TE Bvwg Beschluss 2019/4/26 I415 2111308-2

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Veröffentlicht am 26.04.2019
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Entscheidungsdatum

26.04.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I415 2111308-2/3E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge: BFA) vom 23.04.2019, Zl. XXXX, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, StA. GAMBIA, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 sowie § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Fremde, ein Staatsangehöriger Gambias, stellte am 14.05.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am 16.05.2014 stattfindenden Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erklärte er, Gambia verlassen zu haben, weil seine Freunde in eine Schlägerei mit der Polizei geraten seien und er in weiterer Folge dann auch von der Polizei gesucht worden sei. Im Fall einer Rückkehr befürchte er festgenommen und getötet zu werden.

Der zu diesem Zeitpunkt minderjährige Fremde wurde im Beisein eines Vertreters der Caritas Wien, beauftragt vom Jugendamt als gesetzlichem Vertreter, am 15.10.2014 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX, niederschriftlich einvernommen. Der Fremde erklärte, seit seinem vierzehnten Lebensjahr wegen familiärer Probleme alleine gelebt zu haben. Er gab an, von seinem Onkel verletzt worden zu sein, dieser sei aber Polizist und der Vorfall daher nicht weiter verfolgt worden. Zum Fluchtgrund befragt gab er zunächst an, aufgrund des Problems mit seinem Onkel geflüchtet zu sein. In weiterer Folge meinte er dann aber, dass er in einem Gebiet gewohnt habe, in dem alle die National Alliance for Democracy and Development (NADD) unterstützt haben würden. Die Polizei habe gewusst, dass in dieser Gegend alle Oppositionelle seien. Der Fremde sei einmal drei Tage ins Gefängnis gesteckt und dort auch geschlagen worden. Es habe dann unerlaubterweise ein Fußballmatch stattgefunden. Auf dem Heimweg sei es zu einer Schlägerei gekommen, weil die Polizei von diesem Match gehört habe. Man habe auch versucht ihn zu schlagen, er habe aber weglaufen können. Im Zuge dieser Auseinandersetzung seien auch Polizisten verletzt worden. Dies habe sich am 03.03.2014 ereignet, er sei dann nach Senegal geflüchtet.

Mit Bescheid des BFA vom 07.07.2015 wurde der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 16.05.2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Gambia abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Fremden gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 FPG 2005 erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Gambia zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1-3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.). Im angefochtenen Bescheid wurde eine generelle Verfolgung der Volksgruppe der Wolof in Gambia verneint. Das Vorbringen des Fremden, aufgrund seiner oppositionellen Tätigkeit von der Polizei verfolgt zu werden, wurde als nicht glaubhaft empfunden. Eine reale Gefahr einer Verletzung der in Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder der Protokolle Nummer 6 oder Nummer 13 zur Konvention geschützten Rechte wurde für den Fall einer Rückkehr nach Gambia verneint. Ein besonders schützenswertes Privat- oder Familienleben in Österreich sei nicht hervorgekommen.

Die dagegen am 16.07.2015 fristgerecht erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 20.04.2017 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.05.2017, Zl. I403 2111308-1/12E, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Spruchteil des Spruchpunktes III wie folgt zu lauten hat: "Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wird nicht erteilt." Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus wie folgt: "Der Beschwerdeführer begründete seine Ausreise aus Gambia damit, dass er von der Polizei gesucht werde bzw. dass er ein Problem mit seinem Onkel habe. Das BFA schenkte diesem Vorbringen keinen Glauben und wies auf verschiedene Unstimmigkeiten und Widersprüchlichkeiten hin. Das Bundesverwaltungsgericht muss sich dieser Feststellung anschließen, gelang es dem Beschwerdeführer doch auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 20.04.2017 nicht, eine Verfolgung seiner Person glaubhaft darzulegen."

2. In weiterer Folge war der Fremde im Bundesgebiet nicht amtlich gemeldet. Im Zuge einer Amtshandlung wurde der Fremde am 30.03.2019 einer Personenkontrolle unterzogen und in das PAZ XXXX überstellt und über ihn die Schubhaft verhängt. Am 12.04.2019 stellte der Fremde aus dem Stande der Schubhaft einen (Folge-)Antrag auf internationalen Schutz, wobei er auf Befragung angab, dass die alten Fluchtgründe nach wie vor aufrecht wären. Zusätzlich brachte der Fremde vor, dass Gambia kein sicheres Land und die Situation für ihn sehr gefährlich wäre. In den Jahren von 1994 bis 2017 herrschte in Gambia eine militärische Diktatur. Im Jahre 2017 wäre eine neue Regierung gebildet worden und würden nunmehr Personen der militärisch beherrschten Jahre nach und nach zur Verantwortung ziehen. Der Fremde hätte nun Angst, Opfer einer Rache der aktuellen Regierung zu werden.

Aufgrund der Ermittlungsergebnisse wurde dem Fremden am 17.04.2019 eine schriftliche Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 Z. 4 und 6 AsylG 2005 ausgefolgt, mit welcher ihm die Absicht des BFA zur Kenntnis gebracht wurde, den Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

Am 23.04.2019 wurde der Fremde im Beisein seiner Rechtsberatung von der belangten Behörde einvernommen. Er nehme weder Medikamente noch sei er in ärztlicher Behandlung. Er habe am 13.04.2019 bei der Erstbefragung in der Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug die Wahrheit gesagt. Befragt warum er nach negativem Abschluss des ersten Asylverfahrens einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stelle, führt der Fremde aus, dass er Angst davor habe zu sterben. Sein Onkel habe von 1994 bis 2008 beim Militär in Gambia gearbeitet. Viele Leute seien von 1994 bis 2017 gestorben. Seit 2017 gebe es eine neue Regierung in Gambia und würden Gerichtsverfahren vom Jahr 1994 geöffnet. Die Familien der Opfer wollen sich an den Familien der Personen, die die Leute umgebracht haben, rächen. Dies sei der Grund, weshalb er nicht nach Gambia zurückkehren könne. Zu den Fluchtgründen aus dem Erstverfahren gab er noch ergänzend an, nicht zu wissen, ob diese noch bestehen, da es ja jetzt eine neue Regierung gebe. Weiters habe er seit etwa einem Jahr eine Freundin in Österreich, die ihn auch in der Schubhaft besuchen komme und welche österreichische Staatsbürgerin sei. Er spreche etwas Deutsch und bestreite seinen Lebensunterhalt durch die Caritas. Auf Nachfrage führte er aus freiwilliger Helfer bei einem Verein in einem Dorf in der XXXX zu sein, der Name des Vereins falle ihm aber gerade nicht ein.

3. In der Folge wurde gegenüber dem Fremden am 23.04.2019 mit mündlich verkündetem Bescheid der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Ab. 2 iVm § 22 Abs 10 AsylG und § 62 Abs 2 AVG aufgehoben.

4. Der mündlich verkündete Bescheid über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wurde der zuständigen Gerichtsabteilung I415 des Bundesverwaltungsgerichts am 26.04.2019 samt dem Verwaltungsakt vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Die Vorlage des Aktes durch das Bundesamt vom 24.04.2019, eingelangt bei der zuständigen Gerichtsabteilung I415 des Bundesverwaltungsgerichts am 26.04.2019, gilt gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 bereits als Beschwerde.

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

Der Fremde ist Staatsangehöriger von Gambia, volljährig, gesund, arbeitsfähig, ledig und kinderlos. Er ist sohin Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG sowie des § 2 Abs. 1 Z 20b AsylG 2005.

Feststellungen zu seiner Identität können nicht getroffen werden.

Er war und ist in Österreich auch nicht berufstätig und somit nicht selbsterhaltungsfähig.

Seit seiner erstmaligen Einreise in das Bundesgebiet am 14.05.2014 hielt sich der Beschwerdeführer seinen Aussagen zu Folge durchgehend in Österreich auf. Nach dem rechtskräftig negativen Abschluss seines ersten Asylverfahrens mit 01.06.2017 tauchte der Beschwerdeführer in die Anonymität ab und ist seitdem nicht im Bundesgebiet gemeldet.

Im gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz hält der Fremde zunächst seine alten Fluchtgründe aufrecht und ergänzt diese im Zusammenhang mit der neuen Regierung in Gambia seit 2017. Schon im ersten Verfahren war dem Fremden jegliche Glaubwürdigkeit abzusprechen. Weder im Hinblick auf die allgemeine Lage in Gambia noch im Hinblick auf die anzuwendenden rechtlichen Bestimmungen ist seit Abschluss dieses Asylverfahrens eine maßgebliche Änderung der Rechtslage eingetreten.

Sein nunmehriger (Folge-)Antrag auf internationalen Schutz wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein. In Bezug auf den Fremden besteht kein schützenswertes Privat- und/oder Familienleben im Bundesgebiet. In Bezug auf seinen Gesundheitszustand ist betreffend eine allenfalls vorzunehmende Abschiebung darauf hinzuweisen, dass vor einer Abschiebung durch die zuständige Behörde/Amtsarzt eine Prüfung dahingehend vorzunehmen ist, ob eine beabsichtigte Abschiebung eine EMRK-widrige Behandlung des Fremden bedeuten würde.

2. Beweiswürdigung:

Die Angaben zur Person des Fremden fußen auf seinen Aussagen im gegenständlichen sowie in den rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren.

Die Angaben zu den Asylverfahren des Fremden ergeben sich aus den vorliegenden Akten der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichts.

Sein erster Asylantrag wurde mangels Glaubhaftigkeit vom BFA abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht ab und führte ebenfalls die mangelnde Glaubwürdigkeit seiner Person an. So war es dem Fremden auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 20.04.2017 nicht gelungen, eine Verfolgung seiner Person glaubhaft darzulegen.

Der Fremde erklärte im gegenständlichen Verfahren in der Erstbefragung, dass seine bisherigen Fluchtgründe weiterhin aufrecht wären und ergänzte das Vorbringen um befürchtete Verfolgung und Rache durch Familien, welche im Militärregime von 1994 bis 2017 Familienmitglieder verloren hätten. Zudem wäre Gambia kein sicheres Land und die Situation für den Fremden sehr gefährlich.

Der Ansicht der belangten Behörde, dass es dem Fremden im Folgeverfahren nicht gelungen ist, einen neuen Fluchtgrund glaubhaft zu machen, ist daher beizupflichten.

Ein Abgleich zwischen den Feststellungen des vorangegangenen Asylverfahrens und den Länderfeststellungen, welche der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt wurden, ergibt keine Verschlechterung der allgemeinen Situation in Gambia. Eine solche würde auch nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechen und wurde vom Fremde auch nicht behauptet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.

Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

1. Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde (Z 1), kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt (Z 2), im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben (Z 3), und eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist (Z 4).

Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufheben, wenn gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht (Z 1), der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist (Z 2), und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z 3).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 ist im Sinne dieses Bundesgesetzes ein Folgeantrag jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag.

Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden. Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 Abs. 3 BFA-VG binnen acht Wochen zu entscheiden.

2. Der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 14.05.2014 wurde vom BFA abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Gambia zulässig ist. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 31.05.2017, Zl. I403 2111308-1/12E, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Spruchteil des Spruchpunktes III wie folgt zu lauten hat:

"Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wird nicht erteilt.". Beim Antrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 12.04.2019 handelt es sich somit um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.

3. Es liegt kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 vor.

4. Die Rückkehrentscheidung der belangten Behörde vom 07.07.2015 gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG wurde rechtswirksam (rechtskräftig in zweiter Instanz per 01.06.2017).

5. Der Antrag vom 12.04.2019 ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil kein "glaubhafter Kern" erkennbar ist.

Aus den Länderberichten ergibt sich, dass auch im Hinblick auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat keine maßgebliche Änderung der Lage im Vergleich zum vorangegangenen Bescheid eingetreten ist.

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN).

Auch diesbezüglich wurden keine Sachverhaltsänderungen vorgebracht.

6. Die Abschiebung würde auch keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK darstellen:

Auch dafür, dass dem Fremden im Falle einer Rückkehr nach Gambia die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059), gibt es im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt. Für den Fall einer Erkrankung bestehen auch in seinem Heimatstaat ausreichende Behandlungsmöglichkeiten. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum der Fremde seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht bestreiten können sollte. Außerdem besteht ganz allgemein in Gambia derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zu EMRK ausgesetzt wäre.

Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Fremden ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK erschlossenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

Eine Gefährdung iSd Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK wird vom Fremden nicht vorgebracht. Im Hinblick auf Art. 8 EMRK hat der Fremde angegeben, in Österreich seit etwa einem Jahr eine Freundin zu haben, die auch österreichische Staatsbürgerin ist. Dieses behauptete Familienleben entspricht jedoch nicht den Anforderungen an ein schützenswertes Familienleben im Sinne der EMRK, sowohl was den Zeitpunkt der Entstehung nach negativen Abschluss des ersten Asylverfahrens als auch die kurze Dauer der Beziehung betrifft. Eine besondere Aufenthaltsverfestigung kann angesichts seines kurzen Aufenthalts nicht angenommen werden. Es kann daher auch keine Verletzung seines Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden.

7. Auf Grund der aktuellen Länderberichte kann nicht festgestellt werden, dass dem Fremden als Zivilperson durch die Rückkehr nach Gambia eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes erwachsen würde.

8. Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG erfüllt sind, ist spruchgemäß festzustellen, dass der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 23.04.2019 rechtmäßig ist und die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen.

9. Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz,
faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag,
Identität der Sache, Privat- und Familienleben, real risk, reale
Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I415.2111308.2.00

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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