TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/17 L516 1305216-6

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Veröffentlicht am 17.04.2019
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Entscheidungsdatum

17.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AVG §68 Abs2
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §18 Abs1 Z6
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

L516 1305216-6/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Iran, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 14.03.2019, Zahl: 811260000 - 151739848 / BMI-BFA_WIEN_RD, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 14.03.2019, Zahl: 811260000 - 151739848 / BMI-BFA_WIEN_RD, wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 68 Abs 2 AVG ersatzlos behoben.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer stellte am 10.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies jenen Antrag mit Bescheid vom 09.11.2017, Zahl: 811260000/151738848, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I) und gemäß § 8 Abs 1 Z 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II) ab. Das BFA erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III) und erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV). Das BFA stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V) und sprach aus, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI).

3. Der Beschwerdeführer hat gegen jenen Bescheid vom 09.11.2017 Beschwerde erhoben und das Beschwerdeverfahren ist gegenwärtig unter der Geschäftszahl L516 1305216-5/ beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

4. Mit dem verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid vom 14.03.2019 änderte das BFA den Bescheid vom "20.07.2017, Zahl:

1090033600/151497976", gemäß § 68 Abs 2 AVG dergestalt ab, dass das BFA jenen Bescheid betreffend der Spruchpunkte III und IV von Amts wegen aufhob (Spruchpunkt I des gegenständlich angefochtenen Bescheides), gleichzeitig dem Beschwerdeführer erneut keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilte (Spruchpunkt II), gegen den Beschwerdeführer erneut gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erließ (Spruchpunkt III), erneut gemäß § 52 Abs 9 FPG feststellte, dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt IV), gegen den Beschwerdeführer nunmehr erstmals gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs. 3 Z1 FPG ein auf die Dauer von 9 Jahren befristetes Einreiseverbot erließ (Spruchpunkt V), einer Beschwerde gegen diese Entscheidung nunmehr erstmals gemäß § 18 Abs 1 Z 2 und 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannte (Spruchpunkt VI) und nunmehr feststellte, dass gemäß § 55 Abs 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI).

5. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 09.04.2019.

6. Die gegenständliche Beschwerde langte zusammen mit dem Verwaltungsverfahrensakt der Behörde am 12.04.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Da sich eine solche Erledigung, wie sie mit der gegenständlichen Beschwerde angefochten wurde, nicht im vom BFA vorgelegten und durchnummerierten Verwaltungsverfahrensakt befand, teilte das BFA nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht am 15.04.2019 per E-Mail mit, dass nicht mehr eruiert werden könne, wo sich der diesbezügliche Bescheid befinde. Auch sei von der Behörde auf die Verfahrensanordnung für die Rechtsberatung vergessen worden. Gleichzeitig mit dieser E-Mail übermittelte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht in Form eines pdf-Dokumentes eine mittels Textverarbeitung erstellte, als Bescheid betitelte, mit 14.03.2019 datierte und mit einer Amtssignatur der belangten Behörde versehenen Erledigung zu Zahl: 811260000 - 151739848 / BMI-BFA_WIEN_RD, wie sie mit der Beschwerde angefochten wurde. Nach weiterer Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht teilte das BFA am 16.04.2019 mit, dass jene Erledigung vom genehmigenden Organwalter persönlich mit der Amtssignatur signiert worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1.1. Mit ursprünglichen Bescheid vom 09.11.2017 wurde über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und über einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen negativ abgesprochen. Die Abschiebung in den Iran wurde für zulässig erklärt und gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung mit einer Frist zur Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft erlassen.

Das Beschwerdeverfahren über die Beschwerde gegen jenen Bescheid ist zum derzeitigen Zeitpunkt noch beim Bundesverwaltungsgericht anhängig und somit nicht in Rechtskraft erwachsen.

1.2. Die gegenständliche Beschwerde richtet sich gegen "einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 14.03.2019 zugestellt am 15.03.2018" zu "Zahl IFA 811260000". Eine solche Erledigung befindet sich jedoch nicht in dem vom BFA am 12.04.2019 vorgelegten Verwaltungsverfahrensakt, weder in Urschrift noch in Durchschrift, Gleichschrift oder Kopie. Das BFA teilte nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht am 15.04.2019 per E-Mail mit, dass nicht mehr eruiert werden könne, wo sich der diesbezügliche Bescheid befinde. Auch sei von der Behörde auf die Verfahrensanordnung für die Rechtsberatung vergessen worden. Gleichzeitig mit dieser E-Mail übermittelte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht in Form eines pdf-Dokumentes eine mittels Textverarbeitung erstellte, als Bescheid betitelte, mit 14.03.2019 datierte und mit einer Amtssignatur der belangten Behörde vom 19.03.2019 versehenen Erledigung zu Zahl:

811260000 - 151739848 / BMI-BFA_WIEN_RD, wie sie mit der Beschwerde angefochten wurde. Nach weiterer Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht teilte das BFA am 16.04.2019 mit, dass jene Erledigung vom genehmigenden Organwalter persönlich mit der Amtssignatur signiert worden sei.

1.3. Mit der gegenständlich angefochtenen Erledigung des BFA wurde dem Beschwerdeführer zusätzlich ein auf die Dauer von 9 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, sowie der sofortige Vollzug der Rückkehrentscheidung durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung und der Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise ermöglicht.

Entgegen den Ausführungen des BFA im angefochtenen Bescheid (Bescheid, S 61) wurde das Bundesverwaltungsgericht nicht von der geplanten Vorgangsweise verständigt.

2. Beweiswürdigung

2.1. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt des vom BFA vorgelegten Verwaltungsverfahrensaktes sowie den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend den Beschwerdeführer und ist unstrittig. Der vom BFA mit der gegenständlichen Beschwerde vorgelegte Verwaltungsverfahrensakt ist beginnend mit der Aktenseite 1 bis zur letzten Aktenseite 97 durchnummeriert. Das BFA vermerkte händisch bei jedem Blatt jeweils nur an der Vorderseite im oberen rechten Eck die ungeraden Seitenzahlen; die - geraden - Seitenzahlen an der Rückseite jedes Blattes wurden bei der fortlaufenden Durchnummerierung des Aktes zwar mitgezählt, jedoch nicht separat ausgewiesen. Die vom Bundesverwaltungsgericht nach Aktenvorlage erhaltenen Informationen des BFA beruhen auf der mit dem BFA dazu per E-Mail und Telefon geführten Kommunikation (OZ 3 bis 7).

Die Ausführungen des BFA im angefochtenen Bescheid, wonach das Bundesverwaltungsgericht am 14.02.2019 von der geplanten Vorgangsweise verständigt worden sei (Bescheid, S 61) ist falsch. Vielmehr teilte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren zu hg GZ L516 1305216-5 per E-Mail am 14.02.2019 lediglich mit, dass "der Bescheid Verlust des Aufenthaltsrechts (§ 13) mit dem 07.02.2019 zugestellt" worden sei (L516 1305216-5/OZ10). Jene Mitteilung steht somit nicht in Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zur Stattgabe der Beschwerde und ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides

Gesetzliche Grundlage

3.1. Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Gemäß § 68 Abs. 2 AVG können von Amts wegen Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

Rechtsprechung

3.3. Zwar läuft die Anhängigkeit einer zulässigen Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht grundsätzlich einer Anwendung des § 68 Abs 2 AVG nicht zuwider (VwGH 16.11.2015, Ra 2015/12/0029), doch können - belastende - Abänderungen von der Berufung nicht (mehr) unterliegenden Bescheiden nicht auf § 68 Abs 2 AVG gestützt werden (vgl VwGH 27. 5. 2014, 2011/10/0197, auch dann nicht, wenn es sich um Bescheide handelt, aus denen niemandem (ieS [Rz 82]) ein Recht erwachsen ist (Hengstschläger/Leeb, AVG § 68(Stand 1.3.2018, rdb.at) Rz81 mwN). Aus einem Bescheid, mit dem im Einparteienverfahren das Begehren der Partei abgewiesen oder zurückgewiesen, ihr ein Recht aberkannt oder eine Verpflichtung auferlegt wird erwächst niemandem ein Recht iSd § 68 Abs. 2 AVG. Wesentlich ist dabei, dass die durch einen rechtskräftigen Bescheid begründete Rechtsstellung einer Partei durch seine Aufhebung (Abänderung) nicht verschlechtert werden darf.

Zum gegenständlichen Verfahren

3.4. Zunächst ist zu bemerken, dass die belangte Behörde mit Spruchpunkt I der gegenständlich angefochtenen Erledigung vom 14.03.2019 einen "Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2017, Zahl: 1090033600/151497976, betreffend der Spruchpunkte III. und IV., von Amts wegen aufgehoben" hat. Ein solcher Bescheid wurde jedoch betreffend den Beschwerdeführer nicht erlassen, sodass jene Aufhebung bereits insoweit ins Leere geht.

3.4. Die angefochtene Erledigung erweist sich jedoch unabhängig davon jedenfalls als rechtswidrig, da die Aufhebung oder Abänderung eines rechtskräftigen Bescheides nach § 68 Abs 2 AVG nach der zuvor dargestellten ständigen Rechtsprechung des VwGH dann gesetzwidrig ist, wenn hiedurch die Lage der Partei ungünstiger als durch den aufgehobenen bzw abgeänderten Bescheid gestaltet wird (zuletzt VwGH 09.09.2016, 2013/12/0196).

3.5. Dem Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen Abänderungsbescheid gegen ihn ein auf die Dauer von 9 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, sowie der sofortige Vollzug der Abschiebung durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung und der Nichterteilung einer Frist für die freiwillige Ausreise ermöglicht.

3.6. Dies stellt in Bezug auf die im ursprünglichen Bescheid bereits bestehende aber mangels Rechtskraft nicht vollziehbare Rückkehrentscheidung zweifellos eine Verschlechterung seiner Rechtsstellung im offenen Beschwerdeverfahren dar, zumal der Abänderungsbescheid nunmehr eine sofortige Abschiebung während eines offenen Asylverfahrens ermöglichen würde.

3.7. Damit ergibt sich aber für den Beschwerdeführer eine weitaus ungünstigere Rechtslage als durch den ursprünglichen Bescheid, was einen Abänderungsbescheid gemäß § 68 Abs 2 AVG unzulässig macht (vgl VwGH 09.09.2016, 2013/12/0196 mwN), weshalb der bekämpfte Bescheid spruchgemäß aufzuheben ist.

Entfall der mündlichen Verhandlung

3.8. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B)

Revision

3.9. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist.

3.10. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylverfahren, aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung der
Entscheidung, Bescheidabänderung, Einreiseverbot, ersatzlose
Behebung, freiwillige Ausreise, Frist, Gefährdung der Sicherheit,
Kassation, öffentliche Ordnung, öffentliche Sicherheit,
Rechtsstellung, Straffälligkeit, strafrechtliche Verurteilung,
Verschlechterung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L516.1305216.6.00

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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