TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/16 L515 2211267-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.04.2019
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Entscheidungsdatum

16.04.2019

Norm

BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §2
FPG §66
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §52 Abs1 Z1
NAG §54 Abs1
NAG §55 Abs3
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L515 2211269-1/4E

L515 2211267-1/5E

L515 2211268-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb., StA. Armenien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom

XXXX 2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über

das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF, § 66 Abs. 1 FPG 2005, BGBl 100/2005 idgF, iVm § 55 Abs. 3 NAG, BGBl I Nr. 100/2005 (NAG) idgF, § 70 Absatz 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb.,

StA: Armenien, vertreten durch die Kindesmutter, diese vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2018, Zl. XXXX , zu

Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über

das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF, § 66 Abs. 1 FPG 2005, BGBl 100/2005 idgF, iVm § 55 Abs. 3 NAG, BGBl I Nr. 100/2005 (NAG) idgF, § 70 Absatz 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb.,

StA: Armenien, vertreten durch die Kindesmutter, diese vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2018, Zl. XXXX , zu

Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über

das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF, § 66 Abs. 1 FPG 2005, BGBl 100/2005 idgF, iVm § 55 Abs. 3 NAG, BGBl I Nr. 100/2005 (NAG) idgF, § 70 Absatz 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge als "bP" bzw. gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als "bP1" bis "bP3" bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Armenien. Die weibliche bP1 ist die Mutter der minderjährigen bP2 und bP3.

In Bezug auf das bisherige verfahrensrechtliche Schicksal bzw. das Vorbringen der bP im Verwaltungsverfahren wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid der belangten Behörde ("bB") verwiesen, welche wie folgt wiedergegeben werden (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf bP1):

"...

-

Sie sind am 16.08.2016 mit Ihren zwei Söhnen aus erster Ehe in Österreich eingereist um mit Ihrem Ehemann XXXX , geboren am XXXX , Ihr gemeinsames Familienleben fortzusetzen. Ihr Ehemann ist griechischer Staatsangehöriger. Ihr Ehemann ist nicht der leibliche Vater Ihrer zwei Söhne.

-

Seit dem 22.08.2016 sind Sie und Ihre zwei Söhne durchgehend mit Hauptwohnsitz im österreichischen Bundesgebiet gemeldet.

-

Am 18.10.2016 haben Sie als Angehörige eines EWR Bürgers bei der BH XXXX um einen Aufenthaltstitel angesucht. Am 07.11.2016 wurde Ihnen der Aufenthaltstitel, gültig bis 06.11.2021, erteilt und am 24.11.2016 ausgefolgt.

-

Ihr Ehemann ist seit Ende September nicht mehr in Österreich und seit dem 12.04.2018 auch nicht mehr in Österreich gemeldet.

-

Ende September 2017 sprachen Sie bei der BH XXXX vor und gaben an, dass Ihr Ehemann aufgrund eines Ehestreits bereits vor einigen Wochen nach Griechenland gefahren wäre und Sie nicht wissen würden ob er wieder kommen würde. Eine Scheidung Ihrerseits wäre angedacht.

-

Ihre zwei Söhne und Sie leiten als armenische Staatsangehörige das Bleiberecht von Ihrem Ehemann XXXX ab. Dies gilt gemäß §30 Abs 3 NAG jedoch nur sofern ein gemeinsames Familienleben geführt wird.

-

Am 17.10.2017 ersuchte die BH XXXX die LPD XXXX um Erhebung des Aufenthaltsortes des XXXX , der Dauer der Abwesenheit aus Österreich, ob die Abwesenheit auf Dauer bestehen bleiben wird, ob eine Scheidung bereits eingeleitet wurde, ob ein gemeinsames Familienleben geführt wird sowie etwaige melderechtliche Veranlassungen.

-

Aus diesem Grund wurde am 10.11.2017 durch Beamte der PI XXXX eine Kontrolle in der ggst. Wohnung durchgeführt. Herr XXXX konnte nicht angetroffen werden. Auf konkrete Nachfrage der Beamten der PI XXXX gaben Sie bekannt, dass Ihr Ehemann aufgrund eines Ehestreits Ende September in seine Heimat Griechenland zurückgekehrt wäre, seit diesem Zeitpunkt nicht mehr in Österreich gewesen wäre und dass sich keine persönlichen Sachen Ihres Ehemannes mehr in der Wohnung befinden würden.

-

Am 22.11.2017 wurden Sie dann zur Vernehmung in PI XXXX geladen. Dieser Ladung sind Sie nicht nachgekommen. Stattdessen wurde von Ihrem Rechtsvertreter Akteneinsicht und ein neuerlicher Ladungstermin verlangt.

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Am 15.01.2018 wurden Sie dann in Anwesenheit eines Rechtsvertreters und eines Dolmetschers zu Ihrem Aufenthaltsrecht befragt und niederschriftlich einvernommen.

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Am 25.01.2018 hat die Bezirkshauptmannschaft XXXX das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl darüber informiert, dass Ihnen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht mehr zukommt.

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Am 22.03.2018 wurde Ihnen mittels Parteiengehör mitgeteilt, dass ein Verfahren gegen Sie eingeleitet wurde.

-

Am 27.03.2018 haben Sie das Parteiengehör erhalten.

-

Am 06.04.2018 langte beim BFA eine Stellungnahme ein.

-

Die Stellungnahme enthält im Wesentlichen dass, Sie am 16.08.2016 gemeinsam mit Ihren zwei Söhnen in Österreich eingereist sind um hier mit Ihrem Ehemann XXXX , der nicht der leibliche Vater Ihrer zwei Söhne ist, Ihr gemeinsames Familienleben fortzusetzen.

-

Neben der Tatsache, dass Sie Ihr Familienleben fortsetzen wollten, sind Sie auch aufgrund von guten Jobaussichten nach Österreich eingereist. Sie hätten bereits bei unterschiedlichen Firmen gearbeitet.

Sie hätten in Hohenems eine Cousine. Allerdings hätten Sie nicht sehr oft Kontakt mit ihr.

Ihr Ehemann wäre seit Ende September 2017 nicht mehr in Österreich, aber Sie hätten regelmäßig Kontakt. Aus diesem Grund würde Ihr Familienleben noch bestehen. Sie sind gesund.

Sie hätten in Ihrer Heimat keinerlei soziale Bindungen mehr. Ihre Eltern und Schwester würden in den USA leben. Sie wären seit 2016 nicht mehr in Armenien gewesen.

-

Mit Verfahrensanordnung vom heutigen Tag wurde Ihnen ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

..."

In Bezug auf die bP2 und bP3 wurde der bisherige Verfahrenshergang sinngemäß dargestellt.

I.2. Mit den im Spruch angeführten Bescheiden der bB, der bP1 zugestellt am 22.11.2017, wurden die bP1 bis bP3 gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und diesen gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.).

In Bezug auf sämtliche bP wurde ein im Spruch inhaltlich sinngemäß gleichlautender Bescheid erlassen.

I.2.1. Die Ausweisungen wurden im Wesentlichen damit begründet, dass bP1 bis bP3 ihr Aufenthaltsrecht vom Ehegatten von bP1 ableiteten, welcher sich aber seit September 2017 nicht mehr in Österreich befinde und seit 7 Monaten keinen aufrechten Wohnsitz mehr in Österreich unterhalte, weshalb den bP das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht mangels aufrechten Familienlebens nicht mehr zukomme. Während des zweijährigen Aufenthaltes sei bP1 mehreren Beschäftigungen nachgegangen, welche jedoch nie mehr als vier Monate am Stück angedauert hätten. Derzeit gehe bP1 keiner Beschäftigung nach. Auch liege kein schützenswertes Privatleben vor. Eine maßgebliche Integration sei nicht zu erkennen.

I.3. Gegen den genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde die im Hinblick auf Art. 8 EMRK vorgenommene unrichtige Interessenabwägung moniert. bP1 hätte eine Einstellungszusage erhalten und versuche, ihre in Armenien absolvierte Fachausbildung in Österreich nostrifizieren zu lassen. Die bP würden einwandfrei Deutsch sprechen; bP2 und bP3 würden die Schule besuchen; kurzum würden die bP starke Integrationsbemühungen unternehmen. bP2 leide an Schwerhörigkeit. Beantragt wird die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

I. 4. Das Vorbringen in der Beschwerdeschrift stellt die letzte Äußerung der bP im Verfahren zu einem aufrechten Familienleben und zu ihren Anknüpfungspunkten im Bundesgebiet dar.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

II.1.1. Die beschwerdeführende Partei

Bei den bP handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Armenier.

bP1 ist eine junge, gesunde, arbeitsfähige Frau mit einer -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage. Die bP1 besitzt in Armenien ein eigenes Haus, was sie vermietet hat. bP2 und bP3 besuchen die Neue Mittelschule. Die bP haben in Armenien keine familiären Beziehungen.

Die Pflege und Obsorge der minderjährigen bP2 und bP3 ist durch deren Mutter (bP1) gesichert, welche wiederum grundsätzlich einen Anspruch auf Unterhalt gegenüber ihrem Gatten hat.

bP1 hat am 31.10.2015 einen griechischen Staatsangehörigen, welcher nicht der Vater von bP2 und bP3 ist, in Armenien geehelicht. Die bP sind samt Gatten der bP1 am 16.08.2016 nach Österreich eingereist um hier ihr gemeinsames Familienleben fortzusetzen sowie von den guten Jobaussichten zu profitieren. Die bP sind seit 07.11.2016 im Besitz einer bis 06.11.2021 gültigen Aufenthaltskarte als Angehörige eines EWR-Bürgers. Sie leben in einer Mietwohnung.

Der Gatte, von welchem die bP ihr Bleiberecht ableiten, reiste Ende September 2017 zurück in sein Heimatland Griechenland; seit dem 12.04.2018 ist der Gatte von bP1 nicht mehr in Österreich gemeldet.

bP1 war im Jahr 2016 als Arbeiterin 65 Tage und als geringfügig beschäftigte Arbeiterin 24 Tage tätig;

2017 bezog sie 135 Tage Arbeitslosengeld und 2 Tage Krankengeld, den Rest des Jahres war sie 70 Tage als Arbeiterin, 17 Tage als Angestellte und 77 Tage als geringfügig Beschäftigte mit einem Dienstleistungsscheck tätig;

2018 bezog sie 224 Tage Arbeitslosengeld und 16 Tage Krankengeld, den Rest des Jahres war sie 122 Tage als geringfügig Beschäftigte mit einem Dienstleistungsscheck, 112 Tage als geringfügig beschäftigte Arbeiterin und 99 Tage als geringfügig beschäftigte Angestellte tätig.

Vom 01.01.2019 bis 01.04.2019 bezog bP1 Arbeitslosengeld.

Darüber hinaus hat bP1 2017 im Rahmen ihrer Arbeitslosigkeit "Beihilfe Deckung Lebensunterhalt" und "pauschalierte Kursnebenkosten", für bP2 und bP3 Familienbeihilfe sowie bP2 vom 18.09.2018 bis 05.07.2019 Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes sowie Beihilfe zu den Kursnebenkosten in Höhe von € 12,86 täglich, bezogen.

Die bP leben derzeit in XXXX in einem gemeinsamen Haushalt. Sie verfügen (abgesehen von den mit ihnen im gemeinsamen Familienverband lebenden Familienmitgliedern) über keine familiären oder sonstigen nennenswerten privaten Bindungen in Österreich. bP1 hat 2018 den Deutschkurs C1 besucht, bP2 und bP3 besuchen die NMS, wobei bP2 und bP3 im Schuljahr 2017/2018 in Deutsch nicht beurteilt wurden. Das ho. Gericht geht dennoch im Zweifel davon aus, dass sich auch bP2 und bP3 entsprechende Deutschkenntnisse aneigneten.

bP2 ist seit 2004 Hörbehindert und trägt deshalb Hörgeräte.

Zum Entscheidungszeitpunkt geht bP1 im Bundesgebiet einer selbstständigen Erwerbstätigkeit als "Neue Selbstständige" nach, wobei sie die notwendigen Betriebsmittel (z.B. Auto) selbst zur Verfügung stellen muss und im Falle einer Leistungsverhinderung wie Krankheit, Urlaub etc. keinen Anspruch auf Vergütung hat. Der Beschwerde zur Folge bezieht bP1 aus dieser Tätigkeit € 400,00. Die bP1 ist als arbeitssuchend gemeldet und bezieht seit 01.01.2019 bis aktuell Arbeitslosengeld und ist daher gesetzlich krankenversichert (vgl Sozialversicherungsdatenauszug vom 09.04.2019).

Ebenfalls nicht festgestellt werden konnte, ob die Nostrifizierung der von bP1 in Armenien absolvierten Fachausbildung abgeschlossen ist.

Nicht festgestellt werden konnte, ob die bP durch ihren Gatten finanziell unterstützt wird, ob sie in Armenien ein Haus besitzt, ob sie dieses vermietet und ob sie aus dieser Vermietung € 300,00 lukriert.

Nicht festgestellt werden konnte der aktuelle Familienstand der bP.

Die Identität der bP steht fest.

2. Beweiswürdigung

II.2.1. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

II.2.2. Die Feststellungen zur Identität, Familienstand, Ausreise des Gatten von bP1 und Staatsangehörigkeiten der bP beruhen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der Beschwerde nicht entgegengetreten wurde, in Zusammenschau mit den in den Akten erliegenden Urkunden. Der bis 06.04.2026 gültige Reisepass der bP1, der bis 14.07.2019 gültige Reisepass der bP2 und der bis 24.06.2018 gültige Reisepass der bP3 liegen dem BVwG in Kopie vor. Die Anmeldebescheinigungen bzw. die Aufenthaltskarte ergeben sich aus dem Fremdenregister.

Der Aufenthalt der bP in Österreich ergibt sich aus den Wohnsitzmeldungen laut ZMR. Der Mietvertrag vom 04.07.2016 wurde vorgelegt.

Die Feststellungen zu den Beschäftigungsverhältnissen der bP1 und zum Bezug von Familienbeihilfe und Beihilfe Deckung Lebensunterhalt und pauschalierte Kursnebenkosten durch bP1 und bP2 ergeben sich aus den jeweiligen Versicherungsdatenauszügen, aus denen derzeit der durchgehende Bezug von Arbeitslosengeld seit 22.12.2018 ersichtlich ist sowie durch Bezugsbestätigungen ab 01.01.2017 bzw. Mitteilung über den Leistungsanspruch vom 17.10.2018 (bP2) des AMS. Das bP2 hörbehindert ist, ergibt sich aus dem ärztlichen Sachverständigengutachten vom 25.12.2016. Die Deutschkenntnisse der bP ergeben sich zum einen aus der durch bP1 vorgelegten Bestätigung des B1 Deutschzertifikats sowie den Schulnachrichten bP2 und bP3 betreffend.

Da bP1 in der Beschwerde angab, arbeiten zu wollen, ist angesichts ihres berufsfähigen Alters davon auszugehen, dass sie arbeitsfähig und gesund ist, zumal keine Anhaltspunkte für Erkrankungen oder Einschränkungen ihrer Arbeitsfähigkeit zutage getreten sind.

Es liegen keine Beweisergebnisse vor, dass bP1 konkrete Aussichten auf eine Arbeitsstelle hat. bP1 behauptet zwar in der Beschwerde, sie habe bereits die notwendigen Schritte für die Anerkennung ihrer in Armenien absolvierten Fachausbildung eingeleitet, weswegen sie ab dem 10.12.2018 im Rahmen eines sogenannten AMS - Karriereplans eine Vorbereitung für die Fachausbildung für Quereinsteiger "Frauen in der Technik" absolvieren werde, doch fehlt dem vorliegenden Karriereplan die Genehmigung durch das AMS und wurden hinsichtlich der Nostrifizierung keine Dokumente vorgelegt. Nach erfolgreichem Abschluss dieser Vorbereitung, welcher ca. für März 2019 beabsichtigt ist, erwartet bP1 eine qualifizierte, fixe Stelle zu erhalten. Überdies beabsichtigt bP1 ab September 2019 die Fachschule berufsbegleitend zu besuchen. Auch habe sie vom mobilen Hilfsdienst eine Anstellungszusage erhalten, weshalb sie ab Dezember 2018 rund 400 € verdiene. Es liegen auch keine Beweisergebnisse dahingehend vor, dass die bP von ihrem Ehegatten finanziell unterstützt wird.

In der Beschwerde verweist bP1 auf den behaupteten und unbescheinigten Umstand, dass ihr nach Abzug der Mietkosten rechnerisch monatlich knapp € 1.900 netto zur freien Verfügung stehen würden und sie somit über ausreichende Existenzmittel verfügt. Dies widerspricht ihren Ausführungen in der Niederschrift vom 09.12.2017 vor der LPD XXXX , wo sie sich mangels ausreichender Einkünfte bei der BH XXXX wegen einer Wohnbeihilfe und Sozialhilfe erkundigt hat. Auch sind die Mieteinnahmen ihres vermieteten Hauses in Armenien ausgeblieben. Weiters ergibt sich aus dem Versicherungsdatenauszug, dass bP1 seit 22.12.2018 bis dato als Arbeitslos gemeldet ist. Der mit dem mobilen Hilfsdienst abgeschlossene Vermittlungsvertrag, woraus die bP1 monatlich € 400 lukrieren will, relativiert sich insofern, als bP1 sich selbst Krankenversichern muss, im Falle einer Leistungsverhinderung wie Krankheit, Urlaub etc keinen Anspruch auf Vergütung hat und notwendige Betriebsmittel selbst bereitstellen muss.

Hinsichtlich der sozialen Anknüpfungspunkte der bP im Bundesgebiet folgt das ho. Gericht -soweit sich aus den oa. Ausführungen nichts anderes ergibt, in tatsächlicher Hinsicht den bP, woraus noch nichts über deren rechtliche Würdigung gesagt ist.

Für weitergehende beachtliche Integrationsmomente gibt es weder im Akteninhalt noch im Vorbringen der bP irgendwelche Hinweise, wenngleich die von den bP vorgetragenen sozialen Anknüpfungspunkte und Sprachkenntnisse nicht in Zweifel gezogen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Verbindung der Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung:

Gemäß § 39 Abs. 2 AVG hat die Behörde, soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnungen enthalten, von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der in diesem Teil enthaltenen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen. Sie kann insbesondere von Amts wegen oder auf Antrag eine mündliche Verhandlung durchführen und mehrere Verwaltungssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden oder sie wieder trennen. Die Behörde hat sich bei allen diesen Verfahrensanordnungen von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) geht davon aus, dass - aufgrund § 17 VwGVG 2014 - auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten das sich aus § 39 Abs. 2 AVG ergebende Amtswegigkeitsprinzip maßgeblich ist (etwa VwGH vom 17.12.2014, Zl. Ro 2014/03/0066; VwGH vom 18.02.2015, Zl. Ra 2015/04/0007; VwGH vom 24.03.2015, Zl. Ra 2014/21/0058). Gleiches hat auch bezüglich der in § 39 Abs. 2 AVG für die Verwaltungsbehörden vorgesehene Möglichkeit zu gelten, den Gang des Verfahrens dahingehend zu bestimmen, mehrere Verwaltungssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden und sie wieder zu trennen. Bei der Entscheidung, die Verfahren zu verbinden oder zu trennen, hat sich das Verwaltungsgericht - wie auch die Verwaltungsbehörden - von den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen (VwGH vom 17.11.2015, Zl. Ra 2015/03/0058, RS 1).

Nach Ansicht des VwGH sind Verwaltungsgerichte unter den Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 AVG berechtigt und unter der Voraussetzung des § 39 Abs. 2a AVG auch verpflichtet, Beschwerdeverfahren zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung zu verbinden (VwGH vom 17.11.2015, Zl. Ra 2015/03/0058, RS 3 erster Satz).

Bei den Beschwerdeführern handelt es sich einerseits um die Mutter und andererseits um ihre beiden minderjährigen Söhne. Alle drei sind von der mit Bescheiden des Bundesamtes vom selben Tag jeweils gegen sie erlassenen Ausweisung betroffen. Im gegenständlichen Fall handelt es sich daher um denselben Sachverhalt und wurden die Bescheide bereits mit einer gemeinsamen Beschwerde angefochten.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet es angesichts dessen, dass die Entscheidung über die Beschwerde des minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführers wesentlich von der Entscheidung über die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin abhängt, jedenfalls unter den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gerechtfertigt, gemäß § 39 Abs. 2 AVG iVm. § 17 VwGVG alle drei Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden.

Über die anhängigen Beschwerden der Beschwerdeführer wird somit mit der gegenständlichen Entscheidung gemeinsam abgesprochen.

3.2. Zu Spruchteil A):

§ 66 FPG ("Ausweisung") lautet:

"(1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist."

Gemäß § 51 Abs 1 NAG sind EWR-Bürger auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind (Z 1); für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen (Z 2), oder als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen (Z 3). Gemäß § 51 Abs 2 NAG bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist (Z 1), sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt (Z 2), sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt (Z 3), oder eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren (Z 4) .

Gemäß § 54 Abs 1 iVm § 52 Abs 1 Z 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Ehegatten von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen.

Die bP können idR nach fünf Jahren des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet das vom Vorliegen weiterer Voraussetzungen (insbesondere ausreichender Existenzmittel und eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes) unabhängige Recht auf Daueraufenthalt erwerben (vgl §§ 53a, 54a NAG).

§ 55 NAG ("Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate") lautet:

"(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs 3 und 54 Abs 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs 2 oder § 54 Abs 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

Begünstigter Drittstaatsangehöriger ist gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 FPG der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.

Nachdem der Gatte der bP1 selbst nicht mehr im Bundesgebiet aufhältig ist, macht er auch nicht mehr von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch. Entsprechend hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass es für die Inanspruchnahme des "Rechts auf Freizügigkeit" genügt, dass sich der Unionsbürger in Österreich aufhält (Erkenntnis des VwGH vom 15. Mai 2012, 2009/18/0518 und vom 10. November 2009, 2008/22/0733). Daher handelt es sich beim Gatten der bP1 um keinen EWR-Bürger, der sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Österreich in Anspruch genommen hat, und kann davon abgeleitet der Beschwerdeführer auch nicht begünstigter Drittstaatsangehöriger sein.

Einem Fremden kommt die Rechtsposition als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG nur dann zu, wenn er mit "einem in Österreich lebenden, sein unionsrechtliches Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmenden EU-Bürger aufrecht verheiratet ist" (VwGH vom 14.04.2016, Ro 2016/21/0005; vgl dazu auch 10.04.2017, Ra 2016/01/0175). Die bP sind daher nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht als begünstigter Drittstaatsangehöriger zu qualifizieren.

Ebenso stellte der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 16. Juli 2015 in der Rechtssache Singh (C-218/14) zur Fragestellung, ob ein Drittstaatsangehöriger nach dem Wegzug seiner Ehefrau, die im Aufnahmemitgliedstaat ihre Unionsrechte ausgeübt hatte, noch ein Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat hat, fest:

" ...

Was das Aufenthaltsrecht von Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, im Aufnahmemitgliedstaat angeht, ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs hinzuweisen, wonach die Drittstaatsangehörigen durch die Richtlinie 2004/38 verliehenen Rechte keine eigenständigen Rechte, sondern Rechte sind, die sich daraus ableiten, dass ein Unionsbürger sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat. Der Zweck und die Rechtfertigung dieser abgeleiteten Rechte beruhen auf der Feststellung, dass die Nichtanerkennung dieser Rechte den Unionsbürger in seiner Freizügigkeit beeinträchtigen könnte, weil ihn dies davon abhalten könnte, von seinem Recht Gebrauch zu machen, in den Aufnahmemitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten (vgl. in diesem Sinne Urteil O. und B., C-456/12, EU:C:2014:135, Rn. 36 und 45 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Voraussetzung, dass der Drittstaatsangehörige den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen muss, so zu verstehen, dass sie nicht auf die Verpflichtung der Eheleute abstellt, unter demselben Dach zusammen zu wohnen, sondern auf diejenige, dass beide in demselben Mitgliedstaat bleiben, in dem der Ehegatte, der Unionsbürger ist, von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch macht (vgl. in diesem Sinne Urteil Ogieriakhi, C-244/13, EU:C:2014:2068, Rn. 39).

So können sich Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, auf das in der Richtlinie 2004/38 vorgesehene Aufenthaltsrecht nur im Aufnahmemitgliedstaat berufen, in dem der Unionsbürger wohnt, und nicht in einem anderen Mitgliedstaat (vgl. in diesem Sinne Urteil Iida, C-40/11, EU:C:2012:691, Rn. 63 und 64).

Verlässt ein Unionsbürger, der sich in einer Situation wie derjenigen der Ehefrauen der Kläger der Ausgangsverfahren befindet, den Aufnahmemitgliedstaat und lässt sich in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittland nieder, erfüllt folglich der einem Drittstaat angehörende Ehegatte dieses Unionsbürgers nicht mehr die Voraussetzungen für ein Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38.

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Auch daraus ergibt sich eindeutig, dass Familienangehörige eines Unionsbürgers sich auf das in der Richtlinie 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) vorgesehene Aufenthaltsrecht nur im Aufnahmemitgliedstaat berufen können, in dem der Unionsbürger wohnt, und nicht in einem anderen Mitgliedstaat.

Nun mögen die bP zum Zeitpunkt der Ausstellung ihrer Aufenthaltskarte begünstigte Drittstaatsangehöriger gewesen sein, doch haben sie diese Rechtsstellung seit dem Moment, in dem der Gatte der bP1 durch das (nicht nur vorübergehende) Verlassen des Bundesgebietes sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Österreich nicht mehr in Anspruch nimmt, nicht mehr. Der Umstand, dass die Beschwerdeführer begünstigte Drittstaatsangehörige sind, trifft daher nicht mehr zu.

Auch nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) besteht kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers mehr. Dem Gatten der bP1 kommt kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nach § 51 NAG mehr zu, da er sich nicht mehr in Österreich aufhält. Während nun für EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind, gemäß § 52 Abs. 2 NAG der nicht bloß vorübergehende Wegzug des Ehepartners aus dem Bundesgebiet ihr Aufenthaltsrecht nicht berührt, fehlt eine ähnliche Bestimmung in § 54 NAG und somit für Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind. Ein Wegzug des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern führt gemäß § 54 Abs. 4 NAG nur bei Kindern bis zum Abschluss der Schulausbildung bzw. bei einem Obsorgeberechtigten (und die Obsorge für Kinder bis zum Abschluss der Schulausbildung tatsächlich wahrnehmenden) Drittstaatsangehörigen nicht zu einem Wegfall des Aufenthaltsrechtes nach § 54 Abs. 1 NAG.

Im gegenständlichen Fall sorgt die bP1 für kein Kind, auf das die oa. Voraussetzungen zutreffen und hat sie auch kein Daueraufenthaltsrecht nach § 54a NAG erworben. Es ist daher davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für einen Aufenthalt nach § 54 Abs. 1 NAG weggefallen sind, als der Gatte der bP1, welcher nicht Vater der bP2 und bP3 ist, Österreich verlassen hat.

Entsprechend erkannte der Verwaltungsgerichtshof auch in seinem Beschluss vom 26. Jänner 2017, Ra 2016/21/0177, dass, wenn einem Ehegatten eines Fremden selbst kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukommt, ein von diesem abgeleitetes Aufenthaltsrecht des Fremden nicht in Betracht kommt.

Nach § 55 Abs. 1 NAG kommt das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht des § 54 Abs. 1 NAG einem Drittstaatsangehörigen zu, solange die dort festgelegten Bedingungen erfüllt sind. Der Aufenthalt der Beschwerdeführer erfüllt durch den Wegzug des Gatten der bP1 und damit durch den Wegfall ihres eigenen unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts in Österreich nicht mehr die Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 NAG und damit kommt ihnen nach § 55 Abs. 1 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht auch nicht mehr zu.

Damit steht fest, dass die Beschwerdeführer weder begünstigter Drittstaatsangehörige sind, noch ihnen weiterhin ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht im Sinne des § 54 Abs. 1 NAG zukommt.

Gemäß § 9 BFA-VG ist ua eine Ausweisung gemäß § 66 FPG, die in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingreift, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Art. 8 EMRK lautet: " Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

Die Anwendung der zitierten Grundsätze und Rechtsvorschriften auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt folgendes:

BP1 bis bP3 sind als Staatsangehörige von Armenien grundsätzlich Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG. Durch die Ehe der bP1 mit einem EWR-Bürger, der sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, erlangten sie den Status eines begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG.

Die bP haben weder das Daueraufenthaltsrecht erworben (§§ 53a, 54a NAG) noch liegt ein zumindest zehnjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet vor (§ 66 Abs 3 FPG). Die bP1 bis bP3 halten sich erst seit 16.08.2016 im Inland auf.

Die bP1 bis bP3 leiten ihr Aufenthaltsrecht vom Ehegatten der bP1 ab, welcher Österreich 2017 verließ und seit 12.04.2018 auch nicht mehr im österreichischen Bundesgebiet aufrecht gemeldet ist. bP1 geht in Österreich seit 01.12.2018 einer Erwerbstätigkeit als "Neue Selbstständige" nach dem GSVG nach und bezieht nach wie vor Arbeitslosengeld. Zwar kann auch das nachhaltige Bemühen um eine Arbeitsstelle ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht begründen, sofern dieses Bemühen objektiv nicht aussichtslos ist, wie die in § 66 Abs 1 erster Satz FPG aufgenommene Einschränkung ("es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden") zeigt (siehe VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0130).

bP1 steht zwar seit ihrer Einreise dem österreichischen Arbeitsmarkt zur Verfügung, doch war sie 2016 nur 65 Tage als Arbeiterin und 2017 17 Tage als Angestellte und 70 Tage als Arbeiterin tätig. Die restliche Zeit war sie entweder arbeitslos gemeldet (2017 - 135 Tage, 2018 - 224 Tage) oder als geringfügig Beschäftigte auf Grund eines Dienstleistungsschecks oder als geringfügig beschäftigte Arbeiterin tätig. bP1 war jedoch nie länger als 4 Monate am Stück bei ein und demselben Arbeitgeber beschäftigt. bP1 will zwar die in ihrer Heimat erworbene Fachkenntnis in Österreich einer Nostrifizierung zuführen und hat auch vor, im Rahmen eines sogenannten AMS - Karriereplans eine Vorbereitung für die Fachausbildung für Quereinsteiger "Frauen in der Technik" zu absolvieren, doch hat sie bis dato diesbezüglich keinerlei Nachweise dafür erbracht bzw. fehlt dem Karriereplan die Zustimmung des AMS. Aber auch wenn das AMS dem Karriereplan zustimmt, wird die Umsetzung wiederum mit Leistungen aus öffentlicher Hand subventioniert. Nachdem bP1 seit mindestens 22.12.2018 überhaupt nicht mehr erwerbstätig ist, hat sie nicht nachgewiesen, dass sie begründete Aussicht hat, eingestellt zu werden, zumal auch keine Beweisergebnisse dafür vorliegen, dass sie eine Arbeitsstelle in Aussicht hat. bP1 legt zwar einen abgeschlossenen Vermittlungsvertrag mit dem mobilen Hilfsdienst XXXX am 13.11.2018 mit Gültigkeit 01.12.2018 vor; demzufolge handelt es sich jedoch um kein Dienstverhältnis nach dem ASVG, sondern ist dieses Dienstverhältnis als "Neue Selbstständige" nach dem GSVG und hat im Falle einer Leistungsverhinderung wie Krankheit, Urlaub etc keinen Anspruch auf Vergütung. Außerdem muss sie notwendige Betriebsmittel wie ein Auto selbst zur Verfügung stellen und sich selbst Kranken versichern.

Mangels eines relevanten Erwerbseinkommens oder anderer finanzieller Mittel verfügen die bP auch nicht über ausreichende Existenzmittel iSd § 51 Abs 1 Z 2 NAG. Die bP erfüllen die Voraussetzungen für ein drei Monate übersteigendes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht derzeit somit nicht.

Dass die bP im Familienverband leben und unter ihnen von einem Familienleben iSd Art. 8 EMRK auszugehen ist, steht unbestrittenermaßen fest. Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR, Cruz Varas and others vs Sweden, 46/1990/237/307, 21.3.1991).

Die Ausweisung greift in das Privatleben der bP ein und ist daher nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist und wenn das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung die gegenläufigen privaten Interessen der BF übersteigt.

Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der seitens gesetzlichen Vorgaben im Lichte der Judikatur Folgendes:

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Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:

Die bP sind den bereits genannten Zeitraum in Österreich aufhältig. Die bP reisten rechtmäßig in das Bundesgebiet ein und hielten sich hier rechtmäßig auf.

Auch wenn weder das Gesetz noch die Judikatur eine fixe Aufenthaltsdauer nennen um diese im Lichte des Art. 8 EMRK relevant erscheinen zu lassen, ist im gegenständlichen Fall darauf hinzuweisen, dass eine Aufenthaltsdauer der bP von nicht ganz 3 Jahren zu kurz ist um von einer rechtlich relevanten Integration sprechen zu können.

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das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens [Privatlebens]

Die bP verfügen über keine familiären und die beschriebenen privaten Anknüpfungspunkte

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die Schutzwürdigkeit des Familienlebens [Privatlebens]

Die bP haben in Österreich - abgesehen von der aus der bP1 und ihren zwei Söhnen bestehenden Familiengemeinschaft - keine berücksichtigungswürdigen familiären Anknüpfungspunkte. Es ist den bP möglich und zumutbar, ihr Familienleben außerhalb Österreichs zu führen. bP1 kann als Ehegattin eines griechischen Staatsangehörigen, was auch auf ihre Söhne durchschlägt - in Griechenland eine Aufenthaltserlaubnis beantragen; bei einem Aufenthalt in anderen EU-Staaten kommt ihnen ein vom Gatten von bP1 abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu. Es ist den bP auch möglich, nach Österreich zurückzukehren, wenn sie die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht (wieder) erfüllen, zumal mit der Ausweisung kein Verbot, in das Bundesgebiet zurückzukehren, verbunden ist. Es ist auch festzuhalten, dass die bP nicht gezwungen sind, nach einer Ausreise die bestehenden Bindungen zur Gänze abbrechen zu müssen. So stünde es ihnen frei, diese durch briefliche, telefonische, elektronische Kontakte oder durch gegenseitige Besuche aufrecht zu erhalten (vgl. Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK", ÖJZ 2007/74 mwN). Ebenso stünde es der bP -so wie jedem anderen Fremden auch- sich um eine legale Wiedereinreise und einen legalen Aufenthalt zu bemühen.

Das Vorbringen der bP lässt auch erkennen, dass diese sichtlich hier auch die Sach- und Rechtslage, wonach ein Aufenthalt in Österreich primär und regelmäßig unter Einhaltung der fremden- und niederlassungsrechtlichen Bestimmungen zu begründen und fortzusetzen ist, verkennen. Auch ergibt sich hieraus, dass beim Fehlen eines gültigen Aufenthaltstitels den Fremden die Obliegenheit zukommt, das Bundesgebiet zu verlassen. Nur beim Vorliegen von außergewöhnlichen, besonders berücksichtigenden Sachverhalten kann sich ergeben, dass den Fremden, welche sich rechtswidrig in diesem aufhalten, ihre Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes nachgesehen und ein Aufenthaltsrecht erteilt wird. Derartige Umstände liegen im gegenständlichen Fall nicht vor.

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Grad der Integration

Die bP haben keine wesen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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