TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/18 W224 2175338-2

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Veröffentlicht am 18.04.2019
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Entscheidungsdatum

18.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W224 2175338-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch RA Mag. WOLF, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22.03.2019, Zl. 1101512203-181170472, betreffend Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger und hatte zunächst am 03.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, über den vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) mit Bescheid vom 05.10.2017 unter Erlassung einer Rückkehrentscheidung negativ entschieden wurde. Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 20.03.2018, L519 2175338-1, nach mündlicher Verkündung des Erkenntnisses am 31.01.2018 als unbegründet ab.

2. Am 05.12.2018 stellte der Beschwerdeführer einen neuerlichen Antrag auf Zuerkennung von internationalem Schutz. Dazu erfolgte am selben Tag seine Erstbefragung, in welcher er zur Begründung seines neuerlichen Asylantrags ausführte, er habe inzwischen seine Religion gewechselt, besuche einen Bibelkurs, gehe regelmäßig in die Kirche und werde im Jänner 2019 getauft.

3. Am 09.01.2019 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, er habe sich seit etwa neun Monaten intensiv mit dem Christentum beschäftigt und besuche regelmäßig die Kirche. Das BFA stellte ihm mehrere Fragen im Zusammenhang mit christlichen Religionsgemeinschaften und letztlich beantragte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers die Einvernahme eines näher bezeichneten Pastors. Am selben Tag wurde der Pastor zeugenschaftlich einvernommen und führte dabei aus, der Beschwerdeführer begann im Herbst 2017 in den Gottesdienst zukommen. Zwischen Ende 2017 und März 2018 habe es keine persische Simultanübersetzung im Gottesdienst gegeben, aber er sei trotzdem gekommen. Dies habe den Pastor beeindruckt. Er habe gemerkt, dass der Beschwerdeführer unruhig und getrieben sei, er habe etwas gesucht. Auf die Frage, wodurch der Beschwerdeführer mit der Kirche des Pastors in Berührung gekommen sei, gab der Pastor an, seine Kirche sei eine evangelikale Gemeinde. Der Beschwerdeführer sei über einen anderen Iraner zur Kirche gekommen. Im April 2018 gab es wieder eine Übersetzung in der Messe und Bibelkurse. Der Beschwerdeführer habe seit dem Sommer 2018 gesagt, er wolle Jesus wirklich nachfolgen. Ab November 2018 sei es zur Konversion gekommen. Er sei mit dem Beschwerdeführer die Grundlagen des Glaubens durchgegangen, aus welchem Grund man Christ werden solle. Nun komme der Beschwerdeführer nahezu jeden Sonntag zur Kirche. Er nehme am Gottesdienst teil, danach finde der Bibelkurs statt. Der Pastor führte weiter aus er habe im November 2018 eine Veränderung beim Beschwerdeführer bemerkt, wobei er den Beschwerdeführer immer sehr kritisch beobachtet habe. In den Beschwerdeführer sei ein tiefer Friede getreten. Das Aggressive in seiner Person habe er verloren. Er sei rücksichtsvoll geworden. Der Pastor antwortete auf die Frage des BFA, ob er glaube, dass der innere Friede auch mit der Hoffnung auf einen positiven Abschluss des Asylverfahrens zu tun habe, dass der Beschwerdeführer ihm gegenüber nie erwähnt habe, dass sein Asylverfahren für ihn ausschlaggebend gewesen sei. Am 27.01.2019 zweite Taufe des Beschwerdeführers geplant.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22.03.2019, Zl. 1101512203-181170472, wies das BFA den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück (Spruchpunkte I. und II.), erteilte keine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG, erließ unter Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung eine Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot und erteilte keine Frist für die freiwillige Ausreise. Dem neu vorgebrachten Fluchtgrund könne kein glaubhafter Kern zugemessen werden, selbst wenn der Beschwerdeführer nunmehr getauft sei. Das BFA könne keine innere Überzeugung für das Christentum oder den Wechsel seiner Konfession erkennen. Er habe das BFA nicht überzeugen können, dass er entschlossen sei, nach dem christlichen Glauben zu leben und diesen Glauben nach außen tragen zu wollen. Aus diesem Grund wäre der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nicht gefährdet. Es liege sohin eine entschiedene Sache vor.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte dabei im Wesentlichen vor, das BFA habe die Aussagen des Beschwerdeführers und des Pastors über die Teilnahme des Beschwerdeführers an religiösen Riten und seiner innerlichen christlichen Überzeugung außer Acht gelassen. Die vom BFA behauptete Scheinkonversion sei unter unschlüssiger Beweiswürdigung getroffen worden. Der Pastor habe detailliert und nachvollziehbar seine Eindrücke vom Glaubensleben des Beschwerdeführers geschildert. Er habe die regelmäßigen Kirchenbesuche und die Teilnahme des Beschwerdeführers an den Bibelkursen bestätigt. Er legte in der Beschwerde eine Bestätigung über die Taufe am 27.01.2019, ein Bestätigungsschreiben des Pastors über die "Echtheit der inneren Glaubensüberzeugung" des Beschwerdeführers und eine weitere Beilage vor.

6. Das BFA übermittelte die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt mit Schreiben vom 11.04.2019, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 15.04.2019.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

Der Beschwerdeführer hat im Folgeverfahren ein Vorbringen erstattet, das sich von jenem im vorhergehenden, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren insofern unterscheidet, als damals primär das "Interesse" am Christentum vorgebracht (jedoch dessen Ernsthaftigkeit vom Bundesverwaltungsgericht verneint) wurde, während im vorliegenden Verfahren (erkennbar im Sinne einer weiteren Entwicklung) die bereits erfolgte und durch Taufe manifestierte Konversion vorgebracht wird. Selbst das BFA hat dieses neue Vorbringen angesichts seiner weiteren Verfahrensführung offenbar nicht als bereits rechtlich irrelevant oder abstrakt ungeeignet behandelt, sondern hat eine eingehende Einvernahme des Beschwerdeführers unternommen, wie sie für Fälle der inhaltlichen Überprüfung eines Konversionsvorbringens üblich ist. Darüber hinaus hat das BFA einen näher bezeichneten Pastor zeugenschaftlich einvernommen, welcher auch letztlich die vollzogene Taufe des Beschwerdeführers bestätigte. Die Einvernahme des Pastors war als Zeugenangebot zum Beweisthema seiner zwischenzeitigen Konversion und der (nunmehrigen) Ernsthaftigkeit seiner Beschäftigung mit dem christlichen Glauben zu verstehen gewesen.

Bei wiederholten Anträgen auf internationalen Schutz verpflichtet eine behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen -, wenn dieser Änderung rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048 mwN).

Dieses Kriterium, wonach das neue Vorbringen zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen muss, erwähnte die belangte Behörde zwar in der Einleitung ihrer Beweiswürdigung, legt aber in den weiteren (auf den Fall konkret bezogenen) Ausführungen ihres Bescheides nicht dar, inwiefern das neue Vorbringen einer nunmehr eingetretenen (ernsthaftigen) Konversion nicht einmal einen "glaubhaften Kern" haben sollte; dies ist auch für das Bundesverwaltungsgericht nicht ohne weiteres ersichtlich. Auch, dass dieses neue Vorbringen für die potentielle Asylzuerkennung im Fall eines iranischen Staatsangehörigen bereits von vornherein irrelevant wäre, legt das BFA nicht dar (Derartiges widerspräche im Übrigen auch den notorischen Tatsachen und dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichts).

Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 25.2.2019, Ra 2019/19/0017, mwN). Für eine solche Einschätzung bedarf es einer näheren Auseinandersetzung mit jenen Umständen, die die Konversion konkret betreffen (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0260-0261, mwN). Ob die Taufe durchgeführt oder bloß beabsichtigt ist, ist für die Frage der inneren Konversion bedeutungslos (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0453; 26.3.2019, Ra 2018/19/0603).

Auch der Verfassungsgerichtshof fordert, dass, sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, sich das Gericht auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen muss, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht; dies selbst dann, wenn sich der Asylwerber zunächst auf unwahre Angaben betreffend seinen Fluchtgrund gestützt hat (vgl. VfGH 27.2.2018, E 2958/2017, mwN).

Das Bundesverwaltungsgericht übersieht nicht, dass in der rechtskräftigen Entscheidung vom 20.03.2018, L519 2175338-1, eine Beweiswürdigung zum Ausdruck kam, die das frühere Vorgehen des Beschwerdeführers so deutete, dass eine "ernsthafte" Hinwendung des Beschwerdeführers zum Christentum als "völlig" unglaubwürdig zu bewerten war. Dass dieses frühere Vorgehen des Beschwerdeführers als asylmissbräuchlicher Schritt hin zur Scheinkonversion gewertet wurde (womit auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch Indizien in diese Richtung fortbestünden), geht aus der rechtskräftigen Entscheidung allerdings nicht hervor. Bei Gegenüberstellung der rechtskräftigen Entscheidung mit dem nunmehrigen Vorbringen bleibt für die Annahme eines glaubhaften Kerns der Behauptung, dass eine Konversion nunmehr ernsthaft verinnerlicht und gelebt ist, zumindest Raum.

Zur Begründung seiner Einschätzung, dass das neue Vorbringen keinen zulässigen Folgeantrag begründet, hat sich das BFA darauf berufen, dass dem neu vorgebrachten Fluchtgrund kein glaubhafter Kern zugemessen werden könne, selbst wenn der Beschwerdeführer nunmehr getauft sei. Das BFA könne keine innere Überzeugung für das Christentum oder den Wechsel seiner Konfession erkennen. Er habe das BFA nicht überzeugen können, dass er entschlossen sei, nach dem christlichen Glauben zu leben und diesen Glauben nach außen tragen zu wollen. Der Begründung des angefochtenen Bescheides zufolge habe der Beschwerdeführer "im nunmehrigen Antrag [...] offenbar die wiederholte Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt".

Mit dieser Begründung hat das BFA verkannt, dass die behaupteten Geschehnisse, die sich nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens ereignet haben sollen, im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes daraufhin zu überprüfen gewesen wären, ob sie einen "glaubhaften Kern" aufweisen oder nicht.

Dass das neue Vorbringen in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den im Erstverfahren nicht geglaubten Behauptungen stand, ändert an diesem Umstand nichts. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der behaupteten neuen Tatsachen argumentativ von Bedeutung sein, macht eine Beweiswürdigung des neuen Vorbringens aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar - in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden - unzulässig. Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Erkenntnis zu Grunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedürfte es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit (vgl. VwGH 22.11.2005, 2005/01/0626, mwN; VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0025).

Das BFA hat die somit erforderliche Prüfung nicht vorgenommen. Dieser mangelhafte Sachverhalt konnte vom Bundesverwaltungsgericht nicht einfach dadurch behoben werden, dass es dem neuen Fluchtvorbringen nun erstmals den "glaubhaften Kern" abspricht (VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0025).

Der angefochtene Bescheid ist daher (einschließlich der auf die zurückweisenden Spruchpunkte I. und II. aufbauenden Spruchpunkte III. bis VIII.) zu beheben. Dies konnte ohne mündliche Verhandlung erfolgen (§ 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG, § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Die Abweisung der Beschwerde hinsichtlich des angefochtenen Bescheides ergeht in Anlehnung an die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, in der jeweiligen Fassung.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, entschiedene Sache, Folgeantrag,
Glaubwürdigkeit, Kassation, Konversion, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Religion, Rückkehrentscheidung behoben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W224.2175338.2.00

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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