Entscheidungsdatum
25.04.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I403 2214237-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Susanne Singer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.01.2019, Zl. 1137171509/180942647, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.04.2019 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Nigerias, brachte am 06.12.2016 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz ein. Eine VIS-Abfrage ergab, dass die Beschwerdeführerin über ein von 07.11.2016 bis 21.12.2016 gültiges Visum, ausgestellt durch die Vertretungsbehörde von Italien in Lagos/Nigeria, verfügte.
Bei der Erstbefragung am 06.12.2016 gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, sie habe keine Beschwerden oder Krankheiten, die sie an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen würden. Sie habe keine Familienangehörigen in Österreich. Sie sei von Nigeria über Moldawien (gemeint wohl: Malta) und Italien nach Österreich gereist. Sie habe einen Reisepass besessen, der aber beim Schlepper verblieben sei. Sie wolle nicht nach Italien zurück, die Menschen dort seien nicht freundlich. Zu ihren Fluchtgründen gab sie an, dass sie vor ihrem Leben in Nigeria geflohen sei.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete am 21.12.2016 ein auf Art. 12 Abs. 2 oder 3 Dublin-III-VO gestütztes Aufnahmegesuch an Italien. Am 16.01.2017 teilten die italienischen Behörden mit, dass dem Aufnahmegesuch nicht entsprochen werden könne, da das Visum in Vertretung für Malta ausgestellt worden sei. Daraufhin richtete das BFA am 17.01.2017 ein auf Art. 12 Abs. 2 oder 3 Dublin-III-VO gestütztes Aufnahmegesuch an Malta. Mit Schreiben vom 20.03.2017 wies das BFA die maltesischen Behörden auf das Verstreichen der Antwortfrist und die sich daraus ergebende Verpflichtung zur Aufnahme der Beschwerdeführerin gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO hin.
Bei der niederschriftlichen Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem BFA am 04.04.2017 gab diese an, physisch und psychisch in der Lage zu sein, die Befragung durchzuführen. Sie habe bei einer nigerianischen Botschaft um ein Visum angesucht. Sie wisse nicht, ob sie in Malta gewesen sei, sie kenne den Ort nicht und wolle nicht in Malta bleiben.
Mit Bescheid des BFA wurde I. der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Malta gemäß Art. 12 Abs. 2 oder 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Prüfung des Antrages zuständig sei, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz (FPG) die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung nach Malta zulässig sei. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.06.2017, Zl. W232 2153210-1/4E als unbegründet abgewiesen. Die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.
Am 04.10.2018 stellte die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag erklärte sie, dass sie von ihrem Onkel sexuell missbraucht worden sei. Dieser habe sie an jemanden verkauft, der sie zur Prostitution gezwungen habe. Diese Frau habe dann die Reise der Beschwerdeführerin nach Europa organisiert, um sie auf Malta arbeiten zu lassen, doch sei ihr mithilfe einer Freundin die Flucht nach Österreich gelungen.
Das Verfahren wurde zugelassen und die Beschwerdeführerin am 16.10.2018 niederschriftlich vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Die Beschwerdeführerin wiederholte, dass sie von ihrem Onkel verkauft worden sei, um dann als "Sexsklavin" in Lagos zu arbeiten. Eine weitere Einvernahme fand am 18.12.2018 statt; die Beschwerdeführerin wiederholte ihr Vorbringen und verwies darauf, dass sie seit einigen Monaten einen österreichischen Freund habe.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.01.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 04.10.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihr gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 05.02.2019 Beschwerde erhoben. Es wurde beantragt, der Beschwerdeführerin die Flüchtlingseigenschaft, in eventu den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu einen Aufenthaltstitel gemäß §§ 55, 57 AsylG zu erteilen, festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung und die Abschiebung unzulässig sind, die Angelegenheit zurückzuverweisen und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Die Beschwerdeführerin sei Opfer von Menschenhandel und sei sie daher schutzbedürftig bzw. sei ihr ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG zu erteilen.
Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 08.02.2019 vorgelegt.
Am 11.04.2019 wurde am Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Verhandlung durchgeführt; die Beschwerdeführerin wurde unter Heranziehung einer Dolmetscherin für die englische Sprache einvernommen; sie wiederholte, Opfer von Frauenhandel zu sein. Ihr Lebensgefährte, ein österreichischer Staatsbürger, wurde als Zeuge befragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Nigerias. Die Identität der Beschwerdeführerin steht nicht fest. Sie ist volljährig, Angehörige der Volksgruppe Benin und stammt aus Benin City. Sie bekennt sich zum christlichen Glauben.
Ihre Eltern sind verstorben, sie steht aber in Kontakt mit ihrem Bruder und Freunden in Nigeria.
Die Beschwerdeführerin verließ Nigeria im November 2011 und reiste über Malta und Italien nach Österreich ein, wo sie am 06.12.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Mit rechtskräftiger Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.06.2017 wurde dieser Antrag als unzulässig zurückgewiesen und die Außerlandesbringung nach Malta angeordnet. Die Beschwerdeführerin kam ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach und hatte in dieser Zeit keinen ordentlichen Wohnsitz, sondern stellte am 04.10.2018 einen neuen Antrag auf internationalen Schutz.
Die Beschwerdeführerin führt in Österreich seit etwa einem Jahr eine Beziehung zu einem österreichischen Staatsbürger. Seit Oktober 2018 besteht ein gemeinsamer Wohnsitz. Die unbescholtene Beschwerdeführerin ist ehrenamtlich tätig und hat in Österreich Freundschaften geschlossen und engagiert sich in Vereinen, etwa im Alpenverein. Sie hat begonnen Deutsch zu lernen, die A2-Prüfung allerdings nicht bestanden. Die Beschwerdeführerin ist selbständig im Bereich der Gebäudereinigung tätig.
Die Beschwerdeführerin leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung und ist erwerbsfähig. Allerdings klagt sie über Schmerzen in der Bauchgegend, deren Ursache noch nicht festgestellt worden ist.
Es ist nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin in Nigeria zwei Jahre lang in einem Haus festgehalten und zur Prostitution gezwungen wurde. Ebenso ist nicht glaubhaft, dass sie von einem Menschenhändlernetzwerk nach Italien gebracht wurde und sie von dort mithilfe einer Freundin namens Sandra nach Österreich flüchtete. Es besteht keine Gefahr einer Verfolgung bei einer Rückkehr nach Nigeria und auch keine reale Gefahr, dass sie in eine die Existenz bedrohende Lage gerät.
1.2. Zur allgemeinen Situation in Nigeria:
Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 15.01.2019 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" (Stand: 07.08.2017) zu Nigeria zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.
Die wesentlichen Feststellungen lauten:
Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die Wahlen von Präsident und Nationalversammlung 2015 und die seitdem stattgefundenen Wahlen der Gouverneur- und Landesparlamente in 31 von 36 Bundesstaaten haben die politische Landschaft in Nigeria grundlegend verändert. Die seit 2013 im All Progressives' Congress (APC) vereinigte Opposition gewann neben der Präsidentschaftswahl eine klare Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments und regiert nun auch in 23 der 36 Bundesstaaten. Die seit 1999 dominierende People-s Democratic Party (PDP) musste zum ersten Mal in die Opposition und ist durch Streitigkeiten um die Parteiführung stark geschwächt. Lediglich in den südöstlichen Bundesstaaten des ölreichen Niger-Deltas konnte sie sich als Regierungspartei behaupten. Bei den Präsidentschaftswahlen am 28.3.2015 besiegte der frühere Militärmachthaber und Kandidat der Opposition, Muhammadu Buhari, den bisherigen Amtsinhaber Goodluck Jonathan mit 54,9 Prozent der abgegebenen Stimmen. Bei diesen Wahlen, die von der internationalen Öffentlichkeit als beispielhaft für die Demokratie Afrikas gelobt wurden, kam es zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit Nigerias zu einem demokratischen Machtwechsel.
Im Länderbericht ergibt die geschilderte allgemeine Sicherheitslage keine konkrete gegen die Person der Beschwerdeführerin gerichtete Verfolgungsgefahr, die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land, sodass sich Bürger in jedem Teil des Landes niederlassen können. Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Darüber hinaus sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen. Prinzipiell sollte es einer Person, die von nichtstaatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen.
Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken Nigerian Police Force (NPF). Die NPF untersteht dem Generalinspektor der Polizei. Er ist für die Durchsetzung der Gesetze verantwortlich. Ihm unterstehen in jedem Bundesstaat Assistenten zur Leitung der Polizeikräfte. Bundesstaaten dürfen gemäß Verfassung über keine eigenen Sicherheitskräfte verfügen. In Notsituationen kann die Bundespolizei jedoch dem Gouverneur eines Staates unterstellt werden. Etwa 100.000 Polizisten sollen als Sicherheitskräfte bei Personen des öffentlichen Lebens und einflussreichen Privatpersonen tätig sein. Da die Polizei oft nicht in der Lage ist, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verlässt sich die Regierung in vielen Fällen auf die Unterstützung durch die Armee. Jedoch sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten.
In Nigeria sind rund 50 Prozent der Bevölkerung Muslime, 40-45 Prozent Christen und 5-10 Prozent Anhänger von Naturreligionen. Der Norden ist überwiegend muslimisch, der Süden überwiegend christlich bzw. "christlich-animistisch". Allerdings gibt es im Norden, wo die moslemischen Hausa-Fulani überwiegen, auch signifikante Anteile christlicher Bevölkerung. Das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen ist äußerst gespannt. Oft genügt ein geringer Anlass, um blutige Unruhen auszulösen. Ein Teil des Landes ist von starker Verfolgung betroffen (der Teil, der überwiegend von Muslimen bewohnt wird), wohingegen der andere, überwiegend von Christen bewohnte, Landesteil überhaupt nicht beeinträchtigt ist.
Zur wirtschaftlichen Lage ist allgemein auszuführen, dass Nigeria seit 2014 als die größte Volkswirtschaft Afrikas gilt, im Jahr 2014 wurde sogar das Bruttoinlandsprodukt von Südafrika übertroffen, neben der Öl- und Gasförderung sind der (informelle) Handel und die Landwirtschaft von Bedeutung, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass in Nigeria beschäftigungslose Angehörige von der Großfamilie unterstützt werden und die Beschwerdeführerin diese Unterstützung, etwa aufgrund der Erkrankung ihrer Mutter, nicht erhält, ist davon auszugehen, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird.
Heimkehrer können gegen Gebühr eine Wohnung in jeder Region Nigerias mieten. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Heimkehrer. Reintegrationshilfe kann durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, NAPTIP, COSUDOW, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe.
Nigeria verfügt über ein sehr kompliziertes Gesundheitssystem. Die meisten Landeshauptstädte haben öffentliche und private Krankenhäuser sowie Fachkliniken, und jede Stadt hat darüber hinaus eine Universitätsklinik. Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen. Sie ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den großen Städten findet man jedoch einige Privatkliniken mit besserem Standard. Laut dem Gesundheitsministerium gibt es weniger als 150 Psychiater in Nigeria. Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten dagegen als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur zehn Prozent der Bevölkerung zugute. Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden. Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung). In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten An-tibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden.
Es besteht auch wie im Länderbericht ausgeführt, keine Gefahr dahingehend, dass ein ob eines abgelehnten Asylantrages rückgeführter Asylwerber bei seiner Rückkehr nach Nigeria mit staatlichen Repressionen zu rechnen habe. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt außerdem darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist.
1.3. Zur Situation von Frauen in Nigeria (auf Basis des aktuellen "Länderinformationsblattes der Staatendokumentation" (Stand: 07.08.2017) zu Nigeria:
Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht, kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 3.3.2017). Frauen werden in der patriarchalischen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias dennoch in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt. Dies wird am deutlichsten in Bereichen, in denen vor allem traditionelle Regeln gelten: So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen (AA 21.11.2016). Allerdings berichtet die Bertelsmann Stiftung, dass der Oberste Gerichtshof in einem bahnbrechenden Urteil entschied, dass Witwen das Recht haben von dem Verstorbenen zu erben (BS 2016). Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwenzeremonien über sich ergehen lassen (z.B. werden sie gezwungen, sich den Kopf zu rasieren oder das Haus für einen bestimmten Zeitraum nicht zu verlassen oder sind rituellen Vergewaltigungen ausgesetzt). Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 21.11.2016). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden. Auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) spielen Frauen jedoch kaum eine Rolle (BS 2016).
Frauen mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz. So findet sich z.B. beim Obersten Gerichtshof eine oberste Richterin, auch die Minister für Finanz und für Erdöl sind Frauen (BS 2016). Insgesamt bleiben Frauen in politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. In den 36 Bundesstaaten Nigerias gibt es keine Gouverneurin, allerdings vier Vizegouverneurinnen (AA 21.11.2016). Die Zahl weiblicher Abgeordneter ist gering - nur 6 von 109 Senatoren und 14 von 360 Mitgliedern des Repräsentantenhauses sind Frauen (AA 4.2017a). In der informellen Wirtschaft haben Frauen eine bedeutende Rolle (Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Märkte, Handel) (USDOS 3.3.2017).
Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sich mit sexueller Gewalt, körperlicher Gewalt, psychologischer Gewalt, schädlichen traditionellen Praktiken und sozioökonomischen Gewalt. Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, FGM/C usw. Straftatbestände da. Opfer haben Anspruch auf umfassende medizinische, psychologische, soziale und rechtliche Unterstützung. Das Gesetz ist nur im Federal Capital Territory (FCT) gültig, solange es nicht in den anderen Bundesstaaten verabschiedet wird (USDOS 3.3.2017).
Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert. Die Polizei schreitet oft bei häuslichen Disputen nicht ein. In ländlichen Gebieten zögerten die Polizei und die Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht überstieg (USDOS 3.3.2017).
Geschlechtsspezifische Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt. Einige Bundesstaaten, hauptsächlich im Süden gelegene, haben Gesetze, die geschlechtsspezifische Gewalt verbieten oder versuchen bestimmte Rechte zu schützen. Für häusliche Gewalt sieht das VAPP eine Haftstrafe von Maximum drei Jahren, eine Geldstrafe von höchstens 200.000 Naira oder eine Kombination von Haft- und Geldstrafe vor (USDOS 3.3.2017). Frauen zögern oft, Misshandlungsfälle bei den Behörden zu melden. Viele Misshandlungen werden nicht gemeldet. Begründet wird dies damit, dass die Polizei nicht gewillt ist, Gewalt an Frauen ernst zu nehmen und Anschuldigungen weiterzuverfolgen. Die Zahl an Fällen strafrechtlicher Verfolgung von häuslicher Gewalt ist niedrig, obwohl die Gerichte diese Vergehen zunehmend ernst nehmen. Die Polizei arbeitet in Kooperation mit anderen Behörden, um die Reaktion und die Haltung gegenüber geschlechtsspezifischer Gewalt zu verbessern. Dies beinhaltet den Aufbau von Referenzeinrichtungen für Opfer sexueller Misshandlung, sowie die Neuerrichtung eines Genderreferats. Im Allgemeinen sind die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten, wobei Frauen mit größeren Schwierigkeiten bei der Suche und beim Erhalt von Schutz insbesondere vor sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert sind als Männer (UKHO 8.2016b).
Vergewaltigung ist ein Kriminaldelikt. Das VAPP erweitert den Anwendungsbereich des bestehenden Rechts mit Bezug auf Vergewaltigungen. Gemäß dem VAPP beträgt das Strafmaß zwischen zwölf Jahren und lebenslänglicher Haft. Es sieht auch ein öffentliches Register von verurteilten Sexualstraftätern vor. Auf lokaler Ebene sollen Schutzbeamte ernannt werden, die sich mit Gerichten koordinieren und dafür sorgen sollen, dass die Opfer relevante Unterstützung bekommen. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung, welche die Gerichte dazu ermächtigt, den Vergewaltigungsopfern eine angemessene Entschädigung zuzusprechen (USDOS 3.3.2017).
Vergewaltigungen bleiben aber weit verbreitet. Aus einer Studie geht hervor, dass der erste sexuelle Kontakt bei drei von zehn Mädchen im Alter von zehn bis neunzehn Jahren eine Vergewaltigung war. Sozialer Druck und Stigmatisierung reduzieren die Zahl der tatsächlich zur Anzeige gebrachten Fälle (USDOS 3.3.2017).
Das Bundesgesetz kriminalisiert weibliche Beschneidung oder Genitalverstümmlung (USDOS 3.3.2017). Etwa 20 Millionen nigerianische Frauen sind Opfer von FGM. Das Gesundheitsministerium, Frauengruppen und viele NGOs führen Sensibilisierungskampagnen durch, um die Gemeinden hinsichtlich der Folgen von FGM aufzuklären (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 21.11.2017).
Das kanadische Immigration and Refugee Board berichtet, dass es unterschiedliche Zahlen zur Prävalenz der FGM in Nigeria gibt. Einige Quellen geben an, dass über 40 Prozent% der Frauen in Nigeria FGM ausgesetzt sind. Laut anderen Quellen liegt die Prävalenz der FGM zwischen 25-27 Prozent (IRB 13.9.2016) Dabei gibt es erhebliche regionale Diskrepanzen. In einigen Regionen im Südwesten und in der Region Süd-Süd wird die große Mehrzahl der Mädchen auch heute noch Opfer von Genitalverstümmelungen, in weiten Teilen Nordnigerias ist der Anteil erheblich geringer. Genitalverstümmelungen sind generell in ländlichen Gebieten weiter verbreitet als in den Städten (AA 21.11.2016).
Es gibt für Opfer von FGM bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM bedroht sind, Schutz und/oder Unterstützung durch Regierungs- und NGO-Quellen (UKHO 2.2017). Insgesamt kann festgestellt werden, dass Frauen, die von FGM bedroht sind und die nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich dem Schutz des Staates anzuvertrauen, auf sichere Weise in einen anderen Teil Nigerias übersiedeln können, wo es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie von ihren Familienangehörigen aufgespürt werden. Frauen, welche diese Wahl treffen, können sich am neuen Wohnort dem Schutz von Frauen-NGOs anvertrauen (UKHO 12.2013; vgl. UKHO .2.2017). U.a. folgende Organisationen gehen in Nigeria gegen FGM vor: The National Association of Nigerian Nurses and Midwives (NHW 10.5.2016), Nigerian Medical Women's Association -Nigerian Medical Association (AllAfrica 3.9.2014). UNFPA, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, und UNICEF starteten in Zusammenarbeit mit dem Office of the First Lady, und den Bundesministerien für Gesundheit, Frauen und soziale Entwicklung am 9.2.2016 ein gemeinsames Projekt gegen FGM (UNFPA 9.2.2016).
Es besteht kein spezielles Unterstützungsprogramm für allein zurückkehrende Frauen und Mütter. Organisationen, die Unterstützungsprogramme betreiben, konzentrieren sich hauptsächlich auf Opfer des Menschenhandels (IOM 8.2013). Nigeria verfügt hier über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianisches Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EUMS bei der Reintegration. NAPTIP ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet u.a. Integrationshilfe (ÖBA 9.2016).
Hinsichtlich Menschenhandels ist ein ausgeklügeltes und effektives rechtliches und institutionelles Netz aktiv. Die wichtigste Institution ist NAPTIP. Sie ist für die Untersuchung und Anklage von Fällen des Menschenhandels verantwortlich, für Kooperation und Koordination, für die Unterstützung von Opfern und für die Vorbeugung. Das nigerianische Modell wird als eines der besten existierenden Modelle erachtet (OHCHR 14.3.2014). NAPTIP hat nach eigenen Angaben seit ihrer Gründung bis 2011 über 4.000 Opfer des organisierten Menschenhandels befreit und seit 2008 die Verurteilung von mindestens 120 Menschenhändlern erreicht (AA 21.11.2016).
Es gibt viele Frauengruppen, die die Interessen der Frauen vertreten, praktische Hilfe und Zuflucht anbieten (UKHO 8.2016b). In Nigeria sind neben den UN-Teilorganisationen 40.000 NGOs registriert, welche auch im Frauenrechtsbereich tätig sind. Die Gattinnen der 36 Provinzgouverneure sind in von ihnen finanzierten "pet projects" gerade im Frauenbildungs- und Hilfsbereich sehr aktiv und betreuen Frauenhäuser, Bildungseinrichtungen für junge Mädchen, rückgeführte Prostituierte und minderjährige Mütter sowie Kliniken und Gesundheitszentren für Behinderte, HIV-Erkrankte und Pensionisten neben zahlreichen Aufklärungskampagnen für Brustkrebsfrühuntersuchungen, gegen Zwangsbeschneidung und häusliche Gewalt. Für unterprivilegierte Frauen bestehen in großen Städten Beschäftigungsprogramme, u.a. bei der Straßenreinigung (ÖBA 9.2016).
Auch Diskriminierung im Arbeitsleben ist für viele Frauen Alltag.
Alleinstehende Frauen begegnen dabei besonderen Schwierigkeiten: Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind sie oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 21.11.2016).
Die Verfassung und Gesetze sehen für interne Bewegungsfreiheit vor und Berichten zufolge treten Frauen aus dem ganzen Land kurze oder lange Reisen alleine an. Die Bewegungsfreiheit der Frauen aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt. Im Allgemeinen ist eine interne Relokation für insbesondere alleinstehende und kinderlose Frauen nicht übermäßig hart, im Falle der Flucht vor einer lokalen Bedrohung, die von ihrer Familie oder nicht-staatlichen Akteuren ausgeht (UKHO 8.2016b).
Eine Auswahl spezifischer Organisationen:
• African Women Empowerment Guild (AWEG): 29, Airport Road, Benin
City, Edo State Tel.: 08023514832, 08023060147, Email: , , (AWEG o. d.a). Die AWEG versucht, Frauen die nötigen Fähigkeiten zu vermitteln, um sich privat und beruflich weiterzuentwickeln und sich durch Bildung, Lese- und Schreibkenntnisse Perspektiven zu eröffnen. Die AWEG hat in der Vergangenheit Wiedereingliederungshilfe für Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, geleistet und wurde hierbei vom UN Office on Drug and Crime Control (UNODC) unterstützt. Die Organisation bemüht sich um Finanzmittel, um das Projekt fortzusetzen. Die AWEG hat in Zusammenarbeit mit religiösen Organisationen eine Unterkunft für Opfer von Menschenhandel eingerichtet, beherbergt hier jedoch derzeit keine Personen (IOM 8.2013; vgl. AWEG o.D.b).
• The Women's Consortium of Nigeria (WOCON): 13 Okesuna Street, Off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel.: 234-1-2635300, 2635331234-4-1-2635331, 234-(0) 8033347896, Email: wocon95@yahoo.com (WOCON o.D.a). Das Women's Consortium of Nigeria (WOCON) ist eine private gemeinnützige Organisation (NGO), die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Aktuelle Projekte: Aufklärung bezüglich Menschenhandel, Mobilisierung der Frauen, der Jugend, der öffentlichen Transportunternehmen und der Hotelmitarbeiter im Kampf gegen TIP [Anm.: Trafficking in people]. WOCON leitet Opfer des Menschenhandels an die entsprechenden Schutzunterkünfte der Regierung weiter. Andere Reintegrationsleistungen sind Beratung, Berufsausbildung und Familienzusammenführung sowie die Mobilisierung qualifizierter Frauen zur Teilnahme an der Politik. Das Projekt erstreckt sich auf die Regionen Ogun, Lagos und Ondo (IOM 8.2013; vgl. WOCON o.D.b).
• Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA), ,
19, Monrovia Street, Off Aminu Kano Way, Wuse II Abuja;, Tel.:
08188699961, 08172125692, 07063807887, Email: Wrapa399@gmail.com, wrapa399@yahoo.com, (WRAPA o.D.a). Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA) ist eine Organisation, die Opfern von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung und sexueller Belästigung etc. kostenlose Rechtsberatung bietet. Darüber hinaus bietet die Organisation Frauen bei entsprechender Finanzierung Berufsausbildungsprogramme. Die Organisation betreibt Büros in jedem der 36 Bundesstaaten Nigerias. Die Organisation plant die Einrichtung zehn landesweiter Beratungszentren für kostenlose Rechtsberatungen und Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen, sucht aber noch nach der entsprechenden Finanzierung. Die Organisation bietet in ihren verschiedenen Büros auch weiterhin kostenlosen Rechtsbeistand und Beratungen für Frauen an (IOM 8.2013; vgl. WRAPA o. D.b).
• Women Aid Collective (WACOL), Email: wacolenugu@wacolnigeria.org, wacolnig@gmail.com, wacolnig@yahoo.com, wacolenugu@yahoo.com; Women House, No. 12 Mathias Iloh Avenue, Newton Enugu;, Tel.:
+234-0909-561-9586 +234-0806-609-2184, Fax: +234-42-256831, (WACOL o. D.a); Women Aid Collective (WACOL) ist eine Wohltätigkeitsorganisation, die von der African Commission on Human and Peoples' Rights beobachtet wird. WACOL bietet verschiedene Unterstützung an: Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste. Die Angebote für Frauen und Kinder umfassen: Schutz und sichere Unterkunft in Krisensituationen, Rechtsberatung und Beistand, Beratung von Opfern und deren Familien (IOM 8.2013; vgl. WACOL o.D.b).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/D3.8.2016, Zugriff 22.6.2017
-
AA - Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember-2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016
-
AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.a): Contact Information, http://awegng.org/contactus.htmZugriff 5.7.2017
-
AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.b): About us, http://awegng.org/aboutus.htmZugriff 5.7.2017
-
AllAfrica (3.9.2014): Nigeria: Eradicating Female Genital Cutting, Hope for the Nigerian Child,
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1.4. Zum Menschenhandel:
Nigeria ist eine Drehscheibe des Menschenhandels; jährlich werden hunderte Mädchen und Frauen von dort nach Europa verbracht. Die meisten Opfer von Menschenhandel stammen aus Benin City, der Hauptstadt des Bundesstaats Edo. Die Rekrutierung Minderjähriger hat zugenommen. Viele werden auch von Frauen, den sogenannten "Madames" angeworben, welche teilweise auch vorgeben, Magie und Zauberei ("Juju") anzuwenden. Diese "Madames" sind häufig sowohl in Nigeria, wie auch im Zielland aufhältig und überwachen die Mädchen bzw. Frauen nach ihrer Ankunft.
Nur sehr wenige Frauen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, kehren freiwillig nach Nigeria zurück. Dennoch kann nicht festgestellt werden, dass Frauen und Mädchen generell dem Risiko unterliegen, Opfer von Frauenhandel zu werden. Es kann ebenfalls nicht generell davon ausgegangen werden, dass ein Opfer von Frauenhandel, das nach Nigeria zurückkehrt, automatisch einer Verfolgung der Menschenhändler unterliegt, welche sie ursprünglich nach Europa verbracht hatten. Dies ist abhängig von der individuellen Situation. Insbesondere wenn eine enge Beziehung zwischen dem Opfer (bzw. seiner Familie) und den Ausbeutern besteht, ist die Gefahr groß, vor allem, wenn noch Schulden offen sind. Manche Frauen können im Fall der Rückkehr auch diskriminiert und sozial stigmatisiert werden, insbesondere, wenn sie nicht vermögend zurückkehren und ihre Familie in den Menschenhandel involviert war.
2005 gab es Berichte, dass nach Nigeria zurückkehrende Frauen teilweise einige Tage am Flughafen festgehalten worden waren und nur gegen Bezahlung freigelassen wurden. Aktuelle Berichte dazu liegen allerdings nicht vor.
Nigeria hat in den letzten Jahren Anstrengungen unternommen, um den internationalen Standards zur Bekämpfung von Frauenhandel zu entsprechen, die Mittel zum Opferschutz wurden allerdings gekürzt. Die Kapazitäten der Organisation National Agency for Prohibition of Traffic in Persons and other related matters (NAPTIP) sind allerdings eingeschränkt und ist die Organisation auch nicht immer darüber informiert, wenn Opfer von Menschenhandel nach Nigeria rückgeführt werden. Laut dem neuen Bericht von USDOS gibt es inzwischen 10 NAPTIP-Unterkünfte, welche 315 Personen Schutz bieten. Zumeist wird eine Unterkunft maximal für sechs Wochen gewährt.
Diese Feststellungen basieren auf den folgenden Quellen:
* US Department of State: Trafficking in Persons Report 2018 - Nigeria
* United Nations Office on Drugs and Crime, Global Report on Trafficking in Persons 2018
* UK Home Office: Nigeria: Trafficking of women, November 2016
* European Asylum Support Office (EASO), Nigeria: Sexhandel mit Frauen, Oktober 2015
1.5. Zu den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Medienberichten:
In der mündlichen Verhandlung am 11.04.2019 legte die rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin die folgenden Medienberichte vor:
* Frankfurter Allgemeine Zeitung, "Auf dem Schulweg entführt - und ins Ausland verkauft" vom 03.02.2019
* Tiroler Tageszeitung, "Viele Frauen aus Nigeria werden in Tirol sexuell ausgebeutet" vom 17.02.2019
* Spiegel Online, "Die missbrauchte Sehnsucht" vom 16.02.2014
Aus diesen Berichten ergibt sich in Übereinstimmung mit den unter Punkt 1.4. getroffenen Feststellungen, dass Nigeria eine Drehscheibe des Frauenhandels ist und alleine 2017 laut Aussage des Bundeskriminalamts 11.000 Frauen von Nigeria nach Italien gebracht wurden, um in Europa als Prostituierte tätig zu werden. Menschenhändler und ihre Komplizen spinnen ein Netz der Überwachung und Kontrolle. Die meisten Opfer wagen sich nicht zur Polizei.
2. Beweiswürdigung:
Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Da die Beschwerdeführerin den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht ihre Identität nicht zweifelsfrei fest.
Die Feststellungen zu ihren Lebensumständen, ihrer Arbeitsfähigkeit, ihrer Herkunft sowie ihrer Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen Angaben der Beschwerdeführerin vor dem BFA (Protokoll vom 16.10.2018 und vom 18.12.2018) und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Allerdings machte die Beschwerdeführerin in Bezug auf ihr persönliches Umfeld in Nigeria und ihre Biographie widersprüchliche Angaben. In der Erstbefragung des gegenständlichen Verfahrens am 04.10.2018 gab sie an, Benin und Englisch in Wort und Schrift zu beherrschen und dass sie acht Jahre die Grundschule besucht und zuletzt als Friseurin gearbeitet habe. In der Einvernahme vor dem BFA am 16.10.2018 wiederum meinte sie, sie habe fünf Jahre lang die Schule besucht, sowohl in Benin City wie auch in Nibo, Anambra State. In diesem Fall müsste sie auch noch mit 17 Jahren die Schule besucht haben, weil sie erst dann nach Anambra State gezogen war. In der mündlichen Verhandlung wiederum meinte sie, sie habe gar keine Schulbildung, sei nur ein wenig in den Kindergarten und die Grundschule gegangen und versuche zwar zu lesen und zu schreiben, beherrsche dies aber kaum. So meinte sie, sie habe in dem italienischen Bahnhof jemanden bitten müssen vorzulesen, was an den Wänden stand, da sie dies nicht habe identifizieren können. Dies steht aber nicht nur in Widerspruch zu ihren früheren Angaben, sondern auch dazu, dass ihr Lebensgefährte in der mündlichen Verhandlung erklärte, die Beschwerdeführerin könne normal lesen und schreiben. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die Beschwerdeführerin versucht, ihr Bildungsniveau niederer darzustellen, als es tatsächlich ist.
Zu ihrer Familie meinte sie in der Erstbefragung am 04.10.2018, dass ihre leiblichen Eltern früh verstorben seien und dass XXXX und XXXX ihre Pflegeeltern seien und ihr 28jähriger Bruder ebenfalls den Nachnamen XXXX trage. Dies bestätigte sie auch in der Einvernahme vor dem BFA am 16.10.2018. Allerdings gab sie in dieser Einvernahme an, dass ihre Eltern verstorben seien, als sie 14 Jahre alt gewesen sei, während sie bei der folgenden Einvernahme am 18.12.2018 und in der mündlichen Verhandlung meinte, ihr Vater sei 2002 und ihre Mutter 2006 verstorben. Ein weiterer Widerspruch liegt darin, dass ihr Bruder den Nachnamen der Adoptiveltern trägt, obwohl er bereits nach dem Tod der Eltern mit Freunden zusammenzog und keine Beziehung zu den Adoptiveltern bestand.
In der Einvernahme vor dem BFA am 16.10.2018 gab die Beschwerdeführerin an, zuletzt vor einigen Tagen telefonischen Kontakt zu ihrem Bruder gehabt zu haben. Auch in der mündlichen Verhandlung bestätigte sie, mit ihrem Bruder laufend in Kontakt zu stehen, doch gab sie an, nicht zu wissen, wo dieser wohne, während sie in früheren Einvernahmen erklärt hatte, er lebe in Abuja. Bei der Einvernahme durch das BFA am 18.12.2018 wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Mobiltelefon zahlreiche Nummern mit nigerianischer Vorwahl gespeichert hat. Die Beschwerdeführerin versuchte dies damit zu erklären, dass es sich dabei neben der Nummer ihres Bruders um Freunde aus dem Dorf handeln würde, sie aber nicht glaube, dass diese noch im Dorf seien. Dies lässt sich aber nicht mit ihrer Geschichte in Einklang bringen, dass sie das Dorf bereits als Minderjährige verlassen hatte und dann viele Jahre in Anambra State und Lagos bzw. Abuja in völliger Isolation gelebt habe - in diesem Fall würde sie über keine Telefonnummern mehr aus dieser Zeit verfügen. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die Beschwerdeführerin über verschiedene Kontakte in Nigeria verfügt.
Die Beschwerdeführerin machte im Verfahren keine über Bauchschmerzen hinausgehende gesundheitliche Beeinträchtigungen geltend. Auch aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf eine dauerhafte bzw. behandlungsbedürftige gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar.
Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und Lebensumstände der Beschwerdeführerin in Österreich beruhen ebenfalls auf deren Aussagen vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf den Aussagen ihres Lebensgefährten in der mündlichen Verhandlung.
Folgende Unterlagen wurden vorgelegt:
* Bestätigung für Deutsch A1-Integrationskurs vom 29.10.2018 bis 22.11.2018 und vom 26.11.2018 bis 19.12.2018
* Unterstützungsschreiben des Sohnes des Lebensgefährten
* Bestätigung der ehrenamtlichen Tätigkeit beim Samariterbund seit März 2019
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Bes