TE Bvwg Beschluss 2019/4/26 L526 2211822-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.04.2019
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Entscheidungsdatum

26.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §34
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz 2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

1. L526 2211816-1/8E

2. L526 2211818-1/8E

3. L526 2211821-1/8E

4. L526 2211822-1/8E

BESCHLUSS

1. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH als Mitglied der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig

2. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH als Mitglied der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig

3. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch XXXX , diese vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH als Mitglied der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig

4. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch XXXX diese vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH als Mitglied der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz "BF" oder gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch als "BF1" bis "BF4" bezeichnet) sind Staatsangehörige von Armenien. BF1 und BF2 sind verheiratet. Der männliche BF3 und die weibliche BF4 sind ihre minderjährigen Kinder.

I.2. Betreffend BF1, BF3 und BF4:

BF1, BF3 und BF4 reisten unter Umgehung der Grenzkontrolle in das österreichische Bundesgebiet ein. BF1 stellte für sich und ihre Kinder am 12.1.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich ihrer Erstbefragung nach dem Asylgesetz am 13.1.2018 gab BF1 an, sie habe politische Probleme in Armenien, weil sein den - damals amtierenden - armenischen Premierminister Serge SARGSYAN kritisiert habe. Dieser habe Spendengelder veruntreut; dieses werde in Spielhäuser und Casinos "gesteckt", statt den eingentlich Begünstigten zugeführt zu werden. BF1 habe zwei Mal eine öffentliche Rede gehalten und sei deshalb von der regierenden Republikanischen Partei ins Hauptbüro mitgenommen worden. Dort habe man sie bedrängt und ihr gesagt, dass sie sich als Frau lieber um Haushalt und Kinder kümmern solle. BF1 habe ihnen gesagt, dass sie sich dafür einsetzen werde, dass keine Spendengelder mehr nach Armenien geschickt werden. Ihre zweite Kundgebung sei unter Abnahme der gebrauchten Lautsprecher verhindert worden. Sie und ihre an dieser Kundgebung ebenfalls beteiligten Freundinnen hätten daraufhin eine Ordnungsstrafe erhalten. Ihr Ehemann habe ihr dann gesagt, sie solle die Kinder nehmen und fliehen, da es auch um deren Leben gehe und zu befürchten gewesen sei, dass die Tochter entführt werde. Da es schon unerträglich geworden sei, sei sie dann mit den Kindern geflüchtet.

Anlässlich ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der nunmehr belangten Behörde (in weitere Folge auch kurz "bB" genannt) am 16.10.2018 gab BF1 zusammengefasst an, dass im Jahr 2017 Parlamentswahlen in Armenien stattgefunden und in diesem Zusammenhang Wahlwerbungen und Demonstrationen stattgefunden hätten. Sie habe eine Rede gegen die eigene Partei gehalten, in welcher sie den Missbrauch einer Spendenaktion - einmal im Jahr würden Auslandsarmenier insbesondere für Infrastrukturprojekte in Armenien und Berg-Karabach spenden - anprangerte. Der Präsident der Republikanischen Partei habe dieses Geld jedoch in Casinos verspielt; das habe auch jeder gewußt. Sie habe davon von ausländischen Bekannten erfahren, welche SARGSYAN gesehen hätten, wie er Casinos in Monaco und Baden verlassen und damit geprahlt hätte, dass er das ganze Geld verjubelt habe. "Die" seien ja auch drogenabhängig und so sei ihm dies wahrscheinlich herausgerutscht. BF1 habe alle in einer Rede darüber informieren wollen. Während sie ihre Rede hielt, seien sechs Personen gekommen und hätten sie in ein Auto gezerrt und in Handschellen zum Hauptsitz der Partei gebracht. Dort habe man verächtlich mit ihr geredet, sie an den Haaren gezogen, sie mit Gummiknüppeln geschlagen und ihre Kleider zerrissen. Davon habe sie blaue Flecken davongetragen und ihr Bein sei taub gewesen. Erst am nächsten Tag habe man sie gehen lassen. Im März 2017 habe sie neuerlich etwas gegen den Missbrauch unternehmen wollen und sei zusammen mit ihren Freundinnen wieder von einer Wahlveranstaltung von der Republikanischen Partei mitgenommen worden; sie sei auf eine Polizeistation gebracht worden, wo eine Geldstrafe in der Höhe von 500 US Dollar über sie verhängt worden sei. Am selben Abend seien Leibwächter, welche für die Führungskräfte der Partei tätig seien, zu ihr nach Hause gekommen; ihr Mann sei zu dieem Zeitpunkt bei der Arbeit gewesen. Die Kinder wären in ein Zimmer gedrängt, eingeschüchtert und gegen die Wand gestoßen worden; die Tochter sei auch begrapscht worden. Sie sei im Wohnzimmer unter Vorhaltung von Vorwürfen bewußtlos geschlagen worden. Sie könne sich noch erinnern, dass gesagt worden sei, die Tochter solle entführt werden. Die Nachbarn hätten helfen wollen, hätten sich jedoch nicht getraut. Als sie am nächsten Morgen aufwachte, sei ihr Mann neben ihr gesessen und dann zur Arbeit gegangen. Sie habe eine Psychologin für die Kinder organisiert und eine Anzeige bei der Polizei gemacht, welche jedoch nicht aufgenommen worden sei - sobald man höre, dass jemand eine Beschwerd gegen diese Partei einbringen wolle, werde die Anzeige nicht aufgenommen. Nach einer Woche hätten dann die Probleme ihres Mannes begonnen, wegen derer er auch flüchten habe müssen. Nach dessen Flucht sei sie nach XXXX in Armenien gezogen. Sie habe sich dort mit den Kindern versteckt gehalten. Ende November habe sie beschlossen, das Land zu verlassen und am 29. Dezember sei sie dann ausgereist. Nach den Problemen ihres Mannes befragt, gab BF1 an, dass dieser in einer "Geldtransportfirma" gearbeitet habe. Anlässlich eines Transportes sei festgestellt worden, dass 300.000 Dollar in einem ihrem Mann versiegelt übergebenen Geldsack gefehlt hätten und er sei aufgefordert worden, das Geld zu bezahlen. Nach der Flucht ihres Mannes sei das dann von ihr verlangt worden. Dies sei wieder durch die Männer der Partei erfolgt. Neuerlich sei sie von diesen geschlagen worden und auch die Kinder seien attackiert worden. Danach sei sie mit den Kindern nach XXXX gegangen. Als sie dort war, hätten ihr die Nachbarn erzählt, dass die Polizei öfters bei ihr gewesen sei. Das habe sie in Stress versetzt, was im Hinblick auf ihre Krankheit - sie habe Multiple Sklerose - nicht gut sei; sie habe befürchtet, dass sie dadurch in den Rollstuhl käme. Ihr Mann sei immer an ihrer Seite gewesen, jedoch sei es damals notwendig gewesen, dass er alleine flüchtete.

Im Falle der Rückkehr befürchte sie, getötet zu werden. In Armenien habe eine Revolution stattgefunden, aber die Mehrheit der Sitze im Parlament habe noch die Republikanische Partei.

Zum Akt wurden Kopien folgender Dokumente genommen:

-

ein Ausweis in armenischer Sprache

-

verschiedene, nicht übersetzt Dokumente in armenischer Sprache

-

mehrere ärztlicher Befundberichte bzw. Entlassungsbriefe österreichischer Spiätler und Ärzte

-

eine Bestätigung für BF3 und BF4 über die Teilnahme an einem Zeichenkurs

-

eine Unterstützungserklärung für die BF

-

Bestätigungen über die Teilnahme an einem Deutschkurs für Jugendliche für bF3 und BF4

-

Bestätigungen über die Teilnahme an Integrationskursen für BF1

Zum weiteren Verfahrensgang siehe unten unter I.4 ff.

I.3. Betreffend BF2:

BF2 brachte nach illegaler Einreise am 11.10.2018 bei der belangten Behörde einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte er zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen vor, dass das Leben seiner Familie in Armenien in Gefahr wäre. Seine Frau sei Mitglied der Republikanischen Partei in Armenien gewesen und sei, weil sie immer die Wahrheit habe sagen wollen, verfolgt worden. Er selbst sei beschuldigt worden, Geld aus einem Geldtransporter gestohlen zu haben, womit er jedoch nichts zu tun habe; er sei sich sicher, dass die Anschuldigungen mit den Problemen seiner Frau zu tun hätten. Zu dieser Zeit habe auch einmal ein Auto auf der Straße neben ihm angehalten, er habe mitfahren müssen und er sei in der Folge dann in einen Kellerraum verbracht und dort misshandelt und bedroht worden. Im Juni 2017 sei er nach Russland geflüchtet, um seine Reise nach Österreich vorzubereiten und seiner Familie hierher nachzureisen.

Vor der bB gab BF2 am 13.11.2018 an, dass ein schwarzer Wagen im April 2017 auf der Straße neben ihm angehalten habe, in welchen er eingestiegen sei. Es sei ihm gesagt worden, dass seine Frau schweigen und keine Reden mehr halten solle. Seine Frau habe aber nicht geschwiegen und einige Tage später habe wieder ein Auto neben ihm angehalten und er sei dann in einen Kellerraum verbracht worden. Dort sei er geschlagen worden und dort habe er auch die Nacht verbracht. Eine Woche später sei er auf die gleiche Art und Weise mitgenommen worden und man habe neuerlich von ihm verlangt, dass er seine Frau zum Schweigen bringen solle. Einige Zeit später habe man ihm dann vorgeworfen, dass Geld aus einem von ihm transportierten Geldsack fehlen würde; 300.000 US Dollar. Zwei Tage später seien wieder dieselben Personen gekommen und hätten gesagt, er solle die Frau zum Schweigen bringen und 300.000 Dollar zurückzahlen. Damit habe er erkannt, dass jene Personen auch hinter der Sache mit dem Geld stecken. An diesem Tag sei er geschlagen worden, habe sie aber davon überzeugen können, dass er das Geld zürückgeben könne. In der Nacht sei er dann nach Russland geflüchtet.

In weiterer Folge wurde BF2 zu Details über den Transport gefragt und gab dieser in weiterer Folge an, der Empfänger des Geldsacks sei auch Mitglied der republikanischen Partei und er habe am Verhalten der bei der Übergabe Anwesenden erkannt, dass diese ihm eine Falle gestellt hätten. Sein Chef, zu welchem er gegangen sei, sei auch machtlos gewesen und habe ihn nicht beschützen können. Ein paar Tage habe er noch gearbeitet, dann habe er gekündigt.

Zu den Problemen seiner Frau befragt, gab BF2 an, dass diese sich für Gerechtigkeit im Zusammanhang mit missbrauchten Spendengeldern eingesetzt und sich aufgrund des Stesses ihr Gesundheitszustand verschlechtert habe. Es sei sogar jemand zu ihnen nach Hause gekommen und habe sie gestoßen, damit sie schweigt. Das sei Ende April gewesen; zu diesem Zeitpunkt wäre er in der Arbeit gewesen. Sie sei ein paar Mal gestoßen und auch bedroht worden. Seiner Tochter habe man auf die Brüste gegriffen.

Zur Frage, warum er ohne seine Familie geflüchtet sei, gab BF2 an, diese hätten ebenfalls flüchten sollen, er habe sie aus finanziellen Gründen aber nicht mitgenommen. Seine Frau sei zunächst innerhalb des Landes geflüchtet und habe Armenien erst im November verlassen wollen.

Zum Akt wurde ein Konvolut von Kopien verschiedener Dokumente in armenischer Sprache genommen.

I.4. Die Verfahren der BF wurden in der Folge als Verfahren gemäß § 34 AsylG geführt.

I.5. Mit nicht datierten Verfahrensanordungen wurde den BF aufgetragen, dass sie in einem in diesem Schreiben näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen haben.

I.6. Am 19.11.2018 wurde die BF mit nicht unterschriebenem und nicht datiertem Schreiben darüber informiert, dass mit Verfahrensanordnung vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ihre Unterkunftnahme in einem in dieser Verfahrensanordnung näher bezeichneten Quartier angeordent wurde.

I.7. Mit den nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheiden der bB vom XXXX wurden die Anträge der BF1 bis BF4 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 15b Abs. 1 AsylG wurde festgestellt, dass den BF aufgetragen wurde, in einem bestimmten, im Bescheid näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VIII.)

Beweiswürdigend wurde zu den durch die BF geltend gemachten Ausreisegründen seitens der bB im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorbringen BF widersprüchlich und nicht plausibel nachvollziehbar sei. Das Vorbringen zum Fluchtgrund sei nicht verifizierbar.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. wurde dargetan, dass sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben hätten, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 AsylG zu verneinen sei.

Zu Spruchpunkt III. hielt das Bundesamt fest, dass die Erteilungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel nach den §§ 55 und 57 AsylG nicht vorliegen würden.

Zu Spruchpunkt IV. wurde ausgeführt, dass bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise gefunden werden könnten, welche den Schluss zuließen, dass durch die Rückkehrentscheidung auf unzulässige Weise im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK in das Recht des BF auf Schutz des Familien- und Privatlebens eingegriffen werden würde.

Zu Spruchpunkt V. wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Armenien zulässig sei, da keine Rückkehrgefährdung der BF existent sei.

Zu Spruchpunkt IV. wurde die Bestimmung über die Frist für die freiwillige Ausreise zitiert.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde damit begründet, dass es sich bei Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat handelt.

Zu Spruchpunkt VIII betreffend die mit Verfahrensanordnung aufgetragene Unterkunftnahme gemäß § 15 b AsylG wurden zwar die dafür vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen aufgelistet, eine Begründung für die von der bB erfolgte Anordnung ist den Ausführungen jedoch nicht zu entnehmen.

I.8 In der gegen die obzitierten Bescheide rechtzeige eingebrachten Beschwerde wird nach Wiedergabe des Verfahrensganges und des Sachverhaltes die Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens sowie der Beweiswüridung und unrichtige rechtliche Beurteilung gerügt. Im Wesentlichen wird dazu ausgeführt, dass die bB jegliche Ermittlungstätigkeit zur Erkrankung der BF1 und der die Verfügbarkeit bzw. Kosten für die benötigten Medikamente unterlassen habe - der BF seien in Österreich bestimmte Medikamente und Therapien verschrieben worden. BF1 erhalte in Armenien nicht die erforderliche Behandlung und sei daher in ihren nach Art. 3 EMRK geschützten Rechten verletzt.

Zudem fehlten Berichte über die Lage und Konsequenzen für Personen, welche aufgrund einer unterstellten feindlichen politischen Gesinnung Verfolgung droht; die von der bB herangezogenen Berichte seien allgemein gehalten und gingen nicht auf das konkrete Fluchtvorbringen ein.

Zudem fehlten jegliche Ermittlngen zur Integration der BF in Österreich und zum Gesundheitszustand der BF3 und BF4.

Die Beweiswürdigung der bB entspreche auch nicht den Erfordernissen einer schlüssigen Beweiswüridung im Sinne der ständigen Judikatur des VwGH, was unter Anführung einiger Beispiele erläutert wird. Zudem werden ergänzende Erklärungen in Bezug auf die von der bB angenommenen Widersprüche angeführt.

Der Beschwerdeschrift werden verschiedene medizinische Unterlagen sowie die bereits vorgelegten Nachweise zum Thema der Integration angeschlossen. Zudem wird auf eine Anfragebeantwortung verwiesen, aus welcher den BF zufolge hervorgehe, dass das der BF1 verschriebene Medikament oder eine Alternative in Armenien nicht erhältlich sei und auch die Kosten nicht gedeckt würden, weshalb für die erhebliche Kosten entstehen könnten.

Schließlich wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

I.9. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4.1.2019 wurde den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Der für diese Entscheidung relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I getroffenen Ausführungen.

II.2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden und von den Parteien grundsätzlich nicht beanstandeten Aktenlage fest.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der

Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

* Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters mit Erkenntnis vom 10.09.2014, Ra 2014/08/0005 die im Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 angeführten Grundsätze im Hinblick auf Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG nochmals bekräftigt und führte ergänzend aus, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinn des § 24 VwGVG zu vervollständigen sind.

In einem erst jüngst ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.02.2017, Ra 2015/11/0089 betonte dieser weiters das Interesse der Rechtsunterworfenen an einer raschen Entscheidung und führte dazu aus, dass es nicht zu erkennen sei, weshalb es nicht im Interesse der Raschheit gelegen sein sollte, wenn das Verwaltungsgericht - ausgehend freilich von einer zutreffenden Beurteilung der entscheidenden Rechtsfrage - selbst die notwendige Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens veranlasst und den entscheidungsrelevanten Sachverhalt feststellt."

Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG im gegenständlichen Fall:

Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die bB nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Ermittlungs- und Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden; dies aus folgenden Erwägungen:

1. Die BF stützten die Begründung ihrer Anträge auf internationalen Schutz insbesondere darauf, dass sie von Seiten einflussreicher Politiker und deren Handlanger in Armenien verfolgt würden. Zudem wird vorgebracht, BF1 leide an Multipler Sklerose; sowohl die notwendige Behandlung als auch das in Österreich verschriebene Medikament oder ein Alternativpräparat seinen in Armenien nicht verfügbar. Im Akt erliegen auch ärztliche Befunde betreffend BF1, aus denen im Wesentlichen hervorgeht, dass diese unter schubförmiger Multipler Sklerose und einer schweren depressiven Episode leidet und eine bestimmte Therapie empfohlen wird.

2. Die bB stellt zum Gesundheitszustand der BF1 lediglich fest, dass ihre Krankheit bereits in Armenien festgestellt worden sei; BF1 sei dort bereits medikamenös behandelt worden und sie befinde sich auch hier in ärztlicher Behandlung. Die bB trifft keine Feststellungen in Bezug auf das tatsächlich vorliegende Krankheitsbild, den aktuellen Gesundheitszustand, die Behandelbarkeit und die in Armenien vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten, deren Leistbarkeit sowie die Verfügbarkeit und Leistbarkeit von notwendigen Medikamenten. Die von der bB ins Verfahren eingebrachten Länderberichte thematisieren im Speziellen lediglich Dialyse- und psychische Behandlungen. Beweiswürdigend setzt sich die bB mit diesem Thema gar nicht auseinander und lässt auch die vorgelegten ärztlichen Atteste völlig außer Betracht.

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung der Höchstgerichte im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. die Beschlüsse des VwGH vom 21. Februar 2017, Ro 2016/18/0005 und Ra 2017/18/0008 bis 0009, unter Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 13. Dezember 2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien; auch Beschluss des VwGH vom 23.3.2017, Ra 2017/20/0038; siehe auch Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"]; Erk. d. VfGH 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9). Bloß spekulative Überlegungen über einen fehlenden Zugang zu medizinischer Versorgung sind ebenso unbeachtlich wie eine bloße Minderung der Lebensqualität (Urteil des EGMR (Große Kammer) vom 27. Mai 2008, N. v. The United Kingdom, Nr. 26.565/05).

Wie oben ausgeführt, tätigte die bB sichtlich keinerlei Erhebungen zu diesem Vorbringen, sodass offen bleibt, ob eine realistische Chance für BF1 besteht, im Lichte des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens eine leistbare Behandlung bzw. notwendige Medikamente zu erhalten und falls dies nicht bzw. lediglich teilweise der Fall ist, welche konkreten Folgen sich hieraus ergeben.

Im gegenständlichen Fall wurde somit der maßgebliche Sachverhalt in Bezug auf die individuellen Behandlungschancen bzw. in Bezug auf die Folgen beim Ausbleiben solcher Behandlungen, falls BF1 keine realistische Chance auf eine medizinische Behandlung von entsprechender Qualität hätte, dermaßen qualifiziert mangelhaft ermittelt, dass von einem gänzlichen Ausbleiben der zur Entscheidungsfindung notwendigen Ermittlungen über weite Strecken iSd Erk. d. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 gesprochen werden muss. Ebenso hätte das ho. Gericht iSd Urteils des EuGH vom 14.6.2017, C-685 EU:C:2017:452 an die Stelle der zuständigen belangten Behörde zu treten hätte, der es obliegt, dem Gericht die Beweise iSd Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts vorzulegen.

In diesem Zusammenhang sei noch angermerkt, dass die bB - sofern sie zum Bestehen eines familiären Netzwerkes feststellt, die Schwiegermutter der BF1 und Mutter des BF2 würde weiterhin in Armenien leben und die BF könnten daher nach iher Rückkehr im Familienverband leben - über die Angabe der BF1 hinweggeht, wonach die Schiegermutter zwar in Armenien lebe, aber auf der Flucht sei. Weder der Beweiswürdigung noch dem sonstigen Akteninhalt ist zu entnehmen, ob bzw. weshalb die bB diese Aussage für unglaubwürdig erachtet.

Im Lichte der dargelegten Überlegungen wird die bB die entsprechenden einzelfallspezifischen Ermittlungen basierend auf konkreten Feststellungen zur Krankheit und zum Gesundheitszustand der BF1 unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen nachzuholen und darauf aufbauende individuelle Feststellungen sowie nachvollziehbare Schlussfolgerungen im Sinne der oben getätigten Ausführungen zu treffen haben.

Sollte sich der Bedarf ergeben, im Ermittlungsverfahren gem. § 45 Abs. 3 AVG vorzugehen, wird dies von der belangten Behörde ebenfalls zu veranlassen sein.

3. Hinsichtlich der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG traf die bB zum Teil nicht nachvollziehbare Feststellungen. So wird beispielsweise ausgeführt, dass die BF eine über die Teilnahme an Deutschkursen hinausgehende Integration nicht vorweisen könnten. In diesem Zusammenhang ist jedoch festzuhalten, dass die BF zum Thema der Integration gar nicht befragt wurden und würdigt die Behörde auch die vorgelegte Unterstüztungserklärung nicht. Zudem lässt die bB auch außer Betracht, dass BF1 Verwandte hat, die in Österreich leben.

Die bB wird dies im nachfolgenden Verfahren nachzuholen haben und wird im Zuge dessen auch zu hinterfragen haben, welchen Status die hier aufhältigen Verwandten hier aktuell haben und wie sich die Beziehung zu diesen konkret gestaltet.

4. Auch in Bezug auf die Fluchtgeschichte der BF hat es die bB unterlassen, den Sachverhalt lückenlos zu ermitteln und deren Vorbringen einer vollständigen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen, um daraus die zur Beurteilung des Falles relevanten Feststellungen und eine tragfähige Begründung zu generieren.

Die erkennende Richterin übersieht nicht, dass die bisherigen Angaben der BF prima vista nicht für die Existenz von wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der GFK sprechen, doch schließt sie eine solche auch nicht aus, sodass die bisherigen Angaben der BF im Verfahren die Asylbehörde nicht von der Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens entbinden. Die bB hat die BF zwar eingehend befragt, im Hinblick auf zentrale Themen liegen in casu jedoch gravierende Ermittlungslücken vor, welche in weiterer Folge eine umfassende Beweiswürdigung hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Angaben der BF nicht zulassen.

Den BF ist insoferne Recht zu geben, als sich die mangelhaften Feststellungen in einer mangelhafte Bescheidbegründung niederschlagen.

Nach stRsp des VwGH muss die Begründung eines Bescheids erkennen lassen, welchen Sachverhalt die Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Zu einer lückenlosen Begründung gehört nicht nur die Feststellung des Sachverhalts, sondern auch die Anführung der Beweismittel (im Einzelnen), auf die die Feststellungen gegründet werden.

Diesen Anforderungen genügt der Bescheid der bB nicht. Die bB hat es im Wesentlichen bei der Darstellung der Aussagen der BF, der Anführung einiger dabei aufgetretener Ungereimtheiten sowie der Schlussfolgerung belassen, dass die Aussagen im Gesamten nicht den Anforderungen an eine Glaubhaftmachung entsprächen, diese widersprüchlich und nicht plausibel nachvollziehbar seien bzw. das Vorbringen zum Fluchtgrund nicht verifizierbar sei, ohne jedoch genau bzw. nachvollziehbar darzulegen, weshalb die bB zu dieser Annahme gelangt.

Die bB wäre jedenfalls gehalten gewesen, die im Bescheid aufgelisteten Ungereimtheiten anlässlich der Einvernahme durch konkretes Nachfragen zu klären und den BF die Gelegenheit zu geben, sich zu (scheinbaren) Widersprüchen zu äußern. So erachtete die bB beispielsweise das Vorbringen der BF, ihre Nachbarn hätten ihr zuhilfe einlen wollen, als nicht glaubhaft, zumal sie dies angesichts der behaupteten Ohnmacht nicht wissen habe können. Es sei auch nicht plausibel, dass der Ehegatte der BF1 angesichts ihrer Ohnmacht keinen Arzt geholt hätte und am nächsten Tag einfach zur Arbeit gegangen sei. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist nicht auszuschließen, dass es plausible Erklärungen dafür gibt und hätte dies im Zuge der Einvernahme der BF hinterfragt werden müssen.

Ferner erschließt sich für den Leser nicht, worauf konkret die BF ihre Behauptung stützt, in Bezug auf die Belästigung der Tochter der BF handle es sich um ein gesteigertes Vorbringen.

Zudem blieben andere zentrale Fragen offen bzw. Themenkomplexe unbehandelt, die für eine umfassende Glaubwürdigkeitsprüfung und valide Bescheidbegründung erforderlich gewesen wären und welche die bB hätte aufgreifen müssen. So fehlt es etwa an Feststellungen und der dazu notwendigen Befragung im Zusammenhang mit der Behauptung, BF1 wäre Mitglied der Republikanischen Partei gewesen. Auch ist der Beweiswürdigung der bB nicht zu entnehmen, ob die bB das Vorbringen im Hinblick auf die Mitgliedschaft bei der besagten Partei für glaubwürdig hält. Ungeklärt bleibt auch, wie BF1 die nur wenige Monate später nach ihrerm Gatten erfolgte Ausreise finanzierte, zumal BF2 auf die Frage, warum er seine Familie zurückgelassen hat, als er nach Russland ausreiste, angab, dass sie die Reisekosten nich hätten aufbringen können.

Die bB wird die BF daher im fortgesetzten Verfahren neuerlich zu vernehmen und dabei den Sachverhalt umfassend zu ermitteln und eine vollständige Glaubwürdigkeitsprüfung hinsichtlich der behaupteten Ausreisegründe vorzunehmen haben. Die bB wird auch aktuelle und umfassende länderkundliche Feststellungen in Bezug auf das konkrete Vorbringen zu treffen sowie die Plausibilität der Aussagen anhand ihrer Feststellungen zu bewerten haben. Bei der Befragung der BF und Beurteilung ihrer Aussagen wird die bB auch auf die im Dezbember 2018 erfolgten Parlamentswahlen und den daraus resultierenden Machtverhältnissen Bedacht zu nehmen haben.

5. Im Akt erliegen auch mehrere Dokumente in Armenischer Sprache - dem Protokoll nach zu schließen sei auch ein Ausweis über die Mitgliedschaft der BF1 bei der Republikanischen Partei Armeniens vorgelegt worden. Die bB hat die Dokumente - soweit aus dem Bescheid und Akteninhalt ersichtlich - nicht übersetzt und sich mit dem konkreten Inhalt der vorgelegten Unterlagen auch nicht auseinandergesetzt. Der konkrete Inhalt der vorgelegten Dokumente ist somit nicht bekannt und hat sich die belangte Behörde damit nicht spezifisch auseinandergesetzt bzw. diese beurteilt, was zur umfassenden Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens der BF1 jedoch notwendig gewesen wäre.

6. Wie unter 3. bereits angesprochen, tätigte die bB im Hinblick auf die familiäre Situation im Falle der Rückkehr der BF aktenwidrige Feststellungen. Ob von einem sonstigen familären oder sozialen Netz auszugehen ist, wurde nicht festgestellt und werden auch keine Feststellungen in Bezug auf die Unterkunftsmöglichkeiten der BF im Falle ihrer Rückkehr getroffen. Die bB wird sich im fortgesetzten Verfahren vor dem Hintergrund der speziellen Situation der Familie (vgl. etwa Ra 2018/21/0216 bis 0217) mit der Frage auseinanderzusetzen haben, in welches Umfeld die Familie zurückkehrt. Die konkrete Situation der BF - in diesem Zusammenhang wird nicht nur die Minderjährigkeit der BF3 und BF4, sondern auch der tatsächliche Gesundheitszustand der BF1 zu beachten sein - wird in Bezug zu den aktuellen Länderberichten zu setzen sein und wird die bB vor allem zu ermitteln haben, ob bzw. welche Unterstützungsleistungen von staatlicher oder karitativer Seite den BF im Falle der Rückkehr nach Armenien zustehen.

Sollte es sich als notwenig erweisen, wird die bB die BF zu den Umständen ihrer Rückkehr - unter Erinnerung an ihre Verpflichtung zur Mitwirkung im Verfahren - zu befragen haben und die Angaben der BF auch einer Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen haben.

7. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass Spruchpunkt VIII nicht begründet wird; in der Bescheidbegründung werden nur die gesetzlichen Voraussetzung für die ausgesprochene Anordnung aufgelistet.

11. Im gegenständlichen Fall ist das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde im Ergebnis derart mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides unvermeidlich erscheint. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen sonst zweifelfrei, dass das Vorbringen des BF umfassend dargelegt wurde. Im Gegenteil ist das Verfahren der belangten Behörde mit den oben dargestellten groben Mängeln behaftet.

Ohne entsprechende weitere Verfahrensschritte und Ermittlungen erweist sich die Würdigung des Fluchtvorbringens jedenfalls als nicht haltbar.

Es kann nicht Sache des Bundesverwaltungsgerichtes sein, die im gegenständlichen Fall dazu erforderlichen - jedoch im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wesentlich mangelhaft gebliebenen bzw. mangelhaft dokumentierten - Ermittlungen nachzuholen, um dadurch erst zu den erforderlichen Entscheidungsgrundlagen zu gelangen.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht liegt nicht im Sinne des Gesetzes, insbesondere bei Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist und weil eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll. Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall eine kassatorische Entscheidung zu treffen. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht der BF gegen eine Kassation des angefochtenen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

Der Bescheid war daher nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen.

Im fortgesetzten Verfahren wird sich die bB die oben genannten Ermittlungsschritte nachzuholen haben und wird dann in der Lage sein, ihrer Entscheidung eine schlüssige, tragfähige Beweiswürdigung zu sämtlichen seitens der BF gemachten Angaben in Zusammenhang mit ihren Ausreisegründen und den vorgelegten Dokumenten zugrunde zu legen. Die bB wird sich ebenso hinreichend mit der aktuellen privaten und familiären Situation der BF in Österreich, dem aktuellen Gesundheitszustand der BF sowie ihrer Situation im Falle ihrer Rückkehr nach Armenien auseinanderzusetzen haben.

In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass der Inhalt des Beschwerdeschriftsatzes nunmehr Teil des durch die bB zu berücksichtigenden Sachverhaltes ist.

Im weiteren Verfahren wird die bB auch zwischenzeitlich vorgelegten Dokumente zu berücksichtigen haben.

Der Vollständigkeit halber sei auch noch auf die Wahrung der Grundsätze des Parteiengehörs hingewiesen.

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. die angefochtenen Bescheide aufzuheben waren.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylverfahren, begründete Furcht vor Verfolgung, Begründungsmangel,
Behandlungsmöglichkeiten, Behebung der Entscheidung,
Beweiswürdigung, Ermittlungspflicht, Familienverfahren,
Fluchtgründe, gesteigertes Vorbringen, gesundheitliche
Beeinträchtigung, Glaubhaftmachung, Glaubwürdigkeit, Integration,
Interessenabwägung, Kassation, mangelhaftes Ermittlungsverfahren,
mangelnde Sachverhaltsfeststellung, medizinische Versorgung,
Mitwirkungspflicht, Nachvollziehbarkeit, Plausibilität, politische
Gesinnung, Schlüssigkeit, Übersetzung, Verfolgungsgefahr,
wohlbegründete Furcht, Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L526.2211822.1.01

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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