TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/10 W242 2173971-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.04.2019
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Entscheidungsdatum

10.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W242 2173971-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Heumayr als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Dr. Mario ZÜGER, RA in Wien 1., Seilergasse 16, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 9 Abs. 1 Z 1 2. Fall AsylG 2005 stattgegeben und werden die Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG stattgegeben und wird gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 aufgrund des Antrages des XXXX vom XXXX die Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter um zwei weitere Jahre verlängert.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte nach seiner Einreise in das Bundesgebiet am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich (im Folgenden: Bundesamt), vom 21.09.2017, Zahl XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und wurde ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 22.09.2018 erteilt (Spruchpunkt III.). In der Begründung des Bescheides wurde zur Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr festgestellt, dass er aufgrund der allgemein prekären Sicherheitslage einer Gefährdung ausgesetzt sei. Zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde begründend ausgeführt, dass zur allgemeinen Sicherheitslage hinzukomme, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan über keine tragfähigen familiären Anknüpfungspunkte mehr verfügen und er keine Berufserfahrung haben würde.

Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. In der Beschwerdeverhandlung am XXXX zog der Beschwerdeführer diese Beschwerde zurück und wurde das Beschwerdeverfahren mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX , GZ. XXXX , eingestellt.

Am XXXX stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005.

Aufgrund dieses Antrages wurde der Beschwerdeführer am 06.09.2018 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich Einvernommen. Im Zuge der Einvernahme legte der Beschwerdeführer auch Unterlagen zum Beweis seiner Integration in Österreich vor und gab an, dass seine Familie, bestehend aus seinen Eltern, zwei Schwestern, zwei Brüder sowie einen Onkel mütterlicherseits in der Herkunftsprovinz in Afghanistan leben würden. Zwei Tanten väterlicherseits würden in der Stadt Herat leben. Zwei Onkel väterlicherseits seien in den Iran ausgewandert.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 07.09.2018 wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und der Antrag vom XXXX auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betragen würde (Spruchpunkt VI.). Begründend wurde zur Aberkennung des Staus des subsidiär Schutzberechtigten ausgeführt, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom XXXX nur erfolgt sei, weil es zu diesem Zeitpunkt noch notwendig gewesen sei, dass der Betroffene im Falle der Rückkehr in das Heimatland dort familiäre Anknüpfungspunkte und finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten besitze. Im damaligen Verfahren hätten solche anscheinend nicht festgestellt werden können und wären solche zum jetzigen Entscheidungspunkt nicht mehr notwendig. Die subjektive Lage des Beschwerdeführers habe sich jedoch im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt dahingehend geändert, indem er jetzt unzählige Verwandte in Afghanistan und im Iran hätte. Er habe sogar zwei Tanten in Mazar-e-Sharif zur Verfügung stehen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht eine vollumfängliche Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtswidrig erfolgt sei, da sich die subjektive Lage des Beschwerdeführers nicht geändert und sich die Sicherheitslage in Afghanistan noch mehr verschlechtert habe. Die Gründe für die Aberkennung des subsidiären Schutzes wären nicht nachvollziehbar und sei die erlassene Rückkehrentscheidung nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer u.a. ausführlich zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat und seiner Integration in Österreich befragt wurde. Das Bundesamt teilte bereit bei der Vorlage der Beschwerde mit, dass auf die Durchführung und die Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung verzichte, weshalb trotz Ladung ein Vertreter des Bundesamtes an der Verhandlung nicht teilnahm. Die Verhandlungsschrift wurde dem Bundesamt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, führt den Namen XXXX , gehört der Volksgruppe der Tadschiken an, spricht als Muttersprache Dari und bekennt sich zum sunnitischen Islam.

Der Beschwerdeführer kennt sein Geburtsdatum nicht und wurde in Afghanistan, in der Provinz Baghlan, im Distrikt Baghlan, im Dorf XXXX , im Ortsteil XXXX geboren. Der Beschwerdeführer lebte bis zu seiner Ausreise im Geburtsort.

Er besuchte elf Jahre lang die Schule und arbeitete im Geschäft des Vaters als Obst- und Gemüsehändler.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.

Die Familie des Beschwerdeführers, bestehend aus seinen Eltern, seinen beiden Brüdern und Schwestern, zwei Tanten väterlicherseits, lebt weiterhin in Afghanistan. Der Beschwerdeführer hat bis vor acht Monaten vor der Verhandlung regelmäßigen Kontakt zu seiner Familie gehabt.

Der Beschwerdeführer ist gesund und leidet an keinen lebensbedrohenden Krankheiten. Er ist bis dato strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen. Unter einem wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum XXXX erteilt. Begründet wurde die Zuerkennung des subsidiären Schutzes mit dem Fehlen familiärer Anknüpfungspunkte in Afghanistan.

Die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten wurde nach Zurückziehung mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX eingestellt.

Der Verlängerungsantrag der befristeten Aufenthaltsberechtigung wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX abgewiesen und unter anderem der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt sowie eine Rückkehrentscheidung ausgesprochen. Die Aberkennung des subsidiären Schutzes wurde mit dem Bestehen ausreichender familiärer Anknüpfungspunkte in Afghanistan begründet.

Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers wird festgestellt, dass sich die Umstände, die zur Gewährung subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX nicht wesentlich und nachhaltig verändert bzw. verbessert haben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch:

-

Einsichtnahme in die Verwaltungsakte zu den Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz und Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, insbesondere in das Protokoll der niederschriftlichen Einvernahmen vom 22.05.2017 und 06.09.2018 sowie in die Beschwerde vom 09.10.2018;

-

Einsichtnahme in das Länderinformationsblatt zu Afghanistan vom 29.06.2018, letzte KI vom 01.03.2019;

-

Einsichtnahme in die vom Beschwerdeführer im gesamten Verfahren vorgelegten Urkunden;

-

Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung am

XXXX und

-

Einsicht in das Strafregister.

Die Feststellungen zur familiären Situation des Beschwerdeführers in Afghanistan beruhen insbesondere auf der unzweifelhaften Aktenlage aus der sich ergibt, dass der Beschwerdeführer bereits im Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX vorbrachte, über familiäre Bindungen und somit über ein familiäres Netzwerk in Afghanistan in seiner Herkunftsprovinz zu verfügen. Er hätte als Gemüseverkäufer gearbeitet und würde die Familie von den Einnahmen des Geschäftes und vom Ertrag ihres Grundstückes leben. Nähere Erhebungen wurden durch das Bundesamt zur familiären Situation des Beschwerdeführers in diesem Verfahren nicht gemacht. In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 06.09.2018 brachte er vor, dass seine Familie, bestehend aus beiden Elternteilen, zwei Brüdern, zwei Schwestern und zwei Tanten mütterlicherseits noch in Afghanistan leben würden und er seit acht Monaten nicht mehr mit ihnen gesprochen habe. Der Beschwerdeführer machte in seiner gerichtlichen Befragung gleichlautende Angaben zum Aufenthalt seiner Familie, weshalb von der Glaubhaftigkeit seiner Angaben ausgegangen werden und die entsprechenden Feststellungen darauf gestützt werden können.

Dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden ist, ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht erstellten Auszug aus dem Strafregister.

Die Feststellungen über den Zeitpunkt der Asylantragstellung, den Gegenstand des Bescheides des Bundesamtes vom XXXX und des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX sowie den Gegenstand des angefochtenen Bescheides stützen sich auf den Inhalt des Verwaltungs- und Gerichtsaktes.

Eine Feststellung des Inhalts, dass sich die Umstände, die zur Gewährung subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX nicht wesentlich und nachhaltig verändert haben, konnte im Lichte eines Vergleichs der individuellen Situation des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Zuerkennung subsidiären Schutzes einerseits und zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides bzw. der vorliegenden Entscheidung andererseits getroffen werden. Dabei erfolgte insbesondere eine Gegenüberstellung des Inhalts der dem Bescheid vom XXXX zugrundeliegenden Begründung mit der, die das Bundesamt bei Erlassung des angefochtenen Bescheides herangezogen hat, sowie auch mit der zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung bestehenden individuellen Situation des Beschwerdeführers.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

I.: Stattgebung der Beschwerde und ersatzlose Behebung der Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI.:

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des § 9 AsylG 2005 lauten (auszugsweise) wie folgt:

"Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.

(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen."

Vorauszuschicken ist, dass sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausdrücklich auf den Aberkennungstatbestand nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 bezog. Die Frage, ob die Aberkennung des Schutzstatus auf den ersten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, dem zufolge die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten "nicht vorliegen", oder auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, dem zufolge die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten "nicht mehr vorliegen", gestützt wurde, ist anhand der konkretisierenden Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung des Bundesamtes zu beantworten, wonach die Aberkennung erfolgt, weil "[...] Wie bereits in der Beweiswürdigung ausführlich dargestellt, sind die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegend, [...]".

Im ersten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 stellt das Gesetz darauf ab, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nie vorgelegen sind. Dieser Tatbestand korrespondiert mit Art. 19 Abs. 3 lit. b der Statusrichtlinie, nach dem eine Aberkennung oder Nichtverlängerung des Status dann erfolgt, wenn eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ausschlaggebend war.

Im zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, in dem die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen, wird auf eine Änderung der Umstände abgestellt, die so wesentlich und nicht nur vorübergehend ist, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hatte, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

Gegenständlich ergibt sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides zweifelsfrei, dass es sich um die Anwendung des zweiten Falles des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 handelt, zumal weder Hinweise dafür vorliegen, dass eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen seitens des Beschwerdeführers für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes ausschlaggebend war, noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich der Kenntnisstand der Behörde hinsichtlich eines für die Zuerkennung relevanten Tatsachenumstandes geändert hätte.

Vielmehr zog die belangte Behörde offenbar mit Blick auf eine vermeintliche Änderung des Sachverhalts (insb. Eine Unterstützung durch die in Afghanistan aufhältige Familie) sowie aufgrund einer von ihr verorteten Änderung der "Entscheidungspraxis" der Höchstgerichte zu den Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes (betreffend alleinstehende leistungsfähige Männer ohne soziales Netzwerk) den Tatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 heran.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 21.09.2017 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Unter einem wurde ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 22.09.2018 erteilt.

Die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten wurde dabei aus der Begründung offensichtlich im Wesentlichen auf das Fehlen eines familiären Netzwerkes und das Fehlen von Berufserfahrung gestützt, weshalb in weiterer Folge auch eine innerstaatlichen Fluchtalternative verneint worden ist und die Möglichkeit des Bestehens einer realen Gefahr einer Verletzung im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention angenommen wurde.

Soweit die belangte Behörde im nunmehr angefochtenen Bescheid die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 damit begründet, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr ein umfangreiches familiäres Netzwerk, welches aus unzähligen Verwandten in Afghanistan und im Iran bestehen würde und ihm jetzt sogar zwei Tanten väterlicherseits direkt in der Stadt Mazar-e-Sharif zur Verfügung stehen würden, deren Adresse er sogar kenne und er sogar in der Lage wäre seine Rückkehr vorher anzukündigen, damit diese den Kontakt zur restlichen Familie herstellen könnten bzw. er über diese Informationen über Beschäftigungsmöglichkeiten einholen könne, ist festzuhalten, dass dem Bundesamt die grundsätzlichen Informationen zum bestehenden familiären Netzwerk und zur Berufserfahrung des Beschwerdeführers in Afghanistan seit seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 22.05.2017 bekannt waren, wo er ausdrücklich vorbrachte, dass er elf Jahre die Schule besuchte, als Obst- und Gemüseverkäufer im Geschäft der Familie gearbeitet habe, die über eigene landwirtschaftlich genutzte Flächen verfüge, und die in Baghlan lebe. Das Bundesamt hat es lediglich unterlassen eine eingehende Befragung zu den näheren familiären Verhältnissen durchzuführen und hat, entgegen den bestehenden Kenntnissen über das Bestehen eines familiären Netzwerkes und grundlegender Berufserfahrung, diese verneint und dem Beschwerdeführer deswegen den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf die individuelle Situation des Beschwerdeführers liegt daher nicht vor.

Die vom Bundesamt verfügte Aberkennung des Schutzstatus nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 kann daher tatsächlich nicht das Resultat einer maßgeblichen Änderung des Sachverhalts sein. Auch die Bezugnahme auf die "jüngere Rechtsprechung" des Verwaltungsgerichtshofes indem "von einer Entscheidungspraxis, die jedenfalls ein in Kabul bestehendes soziales oder familiäres Netzwerk erfordert, um von einer tauglichen IFA ausgehen zu können, in keiner Weise die Rede sein kann" rechtfertigt nach Ansicht des erkennenden Gerichts keine Aberkennung des Schutzstatus aufgrund einer maßgeblichen Änderung des Sachverhalts zumal eine andere rechtliche Beurteilung oder Würdigung eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts nicht mit dem Wegfall oder (zumindest) der maßgeblichen Änderung jener Umstände, die zur rechtskräftigen Zuerkennung subsidiären Schutzes geführt haben, gleichzusetzen ist.

II. Stattgebung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. und Verlängerung des Aufenthaltstitels:

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Bestimmungen des § 8 AsylG 2005 lautet (auszugsweise) wie folgt:

"Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

...

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

..."

Zu den Voraussetzungen der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung und damit auch ihrer Dauer ergibt sich aus § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG 2005, dass die Verlängerung auf Antrag des Betroffenen und nach Maßgabe des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für den subsidiären Schutz zu erfolgen hat.

Das Bundesamt hat im angefochtenen Bescheid gemäß der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht dargetan.

Das Bundesamt hat das Bestehen einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative (in urbanen bzw. semi-urbanen Gebieten Afghanistans) in seinem Bescheid vom 21.09.2017 implizit verneint, zumal die Zuerkennung subsidiären Schutzes bei Bejahung einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Lichte des § 11 AsylG 2005 gar nicht in Betracht gekommen wäre. Nunmehr erachtet das Bundesamt entgegen seiner bisherigen Einschätzung eine innerstaatliche Fluchtalternative in Herat als gegeben. Im Vergleich zu dem den Bescheid vom XXXX zugrunde gelegten Sachverhalt ist jedoch eine dauerhafte und nachhaltige Änderung der Situation des Beschwerdeführers nicht erkennbar.

Eine grundlegende Änderung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat hat sich im Vergleich mit der dem Bescheid vom XXXX zugrunde gelegten Situation, die zu er Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führte, nicht ergeben.

Vielmehr hat die belangte Behörde die Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten erkennbar auf das Vorliegen des bereits ursprünglich bekannten tragfähigen familiären Netzwerks sowie mit einer von ihr verorteten Änderung der Entscheidungspraxis der Höchstgerichte betreffend alleinstehende leistungsfähige Männer ohne soziales Netzwerk gestützt. Dass aber eine andere rechtliche Würdigung eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts die Aberkennung eines rechtskräftig zuerkannten subsidiären Schutzes nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 nicht zu tragen vermag, wurde bereits ausgeführt. Insbesondere widerspricht es dem Normzweck, dass die belangte Behörde unter Verweis auf die von ihr nunmehr vertretene, von ihrem Bescheid vom XXXX sichtlich abweichende Rechtsauffassung hinsichtlich der Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes (bzw. hinsichtlich des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative) die Rechtskraft dieses Bescheides im Wege der Aberkennung des Schutzstatus zu durchbrechen versucht.

Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 lagen sohin mangels wesentlicher und nachhaltiger Änderung der maßgeblichen Umstände gegenständlich nicht vor.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und kommt dem Beschwerdeführer aufgrund der Behebung des Bescheides weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug den Herkunftsstaat Afghanistan zu.

Dem Beschwerdeführer wurde aufgrund der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bereist einmal gemäß § 8 Abs. 4 1. Satz AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter erteilt.

Aufgrund des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen ist nunmehr die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs. 4 2. Satz AsylG 2005 um zwei weitere Jahre zu verlängern.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten,
Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1, befristete
Aufenthaltsberechtigung, Behebung der Entscheidung, ersatzlose
Teilbehebung, familiäre Situation, individuelle Verhältnisse,
Rückkehrentscheidung behoben, Verlängerung, wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W242.2173971.2.00

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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