TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/29 W163 1400190-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.04.2019
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Entscheidungsdatum

29.04.2019

Norm

AsylG 2005 §9 Abs2
AsylG 2005 §9 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W163 1400190-2/30E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Daniel LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2015, Zahl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.03.2019 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 9 Abs. 2 und 4 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 07.04.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

2. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 09.06.2008, Zl. XXXX , den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem BF jedoch gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).

3. Die gegen den Spruchpunkt I. des unter Punkt 2. genannten Bescheides erhobene Beschwerde an den Asylgerichtshof wurde mit Erkenntnis vom 17.06.2011, Zl. XXXX , gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

4. Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde in der Folge mehrfach, zuletzt mit Gültigkeit bis zum 09.06.2014, verlängert.

5. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 04.12.2013, rechtskräftig mit 10.12.2013, Zl. XXXX , wurde der BF wegen §§ 27 Abs. 1 Z. 1 2. Fall, 27 Abs. 2 Suchtmittelgesetz, §§ 28a Abs. 1 5. Fall, 28a Abs. 2 Z. 3, 28a Abs. 3 Suchmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

6. Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 21.02.2014, Zl. XXXX , wurde dem BF gemäß § 39 Suchtmittelgesetz ein vorläufiger Strafaufschub bis einschließlich 30.06.2014 gewährt, um sich der notwendigen ärztlichen und therapeutischen Behandlung betreffend seine Suchtabhängigkeit zu unterziehen.

7. Mit Eingabe vom 29.04.2014 beantragte der BF die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.

8. Das BFA hat mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid den dem BF mit Bescheid vom 09.06.2008, Zl XXXX , zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 Asylgesetz 2005 vom Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), ihm die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.), die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 für unzulässig erklärt (Spruchpunkt III.) und einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt IV.).

9. Die gegen Spruchpunkte I. und II. des unter Punkt 8. genannten Bescheides erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (im Folgenden: BVwG) vom 16.04.2015, GZ: XXXX , zunächst mangels rechtswirksamer Zustellung des Bescheids als unzulässig zurückgewiesen.

10. Dem Antrag des BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Rechtsmittelfrist nach ordnungsgemäßer Zustellung des unter Punkt 8. genannten Bescheides gab das BVwG mit Erkenntnis vom 22.01.2018, GZ: XXXX , gemäß § 71 Abs. 1 AVG statt.

Die Beschwerde richtet sich ausschließlich gegen die Spruchpunkte I. (Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten) und II. (Entzug der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigtem).

11. Die gegen die Spruchpunkte I. und II. erhobene Beschwerde wies das BVwG mit Erkenntnis vom 28.03.2018, Zl. XXXX , als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

Das BVwG begründete diese Entscheidung zusammengefasst damit, dass der BF das Verbrechen des Suchtgifthandels begangen habe und deshalb vom Landesgericht für Strafsachen Graz rechtskräftig zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 sei daher erfüllt, weshalb dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen sei. Auf weitere Umstände komme es nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 und der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VfGH 8.3.2016, G 440/2015 u. a., und VwGH 24.5.2016, Ra 2015/20/0047) nicht an. Da die Voraussetzungen zur Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 vorlägen, sei die Beschwerde abzuweisen gewesen.

12. Infolge der gegen dieses Erkenntnis erhobenen außerordentlichen Revision des BF behob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/18/0295, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.

13. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 27.03.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF persönlich im Beisein seines Vertreters teilnahm. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil.

14. Am 17.04.2019 erstattete der BF eine Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF stellte am 07.04.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Diesem Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.06.2008 bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten stattgegeben und dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Diese wurde in der Folge mehrfach, zuletzt mit Gültigkeit bis zum 09.06.2014, verlängert.

Dieser Status wurde dem BF mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 mit der Begründung aberkannt, dass er wegen eines "Verbrechens" rechtskräftig verurteilt wurde. Zudem wurde ihm die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.), die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 für unzulässig erklärt (Spruchpunkt III.) und einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt IV.).

1.2. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 04.12.2013, rechtskräftig mit 10.12.2013, Zl. XXXX , wurde der BF wegen §§ 27 Abs. 1 Z. 1 2. Fall, 27 Abs. 2 Suchtmittelgesetz, §§ 28a Abs. 1 5. Fall, 28a Abs. 2 Z. 3, 28a Abs. 3 Suchmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt.

Der BF hatte vorschriftswidrig von Anfang 2013 bis Juli 2013 Suchtgift 1.) in einer das 15fache der Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er insgesamt mindestens 5.100 Gramm Cannabiskraut (rund 350 Gramm an Delta-9-THC) von zwei verschiedenen Personen erwarb und im Zuge mehrerer gewinnbringender Verkäufe an drei verschiedene Personen veräußerte, wobei er an Suchtmittel gewöhnt war und die Taten vorwiegend deshalb begangen hat, um sich die Suchtmittel für seinen persönlichen Gebrauch zu verschaffen sowie 2.) erworben und besessen, indem er unbekannte Mengen an Cannabiskraut erwarb und konsumierte.

Der BF hat damit 1.) das Verbrechen des Suchgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 2 Z 3 SMG iVm Abs. 3 SMG und 2.) die Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall und Abs. 2 SMG begangen.

Bei der Strafbemessung wurden mildernd der bislang ordentliche Lebenswandel des BF und sein umfassendes reumütiges und zur Wahrheitsfindung beitragendes Geständnis gewertet, hingegen wurde das Zusammentreffen von einem Verbrechen und mehreren Vergehen erschwerend gewertet.

Der Vorsatz des BF war bei der Überlassung des Suchtgifts auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet und umfasste auch die kontinuierliche Tatbegehung über einen längeren Deliktszeitraum und den daran anknüpfenden Additionseffekt. Es handelte sich jeweils um große Mengen Suchtgift, die der BF von seinem Wiener Lieferanten bezog. Der BF hatte seine Drogengeschäfte offenkundig auf Dauer angelegt, um sich auf diese Weise eine fortlaufende Einnahmequelle zu erschließen.

1.3. Die Delinquenz des BF hat folgende Vorgeschichte: Nach dem Hauptschulabschluss des BF wurden dem BF vom AMS etliche Kurse angeboten. Es hat ihm nicht gefallen, den AMS-Kurs gemeinsam mit Minderjährigen zu besuchen. Beim Rauchen in den Pausen der AMS-Kurse hat der BF andere Burschen kennengelernt, die Joints rauchten. Der BF begann, mit ihnen in den Pausen Marihuana zu rauchen. Da dem BF der AMS-Kurs nicht mehr gefiel, beendete er den Kursbesuch. Infolgedessen stellte das AMS die Geldzahlungen an den BF ein. Der BF hatte dann keine Beschäftigung und kein Geld mehr, wollte aber Joints rauchen und finanzierte dies mittels der unter Punkt 1.2. dargestellten Straftaten.

1.4. Der BF zeigte sich im Strafverfahren umfassend reumütig geständig und trug damit zur Wahrheitsfindung bei.

In der Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG zeigte der BF hingegen nicht, dass er zu seinen Taten steht. Er stellte seine Handlungen wesentlich anders dar als im Strafurteil festgestellt und wich damit von seiner geständigen Verantwortung im Strafverfahren ab.

1.5. Der Strafrahmen betrug bei dem dem BF angelasteten Delikt gem. § 28a Abs. 2 iVm Abs. 3 2. Fall SMG ein bis fünf Jahre. Bei dieser Delinquenz handelt es gemäß § 17 StGB um ein Verbrechen.

1.6. Der BF hat in Österreich eine Verlobte, mit der er nicht im gemeinsamen Haushalt lebt. Die Familie des BF lebt seit längerer Zeit in Wien.

Vor der Aberkennung seiner subsidiären Schutzberechtigung war der BF insgesamt fünf bis sechs Monate erwerbstätig.

Der BF verbüßte zwischen fünf und sechs Monaten der Strafhaft, es kam dann zu einem Aufschub des Strafvollzugs nach § 39 SMG und später einer nachträglichen bedingten Strafnachsicht nach § 40 SMG. Der BF hat eine Therapie gemacht und ist seither nicht mehr an den Gebrauch von Suchtmitteln gewöhnt. Der BF absolvierte ab Dezember 2015 eine Bewährungshilfe. Während der Betreuungszeit absolvierte er mehrere Deutschkurse und versuchte erfolglos, Arbeit zu finden. Der BF hat eine Einstellungszusage von einem Pizza- und Kebap-Restaurant.

1.7. Mit Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 10.07.2018, Zl. XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens der Körperverletzung gem. § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je EUR 4,-

(Gesamtgeldstrafe von EUR 160,-), im Fall der Uneinbringlichkeit 20 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt. Der BF wurde dabei schuldig erkannt, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem zweiten als Mittäter eine Person am Körper verletzt zu haben, indem sie auf ihn einschlugen und als er am Boden lag hintraten, sodass diese Person eine Prellung der Halswirbelsäule und eine Schädelprellung erlitt.

Bei der Strafbemessung wurde mildernd das Mitverschulden des Opfers und erschwerend eine einschlägige Vorstrafe gewertet.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Zuerkennung, Verlängerung und Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ergeben sich unstrittig aus den entsprechenden, oben angeführten Bescheiden.

2.2. Die Feststellungen zur Suchtmitteldelinquenz des BF beruhen auf dem oben genannten Strafurteil. Schon unter dem Aspekt, dass sich das Gericht dabei auf das umfassende, reumütig und zur Wahrheitsfindung beitragende Geständnis des BF stützte, folgt das BVwG den dort als erwiesen angenommenen Tatsachen.

2.3. Die Vorgeschichte zur Delinquenz des BF ergibt sich aus seinen entsprechenden Schilderungen in der Beschwerdeverhandlung (Protokoll der mV S. 6 und 7). Der BF äußerte sich dabei aber nur glaubwürdig, soweit er eben diese Vorgeschichte erzählte, wohingegen sich die weitere Schilderung seiner Tathandlungen vor dem Hintergrund des im Strafverfahren festgestellten Sachverhalts (siehe Punkt 2.2. und sogleich Punkt 2.4.) als nicht glaubwürdig erwies.

2.4. Die Feststellung zur Verantwortung des BF im Strafverfahren beruht auf dem unstrittigen Strafurteil.

Auffallend zeigte sich jedoch in der Beschwerdeverhandlung, dass der BF seine Handlungen, die zu dieser Verurteilung geführt haben, wesentlich anders darstellte und diese dabei herunterspielte. Er räumte weder ein, dass er selbst von zwei Personen (auch: von seinem Lieferanten aus Wien) große Suchtgiftmengen bezog, noch, dass er diese dann selbst gewinnbringend an drei verschiedene Abnehmer veräußerte (vgl. Strafurteil vom 04.12.2013). Vielmehr stellte der den Sachverhalt so dar, dass er lediglich potentielle Abnehmer dem ihm Bekannten, von dem auch er Marihuana bekam, vorgestellt hätte, die wiederum von diesem Bekannten "das" gekauft hätten. Nach einigem Malen wären die Abnehmer festgenommen worden, dabei wäre auch der BF verraten worden (Protokoll der mV S. 6 und 7). Der BF stellte damit seine Rolle beim Suchtgifthandel völlig anders dar, als er noch im Strafverfahren eingestand. Insbesondere stellte er seine eigenen Tathandlungen (in Relation zu seinen tatsächlichen Handlungen) sehr untergeordnet dar und verschwieg seine eigenständige, aktive Tatverwirklichung - besonders, dass er selbst diese großen Suchtgiftmengen bezog und weiterveräußerte. Der BF vermochte damit nicht überzeugend und glaubwürdig darzulegen, dass er hinsichtlich seiner Taten ein Unrechtsbewusstsein entwickelt hat oder ernstlich bereit ist, Verantwortung für seine Taten zu übernehmen. Demgegenüber erschien die Entschuldigung des BF in der Beschwerdeverhandlung (Protokoll der mV S. 9) floskelhaft und überzeugte nicht, wobei seine Aussage, dass er seit der Verurteilung "mit den Drogen" strafrechtlich nicht mehr belangt worden wäre, nicht zutrifft, weil er im Juli 2018 wegen Körperverletzung verurteilt wurde. Daraus ergab sich, auch unter dem dabei vom BF gewonnenen persönlichen Eindruck, für das erkennende Gericht deutlich, dass der BF tatsächlich keine Verantwortung für seine Straftaten übernimmt.

2.5. Der Strafrahmen der vom BF begangenen Tat und die Qualifikation als Verbrechen ergeben sich unstrittig aus dem SMG und dem StGB.

2.6. Die Feststellungen zu den übrigen Lebensverhältnissen des BF in Österreich ergeben sich aus seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung in Zusammenhalt mit dem vorgelegten Abschlussbericht über die Bewährungshilfe.

2.7. Die Feststellungen zur Verurteilung des BF wegen einer Körperverletzung ergeben sich aus auf dem Strafurteil des Bezirksgerichts Favoriten.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

3.1. Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids)

3.2.1. Rechtslage und Judikatur

(vgl. bereits W271 2207168-1 vom 08.03.2019)

§ 9 AsylG 2005 lautet:

"Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.

(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen."

Umstände für eine amtswegige Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 1 AslyG 2005 lagen nicht vor.

Das BFA nahm aufgrund der vorliegenden Verurteilung des BF wegen eines Verbrechens an, dass der Aberkennungsgrund des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 verwirklicht worden sei und verfügte die Aberkennung des ihm früher zuerkannten subsidiären Schutzes. Da der BF wegen eines Verbrechens verurteilt wurde, deckt sich diese Entscheidung - unter Berücksichtigung des neu erlassenen § 2 Abs. 4 AsylG 2005 - mit der bis dahin erlassenen Judikatur und dem Gesetzeswortlaut.

Mittlerweile hat sich von Seiten des Europäischen Gerichtshofes (EuGH vom 13.09.2018, Rs C-369/17 "Ahmed") eine Klarstellung ergeben, wie mit "schweren Straftaten" und der Aberkennung eines Schutztitels umzugehen ist. Nach einer im gegenständlichen Verfahren ergangenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. Verfahrensgang Punkt 12.) lässt sich darauf aufbauend die bisherige Auslegung und Rechtsprechung zum Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG nicht mehr aufrechterhalten (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/18/0295, Rn 25).

Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 13.09.2018, Rs C-369/17 "Ahmed", festgehalten, dass nicht ausschließlich anhand des Strafmaßes, das für eine bestimmte Straftat vorgesehen ist, davon ausgegangen werden darf, dass eine Person eine "schwere Straftat" im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. b Statusrichtlinie begangen hat.

Der Europäische Gerichtshof fasste seine Ausführungen wie folgt zusammen (Hervorhebungen hinzugefügt):

"Art. 17 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ist dahin auszulegen, dass er einer Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der ausschließlich anhand des Strafmaßes, das für eine bestimmte Straftat nach dem Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehen ist, davon ausgegangen wird, dass die Person, die einen Antrag auf subsidiären Schutz gestellt hat, ‚eine schwere Straftat' im Sinne dieser Bestimmung begangen hat, derentwegen sie von der Gewährung subsidiären Schutzes ausgeschlossen werden kann. Es ist Sache der zuständigen nationalen Behörde bzw. des zuständigen nationalen Gerichts, die oder das über den Antrag auf subsidiären Schutz entscheidet, die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen, wobei eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen ist."

Umgelegt auf den gegenständlichen Fall ist daraus zu gewinnen, dass eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG nicht alleine aus dem Grund erfolgen darf, weil eine Person wegen eines Straftatbestandes verurteilt wurde, den der Gesetzgeber aufgrund seines Strafmaßes als "Verbrechen" eingeordnet hat, auch wenn diese Einordnung ein Indiz für das Vorliegen einer schweren Straftat ist.

Der Verwaltungsgerichtshof baute in seiner im gegenständlichen Fall ergangenen Entscheidung vom 06.11.2018, Ra 2018/18/0295, auf diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes auf: Demnach kommt "dem Kriterium des in den strafrechtlichen Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehenen Strafmaßes zwar eine besondere Bedeutung bei der Beurteilung der Schwere der Straftat [zu], die den Ausschluss vom subsidiären Schutz nach Art. 17 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2011/95 rechtfertigt", doch darf sich "die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaats gleichwohl erst dann auf den in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausschlussgrund berufen, nachdem sie in jedem Einzelfall eine Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände, die ihr bekannt sind, vorgenommen hat, um zu ermitteln, ob schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass die Handlungen des Betreffenden, der im Übrigen die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erfüllt, unter diesen Ausschlusstatbestand fallen" (Rs Ahmed, Rn. 55).

Bei der Anwendung des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005, der nach der Intention des Gesetzgebers die Bestimmung des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie umsetzt, ist daher jedenfalls eine Einzelprüfung durchzuführen, ob eine "schwere Straftat" im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie vorliegt: "Dabei ist die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen und eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen. Es ist jedoch nicht unbeachtet zu lassen, dass auch der EuGH dem in einer strafrechtlichen Bestimmung vorgesehenen Strafmaß eine besondere Bedeutung zugemessen hat (vgl. EuGH 13.9.2018, Ahmed, C-369/17, Rn. 55) und somit die Verurteilung des Fremden wegen eines Verbrechens zweifelsfrei ein gewichtiges Indiz für die Aberkennung darstellt, dieses Kriterium allein jedoch nach den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Aberkennung nicht ausreicht." (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/18/0295, Rn. 25).

Der Verwaltungsgerichtshof gab dem BVwG in der zitierten Entscheidung für den zweiten Rechtsgang mit, es würde "zusätzlich zum Kriterium der rechtskräftigen Verurteilung des Revisionswerbers wegen eines Verbrechens eine vollständige Prüfung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen haben und anhand dieser Würdigung anschließend zu beurteilen haben, ob dem Revisionswerber deshalb der ihm zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen abzuerkennen ist. Bei dieser einzelfallbezogenen Würdigung werden auch die konkret verhängte Strafe und die Gründe für die Strafzumessung stärker zu berücksichtigen sein".

Verwiesen wurde auch darauf, dass die Bestimmung des Art. 17 Abs. 1 lit. b Statusrichtlinie (Ausschluss von der Gewährung subsidiären Schutzes, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine schwere Straftat begangen hat) eine Ausnahme von der in Art. 18 Statusrichtlinie aufgestellten allgemeinen Regel bildet und daher restriktiv auszulegen ist (siehe die zitierten Entscheidungen des EuGH, Rn 52, und VwGH, Rz 24).

Relevant ist nach der zitierten Rechtsprechung auch der EASO-Bericht "Ausschluss: Artikel 12 und Artikel 17 der Anerkennungsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU)" (siehe: https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/Exclusion-Judicial-Analysis-DE.pdf), auf die auch der BF in der Stellungnahme vom 17.04.2019 hinweist.

Der Europäische Gerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof entnahmen diesem Leitfaden die Empfehlung (Hervorhebungen hinzugefügt), "dass die Schwere der Straftat, aufgrund deren eine Person vom subsidiären Schutz ausgeschlossen werden könne, anhand einer Vielzahl von Kriterien, wie u.a. der Art der Straftat, der verursachten Schäden, der Form des zur Verfolgung herangezogenen Verfahrens, der Art der Strafmaßnahme und der Berücksichtigung der Frage beurteilt werden solle, ob die fragliche Straftat in den anderen Rechtsordnungen ebenfalls überwiegend als schwere Straftat angesehen werde" (Rs Ahmed, Rn. 56; VwGH 06.11.2018, Ra 2018/18/0295, Rn. 23).

Als Beispiele schwerer Straftaten nennt der EASO-Leitfaden "Ausschluss" etwa folgende Delikte (Pkt. 2.2.3.2. des Leitfadens;

Hervorhebung nicht im Original):

* Mord,

* Mordversuch,

* Vergewaltigung,

* bewaffneter Raub

* Folter,

* gefährliche Körperverletzung,

* Menschenhandel,

* Entführung,

* schwere Brandstiftung,

* Drogenhandel,

* Verschwörung zum Zweck der Förderung terroristischer Gewalt, und

* schwere Wirtschaftsverbrechen mit erheblichen Verlusten (z.B. Unterschlagung).

3.2.2. Aberkennung im konkreten Fall

Da seit der Gewährung des subsidiären Schutzes zu Gunsten des BF keine grundlegenden Veränderungen im Herkunftsstaat und in der individuellen Situation des BF eingetreten sind und damit weiterhin jene Gründe vorliegen, die zum Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben (Z 1), der BF seinen Lebensmittelpunkt noch immer in Österreich hat (Z 2) und er keine Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat (Z 3), schied eine Aberkennung des Status des Asylberechtigten des BF nach § 9 Abs. 1 AslyG 2005 aus.

Eine Aberkennung hat aber, wenn der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus Gründen des Abs. 1 abzuerkennen ist, nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 auch dann zu erfolgen, wenn der Fremde beispielsweise von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt wurde (was nunmehr im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung des EuGH und VwGH auszulegen ist).

Der BF wurde - unstrittig - wegen der Begehung einer Tat (Suchtgifthandel) verurteilt, die nach der österreichischen Rechtsordnung ein Verbrechen ist. Das stellt nach der jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein gewichtiges Indiz für die Aberkennung nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 dar, auch wenn dies nicht alleine dafür entscheidend ist, ob eine "schwere Straftat" vorliegt, die im Ergebnis zur Aberkennung dieses Schutztitels führen darf.

Doch auch der bereits zitierte EASO-Leitfaden "Ausschluss" erwähnt den "Drogenhandel" als Beispiel für eine schwere Straftat.

Der Leitfaden legt zur Beurteilung, ob eine "schwere Straftat" vorliegt, auch die Prüfung anderer Rechtsordnungen nahe. Dafür findet im gegenständlichen Fall folgendes Beachtung:

Während die Strafbarkeit von Drogenmissbrauch in der Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten (und damit außerhalb der Kompetenz der EU) liegt, kommt in Bezug auf Drogenhandel nach Art. 83 AEUV dem Europäischen Parlament und dem Rat gesetzgeberische Kompetenz zu:

Diese können "gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Richtlinien Mindestvorschriften zur Festlegung von Straftaten und Strafen in Bereichen besonders schwerer Kriminalität festlegen, die aufgrund der Art oder der Auswirkungen der Straftaten oder aufgrund einer besonderen Notwendigkeit, sie auf einer gemeinsamen Grundlage zu bekämpfen, eine grenzüberschreitende Dimension haben. Derartige Kriminalitätsbereiche sind: Terrorismus, Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern, illegaler Drogenhandel, illegaler Waffenhandel, Geldwäsche, Korruption, Fälschung von Zahlungsmitteln, Computerkriminalität und organisierte Kriminalität" (Hervorhebung nicht im Original).

Auf dieser Basis wurde der Rahmenbeschluss 2004/757/JI des Rates der Europäischen Union vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (abrufbar unter

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L:2004:335:FULL&from=LV) gefasst. Ziel dieses Rahmenbeschlusses ist die Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen im Bereich des illegalen Handels mit Drogen und Grundstoffen, die einen gemeinsamen Ansatz auf Ebene der Europäischen Union bei der Bekämpfung dieses illegalen Handels ermöglichen.

Schon die Erwägungsgründe zeigen einen unionsweiten Konsens, dass der illegale Drogenhandel eine Bedrohung der Gesundheit, Sicherheit und Lebensqualität der Bürger der Europäischen Union sowie der legalen Wirtschaftstätigkeit, der Stabilität und der Sicherheit der Mitgliedstaaten darstellt (Erwägungsgrund (1)). Der vierte Erwägungsgrund, wonach sich aufgrund des Subsidiaritätsprinzips die Maßnahmen der Europäischen Union auf die schwersten Arten von Drogendelikten konzentrieren sollten (wohingegen "persönlicher Konsum" von Anwendungsbereich des Rahmenbeschlusses ausgenommen ist) zeigt ebenfalls den Konsens der Wertung von Drogenhandel als eine der schwersten Arten von Drogendelikten.

Der Rahmenbeschluss legt unter anderem folgendes fest (Hervorhebungen nicht im Original):

"Artikel 2

Straftaten in Verbindung mit illegalem Handel mit Drogen und Grundstoffen

(1) Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass folgende vorsätzliche Handlungen unter Strafe gestellt werden, wenn sie ohne entsprechende Berechtigung vorgenommen wurden:

a) das Gewinnen, Herstellen, Ausziehen, Zubereiten, Anbieten, Feilhalten, Verteilen, Verkaufen, Liefern - gleichviel zu welchen Bedingungen -, Vermitteln, Versenden - auch im Transit -, Befördern, Einführen oder Ausführen von Drogen;

b) das Anbauen des Opiummohns, des Kokastrauchs oder der Cannabispflanze;

c) das Besitzen oder Kaufen von Drogen mit dem Ziel, eine der unter Buchstabe a) aufgeführten Handlungen vorzunehmen;

d) das Herstellen, Befördern oder Verteilen von Grundstoffen in der Kenntnis, dass sie der illegalen Erzeugung oder der illegalen Herstellung von Drogen dienen.

(2) [...]

Artikel 4

Strafen

(1) Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die in Artikel 2 und 3 genannten Straftaten mit wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden

strafrechtlichen Sanktionen bedroht sind. Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die in Artikel 2 genannten Straftaten mit Freiheitsstrafen im Höchstmaß von mindestens einem bis drei Jahren bedroht sind.

(2) Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die in Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a), b) und c) genannten Straftaten mit Freiheitsstrafen im Höchstmaß von mindestens fünf bis zehn Jahren bedroht sind, wenn einer der folgenden Umstände vorliegt:

a) die Straftat betrifft große Mengen von Drogen;

b) die Straftat betrifft entweder die gesundheitsschädlichsten Drogen oder hat bei mehreren Personen zu schweren gesundheitlichen Schäden geführt.

[...]

Artikel 5

Besondere Umstände

Ungeachtet des Artikels 4 kann jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die in Artikel 4 vorgesehenen Strafen gemildert werden können, wenn der Straftäter

a) sich von seinen kriminellen Aktivitäten im Bereich des illegalen Handels mit Drogen und Grundstoffen lossagt und

b) den Verwaltungs- oder Justizbehörden Informationen liefert, die sie nicht auf andere Weise erhalten könnten, und ihnen auf diese Weise hilft,

i) die Auswirkungen der Straftat zu verhindern oder abzumildern,

ii) andere Straftäter zu ermitteln oder vor Gericht zu bringen,

iii) Beweise zu sammeln oder

iv) weitere Straftaten im Sinne der Artikel 2 und 3 zu verhindern."

Der Bericht der Kommission über die Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels vom 10.10.2009 (abrufbar unter https://publications.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/ac8c1679-669a-4a46-9cce-cd81f2e2812a/language-de) bewertet die Angleichung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Durchführung dieses Rahmenbeschlusses. In Bezug auf die Strafen nach Art. 4 (1) und (2) des Rahmenbeschlusses hält der Bericht auszugsweise folgendes fest (Hervorhebungen hinzugefügt):

"2.4.1. Standardstraftaten (Artikel 4 Absatz 1)

Bei den Rechtsvorschriften von fünf Mitgliedstaaten (BG, LT, LV, NL, SE) stellen sich Auslegungsprobleme, die vor allem auf fehlende Informationen zurückzuführen sind. Das untere Strafmaß von einem Jahr wird zwar stets eingehalten, doch ist das obere Strafmaß in den meisten Mitgliedstaaten in Wirklichkeit sehr viel höher. So haben zwölf Mitgliedstaaten (BG, FR, HU, IE, LT, LV, NL, PL, PT, RO, SI, SK) Strafen, die über dem Zweifachen des im Rahmenbeschluss vorgegebenen Strafrahmens liegen; das entspricht Freiheitsstrafen von mindestens sechs Jahren bis manchmal zwanzig Jahren oder lebenslang. An den unterschiedlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten scheint sich also nichts geändert zu haben.

Die vorgesehenen Höchststrafen entfallen allerdings erst dann ihre volle Wirkung, wenn die Strafverfolgung tatsächlich eingeleitet wird und der Richter die Strafen tatsächlich verhängt. Durch einen Vergleich der justiziellen Praxis in den einzelnen Mitgliedstaaten könnte ermittelt werden, inwieweit die angestrebte Angleichung der innerstaatlichen Systeme in der Praxis erreicht wird.

In diesem Zusammenhang ist besonderes Augenmerk auf die Komplexität des holländischen Systems und die Kontroversen um die Coffee Shops zu richten. [...] Zwar stimmen die niederländischen Rechtsvorschriften mit Artikel 4 Absatz 1 überein, doch ist für die Toleranz gegenüber den Coffee Shops vor allem der Opportunitätsgrundsatz maßgebend, zum dem sich die Kommission nicht zu äußern hat. Hier stellt sich allerdings die Frage nach der Versorgung dieser Coffee Shops über kriminelle Netze, die in größerem Maßstab agieren, da der Rahmenbeschluss auf die besonders schweren Straftatformen abzielt.

Die Kommission stellt somit die formelle Konformität aller übermittelten nationalen Rechtsvorschriften fest, bedauert jedoch gleichzeitig deren Heterogenität und hinterfragt ihre Anwendung in der Praxis.

2.4.2. Schwere Straftaten in Verbindung mit illegalem Drogenhandel (Artikel 4 Absatz 2)

Von den 21 Mitgliedstaaten, die geantwortet haben, sehen 20 das in Artikel 4 Absatz 2 geforderte Strafmaß vor. Allerdings liegen die Strafen eher bei 10 bis 15 Jahren. Zehn Mitgliedstaaten sehen nämlich eine Höchststrafe von zehn Jahren (AT, BE, CZ, DK, EE, FI, HU, LT, LU, SE) und acht Mitgliedstaaten eine Höchststrafe von 15 Jahren vor (BE, CZ, DK, DE, HU, LT, LV, SK). Sechs Mitgliedstaaten haben noch höhere Strafen (FR, HU, IE, LU, RO, SE), während vier Mitgliedstaaten Höchststrafen zwischen lediglich 5 und 8 Jahren vorschreiben (AT, LT, NL, PL).

Acht Mitgliedstaaten berücksichtigen Menge und gesundheitliche Schäden (AT, CZ, DK, DE, FI, NL, SE, SK), während acht weitere nur eines dieser Kriterien berücksichtigen (BE, EE, HU, LT, LU, LV, PL, RO). In den Rechtsvorschriften von fünf Mitgliedstaaten (BG, FR, IE, PT, SI) findet sich hierzu keine Angabe. Soweit die vorgesehene Höchststrafe für den Grundtatbestand in diesen Mitgliedstaaten bereits dem in Artikel 4 Absatz 2 geforderten Strafmaß entspricht oder dieses sogar überschreitet, ist dieses eventuelle Fehlen einer Differenzierung nicht zu beanstanden.

Nach Ansicht der Kommission ist somit die Umsetzung von Artikel 4 Absatz 2 insofern zufrieden stellend, als der Strafrahmen eingehalten wird. Es sei darauf hingewiesen, dass diese Strafen häufig strenger sind und dass dreizehn Mitgliedstaaten die Kriterien Menge und/oder gesundheitliche Schäden nicht in ihre Rechtsvorschriften aufgenommen haben."

Vor diesem Hintergrund ergibt sich mit Blick auf das im gegenständlichen Fall zu beurteilende Delikt des Drogenhandels folgendes: Bereits durch die Nennung des Delikts des Drogenhandels als Beispiel besonders schwerer Kriminalität in Art. 83 AEUV wird deutlich, dass unionsweit entsprechende Delikte auch als schwere Straftaten gesehen werden. Es ist auch klar, dass Drogenhandel in den einzelnen Mitgliedstaaten als Delikt angesehen wird, daher den angesprochenen Rechtsordnungen als Delikt bekannt ist. Auch wenn die Strafrahmen in den jeweiligen Rechtsordnungen, wie im Bericht der Kommission dargestellt, variieren, ist bemerkbar, dass Mitgliedstaaten das obere Strafmaß meist noch höher ansetzen als im Rahmenbeschluss vorgegeben. Dies trifft sowohl bei den "Standardstrafen" als auch bei den "schweren Straftaten in Verbindung mit dem illegalen Drogenhandel" zu. Letztere sind, wie dargestellt, etwa bei der Qualifikation durch eine "große Menge von Drogen" betreffende Straftat verwirklicht. Durch die "großen Mengen von Drogen" ist im Rahmenbeschluss auch das Grunddelikt (Art. 4 Abs. 1) von dem entsprechenden qualifizierten Delikt (Art 4 Abs. 2 lit. a)) abgegrenzt, letzteres wird im Bericht der Kommission unter dem Titel "Schwere Straftaten in Verbindung mit illegalem Drogenhandel" geführt.

Zusammenschauend ergibt sich, die im gegenständlichen Fall fragliche Straftat des Drogenhandels unionsweit als schwere Straftat angesehen und entsprechend strafgerichtlich verfolgt wird.

Im konkreten Fall handelte der BF mit einer großen Menge Suchtgift, da es sich um eine das 15-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Menge - insgesamt mindestens 5.100 Gramm Cannabiskraut (rund 350 Gramm an Delta-9-THC) - handelte. Es wird nicht übersehen, dass die Verurteilung des BF nach § 28a Abs. 2 iVm § 28a Abs. 3 2. Fall SMG erfolgte, sodass nicht das in Abs. 2 leg.cit. vorgesehene Strafmaß von einem bis zu zehn Jahren, sondern aufgrund der Erfüllung der Voraussetzungen des § 27 Abs. 5 SMG das Höchstmaß der Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren zur Anwendung kam. Der vom BF verwirklichte Tatbestand ist unbeschadet dessen jener des Suchtgifthandels, den er in Bezug auf Suchtgift in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge (und damit einer "großen Menge") beging. Daher bestehen für das erkennende Gericht keine Zweifel, dass diese Tat formal als "schwere Straftat" einzuordnen ist.

Zieht man den EASO-Leitfaden heran, zeigt sich ebenso, dass dieser "Drogenhandel" als Beispiel für "schwere Straftaten" heranzieht (vgl. Pkt. 2.2.3.2. des Leitfadens). Der EASO-Leitfaden stellt daher bei der Beurteilung einer "schweren Straftat" iSd Statusrichtlinie nicht etwa auf die nationale begriffliche Einordnung einer Tat als "Vergehen", "mittelschwere Straftat" oder "Verbrechen", sondern vielmehr auf den möglichen Gesamtunwert gewisser Deliktstypen, ab.

Dieser Gesamtunwert ist beim Drogenhandel (nach nationaler Diktion: Suchtgifthandel), wie schon die oben dargestellten Erwägungsgründe zum Rahmenbeschluss zeigen, und durch die hohen Strafmaße in den Mitgliedsstaaten unterstrichen wird, als hoch anzusehen.

Die Tat, wegen der der BF verurteilt wurde, ist daher - neben der als Indiz anzusehenden Einordnung als Verbrechen nach dem österreichischen Recht - auch im Einklang mit dem zitierten EASO-Leitfaden und unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Wertung in Jurisdiktionen der anderen Unionsstaaten, die hier ebenfalls hohe Strafmaße vorsehen, geeignet, eine "schwere Straftat" darzustellen, die zur Aberkennung eines Schutztitels führen kann.

Zu den weiteren Parametern für die Beurteilung, ob eine "schwere Straftat" vorliegt:

Die Höhe der über den BF verhängten Strafe scheint mit zwei Jahren Freiheitsstrafe im mittleren Bereich des Strafrahmens orientiert zu sein. Aus der zitierten Judikatur ergibt sich, dass auch die Gründe für die Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Dabei fällt auf, dass beim BF zwei Faktoren - sein bislang ordentlicher Lebenswandel und das umfassende und reumütige und zur Wahrheitsfing beitragende Geständnis - gewertet wurden. Erschwerend kam nur ein Faktor, nämlich das Zusammentreffen von einem Verbrechen und mehreren Vergehen, hinzu. Trotz der mildernden Faktoren wurde über den BF eine - unbedingte - Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt. Dass das Strafgericht trotz der mildernden Umstände, insbesondere des bislang ordentlichen Lebenswandels des BF, nicht mit einer teilweise bedingten Freiheitsstrafe das Auslangen fand, sondern eine unbedingte Freiheitsstrafe im mittleren Bereich des Strafrahmens verhängte, zeigt, dass eben keine minderschwere Straftat vorliegt, andernfalls vielleicht mit einer (teil)bedingten Freiheitsstrafe im darunterliegenden Bereich des Strafrahmens das Auslangen gefunden werden hätte können. Die nach Auffassung des Strafgerichts schuld- und tatangemessene Freiheitsstrafe von zwei Jahren unbedingter Freiheitsstrafe belegt daher die Schwere der konkreten, vom BF verwirklichten Straftat.

Soweit die Stellungnahme des BF vom 17.04.2019 den späteren zweimaligen Strafaufschub und die spätere bedingte Strafnachsicht relativierend ins Treffen führt, folgt das erkennende Gericht dieser Argumentation - mit Blick auf die hier wesentliche Frage, ob es sich beim vom BF begangenen Delikt um eine schwere Straftat handelt - nicht. Der damit angesprochene Aufschub des Strafvollzugs nach § 39 SMG stellt eine der Säulen des Grundsatzes "Therapie statt Strafe" dar. Die Gewährung des Aufschubs ist seit der SMG-Nov 2007 - bei Vorliegen der im Gesetz genannten materiellen Voraussetzungen - durchgängig obligatorisch, wobei einheitlich an die Höhe der tatsächlich verhängten Freiheitsstrafe (drei Jahre) angeknüpft wird. Der Aufschub des Strafvollzugs war für den BF daher obligatorisch, weil er die materiellen Voraussetzungen dafür erfüllte, insbesondere, weil er an Suchtmittel gewöhnt war und er sich bereit erklärte, sich gesundheitsbezogenen Maßnahmen zu unterziehen (vgl. Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG3 § 39 (Stand 1.11.2017, rdb.at)). Wenn der betroffene Delinquent seine Bereitschaft und Fähigkeit zur Resozialisierung zeigt, indem er sich mit Erfolg einer gesundheitsbezogenen Maßnahme unterzieht, wird er durch die nachträgliche Gewährung der bedingten Strafnachsicht belohnt (§ 40 SMG). Der Verurteilte soll dadurch angeregt werden, sich behandeln zu lassen und die Therapie auch durchzustehen (vgl. Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK2 SMG § 39 (Stand 1.8.2016, rdb.at)). Wenn auch dem BF die erfolgreiche "Therapie statt Strafvollzug" zugestanden wird, ist daher in den (obligatorischen) Maßnahmen des § 39 SMG keine wesentliche Relativierung der Qualifikation seiner Straftat als "schwere Straftat" zu sehen.

Berücksichtigt man noch die Vorgeschichte und Umstände der Tatbegehung des BF, zeigt sich, dass dieser gegenüber rechtlich geschützten Werten eine gleichgültige bzw. ablehnende Einstellung einnahm, sodass auch unter diesem Aspekt die Handlungen des BF unter den Ausschlusstatbestand fallen:

Nachdem er vom AMS etliche Kurse angeboten bekam, lehnte er den Besuch des Kurses deshalb ab, weil es ihm nicht gefiel, diesen gemeinsam mit "Minderjährigen" zu besuchen. Wohl aber sagte ihm die Konsumation von Marihuana, den er erst in den Pausen dieser AMS-Kurse begann, zu. Sodann beendete der BF den Kursbesuch. Als das AMS daraufhin die Zahlungen an den BF einstellte, er aber weiterhin das Rauchen von Joints begehrte, fand er die Lösung zur Finanzierung dieses Begehrens darin, selbst mit Suchtgift zu handeln. Vor diesem Hintergrund zeigt sich beim BF, der als subsidiär Schutzberechtigter Zugang zum legalen österreichischen Arbeitsmarkt hatte, eine recht niedrige Hemmschwelle zur Einstieg in die Delinquenz. Der BF etablierte daraufhin offenbar sehr schnell ein umfassendes kriminelles Verhalten. Dies zeigt sich schon deutlich in der erheblichen Menge des Suchtgiftes, mit dem der BF handelte. Er hatte auch mehr als eine Bezugsquelle, mitunter einen Lieferanten aus Wien, sodass hinter seinen Handlungen auch eine gewisse Organisation steckte. Zudem hatte er drei verschiedene Abnehmer, was ebenfalls zeigt, dass der BF organisiert vorging. Letztlich zeigt auch der lange Tatzeitraum von mehreren Monaten (Anfang 2013 bis Juli 2013) und die Überlassung des Suchtgiftes in Teilmengen, dass der BF nicht "nur einmal" handelte, sondern ihm eine kontinuierliche Tatbegehung anzulasten ist, wobei er immer wieder Unrecht tat. Diese Aspekte des Einzelfalles (Gleichgültigkeit und geringe Hemmschwelle beim Einstieg und schnelle Entwicklung einer gravierenden Delinquenz, große Mengen von Suchtgift, kontinuierlicher und organisierter Handel, langer Deliktszeitraum, Erschließung einer fortlaufenden Einnahmequelle) zeigen ebenfalls die Schwere der Straftat auf, auch wenn er diese - vorwiegend - deshalb begangen hat, um sich die Suchtmittel für den eigenen Gebrauch zu beschaffen.

Aufgrund dieser Erwägungen zeigt sich für das erkennende Gericht, dass der BF ein Verbrechen begangen hat, das anhand der Prüfung sämtlicher Umstände des Einzelfalls und bei gebotener restriktiver Auslegung dieses Begriffs als "schwere Straftat" iSd Art. 17 lit. b Statusrichtlinie zu beurteilen ist. Der BF ist damit des internationalen Schutzes in Form des subsidiär Schutzberechtigten unwürdig. Die Aberkennung dieses Titels erfolgte zurecht.

Aus dem EASO-Leitfaden "Ausschluss" (vgl. Pkt. 2.5. des Leitfadens) ergibt sich, dass auch das Verhalten der Person nach der Straftat zu prüfen und dann zu entscheiden ist, ob sie des Schutzes würdig ist.

Aus dem Leitfaden ergibt sich Folgendes: "Unbeschadet früheren Fehlverhaltens kann das Verstreichen eines gewissen Zeitraums in Kombination mit Zeichen der Reue, Wiedergutmachung und Übernahme von Verantwortung für frühere Taten den Befund rechtfertigen, dass ein Ausschluss nicht länger gerechtfertigt ist."

Dem BF ist zwar zu Gute zu halten, dass er sich erfolgreich gesundheitsbezogenen Maßnahmen unterzogen hat und auch die Bewährungshilfe erfolgreich absolviert hat sowie eine Einstellungszusage bekommen hat. Es fiel in der Beschwerdeverhandlung aber gravierend auf, dass der BF nicht zu seinen Taten stand, sondern seine Handlungen wesentlich anders darstellte dar als im Strafurteil zum Suchtgifthandel festgestellt wurde und damit von seiner geständigen Verantwortung im Strafverfahren abwich, sodass der BF hier keine Verantwortung für seine früheren Taten übernahm und auch keine diesbezügliche Reue zu ersehen war. Obwohl seit der Straftat des BF ein gewisser Zeitraum verstrichen ist, ist es dem BF sohin nicht gelungen, das gravierende Unrecht seiner Tat durch wohlwollendes Nachtatverhalten auszugleichen.

Die Aberkennung des subsidiären Schutzes durch die belangte Behörde in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides erfolgte sohin zurecht, weshalb die Beschwerde hinsichtlich dieses Spruchpunktes als unbegründet abzuweisen war.

3.2.3. Folgen der Aberkennung

Mit der Aberkennung nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 ist die Feststellung zu verbinden, "dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde".

Dies führt zum Ergebnis, dass der BF weiterhin nicht gezwungen werden kann, das Bundesgebiet zu verlassen. Er verfügt zwar nicht mehr über ein Aufenthaltsrecht in Österreich, doch ist er nunmehr gemäß § 46a Abs. 1 Z 2 FPG zu dulden. Der BF ist insofern "sicher" als dass er auch durch die vorliegende Entscheidung keiner "realen Gefahr" oder "ernsthaften Bedrohung" in seinem Herkunftsstaat ausgesetzt ist.

Gemäß § 31 Abs. 1a Z 3 FPG ist mit einer Duldung zwar kein rechtmäßiger Aufenthalt verbunden, sodass diese in ihrer rechtlichen Qualität hinter die zuvor genannte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zurücktritt. Der betroffene Fremde darf aber wegen dieses unrechtmäßigen Aufenthalts gemäß § 120 Abs. 5 Z 2 FPG nicht bestraft werden und hat u.a. gemäß § 46a Abs. 4 FPG Anspruch auf Ausstellung einer seine Identität dokumentierenden Karte für Geduldete (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 9, E4, Seite 716).

Sowohl der Status des subsidiär Schutzberechtigten, als auch die Duldung werden unter ähnlichen Voraussetzungen bei einer Änderung der Umstände aberkannt bzw. nicht verlängert (vgl. § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 und § 46a Abs. 1 und Abs. 4 FPG); daraus erwachsen dem BF sohin keine unmittelbaren Nachteile.

Auch sonst sind keine maßgeblichen Nachteile ersichtlich, da auch nach Verlust des Status des subsidiär Schutzberechtigten noch die Möglichkeit besteht, Leistungen aus der öffentlichen Hand zu beziehen (vgl. etwa Art. 2 Abs. 1 Z 2 und 4 GVV).

Es mag zutreffen, dass der BF aufgrund des Duldungsstatus¿ mit (verschiedenen allgemeinen) Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt konfrontiert sein kann, doch darf für den auch im Falle der bloßen Duldung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm § 1 Abs. 2 lit. a AuslBG eine Beschäftigungsbewilligung bzw. iVm § 4 Abs. 2 AuslBG eine Beschäftigungsbewilligung als Lehrling eingeholt werden. Er kann somit entsprechend gefragte Berufe ergreifen. Da der BF im Ergebnis keine maßgeblichen Nachteile durch die Aberkennung des subsidiär Schutzberechtigten zu erleiden hat, sprechen sonstige Erwägungen nicht gegen eine Aberkennung des subsidiären Schutzstatus wegen des Begehens einer schweren Straftat.

3.3. Zur Entziehung der befristet erteilten Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids)

Gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden, weshalb auch die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.

3.4. Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. So haben der Europäischer Gerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof in den zitierten Entscheidungen klargestellt, dass bei der Frage, ob der Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen einer "schweren Straftat" abzuerkennen ist, einer Prüfung der Umstände des Einzelfalls bedarf.

Im vorliegenden Fall wurde unter Berücksichtigung dieser Judikatur und der darin verwiesenen Richtschnüre eine Einzelfallentscheidung getroffen. Die aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine über die Rechtssache hinausgehende Bedeutung, womit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten,
Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 2, besonders schweres Verbrechen,
strafrechtliche Verurteilung, Suchtgifthandel, Verbrechen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W163.1400190.2.00

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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