TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/7 L504 2134664-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.05.2019
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Entscheidungsdatum

07.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L504 2134664-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

Aus dem Verfahrensgang des Bundesamtes ergibt sich Folgendes (Auszug aus dem Bescheid):

"[...]

-

Am12.02.2015 stellten Sie ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz den Sie folgendermaßen begründeten:

Ich werde im Irak wegen meiner Glaubensreligion von mir unbekannte bewaffnete Milizen verfolgt und mit dem Tod bedroht. Diese Milizen ermordeten meinen Bruder I.. Ich bekam eines Tages einen Drohbrief nach Hause. Aus Angst um mein Leben habe ich das Land verlassen. Ich wurde einmal bei einem Attentat verletzt.

-

Einvernahme vom 23.03.2016 in der Regionaldirektion Salzburg:

[...]

LA: Wie geht es Ihnen? Leiden oder litten Sie an irgendwelchen körperlichen oder psychischen Problemen, gibt es bestehende Krankheiten oder benötigen Sie aktuell bestimmte medizinische Betreuung oder Medikamente?

AW: Ich habe keine medizinischen Probleme

[...]

LA: Sie wurden vom Bundesamt angeschrieben dass Sie Dokumente vorlegen sollen. Insbesondere Dokumente, die Ihre Identität bezeugen. Haben Sie solche Dokumente.

Anmerkung: der AW legt keine Dokumente vor.

[...]

LA: Bei dieser Einvernahme handelt es sich um eine Fortsetzung der bis jetzt durchgeführten Befragungen. Es geht jetzt vorwiegend um die Darstellung Ihres Fluchtgrundes. Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht und wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

AW: Ja, ich habe die Wahrheit gesagt. Es wurde alles richtig rückübersetzt und protokolliert.

LA: Hat sich seit der Erstbefragung an den Gründen Ihrer Flucht aus dem Irak etwas geändert?

AW: Nein

LA: Welcher Religion gehören Sie an?

AW: Islam; Sunnit

LA: Sie gaben an, ledig zu sein. Entspricht das der Wahrheit?

AW: Ja

[...]

LA: Gibt es mittlerweile weitere Angehörige in Österreich oder im Raum der EU?

AW: Nein

LA: Haben Sie Kontakt zu Ihren Eltern, den Geschwistern oder anderen Angehörigen oder Freunden im Irak?

AW: JA, über Internet mit meinen Eltern. Das letzte Mal vor ca. 1 Monat.

LA: Wie heißen Ihre Eltern bzw. Geschwister und wo leben sie?

Vater: [...], wh: Bagdad, [...]

Mutter: [...], wh: siehe Vater

Bruder: [...], geb. 1990, verstorben am [...]12.2014

Schwester: [...], ca. 38 Jahre, wh. Diala genaue Adresse unbekannt

LA: Sie gaben an, dass Sie und Ihre Familie aus dem Irak stammen. Wie lebten Sie dort? Gibt es ein eigenes Haus, Grundstücke, eine Landwirtschaft?

AW: Ein 2 stöckiges Haus, das meinem Vater gehört. Es steht derzeit leer.

LA: Wie lange haben Sie im Irak gelebt?

AW: ca. 32 Jahre

LA: Wo haben Sie im Irak vor Ihrer Flucht gelebt? Nennen Sie mir die genaue Adresse!

AW: Bagdad, , [...]

LA: Woher stammen die Eltern, welche Provinz, welcher Distrikt?

AW: Vater aus Basra, Mutter aus Bagdad

LA: Sie gaben an eine Schule besucht zu haben. Stimmt das? Haben Sie irgendwann eine Schule besucht? Wie hieß die Schule?

AW: Ja

Grundschule: 1989 - 1995 in Bagdad, [...]

Mittelschule: 1995 - 2001 in Bagdad, [...]

LA: Sie können demnach schreiben und lesen?

AW: Ja

LA: Sie verstehen und sprechen schon etwas Deutsch (Ohne Übersetzung)?

AW: Ein bisschen. Ich komme aus dem Irak.

LA: Haben Sie schon einmal einen Deutschkurs in Österreich besucht?

AW: Ja 2 mal in der Woche in R. in der Schule. Zeugnis habe ich keines, ich wurde mit dem A1 Kurs letzte Woche fertig und besuche jetzt dann den A2 Kurs.

LA: Haben Sie im Irak gearbeitet? Haben Sie eine berufliche Ausbildung, was haben Sie bisher alles gearbeitet?

AW: Ja, ich war selbstständig mit einem Handy-Geschäft.

LA: Wie viel haben Sie ca. im Monat verdient?

AW: ca. 1000$

LA: Wie viel benötigten Sie davon zum Leben?

AW: ca. 300$

LA: Was haben Sie mit dem restlichen Geld gemacht?

AW: Meine Familie unterstützt, weil mein Vater nicht arbeitet und er medizinische Behandlung wegen Zucker benötigt.

LA: Den Alltag im Irak konnten Sie und die Familie soweit ohne weitere Probleme bestreiten?

AW: JA, keine Probleme.

LA: Wann genau hatten Sie den Entschluss gefasst den Irak zu verlassen?

AW: Eine Woche vor der Ausreise.

LA: In der EB haben Sie angegeben den Entschluss im Anfang 2014 getroffen zu haben. Was stimmt?

AW: Ich habe das nicht gesagt.

LA: Sie haben das aber mit Ihrer Unterschrift bestätigt und heute gesagt, dass Ihnen alles richtig rückübersetzt wurde.

AW: Ich habe schon 2014 daran gedacht.

LA: Wann sind Sie dann aus dem Irak ausgereist?

AW: Am 15.01.2015

LA: Ihre Eltern und Geschwister befinden sich noch im Irak?

AW: Ja

LA: Fühlen diese sich dort denn sicher, nachdem Sie ja geflüchtet sind?

AW: Sie sind auch bedroht.

LA: Warum sind sie dann nicht geflohen?

AW: Wohin sollten sie fliehen. Meine Schwester ist verheiratet und lebt bei ihren Mann in Diala und meine Eltern sind schon alt.

LA: Schildern Sie mir bitte die konkrete Fluchtroute mit Nennung der verwendeten Verkehrsmittel von ihrer Heimat bis nach Österreich.

AW: Am 15.01.2015 mit dem Bus legal von Bagdad nach Istanbul. Dort war ich ca. 10 Tage. Von Istanbul reiste ich mit dem Bus nach Izmir. Dort war ich 9 Tage und bin dann mit dem Bus nach Bodrum. Von dort bin ich mit dem Boot nach Kos, wo ich einen Tag war. Ich bin dann mit der Fähre nach Athen. In Athen war ich 3 Wochen. Ich bin dann an die Grenze und von dort kam ich in einem LKW mit 6 anderen Personen in 3 Tagen durch mir unbekannte Länder nach Österreich.

LA: Warum wählten sie ausgerechnet Österreich dazu aus, um Asyl zu beantragen?

AW: Ich habe nicht gewusst, dass ich in Österreich bin. Erst auf Nachfrage fand ich das heraus. In Griechenland bekam ich eine Frist zum Ausreisen. Österreich war für mich der nächste Schritt, deshalb habe ich hier um Asyl angesucht.

LA: Sie machten sehr detaillierte Angaben zu Ihrer Reise nach Österreich. Sind diese Angaben soweit richtig, wollen Sie da etwas berichtigen?

AW: 100% richtig.

LA: Wie hoch waren die Kosten der Reise gesamt?

AW: ca. 5000 Euro

LA: Woher hatten Sie das Geld für die Reise?

AW: Ich habe es gespart.

LA: Wer hat diese Reise für Sie organisiert?

AW: Ich war in einer Gruppe. Ab Athen habe ich nachgefragt, wer mir helfen kann nach Europa zu gelangen. Ich wusste nicht, dass Athen in Europa ist.

LA: Sie sagten Sie sind legal von Bagdad nach Istanbul gereist. Dazu benötigten Sie doch einen Reisepass. Wo befindet sich der Reisepass jetzt?

AW: Der Schlepper hat ihn mir abgenommen, bevor ich Kos erreichte. Als ich in Österreich angekommen bin hat einer unserer Gruppe den Schlepper kontaktiert und wollte, dass dieser diese uns schickt. Er hat das nicht gemacht und dann seine Telefonnummer deaktiviert.

LA: In der EB sagten Sie, der Reisepass ist bei einem Freund in der Türkei?

AW: Ich sagte er ist beim Schlepper.

LA: Also sagen Sie, dass das falsch aufgeschrieben wurde.

AW: Es ist vieles falsch was aufgeschrieben wurde. Ca. 1,5 Seiten. Man sagte mir ich solle das im nächsten Interview berichtigen.

Anmerkung: AW wird nochmals belehrt, dass er die Wahrheit sagen muss.

LA: Kommen wir jetzt zu dem Grund, aus dem sie den Irak verlassen mussten und Sie nicht in den Irak zurück können? Bitte erzählen Sie.

AW: Beginn der freien Erzählung:

Am 05.12.2014 habe ich einen Drohbrief der Miliz Assab Ahl Haq an der Garagentür, in dem stand, dass wir alle Nauaseb (Erniedrigung für Moslems) sind und unseren Heimatort verlassen sollen. Wir sind zur Polizei und haben dort Anzeige gemacht. Am 10.12.2014 bin ich zur Arbeit gegangen. Es sind 3 Personen zu uns nach Hause gekommen und haben an der Tür geklopft. Mein Bruder machte die Tür auf. Sie fragten nach dem Familienoberhaupt. Mein Bruder fragte nach und begann mit ihnen zu diskutieren. Daraufhin wurde er erschossen. Ich erfuhr durch meine Eltern über Telefon von dem Vorfall. Am 08.01.2015 war ich mit einem Freund vor unserer Haustür. Unser Haus steht ca. 300m von einer T-Kreuzung entfernt. Dort stand ein Auto und auf uns wurde aus diesem geschossen. Mein Freund wurde getroffen, ich aber nicht. Nach diesem Vorfall haben meine Eltern mir geraten, das Land zu verlassen. Das habe ich dann auch getan. Ca. 1 Monat nachdem ich den Irak verlassen hatte, sind meine Eltern zu Verwandten übersiedelt. Wir haben das bei der Polizei gemeldet, diese besteht aber zu 90% aus diesen Milizen. Die Milizen haben auch die Regierung in der Hand.

Ende der freien Erzählung.

LA: Ist das der einzige Grund bzw. waren das alle Ihre Gründe, dass Sie den Irak verlassen mussten bzw. nicht in den Irak zurückkehren können?

AW: Ja, sonst keine Gründe.

LA: Wo genau im Irak sind diese Milizen tätig?

AW: Außerhalb des Nordiraks haben sie von Bagdad bis in den Südirak alles in der Hand.

LA: Wurden Sie konkret von diesen Milizen bedroht? Wenn ja, wie?

AW: Wie gesagt, es wurde auf mich geschossen.

LA: Wo befindet sich der Drohbrief derzeit?

AW: Ich habe ihn bei der Polizei abgegeben.

LA: Sind Ihre Familienmitglieder auch Sunniten?

AW: Ja.

LA: Warum sind Sie nicht in den Westen, das Zentrum oder einen anderen sunnitisch geprägten Teil des Iraks geflohen. Dort ist die Mehrheit der Bevölkerung sunnitisch. Dort wären Sie doch sicher vor den schiitischen Milizen. Was sagen Sie dazu?

AW: Es ist für mich sehr schwierig, weil ich bedroht bin.

LA: Sie wollen sagen, dass die Assab Ahl Haq im ganzen Irak tätig ist?

AW: Ja, komplett.

LA: Wieso gibt es dann überhaupt noch Sunniten im Irak? Sie müssten doch dann alle fliehen.

AW: Mehrere tausend Sunniten sterben jeden Tag

LA: Ich bin mit den Fragen zu den Fluchtgründen soweit fertig. Wollen Sie dazu noch etwas sagen? Haben Sie alle Ihre Gründe geltend gemacht? Hatten Sie genug Zeit und Möglichkeit, alle Ihre Gründe geltend zu machen?

AW: Ja, ich konnte alles sagen. Ich hatte genug Zeit und Möglichkeit.

LA: Haben Sie nun alle Ihre Gründe genannt, wegen derer Sie nicht in den Irak zurück können?

AW: Ja

LA: Sie leben alleine in einer betreuten Unterkunft der Grundversorgung. Stimmt das?

AW: Ja, in R..

LA: Haben Sie außerhalb der Betreuungsstelle bereits soziale Kontakte zur österreichischen Gesellschaft?

AW: Es kommen die Bewohner von R. jeden Freitag und bringen uns Kuchen und Kleider. Das Volk behandelt uns hier großzügig.

LA: Betätigen Sie sich bei karitativen Organisationen oder anderen Vereinen?

AW: Nein

LA: Haben Sie in Österreich schon einmal Probleme mit Behörden, Polizei, Gericht oder anderen Institutionen gehabt?

AW: Nein

LA: Wurden Sie schon einmal strafgerichtlich verfolgt bzw. verurteilt? Hatten Sie Probleme mit Verwaltungsbehörden aufgrund schwerer Verwaltungsstraftaten?

AW: Nein

LA: Haben Sie sich jemals im oder außerhalb vom Irak politisch betätigt, gehören Sie irgendeiner politischen Organisation oder Partei an?

AW: Nein

LA: Gab es jemals eine konkrete Verfolgung Ihrer Person alleine aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit?

AW: Nein

LA: Gab es jemals eine Verfolgung Ihrer Person alleine aufgrund Ihrer Religionszugehörigkeit?

AW: Nein

LA: Gab es jemals eine Verfolgung Ihrer Person alleine aufgrund Ihrer Nationalität?

AW: Nein

LA: Gab es jemals eine Verfolgung Ihrer Person alleine aufgrund Ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe?

AW: Nein

LA: Sie sind nach wie vor gläubiger Moslem?

AW: Normal.

LA: Haben oder hatten Sie jemals irgendwelche Schwierigkeiten/Probleme mit irakischen oder internationalen Behörden (Polizei, Gericht etc.)?

AW: Nein

LA: Haben oder hatten Sie jemals irgendwelche Probleme - außer den genannten - mit privaten Personen, Personengruppen, Banden, kriminellen Organisationen?

AW: Nein

LA: Gibt es außer den genannten Problemen und Befürchtungen sonst noch irgendwelche Sie betreffende Schwierigkeiten, die noch nicht zur Sprache gekommen sind?

AW: Nein

LA: Die Verständigung mit dem Dolmetscher war immer gut?

AW Ja

LA: Möchten Sie zu den von Ihnen im Zuge der Befragung gemachten Angaben, insbesondere zu ihrer Person, Ihrem Reiseweg oder betreffend vorhandener Dokumente, Fluchtgrund etwas berichtigen, ergänzen oder hinzufügen? Sie werden nochmals darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben die Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren sind und dass hervorkommende Widersprüche, Abweichungen von bereits getätigten Angaben oder sonstige Tatsachenabweichungen ihre Glaubwürdigkeit maßgeblich beeinflussen.

AW: Nein, nichts berichtigen.

LA: Ich beende somit die Einvernahme. Wollen Sie noch ergänzende Angaben machen, die noch nicht zur Sprache gekommen sind und ihrer Ansicht nach für das Verfahren wesentlich sein könnten?

AW: Nein

Verfahrensleitende Verfügung:

Ihnen werden nun mit "A" bezeichnete und mit Quellenangaben versehene landeskundliche Feststellungen zum Staat Irak ausgehändigt. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beabsichtigt diese Unterlagen zur Entscheidungsfindung in Ihrem Asylverfahren heranzuziehen. Es steht Ihnen frei dazu binnen zwei Woche ohne Setzung einer Nachfrist eine Stellungnahme abzugeben.

Zum Umstand, dass Sie in deutscher Sprache zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert wurden, wird auf Folgendes hingewiesen:

§ 39a AVG regelt nur den mündlichen Verkehr mit der Behörde, begründet aber keinen Anspruch auf die Verwendung einer fremden Sprache im Schriftverkehr mit den Beteiligten; insbesondere ist die Beifügung einer Übersetzung eines Schriftstückes nicht vorgesehen (Ringhofer I, 367; VwGH 11.1.1989, Zl 88/01/0187; 1.2.1989, Zl. 88/01/0330). Aufgrund der Verweisungsnorm des § 23 AsylG gilt dies auch im Asylverfahren.

LA: Wollen Sie diese landeskundliche Feststellungen ausgehändigt haben?

AW: Ja

Anmerkung: Die obigen Angaben werden dem Antragsteller rückübersetzt.

[...]

-

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 22.08.2016, Zl.: XXXX , wurde Ihr Antrag abgewiesen. Der Status des Asylberechtigten und der Status des Subsidiär Schutzberechtigten wurden nicht zuerkannt. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, gegen Sie wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und Ihre Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Irak für zulässig erklärt.

-

Am 06.09.2016 erhoben sie fristgerecht Beschwerde gegen diesen Bescheid.

-

Am 18.08.2017 wurde eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG durchgeführt.

-

Per Erkenntnis des BVwG vom 04.10.2017 wurde Ihre Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs am 04.10.2017 in Rechtskraft.

-

Sie haben am 01.08.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, wobei Sie angaben, den Namen [...] zu führen, Staatsangehöriger des Irak und am [...]1983 geboren zu sein.

-

Anlässlich des gegenständlichen Asylverfahrens haben Sie bei der niederschriftlichen Befragung am 01.08.2018 bei beim Landespolizeikommando Wien, Abteilung für Fremdenpolizeiliche Maßnahmen und Anhaltevollzug, 1080 Wien, im Wesentlichen Folgendes angegeben:

Es hat sich nichts geändert. Meine Familie wurde dreimal bedroht. Die Drohungen erreichten das Haus meines Großvaters im Stadtteil ALAMIRIA. Ich werde im Irak mit dem Tod bedroht. Niemand kehrt dorthin zurück wo ihm der Tod droht. Ich komme aus einem sunnitischen Gebiet aus Bagdad nämlich den Stadtteil ASSAIDIA. Und die Schiitischen Milizen haben Bagdad unter Kontrolle. Ich habe auch schon erwähnt dass mein Bruder in der Heimat getötet wurde. Die Miliz die meinen Bruder getötet hat heißt "ASAIB AHL ALHAQ". Meine Familie wurde vertrieben und ich weiß auch nicht wo sich diese befindet. Unser Haus wurde uns abgenommen.

Folgenden Fragen werden vom Schriftführer zusätzlich gefragt.

Frage:

Feststellungen: Sie haben am 12.02.2015 zur Zahl: XXXX einen Asylantrag gestellt, welcher in der Folge in I. Instanz durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 22.08.2016 negativ entschieden wurde. In der Folge erheben Sie rechtsanwaltlich vertreten gegen den Entscheid des BFA-Salzburg fristgerecht Beschwerde beim BWvG ein. Am 04.10.2017 fällt durch den BWvG in II. Instanz eine rechtskräftige negative Entscheidung.

Am 19.07.2018 werden Sie in Graz von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes kontrolliert. Sie stellen zuerst einen Asylantrag, ziehen diesen aber offensichtlich wieder zurück. Sie werden dann auf Grund eines bestehenden Festnahmeauftrages zuerst in das Polizeianhaltezentrum Graz und in der Folge in das Polizeianhaltezentrum Wien überstellt.

Seit dem 20.07.2018 befinden Sie sich nunmehr in Beugehaft. Nunmehr stellten Sie am 31.07.2018, um 14:00 Uhr, einen neuerlichen Asylantrag.

Meine Frage an Sie, ist der Inhalt der Zusammenfassung korrekt wiedergegeben?

Antwort:

Das mit dem Asylantrag wurde mir falsch vermittelt. Ich wollte lediglich das Formular für das Heimreisezertifikat nicht unterschreiben. Da ist etwas schief gegangen.

Frage:

Nunmehr meine nächste Frage an Sie, warum haben Sie nicht am 19.07.2018, als Sie bereits einen Asylantrag gestellt haben, an diesem Verfahren mitgewirkt?

Antwort:

Wie gesagt. Es wurde etwas falsch vermittelt und man hat mich sofort eingesperrt.

Ich habe nichts mehr hinzuzufügen und alle meine Flucht- und Ausreisegründe genannt.

-

Aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses wurde Ihnen am 09.08.2018 eine schriftliche Mitteilung gemäß §29 Abs 3 Zi 4 und 6 AsylG 2005 ausgefolgt, mit welcher Ihnen die Absicht des Bundesamtes zur Kenntnis gebracht wurde, Ihren Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

-

Am 14.08.2018 wurden Sie beim Bundesamt, Erstaufnahmestelle Ost, einvernommen. Die wesentlichen Passagen dieser Einvernahme gestalten sich dabei wie folgt:

F: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

A: Ja.

F: Wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

A: Ja.

F: Haben Sie gegen eine der anwesenden Personen wegen einer möglichen Befangenheit oder aus anderen Gründen Einwände?

A: Nein.

F: Sind Sie mit dem Rechtsberater, der Ihnen Für diese Einvernahme zur Seite gestellt wird, einverstanden?

A: Ja.

F: Haben Sie sich einer Rechtsberatung unterzogen?

A: Ja.

F: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die Befragung zu absolvieren?

A: Ja.

F: Befinden Sie sich derzeit in ärztlicher Behandlung?

A: Nein.

F: Nehmen Sie regelmäßig Medikamente ein?

A: Nein.

F: Haben Sie einen Vertreter beziehungsweise einen Zustellbevollmächtigten in Ihrem Asylverfahren?

A: Mag. K.

F: Haben Sie Beweismittel oder Identitätsbezeugende Dokumente, die Sie vorlegen können und welche Sie bisher noch nicht vorgelegt haben?

A: Nein.

F: Haben Sie im Bereich der EU, in Norwegen oder in Island Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

A: Nein.

F: Haben Sie in Österreich aufhältige Eltern oder Kinder (Blutverwandtschaft oder durch Adoption begründet).

A: Nein.

F: Besteht ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis zu sonstigen Personen?

A Nein.

F: Ihr letztes Verfahren wurde am 04.10.2017 zweitinstanzlich negativ abgeschlossen. Was hat sich seitdem geändert?

A: Ich kann nicht in den Irak zurückkehren, weil mich Leute im Irak bedrohen.

F: Was hat sich seit der Rechtskraft Ihres letzten Verfahrens geändert.

A: Seit der Rechtskraft meines letzten Verfahrens wurde meine Familie von der schiitischen Miliz die mich damals bedrohte dreimal bedroht. Mittlerweile haben Sie den Irak Richtung Türkei verlassen.

F: Wann hat Ihre Familie den Irak verlassen?

A: Anfang 2018.

F: Seit wann sind Ihnen diese Umstände bekannt?

A: Seit Ende 2017.

F: Wollen Sie aktuelle Länderfeststellungen zum Irak erhalten?

A: Ja.

Die Länderfeststellungen werden ausgefolgt.

F: Haben Sie den Dolmetscher verstanden, konnten Sie der Einvernahme folgen und sich konzentrieren?

A: Ja.

F: Konnten Sie meinen Fragen folgen?

A: Ja.

F: Wollen Sie noch etwas vorbringen oder ergänzen oder fragen?

A: Ich fürchte um mein Leben wenn ich in den Irak zurückkehren muss. Mein Leben ist im Irak in Gefahr. Ich kann nicht in den Irak zurückkehren.

Dem RB wird die Möglichkeit gegeben, Fragen an den einvernehmenden Referenten zu stellen oder Anträge zu stellen.

Keine Anträge.

-

Mit Verfahrensanordnung vom heutigen Tag wurde Ihnen ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

B) Beweismittel

Die Behörde zog die folgenden Beweismittel heran:

? Von Ihnen vorgelegte Beweismittel:

Keine ? Weitere von der Behörde herangezogene Beweismittel:

-

Protokolle Ihrer Befragung und Einvernahme im Verfahren

-

Die Asylakte zu AZ.: XXXX und XXXX .

-

Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA zu Ihrem Herkunftsstaat

[...]"

Das Bundesamt hat folglich entschieden:

"I. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 01.08.2018 wird hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

II. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 01.08.2018 wird hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.

IV. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen.

V. Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Irak zulässig ist.

VI. Gemäß § 55 Absatz 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise.

Dagegen hat die bP durch ihre gewillkürte Vertretung innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Darin wird

* im Wesentlichen bisheriges Vorbringen wiederholt und als den Tatsachen entsprechend dargelegt;

* unter Zitierung von Quellen aus dem Jahr 2016 u. 2017 auf die mangelnde Sicherheitslage und die religiöse Gespaltenheit hingewiesen und dargelegt, dass keinerlei innerstaatliche Fluchtalternative bestünde;

* moniert, dass die Behörde in Bezug auf den Aufenthaltstitel aus berücksichtigungwürdigen Gründen das Privatleben unberücksichtigt gelassen habe;

* der Beweiswürdigung dergestalt entgegen getreten, dass die bP "nachvollziehbar und mit den Länderfeststellungen übereinstimmend" geschildert habe, dass das Vorbringen nicht vage und widersprüchlich gewesen sei.

Das BVwG möge daher diesen Fall nochmals überprüfen.

Die Beschwerde langte am 11.02.2019 beim BVwG ein. Zur Darlegung, dass sich die sich aus dem Länderinformationsblatt abzeichnende Verbesserung der Sicherheitslage, insbesondere in Bagdad, anhaltend ist, wurden den Parteien aktualisierte Berichte bzw. länderspezifische Ermittlungsergebnisse zu Gehör gebracht:

* Vorfallsrecherche zur Region Bagdad, Zeitraum 01.12.2018 - 14.02.2019, Suchmaschine google mit Suchwort Baghdad

* Baghdads Green Zone reopens, Aljazeera, 11.01.2019

* Interview mit der deutschen Journalistin Birgit Svensson, v. 04.10.2018, über die Entwicklung in Bagdad

* Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Chronologische Auflistung sicherheitsrelevanter Vorfälle von Oktober 2018 bis Jänner 2019 mit Sunniten als Opfer, 31.01.2019

* BVwG, Vorläufige Lageeinschätzung auf Basis der verfahrensgegenständlichen Berichtslage

Die bP brachte durch ihre Vertretung mit Schriftsatz vom 07.03.2019 eine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Das Bundesamt traf nachfolgende Feststellungen, denen sich das BVwG anschließt:

"

Zu Ihrer Person:

Ihre Identität steht fest.

Ihr physischer und psychischer Zustand stellt sich folgendermaßen dar:

Sie sind gesund.

Es kann nicht festgestellt werden, dass in Ihrem Fall schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestehen.

Zu Ihrem Vorverfahren:

Ihr erstes Asylverfahren unter der Zahl XXXX wurde am 04.10.2017 rechtskräftig abgeschlossen. In diesem Verfahren wurden alle bis zur Entscheidung dieses Asylverfahrens entstandenen Sachverhalte berücksichtigt.

Ihr gesamtes Erstverfahren beruhte auf einem völlig unglaubhaften und nicht den Tatsachen entsprechenden Vorbringen.

Zu den Gründen für Ihren neuen Antrag auf internationalen Schutz:

Sie geben an Ihre alten Fluchtgründe aufrecht zu erhalten. Ihre Familie wurde seit der Rechtskraft Ihres letzten Verfahrens dreimal durch shiitische Milizen, welche damals auch sie bedrohten, bedroht und verließ mittlerweile auch den Irak.

Ihr Fluchtvorbringen enthält keinen glaubhaften Kern.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie sind erst seit kurzer Zeit in Österreich.

Sie haben in Österreich keine Angehörigen bzw. Verwandten.

Sie haben keine sozialen Kontakte, die Sie an Österreich binden.

Sie sind in Österreich nicht berufstätig, wohnen in einer vom österreichischen Staat zur Verfügung gestellten Unterkunft für Asylwerber und befinden sich in Grundversorgung.

Sie besuchen in Österreich keinen Deutschkurs, Sie sprechen nicht Deutsch.

Sie sind weder Mitglied in einem Verein noch einer Organisation im Bundesgebiet.

Ein Großteil Ihrer Angehörigen lebt noch in Ihrem Heimatland.

Zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat: [...]"

Die Behörde stellte im angefochtenen Bescheid das zu Gehör gebrachte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak vom 20.11.2018 in vollem Umfang dar und argumentierte, dass sich die Lage im Irak seit Erlassung des maßgeblichen Vergleichsbescheides nicht nachteilig verändert hat.

Das BVwG geht auf Grund des ergänzenden Ermittlungsverfahrens, nach Wahrung des Parteiengehörs, unter Zugrundelegung der vom BFA herangezogenen Erkenntnisquellen und den vom BVwG ergänzend herangezogenen Rechercheergebnissen aktuell von folgender Situation bzw. Lageeinschätzung den Irak betreffend aus:

Politik / Zusammensetzung der Bevölkerung

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert. Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat, der aus 18 Provinzen besteht. Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte.

Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich. So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnit, der Premierminister ist ein Schiit und der Präsident der Republik ein Kurde. Die meisten religiös-ethnischen Gruppen sind im Parlament vertreten.

Der Irak hat ca. 38 Millionen Einwohner. Etwa 75-80 % der heute im Irak lebenden Bevölkerung sind Araber, 15-20 % sind Kurden und 5 % sind Turkomanen, rund 600.000 Assyrer/Aramäer, etwa 10.000 Armenier oder Angehörige anderer ethnischer Gruppen. Weiterhin sollen im Südosten 20.000 bis 50.000 Marsch-Araber leben. Von turkomanischen Quellen wird der Anteil der eigenen ethnischen Gruppe auf etwa 10 % geschätzt.

Etwa 97 % der Bevölkerung sind muslimisch. Über 60 % sind Schiiten und zwischen 32 und 37 % Sunniten; die große Mehrheit der muslimischen Kurden ist sunnitisch. Ca. 17-22 %, also ca. 6,5 bis 8,4 Millionen der Gesamtbevölkerung sind arabische Sunniten (vorwiegend im Zentral- und Westirak), ca. 15-20 % der Gesamtbevölkerung sind kurdische Sunniten. So wie Schiiten sind auch (arabische) Sunniten in hohen politischen (zB Parlamentspräsident) und öffentlichen Ämtern vertreten. Ebenso als Beschäftigte bei Polizei, Militär und Gerichten. Sunniten nehmen ebenso am sonstigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teil. Christen, Jesiden und andere Religionen bilden mit ca. 3 % eine Minderheit. Die Christen zählen überwiegend zu den orientalisch-christlichen Gemeinschaften: Chaldäisch-katholische Kirche, Assyrische Kirche des Ostens, Alte Kirche des Ostens, Armenische Apostolische Kirche, Römisch-katholische Kirche, Syrisch-katholische Kirche, Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien, Assyrisch-evangelische Kirche und andere.

Sicherheitskräfte - Milizen - Rechtschutz

Die irakischen Sicherheitskräfte ISF:

Im ganzen Land sind zahlreiche innerstaatliche Sicherheitskräfte tätig. Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF, Iraqi Security Forces) bestehen aus Sicherheitskräften, die vom Innenministerium verwaltet werden, Sicherheitskräften, die vom Verteidigungsministerien verwaltet werden, den Volksmobilisierungseinheiten (PMF, Popular Mobilization Forces), und dem Counter-Terrorism Service (CTS). Das Innenministerium ist für die innerstaatliche Strafverfolgung und die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig; es beaufsichtigt die Bundespolizei, die Provinzpolizei, den Dienst für den Objektschutz, den Zivilschutz und das Ministerium für den Grenzschutz. Die Energiepolizei, die dem Ölministerium unterstellt ist, ist für den Schutz von kritischer Infrastruktur in diesem Bereich verantwortlich. Konventionelle Streitkräfte, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, sind für die Verteidigung des Landes zuständig, führen aber in Zusammenarbeit mit Einheiten des Innenministeriums auch Einsätze zur Terrorismusbekämpfung sowie interne Sicherheitseinsätze durch. Der Counter-Terrorism Service (CTS) ist direkt dem Premierminister unterstellt und überwacht das Counter-Terrorism Command (CTC), eine Organisation, zu der drei Brigaden von Spezialeinsatzkräften gehören. Die irakischen Streit- und Sicherheitskräfte dürften mittlerweile wieder ca. 100.000 Armee-Angehörige (ohne PMF und Peshmerga) und über 100.000 Polizisten umfassen.

Volksmobilsierungseinheiten (PMF):

Der Name bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen. Die PMF werden vom Staat unterstützt und sind landesweit tätig. Die Mehrheit der PMF-Einheiten ist schiitisch, was die Demografie des Landes widerspiegelt. Sunnitische, jesidische, christliche und andere "Minderheiten-Einheiten" der PMF sind in ihren Heimatregionen tätig. Es gibt große, gut ausgerüstete Milizen, quasi militärische Verbände, wie die Badr-Organisation, mit eigenen Vertretern im Parlament, aber auch kleine improvisierte Einheiten mit wenigen Hundert Mitgliedern, wie die Miliz der Schabak. Viele Milizen werden von Nachbarstaaten wie dem Iran oder Saudi-Arabien unterstützt. Die Türkei unterhält in Baschika nördlich von Mosul ein eigenes Ausbildungslager für sunnitische Milizen. Die Milizen haben eine ambivalente Rolle. Einerseits wäre die irakische Armee ohne sie nicht in der Lage gewesen, den IS zu besiegen und Großveranstaltungen wie die Pilgerfahrten nach Kerbala mit jährlich bis zu 20 Millionen Pilgern zu schützen. Andererseits stellen die Milizen einen enormen Machtfaktor mit Eigeninteressen dar, was sich in der gesamten Gesellschaft, der Verwaltung und in der Politik widerspiegelt und zu einem allgemeinen Klima der Korruption und des Nepotismus beiträgt. Die PMF unterstehen seit 2017 formal dem Oberbefehl des irakischen Ministerpräsidenten. Alle PMF-Einheiten sind offiziell dem Nationalen Sicherheitsberater unterstellt. Die Bemühungen der Regierung, die PMF als staatliche Sicherheitsbehörde zu formalisieren, werden fortgesetzt, aber Teile der PMF bleiben "iranisch" ausgerichtet. Das Handeln dieser unterschiedlichen Einheiten stellt zeitweise eine zusätzliche Herausforderungen in Bezug auf die Sicherheitslage dar, insbesondere - aber nicht nur - in ethnisch und religiös gemischten Gebieten des Landes.

Rechtschutz

Das reguläre Strafjustizsystem besteht aus Ermittlungsgerichten, Gerichten der ersten Instanz, Berufungsgerichten, dem Kassationsgerichtshof und der Staatsanwaltschaft. Das Oberste Bundesgericht erfüllt die Funktion eines Verfassungsgerichts. Die Verfassung garantiert die Unabhängigkeit der Justiz. Jedoch schränken bestimmte gesetzliche Bestimmungen und Einflussnahmen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz ein. Personal- und Kompetenzmangel wird zuweilen beklagt.

Die Verfassung gibt allen Bürgern das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess. Dennoch verabsäumen es Beamte vereinzelt, Angeklagte unverzüglich oder detailliert über die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu informieren. Beobachter berichteten, dass Verfahren nicht den internationalen Standards entsprechen. Obwohl Ermittlungs-, Prozess- und Berufungsrichter im Allgemeinen versuchen, das Recht auf ein faires Verfahren durchzusetzen, gibt es diesbezüglich Mängel im Verfahren. Urteile ergehen vereinzelt mit überschießend hohen Strafen.

Aufgrund von Misstrauen gegenüber Gerichten oder fehlendem Zugang wenden sich Iraker vereinzelt auch an Stammesinstitutionen, um Streitigkeiten beizulegen, selbst wenn es sich um schwere Verbrechen handelt.

Die Rechtsprechung ist in der Praxis von einem Mangel an kompetenten Richtern, Staatsanwälten sowie Justizbeamten gekennzeichnet. Eine Reihe von Urteilen lassen auf politische Einflussnahme schließen. Hohe Richter werden oftmals auch unter politischen Gesichtspunkten ausgewählt.

Sicherheitslage

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat. Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert. Vereinzelte, untergetauchte IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten für Verbrechen verantwortlich. Ebenso werden vereinzelt Übergriffe seitens schiitischer Milizen verzeichnet. Die allgemeine Kriminalitätsrate ist hoch. Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet grds. nicht statt. In der Autonomen Region Kurdistan sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt.

Wenngleich es zum Teil erhebliche Mängel im Sicherheits- und Rechtschutzsystem gibt, kann nicht davon gesprochen werden, dass für die Bevölkerung generell keine wirksamen Schutzmechanismen vorhanden wären oder, dass dazu kein Zugang möglich wäre. Ansätze zur Abhilfe und zur Professionalisierung entstehen durch internationale Unterstützung: Die Sicherheitssektorreform wird aktiv und umfassend von der internationalen Gemeinschaft unterstützt.

Es ergibt sich auf Grund der aktuellen Berichtslage nicht, dass in der Herkunftsregion der beschwerdeführenden Partei - Bagdad - oder im gesamten Irak aktuell eine Lage herrschen würde, die für eine Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit (infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes) mit sich bringen würde.

Es kann auf Grund der aktuellen Berichtslage nicht festgestellt werden, dass derzeit quasi jede Person mit dem Persönlichkeitsprofil der beschwerdeführenden Partei (insbes. ethnische, konfessionelle Zugehörigkeit) im Irak bzw. in der Herkunftsregion Bagdad einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgung aus asylrelevanten Motiven unterliegen würde.

Es kann ebenso nicht festgestellt werden, dass für diese Personen im Irak bzw. in der Herkunftsregion Bagdad eine allgemeine Sicherheitslage herrschen würde, wonach sie per se einer realen Gefahr einer Gefährdung der persönlichen Unversehrtheit ausgesetzt wären

Ca. 17-22 %, also ca. 6,5 bis 8,4 Millionen der Gesamtbevölkerung sind arabische Sunniten (vorwiegend im Zentral- und Westirak), ca. 15-20 % der Gesamtbevölkerung sind kurdische Sunniten. So wie Schiiten sind auch arabische Sunniten in hohen politischen (zB Parlamentspräsident) und öffentlichen Ämtern vertreten. Ebenso als Beschäftigte bei Polizei, Militär und Gerichten. Sunniten nehmen ebenso am sonstigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teil. Es gibt Berichte über vereinzelte Menschenrechtsverletzungen an Sunniten, va. durch schiitische Milizen oder unbekannte Täter. Vor allem Personen die Angehörige der terroristischen Gruppierung IS sind oder im Verdacht stehen solche zu sein oder diese unterstützen, können derart gefährdet sein. Auf Grund der Berichtslage lässt sich nicht schließen, dass dies Teil eines systematischen, quasi jeden Sunniten gleichermaßen treffenden Risikos ist. Sunniten, die in schiitisch dominierten Regionen leben, können gesellschaftliche Diskriminierung in einem moderaten Level erfahren, vor allem in den südlichen Gouvernements. Es handle sich vorwiegend um Diskriminierung am Arbeitsmarkt bzw. um gesellschaftliche Diskriminierung aufgrund von Nepotismus. Schiitische Arbeitgeber würden eher Schiiten einstellen. Generell ist die Zahl von registrierten, sicherheitsrelevanten Vorfällen jedoch seit dem Zeitpunkt als der IS als "vertrieben" gilt, stark rückläufig und regional unterschiedlich.

Aktuelle Versorgungslage

Auf Grund klimatischer Verhältnisse (Wasserknappheit) und zum Teil veralteter Infrastruktur kann die Versorgung mit sauberem Wasser - va im Süden des Irak - nicht überall gleich gut gewährleistet sein. Berichte, dass das Mindestm

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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