TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/6 W217 2124787-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.05.2019
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Entscheidungsdatum

06.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W217 2124787-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. 01.01.1992, StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.03.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. werden ersatzlos behoben.

II. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass dem Antrag vom 24.01.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG stattgegeben und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 29.03.2021 erteilt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren:

1.1. Der BF ist illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat am 14.07.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dabei gab er an, den Namen XXXX zu führen, Staatsangehöriger von Afghanistan, Tadschike und am 01.01.1992 in der Provinz Baghlan geboren zu sein.

1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA bzw. belangte Behörde) vom 29.03.2016, Zl. XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen und gemäß § 8 Abs. 1 AsylG dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Gleichzeitig wurde ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.03.2017 erteilt.

Festgestellt wurde im Wesentlichen, dass der BF Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken sowie islamischer Glaubenszugehörigkeit sei. Er habe seit seinem zehnten Lebensjahr bis zu seiner Ausreise ausschließlich im Iran gelebt. Er habe keinen ausgeprägten Bezug zu seinem Herkunftsstaat. Er sei dreimal nach Afghanistan abgeschoben worden. Nach kurzem Aufenthalt in Afghanistan, sei der BF nach wenigen Tagen in den Iran zurückgekehrt. Der BF leide an keiner schwerwiegenden lebensbedrohenden physischen oder psychischen Erkrankung oder sonstigen Beeinträchtigung. In Österreich habe er keine Verwandten bzw. sonstige Anknüpfungspunkte behauptet. Er sei ledig und habe keine Kinder. Die Mutter und die Schwester des BF würden weiterhin in Afghanistan, in der Provinz Baghlan, im Distrikt Andarab, im Dorf XXXX leben. Im Iran habe er keine Verwandten. Er sei unbescholten. Nicht festgestellt werden konnte, dass dem BF in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - drohe. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan wäre er jedoch in einer einer unmenschlichen Behandlung gleichzusetzenden Situation, weshalb dem BF in seinem speziellen Fall subsidiärer Schutz gewährt wurde.

Auf den Seiten 8 bis 43 traf das BFA unter Anführung von Quellen Feststellungen zur allgemeinen Situation in Afghanistan. Hinsichtlich der Sicherheitslage in der Provinz Baghlan wurde festgestellt, dass am 7. September 2015 ein Waffenstillstandsabkommen betreffend den Bezirk Pul-e Kumri (Dorf Dand-e Ghori) vom Minister für Stammes- und Grenzangelegenheiten, dem Gouverneur der Provinz Baghlan und Stammesältesten unterzeichnet worden sei. Es sei berichtet worden, dass dies das erste Waffenstillstandsabkommen mit Unterstützung der afghanischen Regierung sei, welches vorschrieb, dass weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch die Taliban militärische Operationen in dieser Gegend durchführen dürfen. Eine unmittelbare Reduzierung gewalttätiger Zusammenstöße sei registriert worden. Mehr als 1.200 Aufständische, die sich in Baghlan dem Friedensprozess angeschlossen hätten, seien mit Arbeitsmöglichkeiten versorgt worden. Der Großteil der Rebellen, die der Gewalt abgeschworen hätten, seien Mitglieder der Taliban und der Hezb-e Islami. Etwa 1.000 illegale Bewaffnete seien in drei Teilen der Provinz aktiv. Die Regierung habe davor gewarnt, Handlungen zu setzen, ansonsten würden diese Männer sich Rebellengruppen anschließen. Seit Herbst 2014 werde beobachtet, dass IMU (Islamic Movement of Uzbekistan) hinter erbitterten Kämpfen und steigender Gewalt in verschiedenen Provinzen, wie Zabul, Baghlan, Kunduz, Badakhshan, Takhar, Faryab, Jowzjan und Badghis stehe. Besonders die langjährige Loyalität zu den Taliban habe IMU dabei geholfen, Schutzgebiete im Norden Afghanistans zu bilden. Im April 2015 habe aber ein Zweig von IMU dem IS bedingungslose Loyalität geschworen.

Zur Situation von Rückkehrern wurde festgehalten, die Schweiz, Australien, Iran, Norwegen, Pakistan, Dänemark, Frankreich, die Niederlande und Schweden hätten mit Afghanistan und dem UNHCR sogenannte Drei-Parteien-Abkommen zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland geschlossen. Abkommen mit Großbritannien und Finnland würden derzeit verhandelt. Die Abkommen sähen u.a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Von Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Australien sei bekannt, dass diese Länder abgelehnte Asylbewerber afghanischer Herkunft nach Afghanistan abschieben. Einige Länder würden eng mit IOM in Afghanistan zusammenarbeiten, insbesondere auch, um die Reintegration zu erleichtern. IOM biete psychologische Betreuung, Unterstützung bei Reiseformalitäten und bei Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche

Betreffend die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde im Zuge der rechtlichen Beurteilung ausgeführt, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich sei. Die soziale Absicherung liege traditionell bei den Familien und Stammesverbänden. Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, würden auf größere Schwierigkeiten stoßen als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, da ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die erforderlichen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen. Beim BF handle es sich einerseits um einen gesunden jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Es müsse demgegenüber aber maßgeblich berücksichtigt werden, dass er über familiäre Anknüpfungspunkte (Mutter) in Afghanistan verfüge. Eine Rückkehr nach Afghanistan komme zufolge der ins Verfahren eingebrachten Länderberichten allerdings nur dann in Betracht, wenn der betreffende Afghane in der Lage sei, sich sofort und aus eigenen Mitteln oder auf Grund von bestehendem Familienanschluss in einem hinreichend sicheren Ort ein sicheres Rückzugsgebiet vor allem für die Nacht zu schaffen. Die Versorgung mit Wohnraum, aber auch mit Nahrungsmitteln stelle sich insbesondere für alleinstehende Rückkehrer meist nur unzureichend dar. Eine staatliche Unterstützung sei zudem anhand der derzeitigen politischen Lage in Afghanistan unwahrscheinlich.

Eine innerstaatliche Schutzalternative (§ 8 Abs. 3 in Verbindung mit § 11 AsylG), etwa in der Hauptstadt Kabul, stehe unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des BF sowie auch im Hinblick auf die allgemein schlechte Versorgungslage in Afghanistan derzeit ebenfalls nicht zur Verfügung. So sei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der BF nie in Kabul gelebt habe, mit den dortigen Gegebenheiten daher nicht vertraut sei und auch über keinerlei familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte in der Hauptstadt Kabul verfüge.

Aufgrund der vorliegenden Länderfeststellungen ergebe sich derzeit daraus noch eine Rückkehrgefährdung im Sinne des § 8 AsylG 2005. Es könne zum Entscheidungszeitpunkt aufgrund der noch ständig in Afghanistan und seinem Wohngebiet bzw. Aufenthaltsbereich stattfindenden Anschläge, der (noch) schlechten Versorgungslage, der hohen Arbeitslosenrate und mangelnden Ausbildungsmöglichkeiten bei einer Rückkehr in sein Heimatland Afghanistan (noch) von einer unmenschlichen Behandlung gleichzusetzenden Situation gesprochen werden. Eine Rückkehr nach Afghanistan erscheine daher derzeit unter den dargelegten Umständen als unzumutbar.

1.3. Am 13.04.2016 brachte der BF fristgerecht Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid ein.

1.4. Die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wurde dem BF durch das BFA mit Bescheid vom 27.03.2017 gewährt und ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.03.2019 erteilt.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. Am 24.01.2019 brachte der BF den gegenständlichen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung beim BFA ein.

2.2. Am 06.03.2019 erfolgte daraufhin eine mündliche Einvernahme des BF vor dem BFA, im Zuge welcher er zu seinem Gesundheitszustand angab, er sei gesund. Zu seinen Angehörigen im Herkunftsstaat führte er aus, er habe seit ca. 2 Jahren keinen Kontakt mehr zu ihnen und wisse nicht, wo sie sich befinden würden. Beim letzten Kontakt hätte seine Mutter in seinem Heimatdorf in der Provinz Baghlan gelebt. Ein Onkel mütterlicherseits lebe mit seiner Familie in Baghlan. Seine Familie habe landwirtschaftliche Grundstücke besessen, aus dem Erlös habe seine Mutter leben können. Die wirtschaftliche Lage seiner Angehörigen sei nicht gut. Der BF habe keine berufliche Ausbildung, habe jedoch im Iran in der Elektrikinstallation gearbeitet. Er habe keinen Kontakt zu Freunden in Afghanistan, da er im Iran aufgewachsen sei. Er habe jedoch im Iran Freunde, auch afghanische. In Österreich sei er bei einer Leihfirma gewesen, wenn es Arbeit gebe, dann habe er Arbeit, wenn nicht, dann bräuchten sie ihn nicht. Er habe in einer Bäckerei ausgeholfen, etwas über einen Monat, sechs Monate habe er in Graz als Tischlergehilfe gearbeitet, zuvor sei er etwa vier Monate bei einer Reinigungsfirma angestellt gewesen.

Beim Verein "Flucht nach Vorn" habe er Deutsch gelernt. Das Lupe Cinema Theater sei eine Gruppe von Amateurschauspielern. Es würden viele Migranten mitspielen und auch ein paar Österreicher. In Wien wohne er derzeit mit einem afghanischen Freund. Es bestehe zu keiner Person ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis. Im Zuge der Einvernahme wurde dem BF vorgehalten, er habe subsidiären Schutz erhalten aufgrund der damalig vorherrschenden schlechten Sicherheitslage in Afghanistan (Anschläge, Entführungen, Ermordungen ohne nötigen staatlichen Schutz). Befragt zu seinen Rückkehrbefürchtungen gab der BF an, er habe keine Probleme mit der Regierung, aber Feinde in Baghlan. Es sei möglich, dass die Gruppe, die mit ihm verfeindet sei, ihn umbringe. Diese Gruppe würde ihn überall finden. Die Feindschaften in Afghanistan würden über Generationen ausgefochten werden.

2.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 29.03.2019 wurde dem BF der mit Bescheid des BFA vom 29.03.2016 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und wurde ihm die mit diesem Bescheid erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.). Ferner wurde gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Festgestellt wurde im Wesentlichen, dass der BF aus der Provinz Baghlan stamme und seit seinem zehnten Lebensjahr bis zu seiner Ausreise ausschließlich im Iran gelebt habe. Seine Mutter und seine Schwester würden in Afghanistan, in der Provinz Baghlan leben. Er sei ledig und habe keine Kinder. Er leide an keiner schwerwiegenden lebensbedrohenden physischen oder psychischen Erkrankung oder sonstigen Beeinträchtigung. In Österreich sei er unbescholten.

Für den alleinstehenden, jungen, gesunden und arbeitsfähigen BF bestehe zum Entscheidungszeitpunkt die Möglichkeit einer Rückkehr in den Herkunftsstaat. Zwar liege im Hinblick auf seine Herkunftsprovinz Baghlan eine relevante Gefährdungslage vor, dies gelte jedoch nicht für Afghanistan allgemein. Die Stadt Kabul verzeichne einen Anstieg an öffentlichkeitswirksamen Anschlägen. Dennoch habe die afghanische Regierung die Kontrolle über die Stadt. Ferner sei Kabul über den Luftweg eine gut erreichbare Stadt. Die Sicherheitslage in Herat sowie in Mazar-e Sharif sei relativ sicher, diese Städte verfügten über über einen Flughafen, und könnten diese Städte über die jeweiligen Flughäfen über Kabul gut erreicht werden. Der BF könne zudem grundsätzlich für seinen Unterhalt selbständig sorgen. Er verfüge über Angehörige in Afghanistan. Eine Rückkehr sei ihm als gesunden, arbeitsfähigen und alleinstehenden Mann mit Berufserfahrungen zumutbar und würde er nicht in eine ausweglose Situation geraten. Im Fall seiner Rückkehr bestehe sohin keine reale Gefahr mehr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

Im Zuge der Beweiswürdigung wurde unter anderem ausgeführt, dass für den BF die Möglichkeit bestehe, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Es sei nicht zwingend erforderlich, bereits in einer der Städte, in welche er zurückkehren könne, gelebt zu haben. Der BF habe zudem bereits früher als Tischlergehilfe, als Reinigungskraft und in einer Bäckerei gearbeitet und wäre sohin klar im Vorteil gegenüber anderen Arbeitssuchenden. Überdies habe er keine konkret auf seine Person bezogenen Rückkehrbefürchtungen darlegen können.

Rechtlich folgerte das BFA, dass es dem BF aufgrund seiner persönlichen Umstände möglich sei, eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder in Herat in Anspruch zu nehmen. Im Jahr 2015 hätten weder die Provinz Herat, noch die Provinz Balkh als derart unsicher qualifiziert werden können, dass es einem Rückkehrenden von vornherein unmöglich gewesen wäre, dorthin zu gelangen. Aus den dem Bescheid zugrunde gelegten Länderfeststellungen ergebe sich, dass die Versorgungslage in Herat sowie in Mazar-e Sharif grundsätzlich gesichert sei. Beide Städte seien auch über die jeweiligen Flughäfen, die über den Flughafen Kabul erreicht werden können, erreichbar. Der BF spreche Farsi und sei mit den kulturellen und sprachlichen Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut. Er verfüge über Familienangehörige in Afghanistan und sei es auch denkbar, dass diese ihn - zumindest für den Anfang - finanziell unterstützen würden. Ergänzend gebe es im Fall der erfolglosen Suche nach einer Unterkunft Auffangmöglichkeiten in Lagern und könne der BF vorübergehend auch durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfen das Auslangen finden. Eine etwaige Ortsunkenntnis oder eine anfänglich bestehende Orientierungslosigkeit führe nicht bereits zur Unzumutbarkeit einer Neuansiedlung. Insgesamt sei ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen gewesen, da ihm eine Rückkehr als alleinstehender, junger, gesunder, männlicher Antragsteller zu diesem Zeitpunkt möglich sei. Gemäß § 9 Abs. 4 AsylG sei die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde habe nach Rechtskraft der Aberkennung die entsprechenden Karten der Behörde zurückzustellen und sei die Behörde daher verpflichtet gewesen, ihm die noch bestehende befristete Aufenthaltsberechtigung zu entziehen. Die Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG würden nicht vorliegen. Im Zuge einer Interessensabwägung kam das BFA ferner zu dem Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens die Interessen des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegen würden. Eine Gefährdung im Sinne des § 50 Abs. 1 und Abs. 2 FPG liege nicht vor und sei auch eine Maßnahme nach Abs. 3 leg. cit. im gegenständlichen Fall nicht empfohlen worden. Besondere Umstände, die bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen wären, seien nicht hervorgekommen und sei daher die Frist zur freiwilligen Ausreise mit 14 Tagen festzulegen gewesen.

2.4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF im Wege seiner ausgewiesenen Vertretung am 17.04.2019 Beschwerde wegen unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragte (unter anderem) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, es sei unverständlich, wie das BFA zu dem Ergebnis komme, dass der relevante Sachverhalt für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht mehr vorliege, da sich die Situation nicht verändert habe. Soweit das BFA die Sicherheitslage in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif ins Treffen führe, sei zu bemerken, dass im Vergleich zu den dem Bescheid des BFA vom 19.03.2016 zu Grunde gelegten Länderfeststellungen eine dauerhafte und nachhaltige Verbesserung der Lage an den Orten einer in Betracht kommenden innerstaatlichen Fluchtalternative, die im Übrigen wohl erst nach einem angemessenen Beobachtungszeitraum feststellbar wäre, aus den im angefochtenen Bescheid angeführten Länderberichten nicht erkennbar sei. Dass eine wesentliche und dauerhafte Veränderung der Sicherheitslage im Vergleich zum LIB 2016/2017 und dem aktuellen LIB auch im Hinblick auf die Städte Herat, Mazar-e Sharif und Kabul nicht eingetreten sei, entspreche der ständigen Judikatur des Bundesverwaltungsgerichtes. Konkrete Feststellungen zu den maßgeblichen Änderungen auf Sachverhaltsebene sowie eine vergleichende Darstellung des Sachverhalts, der ursprünglich zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und zur erfolgten Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung geführt habe, würden gänzlich fehlen. Es sei lediglich eine andere Würdigung eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts erfolgt. Dies vermag die Aberkennung eines rechtskräftig zuerkannten subsidiären Schutzes nicht zu rechtfertigen. Die Behörde sei daher auch nicht von der Verpflichtung entbunden, die aktuelle Lage in Afghanistan zu eruieren und mit der Lage zum Zeitpunkt der letzten Verlängerung zu vergleichen. Eine Verbesserung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat, der Sicherheitslage oder der wirtschaftlichen Situation sei nicht eingetreten. Eine derartige Änderung sei von der Behörde nicht aufgezeigt worden. Auch hinsichtlich des familiären bzw. sozialen Netzwerkes des BF im Herkunftsstaat habe sich nichts verändert.

Das BFA habe entgegen richtlinienkonformer Interpretation der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 2. Fall AsylG eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt hätten, nicht dargelegt. Um die Voraussetzungen der Aberkennung des Status des subsidiären Schutzes gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 2. Fall objektiv zu erfüllen, müsste eine entsprechende Nachhaltigkeit der positiven Veränderung im Herkunftsland des Fremden gewährleistet sein. Dies erfordere im Regelfall eine längere Beobachtungsphase, anhand deren Verlaufs und den daraus ziehenden Schlussfolgerungen sich das nachhaltige Ende der bisherigen Bedrohungssituation entsprechend verifizieren lasse.

Ferner wurde ausgeführt, dass sich die Situation in Afghanistan in Hinblick auf die Zumutbarkeit einer Abschiebung des BF unter Berücksichtigung von Art. 2 EMRK und Art. 3 EMRK, wenn man von einer Änderung ausgehe, weiter verschlechtert habe, da der Einfluss der Taliban und der Terroristen sowie die Anzahl an Terroranschlägen weiter gestiegen seien. Auch im Jahr 2018 sei es zu einer steten Zunahme von sicherheitsrelevanten Vorfällen gekommen. Die wirtschaftliche und allgemeine Situation sei weiterhin katastrophal und sei die afghanische Zentralregierung nicht einmal ansatzweise in der Lage, eventuelle Rückkehrer zu versorgen, zu unterstützen oder sonst eine zumutbare Existenz für eine entwurzelte Person zu gewährleisten. Bei ihrer Annahme, der BF habe ein familiäres Auffangnetz zur Verfügung, übersehe das BFA, dass der BF seit ca. zwei Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Familie habe und sein Vater verstorben sei. Es werde bestritten, dass der BF im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan finanzielle Unterstützung von etwaigen Familienmitgliedern erhalten würde. Zudem müsse festgehalten werden, dass sich Familienmitglieder zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes in Afghanistan aufgehalten hätten und das BFA im Bescheid vom 29.03.2016 festhalten hat, dass der BF über keine ausreichenden Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfügt. Die individuelle Lage des BF habe sich somit nicht geändert. Weiters könne der BF nach Ansicht des BFA eine Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen und könne seine Existenz mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern, wobei der BF durch seine Berufserfahrung, welche er als Tischlergehilfe, als Reinigungskraft und in einer Bäckerei sammeln konnte, "klar im Vorteil gegenüber anderen Arbeitssuchenden" sei. Der BF habe jedoch schon im Iran eine gewisse Berufserfahrung sammeln können und gesammelte Berufserfahrung sei schon zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes am 29.03.2016 und bei der Verlängerung 2017 vorgelegen. Es habe sich keine Änderung im Hinblick auf seine Fähigkeit zur Existenzsicherung aus eigener Kraft ergeben. Tatsächlich habe sich die persönliche Situation des BF, abgesehen von seiner Integrationsverfestigung in Österreich, nicht verändert.

Die allgemeine Sicherheitslage sei weder stabil noch sicher. Ferner sei es im Jahr 2018 zu einer steten Zunahme von sicherheitsrelevanten Vorfällen gekommen. Auch die Zahl der Inlandsvertriebenen in Afghanistan sowie die Zahl der zwangsweise aus Pakistan zurückgeführten afghanischen Flüchtlinge habe sich massiv erhöht, was zu einer noch größeren Anspannung der wirtschaftlichen und humanitären Situation geführt habe. Im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat bestünde sohin die reale Gefahr, dass der BF in eine ausweglose Lage gerate, was eine Verletzung der durch Art. 2 EMRK und Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte begründen würde.

Der BF halte sich seit fast fünf Jahren in Österreich. Er habe sich stets wohlverhalten, habe soziale Bindungen aufgebaut. Der BF arbeite geringfügig beim Restaurant Schweizer Haus und spreche sehr gut Deutsch, ein Zertifikat A2 sei bereits vorgelegt worden. Der BF werde zudem von seinem Umfeld sehr geschätzt, arbeite ehrenamtlich bei "Flucht nach Vorn" und spiele bei "cinema Lupe" Theater. Sein Aufenthalt sei gänzlich rechtmäßig und habe sich seine Integration verfestigt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

1.1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan und gehört der Volksgruppe der Tadschiken sowie der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an. Er wurde in der Provinz Baghlan geboren und lebte bis zu seinem 10. Lebensjahr in seinem Heimatdorf. Danach zog er in den Iran und lebte dort bis zu seiner Ausreise insgesamt 13 Jahre.

Er spricht Farsi. In Afghanistan hat der BF drei Jahre eine private Schule besucht. Der BF war im Iran - solange er minderjährig war - als Hilfsarbeiter tätig, dann hat er als Bauarbeiter gearbeitet. In Österreich hat er von 06.08.2018 bis 13.11.2018 bei einer Reinigungsfirma als Arbeiter gearbeitet, vom 13.12.2018 bis 22.12.2018, vom 27.12.2018 bis 08.01.2019 sowie am 14.01.2019 war der BF bei der XXXX GmbH als Arbeiter gemeldet. Seit 21.03.2019 ist der BF bei der XXXX Gesellschaft m.b.H. als geringfügig beschäftigter Arbeiter gemeldet. Seit 17.04.2019 ist der BF bei der XXXX GmbH als Arbeiter gemeldet.

Der BF ist ledig, gesund und arbeitsfähig. Ihn treffen keine Obsorgeverpflichtungen.

In Österreich ist er strafrechtlich unbescholten.

1.1.2. Nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet stellte der BF am 17.04.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Seither ist er durchgehend in Österreich aufhältig.

Mit Bescheid des BFA vom 29.03.2016 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.03.2017 erteilt. Festgestellt wurde unter anderem, dass der BF Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken sowie islamischer Glaubenszugehörigkeit sei. Er sei in Afghanistan geboren, habe jedoch seit seinem zehnten Lebensjahr bis zu seiner Ausreise im Iran beim Freund seines Vaters gelebt. Er habe keinen ausgeprägten Bezug zu seinem Herkunftsstaat. Er sei dreimal nach Afghanistan abgeschoben worden. Nach kurzem Aufenthalt in Afghanistan sei der BF nach wenigen Tagen in den Iran zurückgekehrt. Der BF leide an keiner schwerwiegenden lebensbedrohenden physischen oder psychischen Erkrankung oder sonstigen Beeinträchtigung. In Österreich habe er keine Verwandten bzw. sonstige Anknüpfungspunkte behauptet. Er sei ledig und habe keine Kinder. Die Mutter und die Schwester des BF würden weiterhin in Afghanistan, in der Provinz Baghlan, im Distrikt Andarab, im Dorf XXXX leben. Im Iran habe er keine Verwandten. Er sei unbescholten.

Das BFA konnte nicht feststellen, dass dem BF in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - drohe. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan wäre er jedoch in einer, einer unmenschlichen Behandlung gleichzusetzenden Situation. Deshalb wurde dem BF in seinem speziellen Fall subsidiärer Schutz gewährt.

Dem BF wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.03.2019 verlängert. Daraufhin stellte er am 24.01.2019 einen Antrag auf (weitere) Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.

1.1.3. Ein Onkel mütterlicherseits lebt mit seiner Familie in der Provinz Baghlan, im Heimatdorf des BF. Der Aufenthaltsort der Mutter und der Schwester des BF kann nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden. Vor zwei Jahren hielt sich die Mutter im Heimatdorf des BF auf. Der BF verfügt in Afghanistan über kein tragfähiges soziales Netzwerk. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Angehörigen des BF willens und in der Lage sind, ihn im Fall seiner Rückkehr finanziell zu unterstützen.

1.1.4. Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des BF und der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, insbesondere in der Herkunftsprovinz Baghlan sowie in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat, kann nicht festgestellt werden, dass sich die Umstände, die zur Gewährung subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des BFA vom 29.03.2016 wesentlich und nachhaltig verändert haben.

1.2. Zur allgemeinen Situation in Afghanistan:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 21/Grundversorgung und Wirtschaft).

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen" welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

Kommentar:

Die Lage vor Ort wird weiterhin beobachtet und gegebenenfalls wird mit weiteren Kurzinformationen reagiert. Weiterführende Informationen zu der Friedensgesprächsrunde von Jänner 2019 können der KI vom 31.1.2019 entnommen werden.

KI vom 1.3.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018 (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der (BFA Staatendokumentation 20.02.2019a ) In der folgenden Grafik der Staatendokumentation wird das Verhältnis zwischen den vier Quartalen des Jahres 2018 anhand der registrierten

(BFA Staatendokumentation 20.02.2019b)Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

KI vom 31.1.2019, Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).

Kommentar:

Die Lage vor Ort wird weiterhin beobachtet und gegebenenfalls wird mit weiteren Kurzinformationen reagiert.

KI vom 22.1.2019, Anschlag auf Ausbildungszentrum des National Directorate of Security (NDS) in der Provinz Wardak und weitere (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.-amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Katar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).

Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).

Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).

KI vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).

Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach der Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).

KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefängnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 2/Politische Lage)

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:

Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilisten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

Anmerkung: Weiterführende Informationen über den Wahlprozess in Afghanistan können der KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018 entnommen werden.

Zivile Opfer

Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- o

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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