TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/8 W107 2126323-2

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Veröffentlicht am 08.05.2019
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Entscheidungsdatum

08.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W107 2126323-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Sibyll BÖCK über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen Spruchpunkt VI. (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.03.2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX nach schlepperunterstützter und illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 21.03.2016 wurde der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 abgewiesen. Gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in Folge: BVwG) erhoben.

3. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 02.03.2018 wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

4. Die gegen den Bescheid des BFA vom 21.03.2016 erhobene Beschwerde wies das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 08.02.2019, GZ W154 2126323-1/28E, als unbegründet ab.

5. Mit Schreiben des BFA vom 06.03.2019 wurde der Beschwerdeführer im Wege einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme von der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes in Kenntnis gesetzt und ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Möglichkeit zur Stellungnahme binnen sieben Tagen eingeräumt. Unter einem wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, darin näher bezeichnete Fragen zu seinen persönlichen Verhältnissen schriftlich zu beantworten und Nachweise bzw. Beweismittel hierfür vorzulegen.

Eine Stellungnahme des Beschwerdeführers erfolgte nicht.

6. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid erteilte das BFA dem Beschwerdeführer - ohne neuerliche niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers - keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I.), erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt II.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.), erteilte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V.) und erkannte einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab.

Zu Spruchpunkt IV. (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) führte das BFA unter Verweis auf die rechtlichen Erläuterungen zum verhängten Einreiseverbot zusammengefasst aus, dass der Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG darstelle, sodass dessen sofortige Ausreise erforderlich sei.

7. Mit Schreiben vom 24.04.2019 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides.

8. Die Beschwerde und der Akt des Verwaltungsverfahrens wurden dem BVwG am 02.05.2019 zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antrag des Beschwerdeführers vom XXXX auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt. Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise festgelegt.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 08.02.2019, GZ W154 2126323-1/28E, als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs mit rechtswirksamer Zustellung am 14.02.2019 in Rechtskraft.

Die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers endete am 28.02.2019. Der Beschwerdeführer hat das österreichische Bundesgebiet nicht verlassen.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 02.03.2018 wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt (Datum der Tat: 20.11.2017).

Mildernd wurden das Tatsachengeständnis des Beschwerdeführers, die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und das Anerkenntnis des zugesprochenen Schadenersatzbetrages gewertet; erschwerend wurde kein Umstand gewertet.

Weitere strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers scheinen aktuell im Strafregisterauszug nicht auf.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen beruhen allesamt auf dem vorgelegten Verwaltungsakt, dem darin einliegenden Urteil des Landesgerichts XXXX und der hg. am 06.05.2019 eingeholten Strafregisterauskunft betreffend den Beschwerdeführer.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Behebung des Spruchpunkts VI. des angefochtenen Bescheides:

Im gegenständlich angefochtenen Bescheid erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen die erlassene Rückkehrentscheidung, welche mit einem Einreisverbot verbunden wurde, die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ab.

§ 18 Abs. 2 BFA-VG, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 145/2017, lautet:

"(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

[...]."

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 2 BFA-VG ist - anders als jene nach § 18 Abs. 1 BFA-VG - zwingend (VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146). Eine Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG setzt jedoch das Vorliegen der objektiven Aberkennungsvoraussetzungen gemäß § 18 Abs. 2 leg. cit. voraus.

Die belangte Behörde begründet die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen den Bescheid vom 25.03.2019 damit, dass der Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG darstelle. Dies deshalb, weil der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung bislang nicht nachgekommen, offenkundig nicht ausreisewillig und zudem strafgerichtlich verurteilt worden sei. Sein Verhalten stelle daher eine erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich jenes an Ruhe, Ordnung und Sicherheit sowie an der Einhaltung der Umsetzung rechtsstaatlicher Entscheidungen berühre.

Hierzu ist Folgendes auszuführen:

Dass der Beschwerdeführer die 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise festgestellter Maßen nicht eingehalten hat und - wie von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgehalten - auch bereits im Zuge eines Rückkehrberatungsgesprächs im März 2016 angegeben habe, nicht rückkehrwillig zu sein, ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts jedenfalls nicht Grund genug, anzunehmen, dass die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit iSd § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG erforderlich ist.

Zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers ist auf die Judikatur des VwGH hinzuweisen, wonach - in Bezug auf einen achtfach wegen Vermögens- und Gewaltdelikten straffällig gewordenen Fremden - bei der Prüfung, ob die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit - hier: im Maßstab nach § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG - gerechtfertigt sei, eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung vorgenommen werde müsse. Die damit erforderliche, auf den konkreten Fall abstellende individuelle Prognosebeurteilung ist jeweils anhand der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (VwGH vom 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).

Im konkreten Fall wurde dem Beschwerdeführer vor Erlassung des angefochtenen Bescheides und des u.a. damit verhängten Einreiseverbotes von der belangten Behörde zwar die Möglichkeit des Parteiengehörs eingeräumt und dieser aufgefordert, schriftlich zu den von der belangten Behörde formulierten Fragen Stellung zu nehmen; eine Beurteilung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers erschien unter Zugrundelegung der zitierten Judikatur des VwGH im Hinblick auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mangels Stellungnahme des Beschwerdeführers bzw. mangels eines verschafften persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht möglich.

Gesamthaft geht aus der Begründung der belangten Behörde kein Sachverhalt hervor, der die Annahme rechtfertigen würde, dass eine sofortige Ausreise des Beschwerdeführers im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.

Damit besteht keine Grundlage für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG, weshalb dieser Spruchpunkt (VI. des angefochtenen Bescheids) ersatzlos zu beheben war.

Der gegenständlichen Beschwerde zu Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids kommt somit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens die aufschiebende Wirkung zu.

Diese Entscheidung war unverzüglich ohne weiteres Verfahren und daher unter Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung zu treffen (vgl. VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014, VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0246, VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0284); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Außerdem ist die Entscheidung über Zuerkennung bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung idR das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung, die, wenn sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wird, als einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel ist (vgl. VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung der
Entscheidung, ersatzlose Teilbehebung, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W107.2126323.2.00

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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