Entscheidungsdatum
06.05.2019Norm
AsylG 2005 §18 Abs1Spruch
L516 2147464-3/2E
L516 2199450-3/2E
L516 2199447-3/2E
L516 2199448-3/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb XXXX ; 2.) XXXX , geb XXXX ; 3.) XXXX , geb XXXX ; und 4.) XXXX , geb XXXX ; alle StA Georgien, alle vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH - ARGE Rechtsberatung, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.03.2019, Zahlen 1128582108-161213991/BMI-BFA_STM_AST_01, 1189374403-180411536/BMI-BFA_STM_AST_01, 1189374610-180411544/BMI-BFA_STM_AST_01 und 1189374305-180411552/BMI-BFA_STM_AST_01 beschossen bzw zu Recht erkannt
A)
I. Die Beschwerde von 1.) XXXX wird gemäß § 28 Abs 1 VwGVG iVm § 56 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
II. Den Beschwerden von 2.) XXXX , 3.) XXXX und 4.) XXXX , wird gemäß § 28 Abs 2 iVm § 34 AsylG stattgegeben und die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin. Beide sind die Eltern der Dritt- und Viertbeschwerdeführer. Alle sind Staatsangehörige von Georgien.
2. Der Erstbeschwerdeführer stellte am 05.09.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, die Zweit- bis Viertbeschwerdeführenden stellten gleichartige Anträge am 30.04.2018.
3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies mit ersten Bescheiden vom 27.01.2017 diese Anträge auf internationalen Schutz
hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten sowie
hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Georgien zulässig sei, erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab und sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt werde.
Das Bundesverwaltungsgericht wies mit gemeinsamer Entscheidung vom 31.07.2018, L515 2147464-1/21E, 2199450-1/3E, 2199447-1/3E und 2199448-1/3E, eine dagegen erhobene Beschwerde hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten ab, gab jedoch im Übrigen der Beschwerde statt und verwies die Angelegenheit zur Erlassung von neuen Bescheiden an das BFA zurück.
4. Das BFA wies - ohne weitere Einvernahme der Beschwerdeführer - mit Erledigungen vom 08.02.2019 die Anträge auf internationalen Schutz erneut hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Georgien zulässig sei, erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab und sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt werde.
Das Bundesverwaltungsgericht wies mit gemeinsamer Entscheidung vom 21.03.2019, L515 2147464-2/3E, 2199450-2/3E, 2199447-2/3E und 2199448-2/3E, die dagegen erhobene Beschwerde der Zweit- bis Viertbeschwerdeführenden wegen einer nicht korrekt erfolgten Zustellung und Nichterlassung von Bescheiden als unzulässig zurück und behob gleichzeitig zur Wahrung der Familieneinheit gem § 34 AsylG bzw Art 8 EMRK den dem Erstbeschwerdeführer korrekt zugestellten Bescheid.
5. Das BFA wies mit nunmehr gegenständlich angefochtenen Erledigungen vom 26.03.2019 erneut die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Georgien zulässig sei, erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab und sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt werde.
6. Mit gleichzeitiger Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG wurde vom BFA für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt.
7. Gegen die Erledigungen des BFA vom 26.03.2019 richtet sich die vorliegende gemeinsame Beschwerde der Beschwerdeführer.
8. Am 03.04.2019 teilte die ARGE Rechtsberatung dem BFA mit, dass sie die am 2.2.2017 erteilte Vollmacht zurücklege.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
1.1. Das BFA verfügte die Zustellung der gegenständlichen angefochtenen Erledigung vom 26.03.2019 betreffend den Erstbeschwerdeführer an die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe (in der Folge: ARGE Rechtsberatung), die auch als Empfängerin genannt wurde. Die ARGE Rechtsberatung war jedoch zu diesem Zeitpunkt sowie zum Zeitpunkt der Übernahme jener Erledigung am 27.03.2019 nicht die Vertreterin des Erstbeschwerdeführers. Eine Zustellung an den Erstbeschwerdeführer erfolgte nicht.
1.2. Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin. Beide sind die Eltern der Dritt- und Viertbeschwerdeführer.
2. Beweiswürdigung
2.1. Die Feststellungen zur Zustellung der Erledigung vom 26.03.2019 betreffend den Erstbeschwerdeführer (oben 1.1.) beruhen auf den folgenden Erwägungen:
Mit der Beschwerde gegen den ersten Bescheid des BFA vom 27.01.2017 wurde eine mit 02.02.2017 datierte Vollmachtsurkunde vorgelegt. Der Erstbeschwerdeführer bevollmächtigte und beauftragte damals die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe (in der Folge: ARGE Rechtsberatung) ohne zeitliche und ohne inhaltliche Beschränkung mit seiner Vertretung in asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren einschließlich Rechtsmittelverfahren (Verwaltungsverfahrensakt des BFA [VA BFA], Aktenseite [AS] 290 bzw Rückseite AS 289).
Der Beschwerdeführer legte jedoch in der Folge im zweiten Verfahrensgang mit der Beschwerde gegen den zweiten Bescheid des BFA vom 08.02.2019 eine neue Vollmachtsurkunde vom 20.02.2019 vor, durch welche die frühere Vollmachtsurkunde vom 02.02.2017 ersetzt wurde.
Mit jener neuen Vollmachtsurkunde vom 20.02.2019 wurde das Vollmachtsverhältnis zwischen dem Erstbeschwerdeführer und der ARGE Rechtsberatung in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht beschränkt, und zwar auf das Rechtsmittelverfahren gegen die Entscheidung vom 08.02.2019 sowie "explizit auf das gegenständlichen Hauptverfahren samt Nebenverfahren [...], etwaige weitere Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen, sowie Verfahren, die nach einer Aufhebung durch das BVwG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen werden, sind ausdrücklich nicht umfasst." (VA BFA, AS 773).
Der Umstand, dass die Vollmachtsurkunde vom 20.02.2019 jene vom 02.02.2017 ersetzte, ergibt sich daraus, dass in Bezug auf dieselbe Vertretung ein Weiterbestehen einer früheren weitergehenden Vollmacht neben einer späteren einschränkenden Bevollmächtigung jener späteren Bevollmächtigung jeden Zweck nimmt und damit sinnlos wäre. Es kann jedoch dem Beschwerdeführer und seiner Vertretung nicht unterstellt werden, eine solche sinnlose Regelung treffen zu wollen; vielmehr ist daraus deren eindeutige Wille zu erkennen, die frühere weitergehende Vollmacht zu beschränken bzw eben zu ersetzen.
Da somit bereits mit der Vorlage der Vollmachtsurkunde vom 20.02.2019 die frühere Vollmachtsurkunde vom 02.02.2017 ersetzt wurde, kommt der Mitteilung der ARGE Rechtsberatung an das BFA vom 03.04.2019, wonach sie die am 2.2.2017 erteilte Vollmacht zurücklege (VA BFA, ohne Aktenseite), keine rechtliche Bedeutung mehr zu.
Anschließend wurde der im zweiten Verfahrensgang erlassene Bescheid des BFA vom 08.02.2019 betreffend den Erstbeschwerdeführer vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 21.03.2019, L515 2147464-2/3E aufgehoben. Damit wurde das Verfahren wieder beim BFA anhängig und gleichzeitig endete das mit 20.02.2019 begründete Vollmachtsverhältnis. Dennoch wurde vom BFA die nunmehr gegenständlich vom Erstbeschwerdeführer angefochtene Erledigung des BFA vom 26.03.2019 am 27.03.2019 der ARGE Rechtsberatung zugestellt, obwohl diese zu jenem Zeitpunkt nicht mehr Vertreterin des Erstbeschwerdeführers war. Eine Zustellung an den Erstbeschwerdeführer erfolgte nicht (VA BFA, ohne Aktenseite).
2.2. Die Feststellungen zur Angehörigeneigenschaft der Beschwerdeführer wurde bereits vom BFA getroffen; diesen ist auch nicht entgegenzutreten.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A)
Relevante Rechtsgrundlagen
3.1. Gemäß § 28 Abs 1 hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
3.2. Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
3.3. Gemäß § 10 AVG können sich die Beteiligten und ihre Vertreter vertreten lassen. Der Umfang der Vertretungsvollmacht richtet sich nach der Vollmachtserklärung und kann auch eingeschränkt werden.
3.4. Gemäß § 56 AVG hat der Erlassung eines Bescheides, wenn es sich nicht um eine Ladung (§ 19) oder einen Bescheid nach § 57 handelt, die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes, soweit er nicht von vornherein klar gegeben ist, nach den §§ 37 und 39 voranzugehen.
3.5. Gemäß § 34 Abs 4 hat die Behörde Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten unter den Voraussetzungen der Abs 2 und 3 alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
Zum gegenständlichen Verfahren
3.6. Behördliche Erledigungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Mitteilung an die Person, für die sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind, wobei die Möglichkeit besteht, Zustellvollmachten an natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften zu erteilen (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht, Manz, 10. Auflage, Rz 202/1).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein schriftlicher Bescheid erst mit der Zustellung bzw Ausfolgung seiner schriftlichen Ausfertigung an eine Partei als erlassen anzusehen; nur ein erlassener Bescheid kann Rechtswirkungen erzeugen (vgl VwGH 17.12.2013, 2013/09/0105).
3.7. Fallbezogen ergibt sich, dass vom BFA die nunmehr gegenständlich vom Erstbeschwerdeführer angefochtene Erledigung des BFA vom 26.03.2019 am 27.03.2019 der ARGE Rechtsberatung als Empfängerin zugestellt wurde, obwohl diese zu jenem Zeitpunkt nicht mehr Vertreterin des Erstbeschwerdeführers war. Die Erledigung vom 26.03.2019 betreffend den Erstbeschwerdeführer wäre mangels der Existenz einer gewillkürten Vertretung zum damaligen Zeitpunkt jedoch dem Erstbeschwerdeführer zuzustellen gewesen. Eine solche Zustellung an den Erstbeschwerdeführer erfolgte nicht. Ein Bescheid wurde somit den Erstbeschwerdeführer betreffend nicht erlassen. Mangels Vorliegen eines Bescheides ist daher die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers spruchgemäß als unzulässig zurückzuweisen.
3.8. Um den Anforderungen des Familienverfahrens gemäß § 34 AsylG bzw Art 8 EMRK gerecht zu werden, waren die Bescheide der Zweit- bis Viertbeschwerdeführenden ersatzlos zu beheben.
3.9 Für das vom BFA in weiterer Folge fortzusetzende Verfahren der Beschwerdeführer ergibt sich, dass das BFA vor einer nunmehr vorzunehmenden korrekten Bescheiderlassung das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstattete Parteivorbringen - insbesondere die Beschwerdeausführungen, wonach die Beschwerdeführer über keinerlei Vermögen mehr in Georgien verfügen und diese all ihr Erspartes aufgebraucht und ihre Besitztümer verkauft hätten und darüber hinaus Schulden bei Banken hätten - zu berücksichtigen und gemäß § 18 Abs 1 AsylG gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass getätigte Angaben ergänzt bzw vervollständigt werden.
3.10. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Entfall der mündlichen Verhandlung
3.11. Aufgrund der Zurückweisung der Beschwerde betreffend den Erstbeschwerdeführer und der Behebung der Bescheide der weiteren Beschwerdeführer konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu B)
Revision
3.12. Die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage ist durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, weshalb die Revision nicht zulässig ist.
3.13. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Asylverfahren, Behebung der Entscheidung, Bescheiderlassung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L516.2199450.3.00Zuletzt aktualisiert am
02.10.2019