Entscheidungsdatum
15.04.2019Norm
AsylG 2005 §55 Abs1Spruch
L516 2013612-2/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Pakistan, vertreten durch Mag. German BERTSCH, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.12.2017, 13-650652505/170378043, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 58 Abs 10 AsylG stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.
B)
Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan und stellte am 24.03.2017 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gem § 55 Abs 1 AsylG.
2. Das BFA verständigte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 02.08.2017 vom Ergebnis einer Beweisaufnahme; der Beschwerdeführer äußerte sich dazu durch seinen vormaligen Vertreter per E-Mail vom 21.08.2017, 12.09.2017 sowie 22.11.2017 und legte eine Reihe von Empfehlungsschreiben, Kurs- und Prüfungsbestätigungen vor.
3. Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers gem § 58 Abs 10 AsylG zurück.
Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer vom BFA mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt.
4. Gegen diesen am 05.12.2017 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 02.01.2018.
5. Mit Schriftsatz vom 09.04.2019 gab der nun ausgewiesen Vertreter die Bevollmächtigung und Beauftragung zur Vertretung des Beschwerdeführers bekannt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Pakistan, stellte am 06.11.2013 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Rechtsmittelweg vom Bundesverwaltungsgericht mit seit 25.05.2016 rechtskräftigem Erkenntnis vom 20.05.2016, L506 2013612-1/12E, zur Gänze abgewiesen wurde; gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan zulässig sei. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 22.09.2016, E 1393/2016-9, ab und der Verwaltungsgerichtshof wies eine erhobene Revision mit Beschluss vom 23.02.2017, Ra 2017/20/0029-4, zurück.
1.2. Am 24.03.2017 stellte der Beschwerdeführer den dem gegenständlichen Verfahren zugrunde liegenden Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gem § 55 Abs 1 AsylG.
1.3. Der Beschwerdeführer verfügte seit der Stellung seines Antrages auf internationalen Schutzes im November 2013 bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.05.2016 über ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG. Er absolvierte in diesem Zeitraum am 22.10.2015 die Deutschprüfung "ÖSD Zertifikat A2", betätigte sich in einer Tischlerei der Caritas sowie als Zeitungsausträger auf Werkvertragsbasis und besuchte in seiner Freizeit einen Badmintonverein. Er verfügt auch seit 14.09.2015 über einen österreichischen Führerschein (AS 17, 55; BVwG 20.05.2016, L506 2013612-1/12E).
1.4. Seit Juli 2016 führt der Beschwerdeführer eine Beziehung mit einer deutschen Staatsangehörigen. Der Beschwerdeführer hat des Weiteren am 12.10.2017 die Sprachprüfung "ÖSD Zertifikat Deutsch Österreich B1" bestanden. Er ist weiterhin Mitglied im Badmintonverein und hat inzwischen auch seinen bestehenden Freundeskreis in Österreich weiter verfestigt; so wird in einer Reihe von vorgelegten Empfehlungsschreiben österreichischer Staatsangehöriger aus dem Zeitraum vom 24.08.2017 bis 15.09.2017 ein äußerst positives Bild vom Beschwerdeführer, seinem Charakter und dessen sozialen Beziehungen in Österreich gezeichnet (AS 61-107; 111, 12).
1.5. Er ist auch strafrechtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
Die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen
2.1. Die Feststellungen zum Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 06.11.2013 sowie zur Stellung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gem § 55 Abs 1 AsylG vom 24.03.2017 (oben II.1.1. und II.1.2.) beruhen auf dem Inhalt des vom BFA vorgelegten Verwaltungsverfahrensaktes im Einklang mit dem im angefochtenen Bescheid des BFA wiedergegebenen Verfahrensganges und den Verfahrensakten Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2. Die Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer in Österreich bis zum Abschluss seines Antrages auf internationalen Schutz gesetzten und erreichten Integrationsschritten (oben II.1.3.) beruhen auf den diesbezüglich von der Behörde unbestritten gebliebenen Angaben des Beschwerdeführers in Verbindung mit den im Verwaltungsverfahrensakt befindlichen und von der Behörde nicht in Zweifel gezogenen Dokumenten sowie auf den Feststellungen im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.05.2016).
2.3. Die Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer seit Abschluss des Verfahrens zu seinem Antrages auf internationalen Schutz bis zur gegenständlich angefochtenen Entscheidung des BFA in Österreich gesetzten und erreichten Integrationsschritten (oben II.1.4.) beruhen auf den diesbezüglich von der Behörde unbestritten gebliebenen und selbst festgestellten Angaben des Beschwerdeführers in Verbindung mit den im Verwaltungsverfahrensakt befindlichen und von der Behörde nicht in Zweifel gezogenen Dokumenten, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden Aktenseiten des Verwaltungsverfahrensaktes bzw Quellen angeführt sind.
2.4. Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus dem Strafregister der Republik Österreich.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Stattgabe der Beschwerde und ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides
Rechtsgrundlagen
3.1. Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
3.2. Gemäß § 55 Abs 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn 1.) dies gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist und 2.) der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl I Nr 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl I Nr 189/1955) erreicht wird. Gem Abs 2 ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs 1 Z 1 vorliegt.
3.3. Gemäß § 58 Abs 10 AsylG sind Anträge gemäß § 55 AsylG als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
Zum gegenständlichen Verfahren
3.4. Wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (VwGH 19.10.2016, Ro 2016/12/0009).
3.5. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass "- als Nachfolgeregelung des § 44b Abs 1 Z 1 NAG 2005 -" nunmehr § 58 Abs 10 AsylG 2005 bestimmt, dass Anträge gemäß § 55 AsylG 2005 als unzulässig zurückzuweisen sind, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG 2014 ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Nach dieser Judikatur liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr läge ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufgewiesen hätten, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art 8 EMRK geboten hätte. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs 10 AsylG 2005 zulässig. (VwGH Ra 12.11.2015, Ra 2015/21/0101)
3.6. Im vorliegenden Fall sind seit Eintritt der Rechtskraft des im Verfahren zum Antrag auf internationalen Schutz ergangenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.05.2016 bis zu gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 01.12.2017 über eineinhalb Jahre vergangen. Der Beschwerdeführer hat entsprechend den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen (siehe dazu oben, II.1.4.) aufgezeigt, dass er in dieser Zeit Schritte gesetzt hat, um seine Integration zu verbessern. Dass der Verwaltungsgerichtshof in verschiedenen Konstellationen einzelne der hier maßgeblichen Aspekte für sich genommen als nicht hinreichend erachtet hat, um eine maßgebliche Sachverhaltsänderung zu bewirken, führt nicht dazu, dass bei einer Gesamtbetrachtung der dargestellten Umstände eine abweichende Beurteilung nach Art 8 MRK jedenfalls ausgeschlossen werden kann (vgl VwGH 19.04.2016, Ra 2015/22/0052).
Vor diesem Hintergrund kann fallbezogen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung (auch unter Einbeziehung seines mehrjährigen Inlandsaufenthaltes) eine zu Gunsten des Fremden vorzunehmende Interessenabwägung nach Art 8 MRK jedenfalls nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten, weshalb sich die Zurückweisung des Antrags gem § 58 Abs 10 AsylG als unzulässig erweist.
3.7. Hat die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen, so ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über den zugrunde liegenden Antrag hätte demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschritten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115).
3.8. Es war daher im Ergebnis der Beschwerde stattzugeben und die angefochtene Entscheidung ersatzlos zu beheben. Für das vom BFA in weiterer Folge fortzusetzende Verfahren ergibt sich, dass durch die im vorliegenden Fall gebotene Aufhebung des angefochtenen Bescheides in der Sache der verfahrensgegenständliche Antrag des Beschwerdeführers wieder unerledigt ist. Über diesen Antrag wird daher das BFA nun unter Beachtung der höchstgerichtlichen Judikatur und nach Durchführung der dafür erforderlichen Ermittlungsschritte neuerlich, diesmal in der Sache selbst abzusprechen haben (vgl VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0314).
Entfall der mündlichen Verhandlung
3.9. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu B)
Revision
3.10. Da die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage klar bzw durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist, ist die Revision nicht zulässig.
3.11. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Asylverfahren, Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L516.2013612.2.00Zuletzt aktualisiert am
02.10.2019