TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/2 L504 2149194-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.05.2019
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Entscheidungsdatum

02.05.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3
StGB §105 Abs1
StGB §146
StGB §147
StGB §164
StGB §287
StGB §83 Abs1
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

L504 2149194-2/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb., StA. Türkei, vertreten durch RA Dr. Blum, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.11.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß §§ 67, 70 Abs 3 FPG, § 18 Abs 3 BFA-VG, § 28 Abs 5 VwGVG stattgegeben und der Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

Das Bundesamt hat mit oa. Bescheid gegen die beschwerdeführende Partei [bP], ein türkischer Staatsangehöriger, folgendes entschieden:

I. Gemäß § 67 Absatz 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde ein für die Dauer von 6 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

II. Gemäß § 70 Absatz 3 Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde kein Durchsetzungsaufschub erteilt.

III. Einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 18 Absatz 3 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Mit Erkenntnis vom 15.12.2017 hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich des Verfahrensganges und der Begründung wird auf das hg. Erkenntnis vom 15.12.2017, L504 2149194-2/2E, verwiesen.

Einer dagegen erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof hat dieser nicht stattgegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat einer betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes der ao. Revision mit Erkenntnis vom 07.03.2019, Ra 2018/21/0097-0, stattgegeben und das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde sowie durch die Ergebnisse des ergänzenden Ermittlungsverfahrens, einschließlich des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Die Identität steht fest: XXXX , am XXXX (Türkei) geboren, türkischer Staatsbürger. Die bP ist ledig.

Sie ist im Jahr 1998 im Alter von 15 Jahren legal in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Sie besuchte in Österreich noch 3 Monate die Hauptschule und 1,5 Jahre den Polytechnischen Lehrgang in Steyr. Sie spricht die türkische und deutsche Sprache.

Eine Bäckerlehre hat sie begonnen, aber nicht beendet.

Die Versicherungszeiten bei der österreichischen Sozialversicherung beginnen mit 03.09.2001 (Arbeiterlehrling " Gebrüder M. ). Seit der Haftentlassung ist die bP wieder erwerbstätig.

Während dieser Zeit arbeitete Sie bei 19 verschiedenen Dienstgebern, und bezog bei Unterbrechungen Kranken- und Arbeitslosengeld/Notstandshilfe.

Die durchschnittliche Arbeitsleistung liegt bei max. 2 Monate pro Arbeitgeber, ausgenommen in der Zeit vom 22.07.2013 bis 07.05.2014 bei der Firma D..

Ihre letzte Einkommensquelle vor der Strafhaft war Notstands- und Überbrückungshilfe / AMS vom 19.10.2015 bis 23.06.2016.

Seit ihrer Haftentlassung geht die bP einer Beschäftigung bei der Firma H. GmbH als Estrichleger nach.

Sie befindet sich nicht in ärztlicher Behandlung oder in einer Therapie. Sie ist ihren Angaben nach gesund.

Die Ankerperson, der Vater, geb. [...], türkischer Staatsbürger, verfügte zum Zeitpunkt ihrer Einreise der bP im Jahr 1998 über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung ( 18.06.1998 - Mag. Steyr ) und war im Arbeitsmarkt seit 25.05.1992 integriert.

Der gemeinsame Wohnsitz ist vom 17.04.1998 bis 02.05.2006 in [...] dokumentiert. Aufgrund des mindestens fünfjährigen ordnungsgemäßen gemeinsamen Wohnsitzes war das Aufenthaltsrecht gegeben und die bP gilt als Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers eine nach Art. 7 des Beschlusses 1/80 des Assoziationsrates vom 19.09.1980 begünstigte Person.

Zum Aufenthalt in Österreich

Die bP ist seit [...]1998 durchgehend mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet und wohnhaft. Sie wurde als Jugendlicher von den Eltern zur Familienzusammenführung nach Österreich nachgeholt.

Seit 28.05.2015 verfügt die bP über einen unbefristeten Aufenthaltstitel - Daueraufenthalt EU.

In den Jahren 2004 (04.12.2004 bis 09.12.2004) und 2005 (21.05.2005 bis 26.05.2005) war die bP im Polizeianhaltezentrum [...], im Jahr 2009 (16.05.2009 bis 14.08.2009) war sie in der Justizanstalt [...] und vom 24.06.2016 bis 20.09.2017 waren sie in der Justizanstalt [...] zum Vollzug Ihrer Strafhaft untergebracht.

Die bP hat während Ihres Aufenthalts in Österreich immer wieder gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen und wurden bereits 11 Mal rechtskräftig verurteilt.

Mit Bescheid vom 30.01.2017 wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Aufenthaltsverbot befristet auf 6 Jahre erlassen. Sie brachten fristgerecht Beschwerde gegen diesen Bescheid ein. Mit Beschluss des BVwG vom 27.03.2017 wurde der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.

Am [...]2017 wurden die bP aus der Strafhaft entlassen.

Zum Privat- und Familienleben

Sie ist ledig und unterhaltspflichtig für ihren Sohn M. T., geb. [...] 2003.

Ihre Unterhaltspflicht kamen sie insofern nicht nach, da sie bis zu ihrer Verhaftung im Juni 2016 laut Mag. Steyr einen Rückstand von €11.500,-- aufwiesen.

Ihr Sohn ist seit 04.09.2013 im Kinder- und Jugendheim L. untergebracht.

Der Mutter T. M. wurde die alleinige Obsorge für Ihren gemeinsamen Sohn übertragen. Mit der Pflege und Erziehung wurde das [...] von der Kinder und Jugendhilfe des Magistrates der Stadt [...] beauftragt.

Die bP wird der sozialüblichen Vater- und somit Vorbildrolle nicht gerecht. Sie gilt als diesbezüglich unzuverlässig in Ihren Zusagen gegenüber ihrem Sohn und in der Zusammenarbeit mit den Behörden. Eine von Ihr aktiv ausgehende Unterstützung des Sohnes konnte im Ermittlungsverfahren nicht festgestellt werden.

In Österreich/Steyr lebende Verwandte:

Vater: Y. A., Mutter Y. C, Geschwister: Y. M., Y. D., T. M., Y. G..

Alle Ihre Freunde und Bekannten leben in Österreich.

Sie sind in der Türkei bis zu Ihrem 15. Lebensjahr aufgewachsen und haben bei Ihren Großeltern gelebt.

Ihre Eltern, Geschwister und Verwandte leben in S., die Großmutter lebt noch in der Türkei.

Es steht nicht fest, ob die in der Türkei lebende Großmutter in einem Altersheim untergebracht ist und es steht nicht fest, ob die bP Kontakte in ihre Heimat pflegt, oder Kontakte in ihre Heimat seitens Ihrer Familie besteht.

Ein Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Eltern besteht insofern, dass sie dort die Wohnmöglichkeit seit der Trennung von ihrer Freundin in Anspruch nimmt.

Es steht fest, dass sie über eine Nahebeziehung zu ihren Eltern und Geschwistern verfügen.

Zu den Gründen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes

Am 05.10.2004 (rk 09.10.2004) wurde die bP vom Bezirksgericht [...] unter der Aktenzahl [...] wegen des Vergehens des Raufhandels nach § 91/2 StGB als junger Erwachsener zu einer Geldstrafe von 60 Tags zu je 5,00 EUR (300,00 EUR) im NEF 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, bedingt, Probezeit 3 Jahre verurteilt.

Die bedingte Nachsicht der Strafe wurde vom LG [...] mit Urteil vom 15.03.2007 widerrufen.

Diesem Urteil liegt zu Grunde, dass sie am 07.09.2003 in Steyr an einem Angriff mehrerer Personen tätlich teilgenommen haben, wobei M. S. eine Prellung und Abschürfung im Gesicht sowie Abschürfung am rechten Schienbein, sowie B. L. eine Abschürfung im Gesicht und linken Schulterbereich erlitten.

Am 15.03.2007 (rk 19.03.2007) wurde die bP vom Landesgericht [...] unter der Aktenzahl [...] wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tags zu je 9,00 EUR (900,00 EUR) in NEF 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Diesem Urteil liegt zugrunde, dass sie am 05.01.2007 in [...] den Z. C. durch das Versetzen mehrerer Schläge in Form einer Schädelprellung, einer Zerrung der Halswirbelsäule und Hautabschürfungen am linken Unterarm vorsätzlich am Körper verletzt haben, und hierdurch das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB begangen hat.

Am 27.06.2008 (rk 01.07.2008) wurde die bP vom Landesgericht [...] unter der Aktenzahl 5 [...] wegen des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs 2 StGB zu einer Geldstrafe von 80 Tags zu je 2,00 EUR (160,00 EUR) im NEF 40 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Diesem Urteil liegt zugrunde, dass sie Ende Juli 2007 / Anfang August 2007 in [...] von D. A. einen gestohlenen Laptop der Marke "HP Pavilion " des Media Marktes [...] im Wert von € 999,-- um €

450,-- kauften und hierdurch das Vergehen der Hehlerei nach dem § 164 Abs 2 StGB begangen hat.

Am 15.10.2008 (rk 21.10.2008) wurde die bP vom Landesgericht [...] unter der Aktenzahl [...] wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach den § 287 Abs. 1 StGB (§ 83 Abs 1 StGB) verurteilt und gem. § 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichtes [...] zu einer zusätzlichen Geldstrafe von 50 Tags zu je 2,00 EUR (100,00 EUR) im NEF 25 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Diesem Urteil liegt zu Grunde, dass sie schuldig ist, fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol im Rauschzustand am 20.05.2008 in [...] den G. S. durch das Versetzen eines Faustschlages in das Gesicht am Körper verletzt haben, und ihm eine 2 cm lange Rissquetschwunde unterhalb der unteren Vorderzähne zugefügt haben. Sie hat hierdurch das Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 StGB ( § 83 Abs 1 StGB) begangen.

Am 23.04.2009 (rk 28.04.2009) wurde die bP vom Landesgericht [...] unter der Aktenzahl [...] wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 Monaten, bedingt, Probezeit 3 Jahre verurteilt.

Diesem Urteil liegt zu Grunde, dass sie am 13.12.2008 in [...] nachstehende Personen am Körper verletzt hat, und zwar

1. C. E. dadurch, dass Sie diesen zu Boden rissen und auf diesen einschlugen, wodurch E. eine Schwellung oberhalb des rechten Auges, Nasenbluten und eine Abschürfung hinter dem rechten Ohr erlitt,

2. R. K. dadurch, dass er auf diesen mit den Fäusten einschlug, wodurch er ein Hämatom am Kopf erlitt.

Diesem Urteil liegt auch zu Grunde, dass sie am 13.12.2008 in [...] M. T. mit Gewalt packten und an den Haaren rissen, um Sie zum gemeinsamen nach Hause gehen zu nötigen versuchten.

Sie hat hierdurch die Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und das Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15 Abs. 1, 105 Abs. 1 StGB begangen.

Am 05.08.2009 (rk 05.08.2009) wurde die bP vom Landesgericht [...] unter der Aktenzahl [...] wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt. Diesem Urteil liegt zugrunde, dass sie am 14.05.2009 in [...] als Beteiligter den D. S. vorsätzlich am Körper verletzten, indem sie mit Fäusten auf ihn einschlugen und mit den Füßen auf ihn eintraten.

Er erlitt einen Bruch der 7. Rippe rechts, eine Schädelprellung und Hautabschürfungen im Bereich beider Augenbrauen.

Weiters hat sie mit Vorsatz den D. S. zur Ausfolgung eines Geldbetrages in der Höhe von max. € 60,-- verleitet, indem sie ihm vortäuschte ihm Somnubene- Tabletten zu besorgen.

Am 10.02.2010 (rk 16.02.2010) wurde die bP vom Bezirksgericht [...] unter der Aktenzahl [...]wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall und Abs 2 SMG unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes Steyr zu [...] vom 05.08.2009 zu keiner Zusatzstrafe verurteilt.

Diesem Urteil liegt zugrunde, dass sie in [...] vorschriftswidrig ausschließlich zum persönlichen Gebrauch Suchtgift erworben haben, bis zum Eigenkonsum besessen und anderen überlassen haben.

Sie ist schuldig:

1. ab einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Jahr 2006 bis 14.05.2009, mit Ausnahme 12.09.2007 (gesondert geführtes Verfahren der Staatsanwaltschaft [...] und mit Ausnahme ca. 13.05.2008 bis 20.05.2008 (gesondert geführtes Verfahren der Staatsanwaltschaft Steyr zu [...], vorschriftswidrig Cannabiskraut in unbekannter Menge von unbekannten Personen ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben zu haben.

2. im Zeitraum Mai 2008 bis 14.05.2009 durch den wöchentlichen Erwerb von Heroin in unbekannter Menge von unbekannten Personen erworben und bis zum Eigenkonsum besessen haben.

3. im Zeitraum Juni bis Juli 2009 durch den Erwerb einer unbekannten Menge Kokain von unbekannten Personen bis zum Eigenkonsum bzw. zum gemeinsamen Konsum mit H. K.. Sie hat hiedurch die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 1. 2. und 8. Fall und Abs. 2 SMG begangen.

Am 13.12.2011 (rk 17.12.2011) wurde die bP vom Bezirksgericht [...] unter der Aktenzahl [...] wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 1. Und 2. Fall, Abs 2 SMG und des Vergehens des versuchten unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach den §§ 15 StGB, 27 Abs 1 Z 1 9. Fall und Abs 2 SMG zu einer Geldstrafe von 90 Tags zu je 12,00 EUR (1.080,00 EUR) im NEF 45 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Diesem Urteil liegt zu Grunde, dass sie in [...]

1) in der Zeit zwischen15.11.2010 und 20.02.2011 durch den etwa 5-maligen Ankauf von jeweils 1 bis 3 g Cannabiskraut zum Grammpreis von € 10,-- von M. K.vorschriftswidrig Suchtgift bis zum Eigenkonsum erworben und besessen hat.

2) am 21.02.2011 von Denis Begic € 10,-- und von A. O. € 20,-- zum Zweck des Ankaufs von insgesamt 3 g Cannabiskraut von Marco Kaiser übernahmen. Sie vereinbarten telefonisch einen Treffpunkt zur Suchtgiftübergabe und versuchten vorschriftswidrig einem anderen Suchtgift zu verschaffen. Sie beging die Tat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch.

Am 10.04.2013 (rk 16.04.2013) wurden die bP vom Bezirksgericht [...] unter der Aktenzahl [...] wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Wochen, bedingt, Probezeit 3 Jahre verurteilt.

Diesem Urteil liegt zu Grunde, dass sie schuldig ist am 22.10.2012 in [...] H. I. T. durch einen Schlag mit einem Häferl auf dessen Kopf, der eine Rissquetschwunde zur Folge hatte, vorsätzlich am Körper verletzt haben.

Am 02.12.2014 (rk 31.01.2015) wurde die bP vom Landesgericht [...] unter der Aktenzahl [...] wegen des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach den §§ 15 Abs 1, 146 , 147 Abs 1 Z 1 StGB zu einer Geldstrafe von 180 Tags zu je 4,00 EUR (720,00 EUR) im NEF 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Diesem Urteil liegt zu Grunde, dass sie am 31.03.2014 in [...] den [...] durch Vorlage eines Rezeptes des Dr. W. täuschte, indem sie die tägliche Dosierung von 100 mg Praxiten auf 200 mg Praxiten handschriftlich abänderten und somit das Rezept verfälschten und die OÖ Gebietskrankenkasse in der Höhe von zumindest € 1,55 schädigten.

Und schließlich wurde die bP am 26.07.2016 (rk. 26.07.2016) vom LG [...] unter der Zahl [...] nach §§ 27 (1) Z 1 1. 2. 8. Fall, 27 (2a), 27 (4) Z 1 SMG und §§ 27 (1) Z 1 1. 2. Fall, 27 (2) SMG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

Im Urteil ist folgender Schuldspruch angeführt:

XXXX ist schuldig, er hat vorschriftswidrig

A ) Suchtgift erworben, besessen und an einem allgemein zugänglichen Ort öffentlich einem anderen gegen Entgelt überlassen und dadurch teilweise einem Minderjährigen den Gebrauch von Suchtgift ermöglicht, wobei er selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter als der Minderjährig war, indem er Mitte Juni 2016 in Wien 15 Gramm Cannabiskraut zum Grammpreis von € 7,-- ankaufte und davon am 23.06.2016 in Linz im Bereich [...] nächst dem Objekt [...] gewinnbringend ( Anklagepunkte 1.) bis 3.))

1.) an einen unbekannten männlichen Abnehmer 4 Gramm Cannabiskraut zum Grammpreis von € 10,-- verkaufte,

2.) an einen unbekannten Abnehmer 1 Gramm Cannabiskraut zu Grammpreis von € 10,-verkaufte,

3.) an den am 09.07.2000 geborenen, sohin minderjährigen F. R. 2 Gramm Cannabiskraut zum Grammpreis von € 10,-- verkaufte.

4.) für den gewinnbringenden Verkauf bestimmte 4,9 Gramm Cannabiskraut in der rechten vorderen Hosentasche und in der linken Socke bis zur polizeilichen Sicherstellung besessen;

B ) Suchtgift ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, nämlich im Zeitraum von mindestens 22.02.2011 bis 22.06.2016 ( der davor liegende Tatzeitraum ist bereits durch die Positionen 7 und 8 der Strafregisterauskunft sowie das gemäß § 35 SMG erledigte Verfahren 16 bAZ [...]Staatsanwaltschaft [...] erfasst) fast täglich Cannabiskraut in Form eines Joints bis zum Eigenkonsum.

Sie hat hiedurch begangen:

zu A) die Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 1., 2. und 8. Fall, Abs 2a und Abs 4 Z 1 SMG;

zu B) die Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs 2 SMG;

und wurden daher unter Anwendung des § 28 StGB nach dem Strafsatz § 27 Abs 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 (fünfzehn) Monaten verurteilt.

Bei den Strafbemessungsgründen wurden die teilweise Sicherstellung des tatverfangenen Suchtgifts, das Teilgeständnis in sehr geringem Umfang als mildernd und als erschwerend acht einschlägige Vorstrafen, das Zusammentreffen mehrerer Vergehen, der äußerst rasche Rückfall hinsichtlich B) und die mehrfache Qualifikation (Verkauf an einen Minderjährigen, an einem öffentlichen Ort) berücksichtigt.

Im Einzelnen wird auf die Ausführungen der schriftlichen Urteilsausfertigung des Landesgerichtes Linz verwiesen, die an dieser Stelle, um Wiederholungen zu vermeiden, zum integrierenden Bestandteil des Bescheides erhoben werden.

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamtes bzw. dem zitierten Erkenntnis des BVwG, auf welches hiermit verwiesen wird.

3. Rechtliche Beurteilung

§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof stellte in seiner Entscheidung unter Würdigung der bisherigen Ermittlungsergebnisse des BVwG und unter Berücksichtigung der seiner Ansicht nach gegebenen hohen Integration und mangelnden Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat, samt langen Aufenthalt im Bundesgebiet, zusammengefasst fest, dass die bP durch ihr bisheriges, von österreichischen Strafgerichten geahndetes Verhalten bzw. Verurteilungen samt Strafhaft nicht dazu führte, dass das "Integrationsband zu Österreich abgerissen sei". Der bP komme damit der erhöhte "Aufenthaltsbeendigungsschutz" des § 67 Abs 1 5. Satz FPG zu. Das BVwG habe - so wie auch das Bundesamt - zu Unrecht geprüft, ob die bP auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Meinung, dass auf Grund des gegenständlichen Sachverhaltes es nicht gerechtfertigt war anzunehmen, "dass der Revisionswerber im Zeitpunkt der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme keinen ununterbrochenen Aufenthalt von zehn Jahren im Sinne des fünften Satzes des § 67 Abs. 1 FPG in Österreich gehabt hatte". Hinsichtlich der konkreten Begründung wird auf das gegenständliche Erkenntnis des VwGH v. 07.03.2019, Ra 2018/21/0097-0, verwiesen.

In Bindung an die Rechtsansicht des VwGH ist nunmehr zu prüfen, ob bei der bP aufgrund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich iSd § 67 Abs 1 5. Satz gefährdet wäre.

Mit der Bestimmung des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FrPolG 2005 soll Art. 28 Abs. 3 lit. a der Unionsbürger-RL (§ 2 Abs. 4 Z 18 FrPolG 2005) umgesetzt werden, wozu der EuGH bereits judizierte, dass hierauf gestützte Maßnahmen auf "außergewöhnliche Umstände" begrenzt sein sollen; es ist vorausgesetzt, dass die vom Betroffenen ausgehende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit einen "besonders hohen Schweregrad" aufweist, was etwa bei bandenmäßigem Handeln mit Betäubungsmitteln der Fall sein kann (vgl. EuGH 23.11.2010, C-145/09; EuGH 22.5.2012, C-348/09, wo überdies darauf hingewiesen wurde, dass es "besonders schwerwiegende(r) Merkmale" bedarf.) Hat der Fremde "mehrfach Probezeiten bestanden", ist er nunmehr erstmals wegen Suchtgifthandels und dem Überlassen und Anbieten von Suchtgift an Dritte verurteilt worden, wobei "kein professionell strukturierter Suchtgifthandel" vorliegt, und ist er erstmals für längere Zeit in Haft gewesen, konnte bedingt entlassen werden und hat er vor, seine Drogensucht behandeln zu lassen, kann nicht von "außergewöhnlichen Umständen" mit "besonders hohem Schweregrad" bzw. von "besonders schwerwiegenden Merkmalen" der vom Fremden begangenen Straftaten gesprochen werden (VwGH 24.01.2019 Ra 2018/21/0248).

In Anbetracht der in den Feststellungen zitierten Straftaten der bP stellen diese keine so "außergewöhnlichen Umständen" mit "besonders hohem Schweregrad" bzw. von "besonders schwerwiegenden Merkmalen" der von ihr begangenen Straftaten dar, wodurch ihr Verbleib zu einer nachhaltigen und maßgeblichen "Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich" führen würde, wie sie etwa der EuGH in oa Entscheidung im Blickfeld hatte. Die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes liegen somit auch nach § 67 Abs 1 5. Satz FPG nicht vor.

Es war daher der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid gem. § 28 Abs 5 VwGVG ersatzlos zu beheben. Durch die Behebung des Aufenthaltsverbotes sind damit auch die damit in Verbindung stehenden Spruchpunkt mitumfasst.

Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gegenständlich hatte nur die bP eine Beschwerdeverhandlung beantragt und wurde ihrer Beschwerde hiermit auch stattgegeben. Auf Grund des für die Beurteilung der hier gegenständlichen Rechtsfrage hinreichend geklärten Sachverhaltes konnte eine Verhandlung entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, aufschiebende Wirkung - Entfall, außergewöhnliche
Umstände, Behebung der Entscheidung, Durchsetzungsaufschub,
ersatzlose Behebung, Gefährdung der Sicherheit, Geldstrafe, Haft,
Haftstrafe, Kassation, Körperverletzung, Nötigung, öffentliche
Ordnung, öffentliche Sicherheit, Rauferei, schwere Straftat,
Straffälligkeit, Strafhaft, strafrechtliche Verurteilung,
Suchtgifthandel, Suchtmitteldelikt, Türkei

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L504.2149194.2.00

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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