TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/15 I420 2144901-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.04.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.04.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I420 2144903-1/13E

I420 2144900-1/12E

I420 2144901-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Magdalena HONSIG-ERLENBURG als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, der minderjährigen XXXX, geb. XXXX, und des minderjährigen XXXX, geb. XXXX, die minderjährigen Beschwerdeführer gesetzlich vertreten durch XXXX, alle irakische Staatsbürger und vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.12.2016, Zl. 1090111707-151492281, Zl. 1090112007-151492290 und Zl. 1090111805-151492393, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.02.2019, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Verfahren von XXXX (Erstbeschwerdeführerin) und ihrer minderjährigen Kinder (der am XXXX geborenen Zweitbeschwerdeführerin XXXX und des am XXXX geborenen XXXX) sind im Sinne des § 34 AsylG 2005 gemeinsam als Familienverfahren zu führen.

Die Erstbeschwerdeführerin, die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer reisten unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellten am 05.10.2015 Anträge auf internationalen Schutz.

Am 07.10.2015 wurde die Erstbeschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch niederschriftlich einvernommen und dabei u.a. zu ihrem Gesundheitszustand, ihren Lebensumständen im Irak, ihren Familienangehörigen und ihren Fluchtgründen bzw. Rückkehrbefürchtungen befragt. Die Erstbeschwerdeführerin gab an, aus Bagdad, Irak, zu stammen, verheiratet und sunnitische Muslimin zu sein. Zu ihrem Fluchtgrund befragt gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihre Familie im Irak von einer Gruppe bedroht worden sei. Diese Gruppe hätte das Auto beschädigt und eine Fensterscheibe im Haus eingeschlagen. Aus Angst um ihr Leben sei die Erstbeschwerdeführerin mit ihrem Ehemann und ihren Kindern zu ihren Eltern gegangen. Sie sei mit den Kindern nach Europa, ihr Ehemann nach Erbil geflüchtet.

Die Erstbeschwerdeführerin wurde am 29.11.2016 niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen. Die Erstbeschwerdeführerin gab zu ihren Fluchtgründen befragt an, dass Krieg im Irak herrsche und sie Angst um ihre Kinder habe. Sie sei nicht konkret verfolgt worden, die Familie hätte aufgrund des Krieges das Land verlassen. Die Fenster im Haus der Beschwerdeführerin seien eingeschlagen sowie das Auto beschädigt worden, wobei sie nicht wisse, wer der Täter sei. Ihr Ehemann sei im Nordirak verblieben, um die Ausreise für die Familie zu organisieren. Da das Geld nicht ausgereicht habe, sei der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin im Nordirak verblieben und befinde sich derzeit in der Türkei.

Im Zuge des behördlichen Verfahrens wurden irakische Staatsbürgerschaftsnachweise sowie irakische Personalausweise der Erst-, der Zweit- und des Drittbeschwerdeführers, ein Ausweis des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin, eine Kopie des Heiratsvertrages und eine Kopie des Meldezettels des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin vorgelegt.

In der Folge wurden die Anträge der Beschwerdeführer mit den im Spruch genannten Bescheiden des BFA vom 13.12.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde den Beschwerdeführern der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide). Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 12.12.2017 erteilt (Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide). Die belangte Behörde führte aus, dass keine Gefährdungslage glaubhaft gemacht worden sei. Eine aktuelle individuelle Bedrohung der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat habe daher nicht erkannt werden können.

Gegen Spruchpunkt I. der im Spruch genannten Bescheide wurde fristgerecht mit Schreiben der Beschwerdeführer vom 09.01.2017 Beschwerde erhoben sowie entsprechende Vollmachten für die Vertretung durch den Verein Menschenrechte Österreich vorgelegt. Es wurde beantragt das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG durchführen und die angefochtenen Entscheidungen hinsichtlich Spruchpunkt I. beheben und den Beschwerdeführern Asyl zuerkennen.

Hierzu führten die Beschwerdeführer begründend aus, dass die belangte Behörde nicht auf das individuelle Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin eingegangen sei. Angesichts der aktuellen Situation im Irak sei davon auszugehen, dass versucht worden sei, den Ehemann der Erstbeschwerdeführerin seitens der Miliz zu nötigen, an Kriegshandlung/kriminellen Aktivitäten teilzunehmen oder auch auf andere Weise zu verfolgen. Zudem ergebe sich schlüssig, dass sich die Erstbeschwerdeführerin keiner Seite im Zuge der fortwährenden Kampfhandlungen angeschlossen habe und keinesfalls der Miliz anschließen habe wollen. Vor diesem Hintergrund sowie der notorischen Tatsache der Präsenz autonom regierender Milizen müsse die Furcht des Beschwerdeführers (gemeint wohl der volljährige Sohn der Erstbeschwerdeführerin) vor einer Verfolgung durch Milizen im Irak als berechtigt und "wohlbegründet" im Sinne der GFK angesehen werden. In diesem Zusammenhang sei festzuhalten, dass die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung das Vorliegen einer bereits erlittenen oder zumindest konkret angedrohten Verfolgung nicht voraussetze, zumal die Erstbeschwerdeführerin die Vorgehensweise der Milizen selbst beobachtet habe. Es bestehe ein erhebliches Risiko, dass die Erstbeschwerdeführerin und ihre Kinder ins Visier v.a. wegen der Verweigerung einer Unterstützung geraten würden und deshalb einer Verfolgungshandlung ausgesetzt seien.

Beschwerde und Bezug habende Verwaltungsakte wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 13.01.2017 vorgelegt. Am 04.07.2018 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin zugewiesen.

Mit Schreiben vom 21.02.2019 legte der Sohn der Erstbeschwerdeführerin zum Beweis seiner Entführung polizeiliche Anzeigen der Erstbeschwerdeführerin und ihres Ehemannes sowie eine Skizze hinsichtlich des angeblichen Tatortes der Entführung vor.

Am 26.02.2019 wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht abgehalten, in welcher die Erstbeschwerdeführerin im Beisein ihrer Rechtsvertretung befragt wurde; im Vorfeld war den Beschwerdeführern das Länderinformationsblatt zum Irak zugeschickt worden.

Die Verfahren der Beschwerdeführer wurden seitens des Bundesverwaltungsgerichts zur gemeinsamen Verhandlung verbunden. Zudem wurden die Verfahren auch mit dem Verfahren des volljährigen Sohnes der Erstbeschwerdeführerin (Beschwerdeführer zu I420 2144902-1), der ebenfalls im Jahr 2015 in das Bundesgebiet eingereist ist, zur gemeinsamen Verhandlung verbunden. Auch der Sohn der Erstbeschwerdeführerin wurde geladen und zu seinem Verfahren befragt. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde die Erstbeschwerdeführerin im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch u.a. zu ihrer Identität, ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, ihren Familienverhältnissen sowie ihren Fluchtgründen befragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-

Einsicht in die die Beschwerdeführer betreffenden und dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakte des BFA, insbesondere in die Befragungsprotokolle;

-

Befragung der Erstbeschwerdeführerin sowie ihres volljährigen Sohnes (Beschwerdeführer zu I420 2144902-1) im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.02.2019;

-

Einsicht in das Schreiben (inklusive Beilagen) des Sohnes der Erstbeschwerdeführerin vom 21.02.2019;

-

in das Verfahren eingeführte Länderberichte zur Situation im Herkunftsstaat;

-

Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und das Grundversorgungssystem.

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Republik Irak. Es handelt sich bei den Beschwerdeführern um eine volljährige Frau (Erstbeschwerdeführerin), ihre minderjährige Tochter (Zweitbeschwerdeführerin) und ihren minderjährigen Sohn (Drittbeschwerdeführer).

Die Identitäten der Beschwerdeführer stehen fest.

Die Beschwerdeführer gehören der Volksgruppe der Araber an und sind sunnitische Muslime.

Der Erstbeschwerdeführerin ist mit einem irakischen Staatsangehörigen standesamtlich sowie traditionell verheiratet und die Mutter sowie die gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin und des minderjährigen Drittbeschwerdeführers.

Die Beschwerdeführer halten sich seit spätestens 05.10.2015 in Österreich auf.

Im Bundesgebiet leben die Beschwerdeführer in einem gemeinsamen Haushalt und sind strafrechtlich unbescholten.

II.1.2. Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführer:

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Irak aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würden.

II.1.3. Zur Situation im Irak:

Zur allgemeinen Lage:

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit dem Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, z.B. den sogenannten Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite geprägt. Dabei stand vor allem die Kontrolle der Stadt MOSUL, Hauptstadt der Provinz NINAWA, im Fokus. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen ANBAR, DIYALA und SALAH AL-DIN im Zentral- und Südirak voraus.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, gemeinsam mit den schiitischen Milizen, den Popular Mobilisation Forces (PMF), sowie mit Unterstützung alliierter ausländischer Militärkräfte die Einheiten des IS sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz ANBAR als auch aus den nördlich an BAGDAD anschließenden Provinzen DIYALA und SALAH AL-DIN zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt MOSUL sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze westlich von MOSUL.

Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in BAGDAD und anderen Städten im Südirak und im Zentralirak seine - wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte - Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren.

Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premierminister Haider AL-ABADI die Stadt MOSUL für vom IS befreit. In der Folge wurden von der Militärallianz auch frühere Bastionen des IS westlich von MOSUL in Richtung der irakisch-syrischen Grenze zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz ANBAR sowie einer Enklave südlich von KIRKUK, doch gab der Premierminister AL-ABADI im Dezember 2017 bekannt, dass der IS, auch in diesen Gebieten, besiegt sei.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich DOHUK, ERBIL und SULEIMANIYA, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte, sowie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen, als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung bezüglich der Frage der Kontrolle der kurdischen Sicherheitskräfte. Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz BASRA, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und seit 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in ANBAR und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden, verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt, mit sich brachte. Die sicherheitsrelevante Situation im Großraum BAGDAD ist durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu dienen sollte, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte zu richten um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden.

Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten ebenso wenig, wie Hinweise auf eine Säuberung von durch ethnische oder religiöse Gruppierungen bewohnten Gebieten.

Beim Unabhängigkeitsreferendum bezüglich der Frage der Loslösung Irakisch Kurdistans (KRI) vom irakischen Staat stimmten am 25.09.2017 92,7 Prozent der Stimmberechtigten für einen eigenen Staat (Wahlbeteiligung: 72 Prozent) (ORF 27.9.2017). Als Reaktion darauf verbot die irakische Zentralregierung u.a. internationale Flüge in die Region. Die irakische Zentralregierung bat zudem die beiden Länder Türkei und Iran darum, ihre Grenzen zu den kurdischen Autonomiegebieten zu schließen sowie jeglichen Handel einzustellen. Die Grenzübergänge von der KRI zum Iran und der Türkei sind seit dem Referendum nur mehr teilweise geöffnet (s. Karte unten). Die Irakischen Sicherheitskräfte (ISF) haben außerdem begonnen, Checkpoints an diesen Grenzübergängen einzurichten. Irakische Regierungskräfte haben als Reaktion auf das Kurdenreferendum beinahe alle Gebiete eingenommen, die zu den sogenannten "umstrittenen Gebieten" zählen, einschließlich Kirkuk und die dort befindlichen Ölquellen. Neben den militärischen Maßnahmen fasste die Zentralregierung in Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitsreferendum eine Reihe weiterer Maßnahmen, darunter: Die Sanktionierung kurdischer Banken, das Einfrieren von Fremdwährungstransfers, sowie das Einstellen von Flugverbindungen und mobilen Kommunikationsnetzen.

Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Leitung des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren.

In den südlichen Provinzen ist der Großteil der Gewalt, die dort stattfindet, nicht terroristischer Natur, sondern krimineller und "tribaler" (d.h. stammesbezogener) Natur. Die Provinz BASRA war nicht direkt von der Offensive der Gruppe Islamischer Staat (IS) im Juni 2014 betroffen und sind dort keine direkten Auseinandersetzungen zwischen IS-Kämpfern und irakischen Truppen festzustellen gewesen. Es wird zwar über Auseinandersetzungen zwischen schiitischen Stämmen berichtet, jedoch finden sich keine Berichte über Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten. Auch wird über kriminelle Banden berichtet, die für Entführungen zur Erpressung von Lösegeld, einen Anstieg von Gewalttaten, von Diebstahl, von bewaffneten Raubüberfällen, Tötungen und Drogenhandel verantwortlich gemacht werden (OSAC 07.03.2017). Die Bestrebungen der ISF gehen dahin, die Sicherheit in Stadt und Provinz BASRA aufrecht zu erhalten, während bewaffnete Gruppen um die vorhandenen Ressourcen kämpfen/rivalisieren (OSAC 07.03.2017).

Die Verfassung des Iraks gewährt das Recht auf freie Meinungsäußerung, sofern die Äußerung nicht die öffentliche Ordnung oder die Moral verletzt, Unterstützung für die Baath-Partei ausdrückt oder das gewaltsame Verändern der Staatsgrenzen befürwortet. Der größte Teil der Einschränkungen dieses Rechts kommt durch Selbstzensur auf Grund von glaubhafter Furcht vor Repressalien durch die Regierung, politische Parteien, ethnische und konfessionelle Kräfte, terroristische und extremistische Gruppen oder kriminelle Banden zustande. Bestimmte Berufsgruppen sind im Irak einem hohen Risiko, Opfer konfessioneller oder extremistischer Gewalt zu werden, ausgesetzt. Zu diesen Berufsgruppen zählen Künstler, Schriftsteller, Musiker und Poeten.

Quelle:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN.

Zur Lage Angehöriger der sunnitischen Glaubensgemeinschaft in der Stadt Bagdad:

Es gibt keine Berichte dazu, dass der irakische Staat Muslime sunnitischer Glaubensrichtung systematisch verfolgen und/oder misshandeln würde. Dennoch kommt es vor, dass Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zu Zielen von Angriffen von schiitischen Milizen werden.

Seit dem Jahr 2003 nahm die Dominanz der schiitischen Gemeinschaft in Bagdad stets zu. Der Bürgerkrieg im Irak in den Jahren 2006 und 2007 hat die vormals friedliche Koexistenz zwischen Sunniten und Schiiten im Irak nochmals schwer erschüttert. In Hinblick auf Bagdad kam es seitdem verstärkt zur Spaltung Bagdads in konfessionelle Linien, zu interkonfessioneller Gewalt und zu Vertreibungen und schließlich zur Bildung von separaten sunnitischen und schiitischen Vierteln. In Bezug auf Bagdad ist jedoch nicht zu entnehmen, dass die dort lebenden Sunniten einer Gruppenverfolgung bzw. einer systematischen Verfolgung durch schiitische Milizen ausgesetzt wären.

Quellen:

-

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 06.08.2018)

-

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 07.08.2018)

-

Al-Araby, 'Don't enter Baghdad': Wave of murder-kidnappings grips Iraq capital,

https://www.alaraby.co.uk/english/news/2017/5/17/dont-enter-baghdad-wave-of-murder-kidnappings-grips-iraq-capital, 17.05.2017 (Letzter Zugriff am 07.08.2018)

Eine landesweite und systematische Verfolgung für Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft besteht nicht.

Obwohl die sunnitische Glaubensgemeinschaft in Bagdad gegenüber der schiitischen Gemeinschaft die Minderheit darstellt, sie sie nach wie vor in der Gesellschaft und in der Regierung präsent.

In Bagdad gibt es Bezirke und Stadtteile, in denen überwiegend Sunniten leben. Als solche werden in den Länderberichten insbesondere Adhamiya, Mansour und Abu Ghraib genannt.

Quellen:

-

Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017,

http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Letzter Zugriff am 08.08.2018)

-

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq, insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen 02.02.2018,https://www.ecoi.net/de/dokument/1424853.html (Letzter Zugriff am 08.08.2018)

-

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 07.08.2018)

-

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 07.08.2018)

-

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 08.08.2018)

-

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc (Letzter Zugriff am 08.08.2018)

Laut UNHCR wurden in fast allen Teilen des Landes für Binnenflüchtlinge verschärfte Zugangs- und Aufenthaltsbeschränkungen implementiert. Zu den verschärften Maßnahmen gehören die Notwendigkeit des Vorweisens von Bürgen, die Registrierung bei lokalen Behörden sowie das Durchlaufen von Sicherheitsüberprüfungen durch mehrere verschiedene Sicherheitsbehörden. Zugangs- und Aufenthaltsbedingungen variieren von Provinz zu Provinz und beinhalten nicht nur Sicherheits-Screenings, sondern hängen Berichten zufolge auch vom persönlichen Profil der flüchtenden Personen und Familien ab, wie z.B. vom ethnisch-konfessionellen Hintergrund, dem Herkunftsort oder der Zusammensetzung der Familie der jeweiligen Person.

Quellen:

-

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 08.08.2018)

-

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees, Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 08.08.2018)

Zur Lage von Frauen im Irak:

In der Verfassung der Republik Irak ist die Gleichstellung der Geschlechter verankert und nach Art. 49 Abs. 4 der Verfassung im Irak eine Frauenquote von 25 % im Parlament (Autonomieregion Kurdistan: 30 %) vorgesehen. Dadurch sind im irakischen Parlament derzeit 82 von 328 Abgeordnete Frauen. Die irakische Verfassung spricht auch in der Präambel der Verfassung davon, den Rechten der Frauen besondere Aufmerksamkeit schenken zu wollen und Art. 22 Abs. 1 der irakischen Verfassung regelt das Recht auf Arbeit für alle irakischen Staatangehörigen.

Dennoch finden diese verfassungsgesetzlichen Garantien auf einfachgesetzlicher Ebene oftmals keine entsprechende Umsetzung. Defizite bestehen insbesondere im Familien-, Erb- und Strafrecht sowie im Staatsangehörigkeitsrecht. Die Diskriminierung von Frauen ist im Irak auch im sozialen und religiösen Kontext Alltag. Vor allem in schiitisch dominierten Bereichen herrschen oftmals islamische Regeln, die auch umgesetzt werden, zB Kopftuchzwang an Schulen und Universitäten und durch Unterdrückung eines "westlichen" bzw. "nicht konservativen" Lebens- und Kleidungsstils. Dadurch werden die Freizügigkeit der Frauen und somit auch deren Teilnahme am öffentlichen Leben eingeschränkt. Eine Reihe von AktivistInnenplattformen, NGO und andere internationale Akteure, z. B. UN Women, Iraqi Women Network, Iraqi Women Journalist's Forum und Organization of Women's Freedom in Iraq, kämpfen im Irak gegen die soziale, religiöse und rechtliche Diskriminierung und Unterdrückung der Frauen an. So arbeitet z.B. das UN Women Nationalkomitee im Irak mit der irakischen Regierung zusammen um die Ziele des Entwicklungsprogrammes der Vereinten Nationen (UNDAF) für den Referenzzeitraum 2015 - 2019 zu erreichen, zu welchem auch die Miteinbeziehung und Förderungen von Frauen und Mädchen zählen. So hat die irakische Regierung gegenüber der UNDAF die Zusage zur Förderung von Frauen und Mädchen im politischen und wirtschaftlichen Bereich auch für den Zeitraum von 2015 bis 2019 wiederholt.

Im Jahr 2014 lag die Erwerbsquote von Frauen im Irak bei ca. 14 %, stieg allerdings in den letzten Jahren an und lag im Jahr 2016 bei 17,8 %. Die Anzahl möglicher Betätigungsfelder für Frauen im Irak steigt stetig an, so sind Frauen nicht nur im öffentlichen Sektor tätig, sondern etablieren sich, trotz der nach wie vor vorherrschenden gesellschaftlichen Ressentiments und Widerständen, zunehmend als Unternehmerinnen bzw. Eigentümerinnen von Geschäftigen (z.B. Buchgeschäften oder Kaffeehäusern) etc.

In den Jahren 2014 und 2015 kam es immer wieder zu Anschlägen auf Cafés und Restaurants in BAGDAD und BASRA, wobei der Umstand, dass dort Frauen beschäftig werden bzw. waren, oftmals als Motiv genannt wurde, jedoch auch als Vorwand gesehen wird, ein unliebsames Lokal zu schließen. Gegen die Zahlung von Schutzgeld war es Lokalbesitzern in BASRA möglich, auch Kellnerinnen einzustellen, die freizügiger angezogen waren. Grundsätzlich schützen die irakischen Gesetze Frauen, die in Kaffeehäusern oder Casinos arbeiten, es besteht seitens der irakischen Regierung ein Problembewusstsein für diese Thematik. Dennoch kommt es bei Frauen, die als Kellnerinnen arbeiten, oftmals zu Übergriffen.

Quellen:

-

Adnan Abu Zeed, Nightclubs, cafes still risky business for Iraqi women, 05.12.2017,

http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/12/nightclub-girls-club-baghdad-iraq-harassment.html#ixzz56XBcW5nl (Letzter Zugriff am 09.08.2018)

-

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Ergänzende Informationen zu Vorschriften zur Frauenbekleidung durch Gesellschaft und Milizen sowie Ergänzungen zur Lage von Kellnerinnen, 13.11.2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1418160/5209_1511256710_irak-mr-sog-bekleidungsvorschriften-fuer-frauen-lage-von-kellnerinnen-ergaenzende-afb-2017-11-10ke.doc (Letzter Zugriff am 09.08.2018)

-

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 09.08.2018)

-

Mustafa Saadoun, Iraq's female booksellers turn the page on gender roles, 19.10.2017,

https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/10/iraqi-women-take-another-male-profession-in-bookstores.html (Letzter Zugriff am 06.08.2018)

-

UN-Women, Humanitarian actors highlight women's role in recovery and peacebuilding in Iraq, 20.09.2017, http://www.unwomen.org/en/news/stories/2017/9/news-humanitarian-actors-highlight-womens-role-in-recovery-and-peacebuilding-in-iraq (Letzter Zugriff am 06.08.2018)

-

UN-Women, Iraq [Stand: 2016], http://arabstates.unwomen.org/en/countries/iraq (Letzter Zugriff am 09.08.2018)

-

UN-Women, UN Women meets with Women Leaders and Civil Society Organizations in Baghdad [EN/AR/KU], 02.08.2017 https://reliefweb.int/report/iraq/un-women-meets-women-leaders-and-civil-society-organizations-baghdad-enarku (Letzter Zugriff am 08.08.2018)

-

WKO Länderprofile, 10/2017,

http://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-irak.pdf (Letzter Zugriff am 08.08.2018)

-

Zahra Ali, Women's rights are under threat in Iraq, 20.11.2017, https://www.washingtonpost.com/news/monkey-cage/wp/2017/11/20/womens-rights-are-under-threat-in-iraq/?utm_term=.781f3d0fb747, (Letzter Zugriff am 08.08.2018)

Zur Lage von Kindern im Irak:

Die Hälfte der Bevölkerung ist unter 18 Jahre alt. Kinder waren und sind Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre. Sie sind nach Angaben der Vereinten Nationen in überproportionaler Weise von der schwierigen humanitären Lage betroffen. Sehr viele Kinder und Jugendliche sind von Gewaltakten betroffen, sei es direkt, oder dadurch, dass ihre Familienmitglieder zu Opfern von Gewalt wurden (AA 7.2.2017). Laut einem UNICEF-Bericht von 2016 wird der Irak als eines der tödlichsten Länder für Kinder erachtet. 3,6 Millionen Kinder seien dort der Gefahr ausgesetzt, getötet, verletzt, ausgebeutet oder Opfer sexueller Gewalt zu werden (HRW 12.1.2017). Tötungen und Verstümmelungen sind die am häufigsten gemeldeten Formen von Gewalt gegen Kinder. Kinder werden durch militärische Operationen verletzt und getötet, und Berichten zufolge sind sie von den sich verschlechternden humanitären Bedingungen unverhältnismäßig stark betroffen (UNHCR 14.11.2016).

Laut UNICEF sind Kinder im Irak seit der Intensivierung der Kämpfe in einer endlosen Schleife von Gewalt und Armut gefangen. Mehr als fünf Millionen Kinder sind auf dringende humanitäre Hilfe angewiesen. Seit 2014 sind1.075 Kinder getötet worden, mehr als 150 Kinder in den ersten sechs Monaten des Jahres 2017 (UN 22.6.2017).

Der IS veröffentlicht regelmäßig Videos von Kindersoldaten in seinen Reihen. Es liegen Berichte über Umerziehungskampagnen an mehreren Tausend Kindern in den vom IS beherrschten Gebieten vor (AA 7.2.2017). Darüber hinaus wurde gemeldet, dass bewaffnete Gruppen, die gegen den IS kämpfen, einschließlich der Volksmobilisierungskräften (PMF), sunnitischer Stämme, Kurdischer Arbeiterpartei (PKK) und sonstiger bewaffneter kurdischer Gruppen sowie turkmenischer und jesidischer Selbstverteidigungsgruppen, Kinder für Unterstützungs- und Kampfhandlungen rekrutieren (UNHCR 14.11.2016, vgl. USDOS 3.3.2017).

Zahlreiche Jugendliche sind nach Angaben der Vereinten Nationen wegen Terrorvorwürfen angeklagt oder verurteilt. Es fehlt an Jugendstrafanstalten; laut IKRK werden jugendliche Häftlinge mittlerweile meist getrennt von erwachsenen Straftätern inhaftiert, ihnen wird aber oft der regelmäßige Kontakt zu ihren Familien verwehrt (AA 7.2.2017). Eine große und Berichten zufolge steigende Zahl von Kindern wird willkürlich festgenommen, für terroristische Handlungen verantwortlich gemacht und teilweise für lange Zeit ohne Kontakt zur Außenwelt in Hafteinrichtungen, Polizeistationen und Rehabilitationszentren der irakischen Regierung und der KRG-Behörden untergebracht (UNHCR 14.11.2016).

Die Sicherheitslage, die Einquartierung von Binnenvertriebenen und die große Zahl zerstörter Schulen verhindern mancherorts den Schulbesuch, sodass die Alphabetisierungsrate in den letzten 15 Jahren drastisch gefallen ist, besonders in ländlichen Gebieten. Im Unterschied dazu sind in der Region Kurdistan fast alle Menschen des Lesens und Schreibens mächtig. In den vom IS beherrschten Gebieten findet kein regulärer Schulunterricht statt (AA 7.2.2017). Über 3,7 Millionen Kinder im Schul-Alter sind von der derzeitigen Krise im Irak betroffen. Am Ende des Schuljahres 2016 hatten nur 60 Prozent der vom Konflikt betroffenen Kinder Zugang zu irgendeiner Art von Bildung (OCHA 7.3.2017).

UNICEF schätzt, dass sich die Zahl der arbeitenden Kinder seit 1990 verdoppelt hat, und nunmehr 575.000 beträgt (HRW 12.1.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf, Zugriff 6.8.2017

-

HRW - Human Rights Watch (2017): World Report 2017 - Iraq - Events of 2016,

https://www.hrw.org/world-report/2017/country-chapters/iraq, Zugriff 6.8.2017

-

OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (7.3.2017): Humanitarian Needs Overview, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/irq_2017_hno.pdf, Zugriff 16.6.2017

-

UN - United Nations - Meetings Coverage and Press Releases (22.6.2017): Daily Press Briefing by the Office of the Spokesperson for the Secretary-General,

https://www.un.org/press/en/2017/db170622.doc.html, Zugriff 30.6.2017

-

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (14.11.2016): UNHCR Position on Returns to Iraq,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1479283205_2016-11-14-unhcr-position-iraq-returns.pdf, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1485247972_opendocpdf.pdf, Zugriff 6.8.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Iraq,

http://www.ecoi.net/local_link/337187/479950_de.html, Zugriff 6.8.2017

II.2. Beweiswürdigung:

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

II.2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

II.2.2. Zur Person der Beschwerdeführer:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer getroffen wurden, beruhen diese auf den in den angefochtenen Bescheiden getroffenen Feststellungen, denen auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die Identitäten der Beschwerdeführer ergeben sich aus der vorgelegten irakischen Personalausweisen.

Die Feststellungen betreffend die Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit der Beschwerdeführer ergeben sich aus den Aussagen der Erstbeschwerdeführerin vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellungen betreffend die Einreise und die persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführer beruhen auf den Aussagen der Erstbeschwerdeführerin vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.02.2019.

Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführer entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

II.2.3. Zum Vorbringen der Beschwerdeführer:

Dem Fluchtvorbingen der Erstbeschwerdeführerin, dass das Haus der Familie angegriffen worden sei, sprach bereits das BFA die Glaubwürdigkeit ab. Diese Beurteilung ist nach Durchführung der mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht zu beanstanden, da es der Erstbeschwerdeführerin nicht gelungen ist, ihr Fluchtvorbringen plausibel darzulegen.

Die Erstbeschwerdeführerin gab vor dem BFA als konkreten Anlass ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat im Wesentlichen an, dass von Unbekannten die Fenster des Familienhauses eingeschlagen worden seien und das Auto beschädigt worden sei.

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

Das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin, den Irak aufgrund der Bedrohung einer unbekannten Gruppierung verlassen zu haben, entsprach diesen Anforderungen nicht und ist somit nicht glaubhaft:

Die Angaben der Erstbeschwerdeführerin betreffend das fluchtauslösende Ereignis waren äußerst detailarm. So gab die Erstbeschwerdeführerin bei der behördlichen Einvernahme lediglich an, dass die Fenster des Wohnhauses eingeschlagen worden seien und das Auto zerstört worden sei, sie aber nicht wisse, wer es gewesen sei (AS 113, AS 117). Die Erstbeschwerdeführerin konnte diesen Vorfall nur sehr oberflächlich sowie ohne Einzelheiten schildern und keine Details angeben.

Im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung war die Erstbeschwerdeführerin zum ersten Mal in der Lage, das genaue Datum und die genaue Uhrzeit des Angriffs auf das Wohnhaus anzugeben (S. 17 VP). Doch auch wenn sie den Zeitpunkt des Vorfalles zu Protokoll gab, verharrte die Erstbeschwerdeführerin hinsichtlich des angeblichen Angriffs auf das Wohnhaus in einer wortkargen Darlegung einiger weniger Eckpunkte einer Schilderung, die Antworten auf die gestellten Fragen waren grundsätzlich kurz und total vage - eine detaillierte oder umfassende Schilderung der Ereignisse war ihr im Zuge der gesamten Einvernahme nicht möglich (vgl. S. 17 f VP). Obwohl die Erstbeschwerdeführerin seitens der erkennenden Richterin aufgefordert wurde, die Wahrheit zu sagen, nichts zu verschweigen und alle zur Begründung des Antrages erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen, wurden die, für den Gang der Fluchtgeschichte erforderlichen Fragen, von ihr lediglich in äußerst knappster Weise und total pauschal beantwortet. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist jedoch davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der bemüht ist, in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, in der Regel bestrebt ist, alles diesem Wunsch Dienliche vorzubringen und zumindest die Kernfluchtgeschichte möglichst umfassend zu schildern, sodass der Behörde erkennbar ist, welchen massiven Bedrohungen er im Herkunftsland ausgesetzt ist. Die knappen, vagen und inhaltsleeren Angaben der Erstbeschwerdeführerin waren jedoch nicht geeignet, eine derart schwere Verfolgung glaubhaft zu machen, die sie dazu getrieben hätte, ihr Heimatland zu verlassen.

Die Erstbeschwerdeführerin berichtete nicht von sich aus über die Geschehnisse im Rahmen einer narrativen und konkludenten Wiedergabe, so wie eben Menschen berichten, welche das Erzählte tatsächlich erlebt haben. Diese Feststellung kann insofern getroffen werden, als es aus der Praxis des Bundesverwaltungsgerichts notorisch ist, dass detailreiche Aussagen mit Realkennzeichen in der Regel für die Glaubwürdigkeit des entsprechenden Vortrages sprechen. Hier ergibt sich also in der Gesamtschau mit den anderen Ausführungen zur Beweiswürdigung ein wesentliches Indiz für die mangelnde Glaubwürdigkeit des zentralen Asylvorbringens der Erstbeschwerdeführerin.

Darüber hinaus machte die Erstbeschwerdeführerin hinsichtlich des Angriffs auf das Haus unterschiedliche Angaben: Legte sie in der behördlichen Einvernahme lediglich dar, dass die Fenster des Hauses eingeschlagen worden seien und das Auto zerstört worden sei, steigerte sie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ihr Vorbringen dahingehend, dass auch Schüsse auf das Haus gefallen seien (S. 16 f VP). Diese Tatsache war der Erstbeschwerdeführerin bereits vor Erstellung des Beschwerdeschriftsatzes bekannt und es ist kein Grund ersichtlich, warum die Erstbeschwerdeführerin nicht bereits im Verfahren vor der belangten Behörde von sich aus (aktiv) auf diese Ausführung hingewiesen hat, zumal die Erstbeschwerdeführerin im Zuge der Einvernahme ausführlich zu ihren Fluchtgründen befragt wurde, mehrmals gefragt wurde, ob sie noch etwas ergänzen wolle, und auch die Richtigkeit des Protokolls mit ihrer Unterschrift bestätigte (vgl. AS 117, AS 119, AS 121, AS 123).

Zudem bestehen keine deckungsgleichen Angaben der Erstbe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten