Entscheidungsdatum
09.04.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W202 2198368-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard SCHLAFFER im Verfahren über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.02.2019, Zl. 1100734501-160002810, zu Recht:
A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid
ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer stellte am 02. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid vom 09.05.2018 wies die belangte Behörde diesen Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt (V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise verfügt (Spruchpunkt VI.).
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Das diesbezügliche Verfahren ist derzeit zur Zl. W202 2198368-1 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.
Mit dem gegenständlichen Bescheid hat das BFA gemäß § 68 Absatz 2 AVG seinen Bescheid vom 09.05.2018, GZ 1100734501-160002810, betreffend die Spruchpunkte IV., V. und VI., von Amts wegen aufgehoben (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Ferner habe der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 20.12.2018 verloren (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde ein auf fünf Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dem Beschwerdeführer seien mit dem - derzeit im Beschwerdeverfahren befindlichen - Bescheid vom 09.05.2018 keine Rechte eingeräumt worden, weshalb die Bestimmung des § 68 Abs. 2 AVG auch "grundsätzlich" anwendbar sei. Der Vollständigkeit halber werde auch ausgeführt, dass die Spruchpunkte I., II. und III. der Entscheidung vom 09.05.2018 von der gegenständlichen Abänderung nicht betroffen seien. Bereits im Bescheid vom 09.05.2018 sei in Bezug auf den Beschwerdeführer eine noch nicht rechtskräftige Rückkehrentscheidung getroffen worden. Da jedoch ein Einreiseverbot lediglich in Verbindung mit einer Rückkehrentscheidung erlassen werden könne, sei die Entscheidung vom 09.05.2018 insofern abzuändern bzw. zu ergänzen gewesen, dass in Bezug auf den Beschwerdeführer abermals eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot auszusprechen gewesen sei.
Der Beschwerdeführer sei mit Urteil vom Landesgericht Linz vom 30.01.2019 unter der Aktenzahl 22 Hv 63/18g wegen des Vergehens der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207 a Absatz 1 Ziffer 2 StGB, sowie des Vergehens der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207 a Absatz 3, zweiter Satz, StGB rechtskräftig verurteilt worden. Die Erfüllung dieses Tatbestandes indiziere, dass das Verhalten des Beschwerdeführers eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten gezeigt, dass er kein Interesse daran habe, die Gesetze Österreichs einzuhalten. Die Erlassung eines Einreiseverbotes sei aufgrund der Schwere seines Fehlverhaltens und seiner (näher dargestellten) persönlichen Umstände daher gerechtfertigt und notwendig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Darin führt der Beschwerdeführer (soweit hier wesentlich) aus, der in § 68 Abs. 2 AVG vorgesehenen Ermächtigung zur nachträglichen amtswegigen Abänderung von Bescheiden seien vom Gesetzgeber enge Grenzen gesetzt. Nur so könne das Rechtsschutzbedürfnis der Partei und deren schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des Bescheides ausreichend gewahrt werden. Gemäß § 68 Abs. 2 AVG könnten nur solche Bescheide abgeändert werden, "aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist". Zu Recht vertrete der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass es bei der Aufhebungs- und Abänderungsbefugnis nicht auf die Art des Bescheids, sondern auf die Richtung der Abänderung ankomme. So könne eine belastende Abänderung eines Bescheids - unabhängig davon, ob ein begünstigender oder ein belastender Bescheid vorliege - nicht auf § 68 Abs. 2 AVG gestützt werden.
Mit dem Ausspruch des Verlustes des Aufenthaltsrechtes, der Erlassung des befristeten Einreiseverbotes, dem Ausspruch des Nichtbestehens einer Frist für die freiwillige Ausreise, sowie der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gehe unzweifelhaft eine Verschlechterung der Rechtsstellung einher. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hätte den angefochtenen Bescheid nicht erlassen dürfen, weshalb dieser ersatzlos zu beheben sei.
II. Beweiswürdigung:
Der oben wiedergegebene Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten den Beschwerdeführer betreffenden Verwaltungs- und Gerichtsakten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
§ 17 VwGVG normiert wie folgt: "Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte."
zu Spruchpunkt A.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Die Bestimmung des § 68 AVG lautet hinsichtlich ihrer Absätze 1 und 2 wie folgt:
"(1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.
Daraus geht hervor, dass eine amtswegige Aufhebung oder Abänderung für der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegender Bescheide nur für Bescheide, "aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist", in Betracht kommt (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 2015, Ra 2015/12/0029 m.w.H., wonach die Anhängigkeit einer Beschwerde bei den Verwaltungsgerichten - wie im vorliegenden Fall - die Anwendbarkeit des § 68 Abs. 2 AVG nicht ausschließt).
Aus einem Bescheid, mit dem im Einparteienverfahren das Begehren der Partei u.a. - wie im vorliegenden Fall - abgewiesen oder eine Verpflichtung auferlegt wird, ist im Sinne des § 68 Abs. 2 AVG zwar niemandem ein Recht erwachsen. Eine Abänderung bzw. Aufhebung nach § 68 Abs. 2 AVG ist allerdings auch hier nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unzulässig, wenn dadurch die Rechtslage der Partei ungünstiger als durch den abgeänderten bzw. aufgehobenen Bescheid gestaltet wird (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs vom 26. April 1993, 90/10/0209; vom 27. April 2000, 98/10/0317; vom 9. September 2016, 2013/12/0196; vom 27. Mai 2014, 2011/10/0197 u.v.m. sowie Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum AVG, Rz. 81 ff zu § 68, Stand 1.3.2018, rdb.at).
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ihren den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abweisenden Bescheid vom 09.05.2018 hinsichtlich der darin ebenfalls ausgesprochenen Rückkehrentscheidung insofern abgeändert, als sie diese durch ein Einreiseverbot ergänzt, einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt sowie die ursprünglich erteilte Frist zur freiwilligen Ausreise zurückgenommen hat.
Damit wurde die Rechtsposition des Beschwerdeführers aber unzweifelhaft ungünstiger als im Vergleich zur ursprünglichen Entscheidung gestaltet, weshalb die belangte Behörde im Sinne der oben zitierten Rechtslage zur gegenständlichen amtswegigen Aufhebung und Abänderung gemäß § 68 Abs. 2 AVG - wie der Beschwerdeführer auch zutreffend ausgeführt hat - nicht berechtigt war.
Da somit aber die von der belangten Behörde herangezogene Bestimmung des § 68 Abs. 2 AVG keine Grundlage für die gegenständliche Abänderung bilden konnte, und auch sonst keine entsprechenden Rechtsgrundlagen, auf welche die belangte Behörde die in Rede stehende Abänderung stützen hätte können, vorliegen, war der Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos zu beheben (vgl. zu alldem BVwG 27.11.2018, W256 2180929).
Vor dem Hintergrund, dass der gegenständlich angefochtene Bescheid bereits auf Grund der Aktenlage aufzuheben war, konnte gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht entfallen.
Auch konnte aufgrund der gegenständlich erfolgten Sachentscheidung binnen der durch § 18 Abs. 5 BFA-VG normierten Frist ein gesonderter Abspruch über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unterbleiben.
Zu Spruchpunkt B)
Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung, von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es - wie der oben angeführten Rechtsprechung zu entnehmen ist - an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
amtswegige Abänderung, Behebung der Entscheidung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W202.2198368.2.00Zuletzt aktualisiert am
02.10.2019