernfähigkeit der Beschwerdeführerin ergibt sich ebenfalls aus dem ärztlichen Attest vom 20.01.2019.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005, FPG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Zu A) Stattgebung der Beschwerde:
3.2.1. Das AsylG 2005 regelt in seinem 7. Hauptstück die Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie das Verfahren zur Erteilung derselben. Die darin enthaltenen Bestimmungen lauten auszugsweise:
"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK
§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen.
[...]
Antragstellung und amtswegiges Verfahren
§ 58. (1) ...
(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn
1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und
2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.
(14) [...]
Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen
§ 60. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn
1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder
2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.
(2) ...
(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn
1. dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dieser durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt oder
2. im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. [...]"
Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 idgF ist, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen wird, diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
Die maßgeblichen Bestimmungen des 7. und 8. Hauptstücks des FPG lauten:
"Rückkehrentscheidung
§ 52. (1) - (2) [...]
(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
(4) - (8) [...]
(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
(10) - (11) [...]
[...]"
§ 9 BFA-VG lautet wie folgt:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(4) - (6) [...]"
3.2.2. Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist.
3.2.2.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).
3.2.2.2. Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundene Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR 27. 10. 1994, Kroon u.a. gg. die Niederlande, ÖJZ 1995, 296; siehe auch VfGH 28. 6. 2003, G 78/00).
Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 8. 4. 2008, Nnyanzi gg. das Vereinigte Königreich, Appl. 21.878/06; 4. 10. 2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9. 10. 2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16. 6. 2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554).
Die Beschwerdeführerin hat keine Familienangehörigen im Bundesgebiet. Eine aufenthaltsbeendigende Maßnahme würde daher nicht in ihr Recht auf Achtung des Familienlebens eingreifen.
3.2.2.3.1. Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl. EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwH).
Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen ist insbesondere das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. 3. 2005, G 78/04, zu erwähnen. Demnach ist das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den privaten Interessen bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern/ Asylwerberinnen, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen. Es ist auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216, mwH).
Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, sind Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041 mit Hinweis auf E 30.08.2011, 2008/21/0605; E 14.04.2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032; E 30.06.2016, Ra 2016/21/0165).
3.2.2.3.2. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zwar grundsätzlich ein hoher Stellenwert zu (vgl. etwa VfGH 1. 7. 2009, U992/08 bzw. VwGH 17. 12. 2007, 2006/01/0216; 26. 6. 2007, 2007/01/0479; 16. 1. 2007, 2006/18/0453; 8. 11. 2006, 2006/18/0336 bzw. 2006/18/0316; 22. 6. 2006, 2006/21/0109; 20. 9. 2006, 2005/01/0699), im gegenständlichen Fall überwiegen aber aufgrund der dargestellten Umstände in einer Gesamtabwägung aller Umstände - insbesondere im Hinblick auf die lange 10 Jahre weit übersteigende Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich - dennoch die privaten Interessen der beschwerdeführenden Partei an einem Verbleib in Österreich das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung. Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid verfügte Rückkehrentscheidung ist angesichts der vorliegenden Bindungen unverhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK.
Insgesamt kann im Falle der Beschwerdeführerin von einer gelungenen Integration ausgegangen werden. Wie dargestellt, beruhen die drohenden Verletzungen des Privat- und Familienlebens auf Umständen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
Da die Beschwerdeführerin legal nach Österreich eingereist ist, sich bis 20.05.2017 hier legal aufgehalten hat und sie ihren Aufenthalt niemals auf einen unbegründeten Asylantrag gegründet hat, ist das Interesse an der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens der beschwerdeführenden Partei als schützenswert anzusehen und überwiegt im konkreten Einzelfall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen. Daher liegen die Voraussetzungen für eine Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 fallgegenständlich vor.
3.3.1. Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 Abs. 4 Integrationsgesetz (IntG), idgF, erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,
2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,
3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,
4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder
5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.
In seinem Erkenntnis vom 04.08.2016, Ra 2016/210203, betonte der Verwaltungsgerichtshof, dass hinsichtlich der Beurteilung der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG (nunmehr §§ 9 ff Integrationsgesetz) eine formalistische Sichtweise anzuwenden sei und die Vorlage eines der in § 9 der Integrationsvereinbarungs-Verordnung (aF) aufgezählten Zertifikate nicht im Rahmen der freien Beweiswürdigung ersetzt werden könne.
3.3.2. Gemäß § 81 Abs. 36 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) idgF gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Integrationsgesetzes haben vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 wie folgt gelautet:
"Integrationsvereinbarung
§ 14. (1) Die Integrationsvereinbarung dient der Integration rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassener Drittstaatsangehöriger (§ 2 Abs. 2). Sie bezweckt den Erwerb von vertieften Kenntnissen der deutschen Sprache, um den Drittstaatsangehörigen zur Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich zu befähigen.
(2) Die Integrationsvereinbarung besteht aus zwei aufeinander aufbauenden Modulen:
1. das Modul 1 dient dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur vertieften elementaren Sprachverwendung;
2. das Modul 2 dient dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur selbständigen Sprachverwendung.
(3) Die näheren Bestimmungen zu den Inhalten der Module 1 und 2 der Integrationsvereinbarung hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen.
Modul 1 der Integrationsvereinbarung
§ 14a. (1) ...
(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt,
2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 vorlegt,
3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht oder
4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 besitzt.
Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 14b) beinhaltet das Modul 1.
...
Modul 2 der Integrationsvereinbarung
§ 14b. (1) ...
(2) Das Modul 2 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 2 vorlegt,
2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 2 vorlegt,
...
Die maßgeblichen Bestimmungen der Integrationsvereinbarungs-Verordnung - IV-V der Bundesministerin für Inneres haben vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 wie folgt gelautet:
"Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse
§ 9. (1) Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse im Sinne des § 14a Abs. 4 Z 2 und § 14b Abs. 2 Z 2 NAG gelten allgemein anerkannte Sprachdiplome oder Kurszeugnisse, insbesondere von folgenden Einrichtungen:
1. Österreichisches Sprachdiplom Deutsch;
2. Goethe-Institut e.V.;
3. Telc GmbH.
(2) Jede Einrichtung hat in dem von ihr auszustellenden Sprachdiplom oder Kurszeugnis gemäß Abs. 1 schriftlich zu bestätigen, dass der betreffende Fremde über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest
1. auf A2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen oder
2. auf B1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen
verfügt.
(3) Fehlt eine Bestätigung nach Abs. 2, gilt der Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse auf der entsprechenden Niveaustufe als nicht erbracht.
(4) Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß §§ 14a Abs. 4 Z 2 oder 14b Abs. 2 Z 1 gelten Zeugnisse des ÖIF nach erfolgreichem Abschluss einer Prüfung auf A2-Niveau oder B1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Das Zeugnis hat dem Muster der Anlage B zu entsprechen."
3.3.3. Da die Beschwerdeführerin über ein Zeugnis der Universität Wien vom 20.06.2012 über die Absolvierung einer Deutschprüfung auf dem Niveau B1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügt, hat sie das Modul 1 der Integrations-Vereinbarung gemäß § 14 Integrationsgesetz im Zusammenhang mit der Übergangsbestimmung des §§ 81 Abs. 36 NAG vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes Bundesgesetzblatt I Nr. 68/2017 erfüllt. Ihr ist somit gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen.
Dieses Ergebnis ergibt sich auch aufgrund des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin am 15.02.2019 beim ÖIF die Integrations-Prüfung gemäß § 9 Abs. 4 Z 1 Integrationsgesetz bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz auf Niveau A2 und zu Werte- und Orientierungswissen bestanden hat.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Aufenthaltsberechtigung plus, Deutschkenntnisse, Integration,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W192.2193618.1.00Zuletzt aktualisiert am
02.10.2019