TE Bvwg Beschluss 2019/4/23 I415 2123818-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.04.2019
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Entscheidungsdatum

23.04.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I415 2123818-2/4E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge: BFA) vom 05.04.2019, Zl. XXXX, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX (alias alias XXXX alias XXXX) geb. XXXX (alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX), StA. ALGERIEN, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 sowie § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Fremde wurde am 09.02.2016 mit "12 einzeln verpackten Baggies Cannabiskraut" und "1 Sackerl mit einer größeren Menge an losen Blüten Marihuana" von der Polizei betreten und vorübergehend festgenommen. Am 05.03.2016 wurde der Fremde von der Polizei im Besitz von 19 "Baggies" Cannabiskraut betreten und daraufhin festgenommen.

Am 05.03.2016 wurde der Fremde von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen, wobei er erklärte, dass er seit etwa zwei Monaten in Österreich sei, keinen Asylantrag stellen und in die Schweiz weiterreisen wolle.

In seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 05.03.2016 gab der Fremde zunächst an, vor ca. zwei Monaten nach Österreich gekommen zu sein und hier Arbeit suchen zu wollen. Dann behauptete er, in Österreich bereits einen Asylantrag gestellt zu haben, um wenig später zu erklären, in Österreich bis dato noch keinen Asylantrag gestellt zu haben. Eigentlich habe er heute zu seiner Familie in die Schweiz weiterreisen wollen; jetzt wolle er in Österreich einen Asylantrag stellen, da er in Algerien von Freunden als Zeuge eines Diebstahles mit dem Tod bedroht werde.

Bei seiner "Erstbefragung nach AsylG" durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.03.2016 gab der Fremde als "Fluchtgrund" Folgendes an: "Mein Nachbar hat ein Haus ausgeraubt und ich war Zeuge und habe gegen ihn ausgesagt. Seine Brüder haben mich mit dem Umbringen bedroht. Aus Angst von ihnen umgebracht zu werden, habe ich Algerien verlassen."

Mit Bescheid des BFA vom 10.03.2016 wurde der Erstantrag des Fremden als unbegründet abgewiesen, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist. Letztlich wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.04.2016, Zl. I409 2123818-1/2E, als unbegründet abgewiesen.

2. Am 30.06.2016 stellte der Fremde einen (Folge-)Antrag auf internationalen Schutz, wobei er auf Befragung angab, dass noch die gleichen Asylgründe bestünden wie beim ersten Mal. Dieser Asylantrag wurde vom BFA gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist. Der Bescheid erwuchs mit 25.10.2016 unbekämpft in Rechtskraft.

3. Am 06.03.2017 brachte der Fremde erneut einen - seinen zwischenzeitlich dritten - Antrag auf internationalen Schutz ein. Mit Bescheid des BFA vom 19.08.2017 wurde auch dieser Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist. Auch dieser Bescheid erwuchs unbekämpft in Rechtskraft und zwar per 06.09.2017.

4. Am 28.03.2019 stellte der Fremde verfahrensgegenständlichen vierten Antrag auf internationalen Schutz. In der Ersteinvernahme hielt er seine bisherigen Fluchtgründe und ergänzte diese mit seiner nunmehr erstmals behaupteten Homosexualität.

Der Fremde hat neben seinen vier Asylanträgen in Österreich auch je einen in der Schweiz (17.11.2016 in Kreuzlingen), in Deutschland (29.03.2018 in Giessen) und in den Niederlanden (02.09.2018 in Amsterdam) gestellt.

Am 05.04.2019 wurde der Fremde im Beisein seiner Rechtsberatung von der belangten Behörde einvernommen. Er nehme Medikamente gegen seine Angst, sei in psychotherapeutischer Behandlung und in diesem Verfahren unvertreten. Die Fluchtgründe aus dem Erstverfahren bestünden auch Nachfrage immer noch, neue Fluchtgründe habe er auch:

"Meine Homosexualität habe ich aus Schamgefühl und Angst bisher nicht angegeben." Auf Nachfrage des BFA, wieso er in drei rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren diesen Fluchtgrund nicht angeführt habe, gab der Fremde zu Protokoll wie folgt: "Ich widerrufe meine angegebenen Fluchtgründe und ich habe aus Angst diese Geschichte erzählt und immer wiederholt." Bei der ersten Asylantragstellung habe er versucht seine Beziehung zu einem jungen Mann zu erklären, doch habe er sich dann gezwungen gefühlt eine Geschichte zu erfinden. Er sei dann immer bei seiner Aussage geblieben, weil er ja sonst unglaubwürdig gewirkt hätte. Tatsache sei jedenfalls, dass er homosexuell sei und sei dies auch sein einziger Grund.

4. In der Folge wurde gegenüber dem Fremden am 05.04.2019 mit mündlich verkündetem Bescheid der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Ab. 2 iVm § 22 Abs 10 AsylG und § 62 Abs 2 AVG aufgehoben.

5. Der mündlich verkündete Bescheid über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wurde der zuständigen Gerichtsabteilung I415 des Bundesverwaltungsgerichts am 18.04.2019 samt dem Verwaltungsakt vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Die Vorlage des Aktes durch das Bundesamt vom 15.04.2019, eingelangt bei der zuständigen Gerichtsabteilung I415 des Bundesverwaltungsgerichts am 18.04.2019, gilt gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 bereits als Beschwerde.

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

Der Fremde ist Staatsangehöriger von Algerien, volljährig, gesund, arbeitsfähig, ledig, kinderlos und der Volksgruppe der Araber zugehörig Er ist sohin Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG sowie des § 2 Abs. 1 Z 20b AsylG 2005.

Feststellungen zu seiner Identität - vor allem zu seinem Namen und seinem Geburtsdatum - können nicht getroffen werden.

Der Fremde spricht arabisch auf Muttersprachenniveau.

In Österreich ist er nicht Mitglied von Organisationen oder Vereinen.

Er war und ist in Österreich auch nicht berufstätig somit nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Fremde weist nachfolgende Verurteilungen im Bundesgebiet auf:

01) LG XXXX vom 20.05.2016 RK 20.05.2016

§ 15 StGB §§ 127, 129 (1) Z 1 StGB

Datum der (letzten) Tat 08.04.2016

Freiheitsstrafe 5 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Junge(r) Erwachsene(r)

zu LG XXXX RK 20.05.2016

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG XXXX vom 29.09.2017

02) LG XXXX vom 29.06.2016 RK 14.10.2016

§ 229 (1) StGB

§ 142 (1) StGB

§ 241e (3) StGB

Datum der (letzten) Tat 03.04.2016

Freiheitsstrafe 21 Monate, davon Freiheitsstrafe 14 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf LG XXXX

RK

20.05.2016

Junge(r) Erwachsene(r)

zu LG XXXX RK 14.10.2016

Probezeit des bedingten Strafteils verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG XXXX vom 29.09.2017

03) LG XXXX vom 29.09.2017 RK 29.09.2017

§ 27 (2a, 3) SMG

§§ 27 (1) Z 1 1. 2. Fall, 27 (2) SMG

§ 27 (1) Z 1 1. 2. Fall SMG

Datum der (letzten) Tat 25.08.2017

Freiheitsstrafe 6 Monate

Vollzugsdatum 23.02.2018

04) BG LEOPOLDSTADT 039 U 67/2016s vom 11.12.2017 RK 15.12.2017

§ 27 (1) Z 1 1.2.8. Fall SMG

Datum der (letzten) Tat 04.03.2016

Freiheitsstrafe 4 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf LG XXXX

RK

29.09.2017

Junge(r) Erwachsene(r)

Seit seiner erstmaligen Einreise in das Bundesgebiet am 09.02.2016 hielt sich der Beschwerdeführer nicht durchgehend in Österreich auf. Nach dem rechtskräftig negativen Abschluss seines ersten Asylverfahrens am 26.04.2016 stellte der Fremde am 30.06.2016 einen Folgeantrag. Dieser wurde vom BFA wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist. Der Bescheid erwuchs erstinstanzlich unbekämpft am 25.10.2016 in Rechtskraft.

Im dritten Asylantrag vom 06.03.2017 führte der Fremde aus, dass er seine bisherigen Fluchtgründe aufrecht halte und er keine neuen habe. Auch dieser Antrag wurde vom BFA wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist. Der Bescheid erwuchs abermals erstinstanzlich unbekämpft in Rechtskraft - per 06.09.2017.

Im gegenständlichen vierten Antrag auf internationalen Schutz behauptet der Fremde erstmals homosexuell zu sein und damit verbundene Furcht vor Inhaftierung im Herkunftsstaat. Zudem sei er im Herkunftsstaat in Abwesenheit wegen seiner behaupteten Homosexualität bereits verurteilt worden. Damit bezieht sich der Fremde auf Gründe, die bereits vor seinen ersten drei Asylantragstellungen bestanden haben. Schon im ersten Verfahren war dem Fremden jegliche Glaubwürdigkeit abzusprechen. Weder im Hinblick auf die allgemeine Lage in Algerien noch im Hinblick auf die anzuwendenden rechtlichen Bestimmungen ist seit Abschluss dieses Asylverfahrens eine maßgebliche Änderung der Rechtslage eingetreten.

Auch sein nunmehr vierter Antrag auf internationalen Schutz wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein. In Bezug auf den Fremden besteht kein schützenswertes Privat- und/oder Familienleben im Bundesgebiet. In Bezug auf seinen Gesundheitszustand ist betreffend eine allenfalls vorzunehmende Abschiebung darauf hinzuweisen, dass vor einer Abschiebung durch die zuständige Behörde/Amtsarzt eine Prüfung dahingehend vorzunehmen ist, ob eine beabsichtigte Abschiebung eine EMRK-widrige Behandlung des Fremden bedeuten würde.

2. Beweiswürdigung:

Die Angaben zur Person des Fremden fußen auf seinen Aussagen im gegenständlichen sowie in den rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren.

Die Angaben zu den Asylverfahren des Fremden ergeben sich aus den vorliegenden Akten der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichts.

Sein erster Asylantrag wurde mangels Glaubhaftigkeit vom BFA abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht ab und führte begründend aus wie folgt:

"Die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers wird schon deshalb nachhaltig erschüttert, weil er in Österreich unter verschiedenen Identitäten auftrat und er dabei acht unterschiedliche Geburtsdaten angab, um - wie er selbst einräumt - seine Außerlandesbringung zu erschweren oder gar zu verhindern. In seiner Einvernahme am 8. März 2016 erklärte er überdies, seinen Reisepass in der Türkei gelassen zu haben, weil man ihm gesagt habe, dass alle Algerier, die einen Reisepass besitzen würden, abgeschoben werden würden. Auffällig ist auch, dass der Beschwerdeführer den gegenständlichen Asylantrag nicht unmittelbar nach seiner Einreise, sondern erst nach seiner Festnahme durch die Polizei stellte, nachdem er im Besitz von Drogen betreten worden war. Hinsichtlich des Fluchtgrundes, den der Beschwerdeführer für sich ins Treffen führt, unternimmt er in seiner Beschwerde den Versuch, punktuell die Beweiswürdigung der belangten Behörde in Zweifel zu ziehen, allerdings lassen auch die unbestritten gebliebenen Teile der Beschwerdewürdigung den Schluss zu, dass er die behauptete Verfolgung nicht real erlebt hat. In dieses Ergebnis fügt sich auch folgende Bemerkung des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme am 9. März 2016: "Ich möchte in Österreich keinen Asylantrag mehr stellen. Ich habe gehört, dass die Schweiz besser als Österreich ist. In der Schweiz gibt es bessere Arbeitsmöglichkeiten." Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher - wie auch die belangte Behörde - zu dem Schluss, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen, der auch Asylrelevanz zukommt. Überdies wird darauf hingewiesen, dass Algerien ein "sicherer Herkunftsstaat" iSd Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009, in der Fassung BGBl. II Nr. 47/2016, ist (vgl. § 1 Z 10 leg.cit.)."

Sein Vorbringen in seinem zweiten und dritten Antrag auf internationalen Schutz vom 30.06.2016 und 06.03.2017 wies keinen "glaubhaften Kern" auf. Beide Anträge wurde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und erwuchsen jeweils erstinstanzlich in Rechtskraft.

Der Fremde erklärte im gegenständlichen Verfahren in der Erstbefragung, dass seine bisherigen Fluchtgründe weiterhin aufrecht wären und führte er weiters erstmals seine behauptete Homosexualität ins Treffen. In der Einvernahme durch die belangte Behörde widerrief der Fremde plötzlich seine in den ersten drei Asylverfahren genannten Fluchtgründe und gab die behauptete Homosexualität als einzigen Fluchtgrund an. Auch dieses Verhalten ist seiner Glaubwürdigkeit nicht weiter zuträglich.

Der Ansicht der belangten Behörde, dass es dem Fremden im Folgeverfahren nicht gelungen ist, einen neuen Fluchtgrund glaubhaft zu machen, ist daher beizupflichten.

Ein Abgleich zwischen den Feststellungen des vorangegangenen Asylverfahrens und den Länderfeststellungen, welche der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt wurden, ergibt keine Verschlechterung der allgemeinen Situation in Algerien. Eine solche würde auch nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechen und wurde vom Fremde auch nicht behauptet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.

Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

1. Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde (Z 1), kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt (Z 2), im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben (Z 3), und eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist (Z 4).

Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufheben, wenn gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht (Z 1), der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist (Z 2), und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z 3).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 ist im Sinne dieses Bundesgesetzes ein Folgeantrag jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag.

Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden. Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 Abs. 3 BFA-VG binnen acht Wochen zu entscheiden.

2. Die Anträge des Fremden über seinen zweiten und dritten Antrag auf internationalen Schutz vom 30.06.2016 und 06.03.2017 wurden vom BFA jeweils wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und wurde gleichzeitig eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist. Beide Bescheide erwuchsen unbekämpft erstinstanzlich in Rechtskraft: Dies per 25.10.2016 sowie 06.09.2017. Beim Antrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 28.03.2019 handelt es sich somit um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.

3. Gegen die zurückweisenden Bescheide des BFA im zweiten und dritten Asylverfahren hat der Fremde keine Beschwerden erhoben und erwuchsen diese ohne weiteres in Rechtskraft. Es liegt somit kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 vor.

4. Die Rückkehrentscheidung der belangten Behörde vom 19.08.2017 gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG wurde rechtswirksam (rechtskräftig per 06.09.2017).

5. Der Antrag vom 28.03.2019 ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil kein "glaubhafter Kern" erkennbar ist: Zudem waren dem Fremden die neu behaupteten Fluchtgründe bereits vor Rechtskraft der ersten drei Asylantragstellungen bekannt.

Aus den Länderberichten ergibt sich, dass auch im Hinblick auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat keine maßgebliche Änderung der Lage im Vergleich zum vorangegangenen Bescheid eingetreten ist.

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN).

Auch diesbezüglich wurden keine Sachverhaltsänderungen vorgebracht.

6. Die Abschiebung würde auch keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK darstellen:

Auch dafür, dass dem Fremden im Falle einer Rückkehr nach Algerien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und er in die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059), gibt es im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt. Für den Fall einer Erkrankung bestehen auch in seinem Heimatstaat ausreichende Behandlungsmöglichkeiten. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum der Fremde seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht bestreiten können sollte. Außerdem besteht ganz allgemein in Algerien derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zu EMRK ausgesetzt wäre.

Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Fremden ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK erschlossenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

Eine Gefährdung iSd Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK wird vom Fremden nicht vorgebracht. Im Hinblick auf Art. 8 EMRK hat der Fremde, der bereits mehrfach rechtskräftig verurteilt wurde, angegeben, in Österreich keine Familie oder familienähnliche Lebensgemeinschaft zu haben. Eine besondere Aufenthaltsverfestigung kann angesichts seines kurzen Aufenthalts nicht angenommen werden. Es kann daher auch keine Verletzung seines Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden.

7. Auf Grund der aktuellen Länderberichte kann nicht festgestellt werden, dass dem Fremden als Zivilperson durch die Rückkehr nach Algerien eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes erwachsen würde.

8. Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG erfüllt sind, ist spruchgemäß festzustellen, dass der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 05.04.2019 rechtmäßig ist und die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen.

9. Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz,
faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag,
Identität der Sache, Privat- und Familienleben, real risk, reale
Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I415.2123818.2.01

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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