Entscheidungsdatum
24.04.2019Norm
AVG §68 Abs1Spruch
W123 2213260-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde des XXXX , geb XXXX , auch XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.12.2018, 1093615206/181016554, zu Recht:
A)
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 09.10.2017, 1093615206/151693635, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 09.10.2018 erteilt.
2. Mit Schreiben vom 04.01.2018 stellte der Beschwerdeführer einen "Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte". Begründend wurde im Begleitschreiben vom 27.12.2017 im Wesentlichen ausgeführt, dass seine Beschwerde gegen den obgenannten Bescheid nach wie vor beim Bundesverwaltungsgericht anhängig sei und es dem Beschwerdeführer aufgrund eines Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes nicht möglich und zumutbar sei, einen afghanischen Reisepass zu besorgen. Gemäß einem Telefonat mit einem Vertreter der belangten Behörde sei es sämtlichen Antragstellern zumutbar, bei der afghanischen Botschaft vorstellig zu werden und sich um die Ausstellung eines afghanischen Reisepasses zu bemühen. Es müsse eine Bestätigung der afghanischen Botschaft vorgelegt werden, ansonsten würden die Fremdenpassanträge abgewiesen werden. Um das anhängige Beschwerdeverfahren hinsichtlich Spruchpunkt I. nicht zu gefährden, sei es dem Beschwerdeführer jedenfalls nicht zumutbar und möglich, bei der afghanischen Botschaft um eine Bestätigung anzusuchen, dass dem Beschwerdeführer kein afghanischer Reisepass ausgestellt werde.
3. Seine Beschwerde gegen Spruchpunkt 1. des Bescheides vom 09.10.2017 wurde "hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.05.2018, W230 2175852-1/11E, abgewiesen.
4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30.08.2018, 1093615206/180010850, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Fremdenpasses abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bei der Einvernahme am 11.07.2017 angegeben habe, im Besitz eines afghanischen Reisepasses zu sein. Zudem habe der Beschwerdeführer dargelegt, sich einen afghanischen Reisepass mit einem gültigen Visum für den Iran habe ausstellen lassen, um sein Studium absolvieren zu können. Aufgrund dessen, dass der Beschwerdeführer im Besitz eines Reisepasses sei, gehe die belangte Behörde davon aus, dass es dem Beschwerdeführer bei entsprechendem Engagement möglich und zumutbar sei, ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu erlangen.
5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 01.10.2018, 1093615206-151693635/BMI-BFA_VBG_RD, wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberichtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 09.10.2020 erteilt.
6. Mit bei der belangten Behörde am 22.10.2018 eingelangtem Schreiben stellte der Beschwerdeführer erneut einen "Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte". In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich und zumutbar sei, einen afghanischen Reisepass zu erhalten, da er über keine Tazkira verfüge. Im Falle der Nicht-Vorlage der erforderlichen Urkunden oder Nachweise stelle die afghanische Botschaft keinen afghanischen Reisepass aus. Dem Beschwerdeführer sei es nicht möglich, von Österreich aus eine Tazkira zu erhalten. Es sei amtsbekannt, dass die afghanische Botschaft keine afghanischen Reisepässe ausstelle, wenn ein Antragsteller seine Identität nicht belegen könne. Verwiesen wurde zudem auf die beigelegte Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, insbesondere auf die darin enthaltenen Ausführungen eines lokal ansässigen Rechtsanwaltes in Kabul vom 01.09.2016.
7. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 30.10.2018 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, eine Bestätigung der Botschaft vorzulegen, dass der Beschwerdeführer kein heimisches Reisedokument erhalten könne. Bei Nicht-Vorlage der entsprechenden Bestätigung müsse der Antrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen werden.
8. Mit bei der belangten Behörde am 22.11.2018 eingelangtem Schreiben übermittelte der Beschwerdeführer ein Dokument, in welchem festgehalten wurde, dass die "Botschaft von Afghanistan in Wien" bestätige, dass " XXXX geb. ( XXXX )" am 14.11.2018 in der Botschaft gewesen sei, um konsularische Angelegenheiten zu erledigen.
9. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 07.12.2018, 1093615206/181016554, wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 22.10.2018 auf Ausstellung eines Fremdenpasses wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keinerlei Gründe vorgebracht habe, aus denen sich ergebe, dass nunmehr ein geänderter Sachverhalt vorliege, der eine neuerliche Entscheidung in der Sache notwendig mache. Aufgrund dessen, dass der Beschwerdeführer im Besitz eines Reisepasses sei, gehe die belangte Behörde davon aus, dass es dem Beschwerdeführer bei entsprechendem Engagement möglich und zumutbar sei, ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu erlangen. Der erste Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Fremdenpasses sei rechtskräftig abgewiesen worden, da der Beschwerdeführer im Besitz eines Reisepasses sei, wodurch die Identität und die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers zweifelsfrei feststehen würden. Folglich erfülle der Beschwerdeführer die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Fremdenpasses nicht.
10. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 15.01.2019, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass im vorliegenden Fall nova producta vorliegen würden, die erst nach Erlassung des Bescheides vom 30.08.2018 hervorgekommen seien, weshalb nicht von einer Identität der Sache gemäß § 68 AVG gesprochen werden könne. Der Beschwerdeführer verfüge über keine Tazkira und habe auch nie eine Tazkira besessen. Der Beschwerdeführer sei am 14.11.2018 in der afghanischen Botschaft gewesen. Ihm sei dort vom Botschafter persönlich mitgeteilt worden, dass die Ausstellung eines afghanischen Reisepasses nur gegen Vorlage einer Tazkira im Original möglich sei. Darüber hinaus habe die afghanische Botschaft den österreichischen Behörden gegenüber klargestellt, dass ohne Tazkira im Original kein afghanischer Reisepass ausgestellt werden könne.
11. Die belangte Behörde legte die Akten betreffend das vorliegende Verfahren mit Schriftsatz vom 15.01.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vor.
12. Am 31.01.2019 langte eine ergänzende Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass der Beschwerdeführer am 23.01.2019 erneut die afghanische Botschaft in Wien aufgesucht habe, um seine Situation zu schildern. Es sei dem Beschwerdeführer hierfür keine Zeitbestätigung ausgestellt worden. Im Zuge eines Wortwechsels zwischen dem Beschwerdeführer und einem Mitarbeiter der Botschaft sei dem Beschwerdeführer gegenüber ein Hausverbot ausgesprochen worden. Es sei dem Beschwerdeführer daher völlig unmöglich, sich erneut an die afghanische Botschaft in Wien zu wenden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Es wurde ihm mit Bescheid der belangten Behörde vom 09.10.2017, 1093615206/151693635, der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 01.10.2018 wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberichtigung bis zum 09.10.2020 erteilt.
Mit Schreiben vom 04.01.2018 stellte der Beschwerdeführer einen "Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte". Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass seine Beschwerde gegen den obgenannten Bescheid nach wie vor beim Bundesverwaltungsgericht anhängig sei und es dem Beschwerdeführer aufgrund eines Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes nicht möglich und zumutbar sei, einen afghanischen Pass zu besorgen.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30.08.2018, 1093615206/180010850, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Fremdenpasses abgewiesen.
Mit bei der belangten Behörde am 22.10.2018 eingelangtem Schreiben stellte der Beschwerdeführer erneut einen "Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte" und führte begründend aus, dass er nie ein Identitätsdokument wie eine Tazkira besessen habe und es ihm deshalb nicht möglich sei, sich einen afghanischen Reisepass ausstellen zu lassen.
Im Zuge dieses Verfahrens legte der Beschwerdeführer ein Dokument vor, in welchem festgehalten wurde, dass die "Botschaft von Afghanistan in Wien" bestätige, dass " XXXX geb. ( XXXX )" am 14.11.2018 in der Botschaft gewesen sei, um konsularische Angelegenheiten zu erledigen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 07.12.2018, 1093615206/181016554, wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 22.10.2018 auf Ausstellung eines Fremdenpasses wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
2. Beweiswürdigung:
Diese Ausführungen gründen sich auf die jeweils erwähnten Entscheidungen, Unterlagen und Schriftsätze, welche Teil der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verfahrensakten sind.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 161/2013, mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (vgl. insbesondere § 1 BFA-VG).
§ 28 VwGVG ("Erkenntnisse") regelt die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte und lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
[...]"
Zu Spruchpunkt A)
3.2. Wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückwies, ist Sache des Beschwerdever-fahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (vgl. VwGH 22.08.2018, Ra 2018/15/0004).
"Sache" des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist somit nur die Frage, ob die belangte Behörde zu Recht den neuerlichen Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückwies.
Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht entweder im Falle des Vorliegens entschiedener Sache das Rechtsmittel abzuweisen oder im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung den zurückweisenden Bescheid aufzuheben, wodurch eine neuerliche Zurückweisung des Antrages in Bindung an die Auffassung des Verwaltungsgerichtes wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG jedenfalls unzulässig wird. Hingegen ist dem Bundesverwaltungsgericht ein inhaltlicher Abspruch über den zugrundeliegenden Antrag in einem Beschwerdeverfahren über einen zurückweisenden Bescheid nach § 68 AVG verwehrt.
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet.
3.3. Der tragende Grundsatz der Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern; die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, also durch die Identität der Rechtssache, über die bereits mit einer formell rechtskräftigen Entscheidung abgesprochen wurde, mit der nunmehr vorliegenden (etwa der in einem neuen Antrag intendierten) bestimmt. "Sache" einer rechtskräftigen Entscheidung ist dabei stets der im Bescheid enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar aufgrund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde bei ihrem Bescheid gestützt hat (vgl. VwGH 20.09.2018, Ra 2017/09/0043).
Entschiedene Sache liegt daher nicht vor, wenn sich der Sachverhalt oder die Rechtslage maßgeblich geändert haben. Eine Änderung der maßgeblichen Rechtslage, die es der Behörde/dem Verwaltungsgericht verwehrt, das Neuansuchen wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, liegt dann vor, wenn sich nach Abweisung des ersten Ansuchens die gesetzlichen Vorschriften, die tragend für die frühere Entscheidung gewesen sind, so geändert haben, dass sie, hätten sie bereits früher bestanden, eine anderslautende Entscheidung ermöglicht hätten (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2016/11/0065).
Bei Asylfolgeanträgen ist als Vergleichsbescheid der Bescheid heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Fremden (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783).
Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (vgl. VwGH 08.09.1977, 2609/76). Die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft aufgrund geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei vor der belangten Behörde zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht werden (vgl. VwGH 23.05.1995, 94/04/0081). Derartige Gründe können im Beschwerdeverfahren nicht neu geltend gemacht werden (vgl. VwGH 23.05.1995, 94/04/0081). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde ist aber von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht umfasst und daher unbeachtlich (vgl. VwGH 24.06.2014, Ra 2014/19/0018).
3.4. Gemäß § 88 Abs. 2a FPG sind Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, Fremdenpässe auf Antrag auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
§ 88 Abs. 2a FPG regelt die Ausstellung von Fremdenpässen an subsidiär Schutzberechtigte in Umsetzung von Art. 25 Abs. 2 Statusrichtlinie, welche vor dem Hintergrund einer Angleichung der Rechte von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten unter bestimmten Umständen einen (ansonsten nicht bestehenden) Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Fremdenpasses vorsieht.
Die Statusrichtlinie sieht die Angleichung der Rechte von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, ua in Bezug auf den Anspruch auf Ausstellung von Reisedokumenten durch den schutzgewährenden Mitgliedsstaat vor. Art. 25 Abs. 2 Statusrichtlinie legt diesbezüglich fest, dass subsidiär Schutzberechtigten, die keine Reisedokumente ihres Herkunftsstaates erhalten können, durch den schutzgewährenden Mitgliedsstaat Reisedokumente auszustellen sind, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Diese Richtlinienbestimmung wurde durch § 88 Abs. 2a FPG umgesetzt, in dem subsidiär Schutzberechtigten nunmehr ein Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Fremdenpasses eingeräumt wird, der nur aus Gründen der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung beschränkt werden kann. Humanitäre Gründe für die Anwesenheit in einem anderen Staat sind nicht mehr erforderlich (Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu BGBl. 2013/68).
Subsidiär Schutzberechtigte sind dann nicht in der Lage, sich ein Reisedokument ihres Heimatstaates (Herkunftsstaates) zu beschaffen, wenn dessen Vertretungsbehörde die Ausstellung verweigert. Dem Fremden muss es konkret (tatsächlich) möglich sein, ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu erlangen. Dies ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn dem Antragsteller die Ausstellung eines Reisedokuments seitens der Vertretungsbehörde tatsächlich verweigert wird
(Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht [2016] § 88 FPG K8.)
Die bloß abstrakte Möglichkeit im Falle der Vorlage geeigneter Dokumente grundsätzlich willens zu sein, dem Beschwerdeführer ein Reisedokument auszustellen, reicht für die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Fremdenpasses nicht aus, vielmehr muss für den Antragsteller die konkrete Möglichkeit bestehen, sich Reisedokumente seines Heimatstaates zu beschaffen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 88 FPG E7).
Mit der Ausstellung eines Fremdenpasses an den Betroffenen übernimmt Österreich die völkerrechtliche Rücknahmeverpflichtung. Die "zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung" müssen sich auf die den Betroffenen mit dem Fremdenpass eröffnete Reisefreiheit beziehen (Schrefler-König/Szymanski [Hrsg], Fremdenpolizei und Asylrecht zu § 88 FPG Anm 2).
3.5. Im vorliegenden Fall nahm die belangte im angefochtenen Bescheid zu Unrecht an, dass entschiedene Sache iSd § 68 Abs. 1 AVG vorliegt:
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes handelt es sich bei den Ausführungen des Beschwerdeführers in der Begründung des verfahrenseinleitenden Antrages im zweiten Rechtsgang, wonach er nie Identitätsdokumente wie eine Tazkira besessen habe und ihm deshalb die Erlangung eines afghanischen Reisepasses nicht möglich sei, um ein neues Vorbringen. Er verwies in diesem Antrag zudem auf die beigelegte Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, insbesondere auf die darin enthaltenen Ausführungen eines lokal ansässigen Rechtsanwaltes in Kabul vom 01.09.2016. Weder dieses Vorbringen des Beschwerdeführers noch der Verweis auf die Ausführungen in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation wurden von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gewürdigt. Soweit die belangte die Behörde im angefochtenen Bescheid ausführte, dass der Beschwerdeführer im Besitz eines Reisepasses sei, daher davon auszugehen sei, dass es dem Beschwerdeführer bei entsprechendem Engagement möglich und zumutbar sei, ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu erlangen und es eine amtsbekannte Tatsache sei, dass die afghanische Botschaft Reisepässe für alle Afghanen ausstelle, die den entsprechenden Antrag gestellt hätten und die notwendigen Unterlagen bereitstellen würden, negierte sie zum einen das Vorbringen des Beschwerdeführers, noch nie im Besitz einer Tazkira gewesen zu sein, und zum anderen die Ausführungen in der beigelegten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, dass die Ausstellung von afghanischen Reisepässen basierend auf den Personalausweisen (Tazkiras) erfolge und es der Botschaft nicht erlaubt sei, Personalausweise (Tazkiras) in Wien auszustellen.
Da das neue Vorbringen des Beschwerdeführers a priori auch nicht ungeeignet erscheint, zu einem anderen Verfahrensergebnis zu gelangen (so enthält der angefochtene Bescheid keinerlei Feststellungen in Bezug auf die Voraussetzungen zur Erlangung eines afghanischen Reisepasses bzw. einer Tazkira, sondern geht von Amtswissen bzw. Annahmen aus), hätte es sohin einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einzubeziehenden Auseinandersetzung mit dem neuen Vorbringen des Beschwerdeführers bedurft.
Sollte die belangte Behörde davon ausgegangen sein, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner bereits abgelaufenen Reisepässe im Besitz einer Tazkira sein müsste bzw. diese von Verwandten des Beschwerdeführers in Afghanistan erlangt werden könnte, um damit einen afghanischen Reisepass bei der afghanischen Botschaft in Wien beantragen zu können, hätte sie diesbezüglich Ermittlungen zu tätigen bzw. diesen Umstand mit dem Beschwerdeführer zu erörtern gehabt.
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die Zurückweisung des Antrags auf Ausstellung eines Fremdenpasses wegen "entschiedener Sache" durch die belangte Behörde im gegenständlichen Fall zu Unrecht erfolgte, weshalb der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Für das von der belangten Behörde in weiterer Folge fortzusetzende Verfahren ergibt sich, dass durch die im vorliegenden Fall gebotene Aufhebung des angefochtenen Bescheides in der Sache der verfahrensgegenständliche Antrag des Beschwerdeführers wieder unerledigt ist und über diesen von der belangten Behörde neuerlich, nämlich meritorisch - in der Sache -, abzusprechen ist (vgl. VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0314).
3.6. Bei diesem Ergebnis kann daher auch dahingestellt bleiben, ob der Verbesserungsauftrag der belangten Behörde im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/014) zu Recht erfolgte oder nicht.
3.7. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ist die Rechtslage eindeutig, liegt keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. VwGH 28.02.2018, Ro 2017/04/0120).
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da keiner der vorgenannten Fälle vorliegt. Auch sind keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich. Die Rechtslage ist eindeutig und die vorliegende Entscheidung folgt der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, entschiedene Sache, Fremdenpass,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W123.2213260.1.00Zuletzt aktualisiert am
02.10.2019