TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/24 W261 2181118-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.04.2019
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Entscheidungsdatum

24.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W261 2181118-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS über die Beschwerde von XXXX auch XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.11.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 20.11.2015 in die Republik Österreich ein und stellte am selben Tag gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am 21.11.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, dass er ein Tadschike aus Kabul sei, der 12 Jahre lang die Schule besucht habe. Er habe sich in ein Mädchen aus einer anderen Volksgruppe verliebt. Da ihre Eltern sehr religiös seien, sei ihr Vater damit nicht einverstanden gewesen. Er habe den BF und das Mädchen bedroht, er habe das Mädchen sogar geschlagen. Der BF habe seine Freundin mit in den Iran genommen, er habe nicht genug Geld gehabt und hätte alleine weiterreisen müssen, weswegen er das Mädchen zurückgelassen habe.

Am 02.11.2017 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge belangte Behörde) im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari. Er gab an, er sei in Kabul geboren, spreche neben seiner Muttersprache auch noch Englisch, Arabisch, Hindi, Urdu und etwas Deutsch. Seine Kernfamilie würde nicht mehr in Afghanistan leben, er habe seit ca. einem Jahr und sieben Monaten keinen Kontakt mehr mit dieser. Die Familie sei nach dem Tod seines jüngeren Bruders geflohen. Er habe noch zwei Tanten mütterlicherseits und einen Onkel mütterlicherseits in Kabul. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF an, dass er auf Facebook ein Mädchen kennengelernt habe, sie sei Paschtunin und habe gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in Pakistan gelebt, ihr Vater und ihre Onkel hätten in Afghanistan gelebt. Nach einer Zeit von vier Monaten sei das Mädchen wegen eines Urlaubes nach Afghanistan gekommen. Sie habe den BF gebeten, nach Ghazni zu kommen, um sie zu treffen. Das Treffen habe stattgefunden, jedoch habe ein Cousin des Mädchens sie gesehen. Dieser habe dem Vater und dem Onkel gesagt, dass das Mädchen einen Burschen getroffen habe. Der Vater habe das Mädchen geschlagen und diese habe den Namen und die Adresse des BF mitgeteilt. Eines Tages sei der Vater des Mädchens gekommen und habe den BF festgenommen und ihn drei Tage lang festgehalten. Man habe ihn gefragt wer er sei, wer sein Vater sei. Da man ihn geschlagen habe, hätte er dies mitteilen müssen. Sie hätten den BF aufgefordert, für die Taliban zu arbeiten. Der BF erbat sich 10 Tage Bedenkzeit. Sein Vater habe es ihm verboten, sich den Taliban anzuschließen. In dieser Zeit habe er sich einen Reisepass besorgt. Das Mädchen sei mit seiner Cousine nach Kabul gekommen, und die beiden seien gemeinsam in den Iran geflohen. Ca. einen Monat nach der Ausreise des BF habe der Vater des Mädchens den Bruder des BF getötet, weswegen seine gesamte Familie geflohen sei.

Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.) und erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.). Die belangte Behörde stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI).

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle einer Rückkehr stellte die belangte Behörde insbesondere fest, dass nicht festgestellt werden könne, dass der BF einer konkreten Gefährdung oder Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt sei, noch eine solche, im Falle seiner Rückkehr zu befürchten habe. Der BF sei volljährig, gesund und arbeitsfähig und könne seinen Lebensunterhalt in seiner Herkunftsstadt Kabul bestreiten. Er liefe nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse nicht befriedigen zu können und in eine aussichtlose Lage zu geraten.

Der BF erhob mit Eingabe vom 21.12.2017, bevollmächtigt vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen diesen Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte begründend aus, dass das Verfahren aufgrund Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens und unrichtiger Beweiswürdigung mit Rechtswidrigkeit behaftet sei. Die belangte Behörde habe dem Fluchtvorbringen des BF zu Unrecht die Glaubhaftigkeit abgesprochen. Vielmehr drohe dem BF Verfolgung durch die Taliban aufgrund der ihm unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung, zumal er die Zusammenarbeit mit diesen verweigert habe. Weiters drohe dem BF Verfolgung als Mitglied der sozialen Gruppe der Familie, da er das Ziel einer Blutfehde der Familie des Mädchens sei. Die staatlichen Behörden seien nicht in der Lage, den BF vor dieser Bedrohung zu beschützen. Diese Verfolgungsgefahr würde sich auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken, eine innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative stünde dem BF aufgrund der zahlreichen in der Beschwerde zitierten Länderinformationen zu Afghanistan nicht zur Verfügung. Bei einer richtigen rechtlichen Beurteilung hätte die belangte Behörde dem BF, alleine angesichts der prekären Sicherheitslage in Afghanistan - zumindest subsidiären Schutz zu gewähren gehabt. Auch die Versorgungslage sei schlecht, und werde es dem BF nicht möglich sein, Zugang zu sicherer und ausreichender Unterkunft, existenzsichernder Arbeit und medizinischer Grundversorgung zu erhalten. Im Falle einer Rückkehr wäre der BF sogar einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 2, 3 EMRK ausgesetzt, er sei davon bedroht, innerhalb von kürzestes Zeit an Kälte, Krankheit, Hunger, Durst zu sterben oder zumindest in eine die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohende Lebenssituation zu geraten. Die Rückkehrentscheidung sei ebenfalls jedenfalls unzulässig, weil sich der BF in Österreich bereits bestens integriert habe. Diese Rückkehrentscheidung würde im Fall des BF einen unzulässigen Eingriff in sein Recht auf Privat- und Familienleben darstellen und damit gegen Art. 8 EMRK verstoßen. Es werde daher jedenfalls eine mündliche Verhandlung zur Abklärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes durchzuführen sein. Der BF legte gemeinsam mit seiner Beschwerde ein Update der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 14.09.2017, Beiträge von Friederike Stahlmann im Asylmagazin 3/102 und ein Referat von Thomas Ruttig vom 20.06.2017 vor.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 29.12.2017 beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein.

Das BVwG führte am 26.06.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm. Der BF wurde im Beisein seiner Vertreterin und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, zu den aktuellen Feststellungen zur Situation in Afghanistan Stellung zu nehmen. Der BF führte im Wesentlichen das aus, was er bereits vor der belangten Behörde dargelegt hatte und legte weitere Integrationsunterlagen vor.

Das BVwG legte im Rahmen der Verhandlung die aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan, genauer das Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 30.01.2018, den Landinfo Report Afghanistan zum Thema "Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne", einen Auszug aus der UNHCR Richtlinie vom 19.04.2016 und einen Bericht der SFH, Afghanistan: Zina, außerehelicher Geschlechtsverkehrt vom 02.10.2012, vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Der BF, bevollmächtigt vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH führte in seiner Stellungnahme vom 17.07.2018 im Wesentlichen aus, dass sich die Sicherheitslage in Kabul verschlechtert habe, was auch Fredericke Stahlmann in deren Gutachten vom März 2018 für das Verwaltungsgericht Wiesbaden erarbeiteten Gutachten ausführe, welches als weitere aktuelle Erkenntnisquelle herangezogen werden könne. Es folge daraus, dass in ganz Afghanistan eine prekäre Sicherheitslage herrsche, und für Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung vorliege, Opfer von willkürlicher Gewalt zu werden. Der vorgelegte Bericht zu den Taliban würde bestätige, dass dem BF in seinem Herkunftsstaat eine Verfolgung drohe. Die vorgelegten Unterlagen der Schweizer Flüchtlingshilfe zu Zina würden belegen, dass auch Männer wegen solcher Vergehen bestraft werden würden. Dem BF sei daher internationaler Schutz zu gewähren. Jedenfalls sei dem BF subsidiärer Schutz zu gewähren. Den in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgelegten Länderinformationen würde zu entnehmen sein, dass die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, und im speziellen in Kabul, eine Rückkehr des Beschwerdeführers nicht ermöglichen würde. Eine innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative stehe dem BF nach den vorgelegten Länderinformationen auch in den Städten Mazar-e Sharif und Herat nicht zur Verfügung. In allen drei Städten sei ein soziales oder familiäres Netzwerk erforderlich, um Unterkunft und Arbeit zu finden. Der BF verfüge über kein derartiges Netzwerk. Der BF gehöre mehreren in der UNHCR Richtlinie genannten Risikoprofilen an, er weise eine spezielle Vulnerabilität auf, und die Großstädte Afghanistans würden nicht die notwendige Infrastruktur für eine Rückkehr des BF bieten. In diesem Lichte sei dem BF eine Rückkehr in keine der drei Städte zumutbar.

Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

Mit Schreiben vom 14.03.2019 übermittelte das BVwG den Parteien die aktuellen Länderinformationen, wie das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 01.03.2019, die aktuelle UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018 und Auszüge aus den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte eine Frist zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme ein.

In seiner Stellungnahme vom 03.04.2019 führte der BF, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie Flüchtlingsdienst im Wesentlichen aus, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan massiv verschlechtert habe, dies insbesondere in der Stadt und in der Provinz Kabul. Die Versorgungslage sei in allen drei Städten, Kabul, Mazar-e Sharif und Herat sehr schlecht, was auch auf die hohe Anzahl der dort lebenden Binnenflüchtlinge und Rückkehrer zurückzuführen sei. Der BF werde keinen Wohnraum und keine Arbeit finden, es sei kein Zugang zu Nahrung und angemessenen Sanitäreinrichtungen vorhanden. Es drohe dem BF im Falle einer Rückkehr Armut und Obdachlosigkeit, er werde seine lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht decken können. Hinzu komme die Dürre im Norden Afghanistans, die zu einer Verknappung der Lebensmittel geführt habe. Der BF befinde sich im Lichte der in der Stellungnahme zitierten ergänzenden Länderinformationen in einer besonders vulnerablen Situation. Er sei bereits lange aus Afghanistan abwesend, verfüge über kein tragfähiges Netzwerk, es würde ihm die Ortskenntnis fehlen und im Hinblick auf die Versorgungssituation in den großen Städten, den fehlenden finanziellen Eigenmitteln bzw. fehlenden Eigentums, wie z.-B. Grundbesitz, führe kumulativ dazu, dass der BF im Falle einer Rückkehr nicht in der Lage sein werde, seinen notwendigen Lebensunterhalt selbst zu erwirtschaften. Es sei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der BF im Falle seiner Rückkehr mit ernsthaften Versorgungsschwierigkeiten konfrontiert sein werde.

Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

Das BVwG führte am 12.04.2019 eine Abfrage im GVS System durch, wonach der BF seit 25.11.2015 Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung bezieht.

Aus dem vom BvWG am 12.04.2019 eingeholten Auszug aus dem Strafregister ist ersichtlich, dass der BF im Strafregister der Republik Österreich für den BF keine Verurteilungen aufscheinen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , in der Stadt Kabul, ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an, ist sunnitischer Moslem, gesund, ledig und kinderlos. Die Muttersprache des BF ist Dari. Der BF spricht neben seiner Muttersprache noch Englisch, Arabisch, Urdu, Hindi und etwas Deutsch. Der BF ist Zivilist.

Der BF wuchs in der Stadt Kabul in der XXXX im familieneigenen Haus auf und besuchte dort 12 Jahre lang die XXXX Schule in Kabul. Nach der Schule arbeitete er ca. eineinhalb bis zwei Jahre lang in einem Bekleidungsgeschäft als Verkäufer.

Der Vater des BF heißt XXXX , er ist ca. 48 Jahre alt und arbeitete als Volkszähler in einem Büro. Seine Mutter heißt XXXX , sie ist ca. 38 Jahre alt und ist Hausfrau. Der BF hat Geschwister, drei Brüder und zwei Schwestern, die allesamt jünger sind als der BF. Der aktuelle Aufenthaltsort der Familienangehörigen des BF in Afghanistan kann nicht festgestellt werden.

Der BF hat zwei Tanten und einen Onkel mütterlicherseits, die allesamt in Kabul leben. Eine der Tanten des BF ist Direktorin einer Schule in Kabul, und der Mann der zweiten Tante arbeitet auch. Der BF hat regelmäßigen Kontakt mit seinen Verwandten.

Der BF reiste im Oktober 2015 aus Afghanistan aus und gelangte über den Iran, die Türkei über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich, wo er am 20.11.2015 illegal einreiste und am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.2 Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Das vom BF dargelegte Fluchtvorbringen betreffend die Gefahr, aufgrund einer Blutfehde wegen einer außerehelichen Beziehung zu einem Mädchen verfolgt und getötet zu werden, ist nicht glaubhaft.

Das vom BF dargelegte Fluchtvorbringen betreffend die Gefahr, aufgrund einer ihm unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung von den Taliban aufgrund einer Verweigerung der Zusammenarbeit mit den Taliban verfolgt und getötet zu werden, ist nicht glaubhaft.

Der BF war in seinem Heimatland Afghanistan keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch hat er eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten.

Auch sonst haben sich keine Hinweise für eine dem BF in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.

1.3 Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der BF befindet sich seit seiner Antragstellung im November 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

Der BF besuchte Deutschkurse, zuletzt auf Niveau B1, und verfügt über gute Kenntnisse der deutschen Sprache. In seiner Freizeit spielt der BF zweimal pro Woche Fußball. Da der BF keine Arbeitserlaubnis hat, kann er in Österreich nicht arbeiten. Der BF hat in Österreich keine Familienangehörigen. Neben Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des BF in Österreich festgestellt werden.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.4 Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem BF ist eine Rückkehr in seine Herkunftsstadt Kabul möglich. Für den Fall, dass er nicht nach Kabul zurückkehren möchte, steht dem BF als interstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem BF droht weder bei seiner Rückkehr nach Kabul noch nach Mazar-e Sharif mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

Der BF ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er, wie bisher in Kabul auch, und auch in Mazar-e Sharif - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden, bzw. wird er in Kabul in das Haus seiner Familie zurückkehren können, falls dies nicht möglich ist, kann er bei seinen Verwandten mütterlicherseits unterkommen. Der BF hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, sodass er im Falle der Rückkehr - neben den eigenen Ressourcen - auf eine zusätzliche Unterstützung zur Existenzsicherung greifen kann. Diese Rückkehrhilfe umfasst jedenfalls auch die notwendigen Kosten der Rückreise. Es ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er auch von seinen Verwandten mütterlicherseits Unterstützung bekommen wird. Er hat eine 12 Schulausbildung, weiters hat er bereits Berufserfahrung Verkäufer gesammelt, spricht mehrere Sprachen, die er auch in Kabul oder in Mazar-e Sharif wird nutzen können.

Der BF ist gesund. Der BF läuft im Falle der Rückkehr in eine der Städte Kabul oder Mazar-e Sharif nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

1.5 Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 01.03.2019, in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 und den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 und in der Arbeitsübersetzung Landinfo report "Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 und in der Auskunft der SFH- Länderanalyse zu Afghanistan: Zina, außerehelicher Geschlechtsverkehr vom 02.10.2012 enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

1.5.1 Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.

1.5.1.1 Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt, die Herkunftsprovinz des BF. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa. im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten: Bagrami. Chaharasyab/Char Asiab. Dehsabz/Deh sabz. Estalef/Istalif. Farza. Guldara. Kabul Stadt. Kalakan. Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar. Mirbachakot/Mir Bacha Kot. Musayi/Mussahi. Paghman. Qarabagh. Shakardara. Surobi/Sorubi. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt.

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt.

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. In den letzten Jahren kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte.

Im Zeitraum 01.01.2017- 30.04.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich. Für den Zeitraum 01.01.2017 - 31.01.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte).

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt. Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden. Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind. Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt. Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen. Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt.

Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden. Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden.

UNHCR stellt fest, dass Zivilisten, die in Kabul tagtäglich ihren wirtschaftlichen oder sozialen Aktivitäten nachgehen, Gefahr laufen, Opfer der allgegenwärtigen in der Stadt bestehenden Gefahr zu werden. Zu solchen Aktivitäten zählen etwa der Weg zur Arbeit und zurück, die Fahrt in Krankenhäuser und Kliniken, der Weg zur Schule; den Lebensunterhalt betreffende Aktivitäten, die auf den Straßen der Stadt stattfinden, wie Straßenverkäufe; sowie der Weg zum Markt, in die Moschee oder an andere Orte, an denen viele Menschen zusammentreffen.

Die Provinz Kabul zählt laut EASO zu jenen Provinzen Afghanistans, wo willkürliche Gewalt stattfindet und allenfalls eine reelle Gefahr festgestellt werden kann, dass der BF ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie nehmen könnte - vorausgesetzt, dass er aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse von derartigen Risikofaktoren konkret betroffen ist.

Laut der aktuellen UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018 ist aufgrund der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in der Stadt grundsätzlich nicht verfügbar.

1.5.1.2 Provinz Balkh

Hingegen handelt es sich bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar-e Sharif, laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte.

Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.

1.5.2 Sichere Einreise

Die Stadt Kabul ist über einen internationalen Flughafen sicher zu erreichen. Der Flughafen befindet sich in der Stadt Kabul, unweit jenes Bezirkes, in welchem der BF früher lebte.

Die Stadt Mazar-e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar. Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher.

1.5.3 Wirtschafts- und Versorgungslage

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant.

1.5.3.1 Wirtschafts- und Versorgungslage der Stadt Kabul

Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen. In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen.

1.5.3.2 Wirtschafts- und Versorgungslage der Stadt Mazar-e Sharif

Mazar-e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar-e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. Generell besteht in Mazar-e Sharif laut EASO, trotz der im Umland herrschenden Dürre, keinerlei Lebensmittelknappheit. In Mazar-e Sharif haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind in Mazar-e Sharif vorhanden.

1.5.4 Medizinische Versorgung

Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Kabul und in Mazar-e Sharif sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar.

1.5.5 Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.

Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte; und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Sie machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus. Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan bilden Tadschiken in weiten Teilen Afghanistans ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten:

In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Aus historischer Perspektive identifizierten sich Sprecher des Dari-Persischen in Afghanistan nach sehr unterschiedlichen Kriterien, etwa Siedlungsgebiet oder Herkunftsregion. Dementsprechend nannten sie sich zum Beispiel kaboli (aus Kabul), herati (aus Herat), mazari (aus Mazar-e Scharif), panjsheri (aus Pajshir) oder badakhshi (aus Badakhshan). Sie konnten auch nach ihrer Lebensweise benannt werden. Der Name tajik (Tadschike) bezeichnete traditionell sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession. Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert.

1.5.6 Religion

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten, wie es auch der BF ist.

1.5.7 Rückkehrer

In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.

Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.

Die Großfamilie ist für Zurückkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.

1.5.8 Terroristische und aufständische Gruppierungen

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten.

Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten". Im Grunde steht jeder auf der schwarzen Liste, der (aus Sicht der Taliban) ein "Übeltäter" ist, und dessen Identität und Anschrift die Taliban ausfindig machen können.

1.5.9 Zina, außereheliche Beziehungen

In Afghanistan sind außereheliche Beziehungen sowohl im Strafgesetz als auch gemäß der Scharia verboten. Wenn genügend Beweise vorhanden sind, kann eine sogenannte Hadd-Strafe ausgesprochen werden, ansonsten wird gemäß der Verordnung des afghanischen Strafgesetzes bestraft. Außereheliche Beziehungen gelten als ehrverletzend - vor allem für die Familie der Frau. Deshalb kann es auch zu Ehrenmorden an der Frau, wie auch am Mann kommen. Die meisten Konflikte aufgrund von außerehelichen Beziehungen regeln die betroffenen Familien unter sich. Sie zeigen die Beteiligten normalerweise nicht an, sondern suchen sich eher Unterstützung von lokalen Rechtssprechungsinstitutionen, um die Situation zu schlichten.

Zina (außerehelicher Geschlechtsverkehr): Zina bezeichnet im Islam den Geschlechtsverkehr zwischen Menschen, die nicht verheiratet sind. Gemäß dem Koran ist Zina verboten und wird in der islamischen Rechtsprechung weitgehend bestraft. Alle vor- oder außerehelichen Beziehungen gelten in Afghanistan als Zina-Vergehen. Sowohl in der Scharia, der traditionellen Rechtsprechung, wie auch im afghanischen Strafgesetz gilt Zina als schweres Vergehen und wird bestraft.

Zina stellt im afghanischen Strafgesetz von 1976 einen Straftatbestand dar (Artikel 426-429). Im Gesetz ist nicht klar festgelegt, was unter Zina zu verstehen ist. Deshalb werden Frauen oft der Zina beschuldigt, die vor häuslicher Gewalt oder vor Zwangsheirat fliehen. Sowohl Frauen als auch Männer werden wegen Zina strafrechtlich verfolgt und zu langen Haftstrafen verurteilt. Die Höchststrafe für Zina beträgt sieben Jahre. In Ausnahmefällen, unter anderem wenn die Frau verheiratet oder jemand minderjährig ist, beträgt die Höchststrafe zehn Jahre.

Human Rights Watch dokumentierte verschiedene Fälle, bei denen Männer zu Haftstrafen wegen Zina verurteilt wurden. Sie wurden zu sechseinhalb, sechs beziehungsweise zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Gemäß der Scharia reicht die Bestrafung für Zina von Auspeitschungen bis hin zu Steinigung. Auch Männer werden wegen Zina bestraft, doch Frauen werden häufiger und in der Regel härter bestraft. Die erste nach dem Fall der Taliban bekannt gewordene Bestrafungsaktion wegen Zina wurde im April 2005 von einer lokalen Jirga durchgeführt. Der Mann erhielt hundert Peitschenhiebe, die Frau wurde gesteinigt.

Außereheliche Beziehungen gelten bei allen ethnischen Gruppen als Vergehen und werden bestraft. Angehörige der paschtunischen Volksgruppe gehen bei der Bestrafung der Zina am restriktivsten vor. Die meisten Fälle werden von lokalen Shuras und Jirgas behandelt. Auch wenn die Familien eine Einigung erzielen können, ist das Paar zusätzlich möglichen Sanktionen oder Strafaktionen seitens der erweiterten Gemeinschaft oder der lokalen Machthaber ausgesetzt.

Gemäß UNHCR werden Konflikte wegen unerlaubten Beziehungen außerhalb oder vor der Ehe unter den involvierten Familien gelöst, der Staat interveniert meistens nicht. Ein afghanischer Anwalt geht davon aus, dass 90 Prozent der Fälle, bei denen ein Mann eine außereheliche Beziehung führt, nicht vor Gericht gebracht werden, da die Familien ihre Reputation nicht gefährden wollen. Das UNHCR wie auch der Anwalt weisen darauf hin, dass Konflikte bezüglich außerehelichen Beziehungen auch mit Kompensationszahlungen beigelegt werden: Dabei wird ein minderjähriges Mädchen aus der Familie des Mannes der Familie der Frau übergeben. Falls keine Lösung gefunden wird, kann es zum Ehrenmord am Mann und auch an der involvierten Frau kommen. Vor allem in ländlichen Gebieten sind Ehrenmorde häufig.

Die Afghan Independent Human Right Commission geht davon aus, dass Männern, welche die Ehre einer Familie verletzt haben, nur ihre eigene Familie Schutz vor der Familie der Frau bieten kann. Oft werden Paare, die voreheliche Beziehungen eingegangen sind, miteinander verheiratet. Wenn jedoch die Frau einer höher gestellten Familie angehört, hat der Mann keine Möglichkeit, seine Schuld mit einer Heirat zu tilgen. Afghan Independent Human Right Commission weist darauf hin, dass gemischt ethnische Beziehungen noch viel komplizierter seien. In solchen Fällen werde der Mann oft getötet und seine Leiche geschändet, oder er werde zusammengeschlagen oder der Entführung beschuldigt und inhaftiert.

Die All Afghan Women Union Afghan wie auch die Independent Human Right Commission gehen davon aus, dass ein Mann auch in Kabul nicht sicher vor der Verfolgung der anderen Familie sei, da diese versuchen werde, ihn über ihr ethnisches Netzwerk zu finden. Auch wenn sie ihn nicht finden, wird es für den Mann schwierig, im Versteckten eine Arbeit zu verrichten und er wird immer in Angst leben, entdeckt zu werden. Auch das Ministry of Women's Affairs geht davon aus, dass ein Mann selbst in Kabul gefunden werden kann. Es gibt keine Schutzhäuser für Männer, welche beschuldigt werden, die Ehre einer anderen Familie beschmutzt zu haben.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der Schulbildung und Berufserfahrung des BF beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens. Die Angaben dienen zur Identifizierung im Asylverfahren.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Bereits die belangte Behörde wertete das Vorbringen des BF betreffend eine asylrelevante Verfolgungsgefahr aufgrund vager und unplausibler Angaben sowie aufgrund von Widersprüchen der vorgebrachten Ereignisse als unglaubhaft. Im Laufe des Rechtsmittelverfahrens verstärkte sich der Eindruck der Unglaubwürdigkeit des BF noch, da sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung weitere Ungereimtheiten im Vorbringen ergaben, welche der BF nicht schlüssig zu erklären vermochte.

Der BF gab als Fluchtgrund kurz zusammengefasst anlässlich der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG am 26.06.2018 an, über Facebook ein paschtunisches Mädchen namens XXXX kennengelernt zu haben, das in Pakistan gelebt habe. Der BF und sie seien etwa drei Monate in Kontakt gewesen, als sie gemeinsam mit ihrer Mutter und Schwester nach Afghanistan, Ghazni gereist sei, wo ihr Vater und Onkel gelebt hätten.

Zwei oder drei Tage nach ihrer Ankunft in Ghazni habe XXXX den BF angerufen und ihn gefragt, ob er nach Ghazni kommen wolle, damit die beiden sich sehen und näher kennenlernen könnten. Ein oder zwei Tage später sei der BF nach Ghazni gefahren und habe sich mit XXXX im Stadtteil XXXX an einem Bazar getroffen. Sie seien 10 bis 15 Minuten spazieren gegangen, die restliche Zeit hätten sie sich unter einem Baum unterhalten. Insgesamt habe das Treffen etwa 40 bis 50 Minuten gedauert. Ein Cousin XXXX habe sie zusammen gesehen und ihrem Vater davon erzählt.

Der BF sei nach dem Treffen wieder zurück nach Kabul gefahren, XXXX sei nachhause gegangen, wo sie ihr Vater lebensbedrohlich geschlagen habe. Sie habe ihm den Namen und die Adresse des BF mitteilen müssen.

Zwei oder drei Tage später sei der BF auf dem Weg zur Arbeit von einem weißen Auto mit drei Männern gestoppt worden. Dem BF sei ein Tuch mit Äther vors Gesicht gehalten worden, wodurch er bewusstlos geworden sei. Als er wieder zu Bewusstsein gekommen sei, habe er sich, an Händen und Füßen gefesselt, in Ghazni in einem Raum mit drei weiteren Personen befunden, darunter der Vater von XXXX . Der BF sei drei Tage festgehalten worden. Am ersten Tag habe XXXX Vater ihn immer wieder körperlich misshandelt, geschlagen und mit dem Tod bedroht. Am zweiten und dritten Tag sei ihm dann gesagt worden, er werde überleben und könne XXXX heiraten, wenn er ihnen helfe. Sie würden mit den Taliban zusammenarbeiten, seien selbst Taliban und der BF solle sich ihnen anschließen. Er sollte ihnen helfen, Explosionsmittel in Kabul zu platzieren. Der BF habe sich dazu bereit erklärt, ihnen zu helfen, sie aber gebeten, ihm 10 Tage Bedenkzeit zu geben.

Zurück in Kabul habe der BF seinem Vater davon erzählt, welcher ihm sagte, dass er sich ihnen nicht anschließen dürfe. Er habe dann die Flucht des BF organisiert. XXXX sei aufgrund ihrer körperlichen Misshandlungen ins Krankenhaus in Ghazni gebracht worden. Nach 6 oder 7 Tagen habe sie mit Hilfe ihrer Cousine aus dem Krankenhaus und nach Kabul fliehen können. Sie hätten zwei Nächte bei einem Schlepper gewohnt, dann seien sie gemeinsam in den Iran ausgereist, wo XXXX weiterhin bei einem Freund des BF und dessen Frau lebe.

Etwa zwei Monate nach der Ankunft des BF in Österreich habe er erfahren, dass XXXX Vater seinen Bruder erschossen habe. Damit habe er erreichen wollen, dass der BF und XXXX sich stellten, sie seien davon ausgegangen, dass die beiden sich noch in Afghanistan aufhalten würden. Nach der Ermordung seines Bruders habe seine Familie dem BF mitgeteilt, dass sie Afghanistan verlassen würden, seither habe er keinen Kontakt mit ihnen und wisse nicht, wo sie sich befinden.

Während der BF bei der Erstbefragung zwar vorbrachte, aufgrund des fehlenden Einverständnisses zur Beziehung und der Bedrohung durch den Vater des Mädchens bzw. der Misshandlung des Mädchens durch ihren Vater, geflüchtet zu sein, machte er keinerlei Angaben zur später behaupteten Mitgliedschaft des Vaters des Mädchens bei den Taliban bzw. die versuchte Rekrutierung durch diesen. Ebenso wenig machte der BF Angaben darüber, dass er entführt und drei Tage festgehalten worden sei.

Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert; die Verwaltungsbehörde bzw. das BVwG können in ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.

Es wird im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung des BF nicht in erster Linie auf seine Fluchtgründe bezog, und diese daher nur in aller Kürze angegeben und protokolliert wurden. Dass der BF eine versuchte Rekrutierung und Entführung durch die Taliban und sein Widersetzen ebendieser, und damit einen großen Teil seiner eigentlichen Ausreisegründe aus Afghanistan hingegen zunächst nicht einmal ansatzweise erwähnte, ist für das BVwG jedoch nicht nachvollziehbar.

Diesen Teil seines Fluchtvorbringens steigerte der BF in der Folge weiter, indem er in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA noch angab, die Taliban hätten den BF als Spion in Kabul einsetzen wollen (vgl. AS 77), da er sich gut in der Stadt auskenne. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG führte er erstmals an, er hätte ihnen durch das Anbringen von Explosionsstoffen am Büro seines Vaters, welches in der Nähe des Aufenthaltsortes des Präsidenten gelegen sei, sowie in seiner Schule helfen sollen, wodurch viele Menschen getötet werden sollten (vgl. S 11 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung).

Neben der Steigerung dieses Vorbringens ist, wie bereits von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid angeführt, in keinster Weise nachvollziehbar, dass die Familie des Mädchens, welche den BF zunächst hätte töten wollten, plötzlich innerhalb eines Tages dafür plädierte, dass der BF mit ihnen zusammenarbeiten solle.

Es ist auch nicht plausibel, dass es einem Mädchen, das vorgeblich aus einer sehr strengen paschtunischen Familie stammen soll, möglich ist, in Ghazni ohne männliche Begleitung aus ihrer eigenen Familie das Haus zu verlassen, um sich mit dem BF an einem Ort XXXX , somit im öffentlichen Raum zu treffen, wie dies der BF sowohl vor der belangten Behörde (vgl. AS 77) und vor dem BVWG behauptete (vgl. S 11 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung).

Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass es diesem Mädchen bei derart strengen Eltern gelungen sein soll, alleine mit Unterstützung einer Cousine aus dem Krankenhaus in Ghazni nach Kabul zum BF zu fliehen (vgl. AS 77 und S 11 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung), um dort mit ihm in einer außerehelichen Beziehung zu leben und in weiterer Folge in den Iran auszuwandern.

Der BF und das Mädchen sollen nach den Angaben des BF vor dem BVwG ein Visum für den Iran gehabt haben (siehe S 14 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Wie die BF dies für sich, und das Mädchen innerhalb der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit organisiert haben will, führte der BF nichts aus. Es ist nicht nachvollziehbar, wie es dem Mädchen gelungen sein soll, für sich dieses Visum ohne Zustimmung ihres Vaters zu erhalten.

Die erkennende Richterin schließt sich auch der Argumentation der belangten Behörde an, als diese nicht nachvollziehen kann, dass der BF, der alle diese vermeintlichen widrigen Umstände auf sich nahm, um mit diesem einen Mädchen leben zu können, dieses Mädchen dann alleine und ohne Papiere, illegal und Geld im Iran zurücklässt. (vgl. S 16 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Dem Mädchen hingegen mutet er diesen illegalen Aufenthalt zu. Auch die Argumentation, dass das Mädchen verletzt gewesen sei, und den beschwerlichen Weg der Flucht nicht hätte gehen können (vgl. S 16 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung), ist im Hinblick darauf, dass die beiden ohnehin für einen Zeitraum von drei Monaten ein Visum für den Iran hatten, wie der BF selbst ausführte, nicht nachvollziehbar. In einem Zeitraum von drei Monaten heilen Verletzungen nach Schlägen üblicherweise, sogar Knochenbrüche sind nach drei Monaten verheilt. Auch diese Ungereimtheiten sprechen dafür, dass der BF die gemeinsame Ausreise mit dem Mädchen erfunden hat.

Der BF gibt zudem auch selbst an, dass er keinen Geschlechtsverkehr mit

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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