Entscheidungsdatum
03.05.2019Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
I422 2218240-1/3E
BESCHLUSS
In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.05.2019, Zl. IFA: XXXX, XXXX, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, geb. XXXX, StA Marokko, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter beschlossen:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG iVm § 22 Abs. 10 AsylG sowie § 22 BFA-VG rechtmäßig.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Fremde reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 04.01.2016 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er in Marokko seinen Lebensunterhalt nicht finanzieren habe können. Er stamme aus einem Stadtteil, der aufgrund vieler dort lebender Drogendealer einen schlechten Ruf habe. Sie habe die Chance nach Europa zu reisen genützt, da die Reise nach Europa so billig gewesen wäre. Mit Bescheid vom 27.02.2016, Zl. 1100790304/160011169 wurde der Erstantrag des Fremden negativ beschieden und über ihn eine Rückkehrentscheidung entlassen. Die Entscheidung erwuchs mit 15.03.2016 in erster Instanz in Rechtskraft.
2. Der Fremde hat das Bundesgebiet an einem nicht näher bestimmten Datum verlassen und stellte am 10.05.2016 in der Schweiz, am 17.06.2016 in Deutschland und am 05.10.2017 in den Niederlanden einen Antrag auf internationalen Schutz.
3. Am 21.02.2019 brachte der Fremde im Rahmen der Dublin III-VO aus Frankreich nach Österreich einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz ein, der mit Bescheid vom 27.03.2019, Zl. VZ 190187196 wegen bereits entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Zugleich wurde über ihn eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Der Fremde entzog sich dem weiteren Verfahren durch Untertauchen und wurde ihm der Bescheid durch Hinterlegung im Akt zugestellt. Nachdem er gegen diese Entscheidung keine Beschwerde einbrachte, erwuchs der Bescheid mit 11.04.2019 in erster Instanz in Rechtskraft
4. Zuletzt brachte der Fremde am 24.04.2019 im Rahmen Rücküberstellung aus der Schweiz nach Österreich seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz ein, den er mit dem aufrechten Bestehen seiner alten Fluchtmotive begründete.
5. Am 02.05.2019 wurde der Fremde im Beisein seiner Rechtsberatung von der belangten Behörde einvernommen. Neuerlich befragt nach seinen Fluchtgründen, gab der Fremde an, dass er in Marokko Streit mit einer kriminellen Gruppe gehabt habe und er deshalb inhaftiert worden sei. Die Gegend und die Gesellschaft in der er lebe, sei kriminell und bekomme er vom Staat keinerlei Schutz.
6. In weiterer Folge wurde gegenüber dem Fremden am 02.05.2019 mit mündlich verkündetem Bescheid der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG iVm § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben und die Entscheidung der zuständigen Gerichtsabteilung I422 des Bundesverwaltungsgerichts am 03.05.2019 samt dem Verwaltungsakt vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Fremde ist ein Staatsangehöriger von Marokko. Seine Identität steht mangels Vorliegen identitätsbestätigender Urkunden nicht fest.
Der Fremde ist volljährig, gesund und arbeitsfähig.
In Marokko leben nach wie vor die Eltern sowie zwei Schwestern des Fremden.
Der Fremde verfügt über keine Familienangehörigen und Verwandte in Österreich. Es ist auch kein Privatleben des Fremden in Österreich gegeben. Der Fremde spricht Deutsch. Er geht in Österreich keiner Arbeit nach und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er weist keine Integration in Österreich auf.
Der erste - mit wirtschaftlichen Motiven begründete - Asylantrag des Fremden wurde mit Bescheid vom 27.02.2016, Zl.: 1100790304/160011169 negativ beschieden und über ihn eine Rückkehrentscheidung entlassen. Die Entscheidung erwuchs unbekämpft am 15.03.2016 in erster Instanz in Rechtskraft.
Der zweite Antrag auf internationalen Schutz des Fremden wurde mit Bescheid vom 27.03.2019, Zl. VZ 190187196 wegen bereits entschiedener Sache zurückgewiesen. Zugleich wurde über ihn eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Der Bescheid erwuchs unbekämpft am 11.04.2019 in erster Instanz in Rechtskraft.
Dem Fremden droht im Fall seiner Rückkehr nach Marokko keine Verfolgung. Es droht dem Fremden keine Todesstrafe, keine Folter oder menschenunwürdige Behandlung oder Strafe im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat. Eine Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung droht dem Fremden nicht. Der Fremden hat seinen Herkunftsstaat - wie bereits in den beiden rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren festgestellt wurde -aus wirtschaftlichen Gründen verlassen.
Der nunmehrige dritte Folgeantrag wird voraussichtlich abzuweisen sein.
Der Fremde stammt aus einem sicheren Drittstaat. Marokko ist fähig und willens, seine Bürger zu schützen.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der festgestellte maßgebliche Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt den vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde sowie aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellungen zur Person, seiner Herkunft, seinem Gesundheitszustand sowie zu den Lebensumständen des Fremden in Marokko und Österreich gründen sich einerseits aus seinen getätigten glaubhaften Angaben in den Verfahren seiner beiden vorangegangenen, rechtskräftig negativ beschiedenen Asylanträge sowie andererseits auf seinen diesbezüglich gleichbleibenden und glaubhaften Angaben im gegenständlichen Verfahren vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor der belangten Behörde vom 02.05.2019.
Die Angaben zu den beiden vorangegangenen Asylverfahren des Fremden ergeben sich aus den vorliegenden Akten der belangten Behörde.
Die maßgeblichen Feststellungen zu den nunmehr vorgebrachten Fluchtgründen des Fremden ergeben sich aus seinen diesbezüglichen Aussagen vor der belangten Behörde am 30.04.2019, wo er auf die Frage nach einer allfälligen Änderung bezüglich seiner letzten Antragsstellung angab: "Es gibt gar nichts neues". Auch bei seiner zweiten Einvernahme am 02.05.2019 wiederholte er lediglich sein bereits bekanntes Vorbringen, wonach er Probleme mit kriminellen Gruppierungen in seiner Wohngegend gehabt habe und er bei einem Streit und einer Schlägerei mit einer kriminellen Gruppe inhaftiert worden sei. Demnach steht unzweifelhaft fest, dass der Fremde keine neuen Fluchtgründe hat und seinen Herkunftsstaat lediglich aus wirtschaftlichen Überlegungen verlassen hat.
Die Feststellung, dass Marokko ein sicherer Drittstaat ist und willens und fähig ist, seine Bürger zu schützen, ergibt sich unzweifelhaft aus der Herkunftsstaaten-Verordnung sowie dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Marokko samt den dort publizierten Quellen. Der Fremde hat explizit auf die Abgabe einer Stellungnahme zu den Länderberichten verzichtet und bringt er keine Anhaltspunkte vor, die eine andere Beurteilung erlauben würden. Die Seriosität der Quellen des Länderinformationsblattes führen zum unzweifelhaften Schluss, dass Marokko ein sicherer Herkunftsstaat ist.
Die Feststellung, dass der Folgeantrag voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, ergibt sich aus dem mit den Voranträgen identen Fluchtmotiven des Fremden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zur Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes
Gemäß § 12a Abs. 2 AsylG, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden unter nachstehenden Voraussetzungen aufheben, wenn der Fremde einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG gestellt hat und kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG vorliegt:
1. Gegen den Beschwerdeführer besteht eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG,
2. der Antrag ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung würde keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für den Beschwerdeführer als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen.
Als Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG ist jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag zu qualifizieren. Im gegebenen Fall hat der Fremde einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG gestellt. Als Staatsangehöriger von Marokko ist der Fremde ein Drittstaatsangehöriger im Sinne der § 2 Abs. 1 Z 20b AsylG.
Im gegenständlichen Verfahren sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG gegeben:
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27.02.2016 wurde der erste Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Marokko rechtskräftig negativ entschieden. Dem Fremden droht keine asylrelevante Verfolgung in Marokko. Mit selbigem Bescheid hat die belangte Behörde auch rechtskräftig einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung einschließlich der Feststellung erlassen, dass die Abschiebung des Fremden nach Marokko zulässig ist. Diese Entscheidung ist seit 15.03.2016 rechtskräftig.
Der zweite Antrag des Fremden auf Zuerkennung von internationalen Schutz vom 13.04.2018 wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wegen entschiedener Sache mit Bescheid vom 27.03.2019 zurückgewiesen und wurde gleichzeitig eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist und zugleich auch ein befristetes Einreiseverbot verhängt. Diese Entscheidung erwuchs ohne Weiteres am 11.04.2019 in Rechtskraft. Beim Antrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 27.03.2019 handelt es sich somit um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG und liegt somit auch kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG vor.
Der gegenständliche dritte Antrag vom 24.04.2019 ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist: Eine allfällige Sachverhaltsänderung wurde in der Ersteinvernahme nicht behauptet. Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab der Fremde an dieselben Fluchtgründe zu haben wie in den beiden rechtskräftigen Asylvorverfahren.
Aus den Länderberichten ergibt sich, dass auch im Hinblick auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat keine maßgebliche Änderung der Lage im Vergleich zum vorangegangenen Bescheid eingetreten ist.
Ein auf das AsylG gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG aus:
Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN).
Auch diesbezüglich wurden keine Sachverhaltsänderungen vorgebracht.
Die Abschiebung würde auch keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK darstellen:
Auch dafür, dass dem Fremden im Falle einer Rückkehr nach Marokko die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und er in die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059), gibt es im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt. Der Fremde ist volljährig, gesund und erwerbsfähig und verfügt er in seinem Herkunftsstaat über familiäre Anknüpfungspunkte. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum der Fremde seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht bestreiten können sollte. Außerdem besteht ganz allgemein in Marokko derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zu EMRK ausgesetzt wäre.
Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Fremden ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK erschlossenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.
Eine Gefährdung iSd Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK wird vom Fremden nicht vorgebracht. Im Hinblick auf Art. 8 EMRK hat der Fremde angegeben, in Österreich keine Familie oder familienähnliche Lebensgemeinschaft zu haben. Eine besondere Aufenthaltsverfestigung kann angesichts seines kurzen und nur zeitweisen Aufenthalts in Österreich nicht angenommen werden. Es kann daher auch keine Verletzung seines Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden.
Auf Grund der aktuellen Länderberichte kann nicht festgestellt werden, dass dem Fremden als Zivilperson durch die Rückkehr nach Marokko eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes erwachsen würde.
Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG erfüllt sind, ist spruchgemäß festzustellen, dass der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 02.05.2019 rechtmäßig ist und die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen.
Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I422.2218240.1.00Zuletzt aktualisiert am
04.10.2019