TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/6 W274 2215660-1

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Veröffentlicht am 06.05.2019
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Entscheidungsdatum

06.05.2019

Norm

AsylG 2005 §15b Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W274 2215660-1/5E

T e i l e r k e n n t n i s

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch Mag. Lughofer als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren XXXX , derzeit BS Ost ALBE Otto Glöckelstraße 24-26, 2514 Traiskirchen, Staatsangehörigkeit Iran, vertreten durch Mag. Nadja Lorenz, Rechtsanwältin, Burggasse 116/17-19, 1070 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2019, Zahl XXXX ., Spruchpunkt VII.:

Der Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Punkt VII. des oben genannten Bescheides richtet, Folge gegeben und Spruchpunkt VII. des genannten Bescheides ("Gemäß § 15b Abs. 1 Asylgesetz 2005 wurde Ihnen aufgetragen von bis im folgenden Quartier Unterkunft zu nehmen: BS Ost ALBE Otto Glöckelstraße 24-26, 2514 Traiskirchen") ersatzlos behoben.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der Beschwerdeführer (BF) beantragte am 20.11.2018 bei der PI Schwechat Fremdenpolizei AGM internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung vom 21.11.2018 gab er an, er habe sich am 17.06.2017 in Aksaray (Türkei) taufen lassen und sei anschließend wieder in den Iran eingereist. Vor ca. 25 Tagen habe er einen Anruf von seinem Vater bekommen, dass drei Personen, vermutlich der iranische Geheimdienst, anwesend gewesen seien. Aufgrund dessen sei er geflüchtet.

Am 21.11.2018 erfolgte eine Bargeldabnahme sowie eine Verfahrensanordnung gemäß § 15b Asylgesetz i.V.m. § 7 Abs. 1 VwGVG mit dem Wortlaut: "Es wird Ihnen gemäß § 15b Asylgesetz 2005 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 VwGVG mitgeteilt, dass Sie ab 21.11.2018 im folgenden Quartier durchgehend Unterkunft zu nehmen haben: BS Ost ALBE Otto Glöckelstraße 24-26, 2514 Traiskirchen."

Der BF wurde am 19.12.2018 durch das BFA, EASt Ost, befragt. Er begründete seinen Asylantrag damit, zum Christentum übergetreten zu sein. Er habe im Iran eine Hauskirche besucht, wobei der iranische Geheimdienst im Oktober 2018 zu dieser gekommen sei, sodass der BF geflüchtet und andere Hauskirchenmitglieder verhaftet worden seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde zu Spruchpunkt I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, ebenso hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) eine Rückkehrentscheidung erlassen (IV.), festgestellt, dass eine Abschiebung nach Iran zulässig sei (V.), eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen gesetzt (Spruchpunkt VI.) und eine Unterkunftnahme - wie im Spruch dargestellt - angeordnet (Spruchpunkt VII.).

Gegen diesen Bescheid und insbesondere auch Spruchpunkt VII. richtet sich die Beschwerde, soweit hier gegenständlich mit dem Antrag, den Bescheid dahingehend abzuändern, dass die Anordnung zur Unterkunftnahme für rechtswidrig erklärt und Spruchpunkt VII. ersatzlos behoben werde.

Per 6.5.2019 scheint betreffend den BF in Österreich keine Verurteilung auf.

Mit Schreiben vom 18.04.2019 sprach der BF die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VII. als dringend an.

Aufgrund des Umstandes, dass die Behandlung der Beschwerde als Ganzes (Beschwerdevorlage am 07.03.2019) aller Voraussicht nach einer mündlichen Verhandlung und damit weiterer Zeitdauer bedarf, erschien ein Teilerkenntnis betreffend Punkt VII. als zweckmäßig.

Insofern ist die Beschwerde jedenfalls berechtigt:

Gemäß § 15b Abs. 1 AsylG kann einem Asylwerber mittels Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) des Bundesamtes aus Gründen des öffentlichen Interesses, der öffentlichen Ordnung oder aus Gründen der zügigen Bearbeitung und wirksamen Überwachung des Antrags auf internationalen Schutz aufgetragen werden, in einem von der für die Grundversorgung zuständigen Gebietskörperschaft zur Verfügung gestellten Quartier durchgehend Unterkunft zu nehmen. Über die Verfahrensanordnung ist im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Gemäß Abs. 2 ist bei der Beurteilung, ob Gründe des öffentlichen Interessens oder der öffentlichen Ordnung vorliegen, insbesondere zu berücksichtigen, ob

1. Voraussetzungen zum Verlust des Aufenthaltsrechts gemäß § 13 Abs. 2 oder für eine Entscheidung gemäß § 2 Abs. 4 GVG-B 2005 vorliegen,

2. der Antrag auf internationalen Schutz sich auf einen Staat gemäß § 19 BFA-VG bezieht oder

3. vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine Rückkehrentscheidung gegen den Drittstaatsangehörigen rechtskräftig erlassen wurde.

Gemäß Abs. 3 ist bei der Beurteilung, ob aus Gründen der zügigen Bearbeitung und wirksamen Überwachung des Antrags auf internationalen Schutz die Unterkunftnahme anzuordnen ist, insbesondere zu berücksichtigen, ob der Asylwerber seinen Mitwirkungspflichten gemäß § 15 nachgekommen ist oder ob weitere Erhebungen zur Identität erforderlich sind.

Gemäß § 13 Abs. 2 AsylG verliert ein Asylwerber sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet, wenn

1. dieser straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3),

2. gegen den Asylwerber wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann, eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft eingebracht worden ist,

3. gegen den Asylwerber Untersuchungshaft verhängt wurde oder

4. der Asylwerber bei der Begehung eines Verbrechens (§ 17 StGB) auf frischer Tat betreten worden ist.

Gemäß § 2 Abs. 4 GrundversorgungsG-Bund 2005 (GVG-B 2005) kann die Versorgung von Asylwerbern und sonstigen Fremden, die gemäß Abs. 1,

1. die Aufrechterhaltung der Ordnung durch grobe Verstöße gegen die Hausordnung oder Betreuungseinrichtungen fortgesetzt oder nachhaltig gefährden oder

2. gemäß § 38a SPG aus der Betreuungseinrichtung weggewiesen werden oder

3. innerhalb der Betreuungseinrichtung einen gefährlichen Angriff (§ 16 Abs. 2 und 3 SPG) gegen Leben, Gesundheit oder Freiheit begangen haben und aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie werden einen weiteren solchen begehen,

von der Behörde eingeschränkt, unter Auflagen gewährt oder entzogen werden.

Gemäß § 19 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz sind sichere Herkunftsstaaten die Mitgliedstaaten sowie die in § 19 Abs. 4 aufgezählten Staaten (worin Iran nicht enthalten ist).

Gemäß § 15 Abs. 1 AsylG hat ein Asylwerber am Verfahren mitzuwirken, insbesondere

1. ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen;

2. bei Verfahrenshandlungen und Untersuchungen durch einen Sachverständigen persönlich und rechtzeitig zu erscheinen und an diesen mitzuwirken;

3. ihm zur Verfügung stehende ärztliche Befunde und Gutachten vorzulegen;

4. dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht seinen Aufenthaltsort und seine Anschrift sowie Änderungen dazu unverzüglich bekannt zu geben;

5. dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht alle ihm zur Verfügung stehenden Dokumente und Gegenstände unverzüglich zu übergeben, soweit für das Verfahren relevant; ...

7. unbeschadet der Z. 1, 2, 4 und 5 an den zu Beginn des Zulassungsverfahren notwendigen Verfahrens-und Ermittlungsschritten gemäß § 29 Abs. 6 mitzuwirken.

Zur Begründung von Punkt VII. wird im Bescheid ausgeführt:

"Zur Anordnung der Unterkunftsnahme: Da fundiertes öffentliches Interesse daran besteht, die Ordnung aufrechtzuerhalten und die Anordnung zur Quartiernahme nach § 15b Abs. 1 AsylG 2005 i.V.m. § 7 Abs. 1 VwGVG diesem Belange dienlich ist, wurde diese Anordnung erlassen (Seite 13). ...

"Zur Sicherstellung des reibungslosen Ablaufes des Verfahrens wird die Anordnung zur Unterkunftsnahme erlassen" (Seite 74). ...

In der rechtlichen Beurteilung wurden diesbezüglich die verba legalia des § 15b AsylG dargestellt sowie ausgeführt: "Die Anordnung der Unterkunftsnahme sowie die Folgen einer allfälligen Missachtung wurde Ihnen mit Verfahrensanordnung vom 21.11.2018 nachweislich zur Kenntnis gebracht. Gemäß § 15 Abs. 1 letzter Satz Asylgesetz 2005 hat das Bundesamt im verfahrensabschließenden Bescheid über die Anordnung der Unterkunftnahme abzusprechen. Sie haben gemäß § 15b Abs. 1 Asylgesetz 2005 ab 23.08.2018 bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz in BS OST ALBE Otto Glöcklstraße 24-26, 2514 Traiskirchen Unterkunft zu nehmen, da dies, wie beweiswürdigend ausgeführt, der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zweckdienlich ist."

Die Anordnung der Unterkunftnahme ist an die Voraussetzungen des § 15b geknüpft. Diese kann entweder aus Gründen des öffentlichen Interesses bzw. der öffentlichen Ordnung oder der zügigen Bearbeitung und wirksamen Überwachung des Antrags aufgetragen werden - wobei die Voraussetzungen der erstgenannten Grundlage in Abs. 2, jene der zweitgenannten Grundlage in Abs. 3 näher geregelt sind. Das BFA hat hier die Voraussetzung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als Voraussetzung herangezogen. Weder der Verfahrensanordnung selbst noch dem 85-seitigen Bescheid sind nähere Begründungen zu entnehmen, weshalb eine Anordnung der Unterkunftsnahme aus Gründen des öffentlichen Interesses bzw. der öffentlichen Ordnung erforderlich ist. Wie oben dargestellt, liegen Gründe des öffentlichen Interesses bzw. der öffentlichen Ordnung insbesondere dann vor, wenn der Asylwerber straffällig auffällig geworden ist oder in der Betreuungseinrichtung gegen das Sicherheitspolizeigesetz oder die Hausordnung verstoßen hat (Z. 1.), aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt (Z. 2.) oder eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vor dem nunmehrigen Asylantrag vorliegt. Keine dieser Voraussetzungen liegt nach der Begründung des BFA vor, noch sind Anhaltspunkte hiefür aus dem Akt ersichtlich. Obzwar das BFA ohnehin die Anordnung der Unterkunftnahme nicht auf § 15b Abs. 3 AsylG gestützt hat, sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der BF seinen Mitwirkungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist. Das BFA hat im angefochtenen Bescheid zwar festgestellt, dass die Identität des BF in Ermangelung geeigneter Dokumente nicht feststeht. Dass diesbezüglich weitere Erhebungen zur Identität seitens des BFA geplant sind, wird weder behauptet noch bestehen in diesem Verfahrensstadium Anhaltspunkte dafür, dass solche vorgenommen werden.

Nach der gesamten Begründung des angefochtenen Bescheides sowie nach dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Asylakt liegen daher die vom BFA selbst angeführten Voraussetzungen einer Anordnung der Unterkunftsnahme derzeit nicht vor, weshalb im Rahmen eines Teilerkenntnisses die ersatzlose Behebung dieses Bescheidpunktes vorzunehmen war.

Einer mündlichen Verhandlung bedurfte die Erledigung dieses Bescheidpunktes nicht. Dass eine Begründung der im Bescheid angeführten gesetzlichen Voraussetzungen im Bescheid nicht erfolgt ist, hat der BF in seiner Beschwerde zu Punkt VII. ausgeführt. Das BFA, das die Beschwerde samt Akt vorgelegt hat, hat sich hierzu nicht gesondert geäußert und ist dem auch nicht entgegengetreten.

Der Ausspruch zur Zulässigkeit der Revision gründet auf Art 133 Abs 4 B-VG. Soweit ersichtlich, existiert zu den Voraussetzungen von § 15b AsylG bislang keine höchstgerichtliche Rechtsprechung, sodass die Revision zuzulassen war.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, ersatzlose Teilbehebung,
Spruchpunktbehebung, Voraussetzungen, Wohnsitzauflage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W274.2215660.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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