TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/8 L509 2159821-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.05.2019
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Entscheidungsdatum

08.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L509 2159821-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ewald HUBER-HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX auch XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.05.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.11.2018, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet von Österreich am 28.12.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Er wurde am gleichen Tag von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

Der BF gab an, er habe sein Heimatland verlassen, weil sein Vater Politiker für die "Jamaat e-Islami" (politische Partei in Bangladesch) gewesen sei und er und seine Familie aufgrund dieser Tätigkeit von Anhängern der gegnerischen politischen Partei "Awami League" bedroht worden sei. Nach dieser Drohung sei dem BF geraten worden, das Land zu verlassen.

Am 16.05.2017 wurde der BF zu seinem Antrag asylbehördlich einvernommen. Dabei gab er an, sein Vater sei Mitglied bei der "Jamaat e-Islami". "Leute" von der gegnerischen Partei hätten gesagt, sie würden ihn und seinen Sohn umbringen. Deshalb habe ihn sein Vater in das Ausland geschickt. Sein Vater und sein Bruder hätten sich versteckt und seien dadurch in Sicherheit. Wenn er (der BF) im Land verblieben wäre, hätten ihn diese Leute umgebracht oder er hätte sich verstecken müssen. In einem anderen Teil des Heimatlandes könne der BF nicht leben, da ihn die Leute - auch wenn er sich verstecken würde - umbringen werden. Hätte er diese Probleme nicht, könnte er durchaus in Bangladesch leben. So würde er aber angezeigt werden und die Polizei würde ihn dann überall in Bangladesch suchen.

2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erachtete das Vorbringen des BF für nicht glaubhaft und hat den Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 17.05.2017 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch hinsichtlich eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkte I. u. II). Gleichzeitig wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt III.). Für die freiwillige Ausreise wurde dem BF eine Frist von 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Die belangte Behörde konnte die Identität des BF nicht feststellen, ging aber aufgrund seiner Angaben davon aus, dass er Staatsbürger von Bangladesch und ledig sei, keine Kinder habe, jedoch über familiäre Anknüpfungspunkte (Eltern, Bruder, Schwester) im Heimatland verfüge. Er habe im Heimatland als Automechaniker und im Metallbau gearbeitet. Weiters habe er auch im Irak und in Griechenland gearbeitet. Sie stellte weiters fest, dass der BF ungefähr im Jahr 2013 bereits den Entschluss gefasst hätte, aus Bangladesch auszureisen. Zunächst sei der BF - von Schleppern unterstützt - in den Irak geflogen, habe dort 2 Jahre lang gelebt und er sei dann weiter in die Türkei gezogen. Von dort sei er nach einem Aufenthalt von ca. 1 Monat - wiederum von Schleppern unterstützt - nach Griechenland gekommen und nach eine 5-monatigen Aufenthalt über Mazedonien, Serbien und Ungarn bis nach Österreich gelangt.

Einer asylrelevanten Bedrohung sei der BF in seinem Heimatland nie ausgesetzt gewesen. Ebenso wenig wäre er auch im Falle der Rückkehr in seinem Heimatland am Leben oder an der Existenz bedroht und sei ihm die Rückkehr möglich und zumutbar. Familiäre oder sonstige schützenswerte Anbindungen hier in Österreich würden nicht bestehen, seine übrigen Kontakte (Besuch eines Deutschkurses, Mitglied eines Chores) würden einer Außerlandesbringung nicht entgegenstehen.

Dem BF wurden im erstinstanzlichen Verfahren auch umfangreiche Länderfeststellungen zum Herkunftsland Bangladesch zur Kenntnis gebracht.

3. Mit Verfahrensanordnung vom 18.05.2017 wurde dem BF der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt. Außerdem wurde der BF mit Verfahrensanordnung vom 17.05.2017 darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

4. Mit Schriftsatz vom 29.05.2017 ließ der BF über den Verein Menschenrechte Österreich, den er als seinen Vertreter bevollmächtigte, das Rechtsmittel der Beschwerde einbringen. Mit der Beschwerde wird der Bescheid in allen Spruchpunkten bekämpft und beantragt, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen sowie den Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem BF der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wird; in eventu dass ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, jedenfalls die Rückkehrentscheidung zu beheben; in eventu den Bescheid zu beheben und das Verfahren an die belangte Behörde zur neuen Entscheidung zurückzuverweisen.

In der Begründung der Beschwerde wird im Wesentlichen das Vorbringen des BF wiederholt und auf Länderberichte verwiesen, wonach die "Awami League" nunmehr die Macht in Bangladesch habe und gegen die Mitglieder der wichtigsten Oppositionspartei "Jamaat-al-Islami" samt deren Familienmitgliedern vorgehe, bei welcher der Vater des BF Mitglied sei. Es wurde auch angeführt, dass in Bangladesch keine effektiven staatlichen Schutzmechanismen gegen solche Bedrohungen zur Verfügung stünden. Dies gehe auch aus den Länderberichten hervor. Der BF habe sich zunächst bei Bekannten und Freunden versteckt, sich aber nie für einen längeren Zeitraum dort aufgehalten, da er Angst davor hatte, dass ihn seine Verfolger aufspüren könnten. Es stünde ihm deshalb keine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Die Abschiebung des BF nach Bangladesch würde für ihn eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 2 EMRK und Art. 2 EMRK sowie der Zusatzprotokolle zur Konvention bedeuten. Der BF habe ausführlich erzählt und detailliert geschildert, wie die Bedrohungen immer mehr an Intensität zugenommen hätten. Er sei daher nicht unglaubwürdig, wie die belangte Behörde festgestellt habe. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde erfülle nicht die Kriterien einer ganzheitlichen Würdigung des individuellen Vorbringens unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des BF und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Vorbringens. Das vollkommen stimmige Vorbringen des BF würde pauschal für unglaubwürdig erklärt, was die Mangelhaftigkeit des Verfahrens zur Folge hätte.

5. Das Bundesverwaltungsgericht hat dem BF mit Schreiben vom 28.08.2018 aktuelle Länderberichte zum Herkunftsland Bangladesch zur Kenntnis gebracht und ihn aufgefordert, Änderungen zur Rückkehrsituation einerseits und seinen persönlichen Verhältnissen hier in Österreich andererseits bekanntzugeben.

5. Der BF ließ durch seinen bevollmächtigten Vertreter schriftlich Stellung nehmen. In der Stellungnahme wird das Vorbringen des BF im Wesentlichen wiederholt. Es wird darüber hinaus angeführt, dass aus den Länderberichten klar ersichtlich sei, dass zwischen den großen Parteien (AL und BNP und somit auch JI) eine Rivalität herrsche und es immer wieder zu Auseinandersetzungen komme. Die Feststellungen würden aber im Großen und Ganzen der Lage in Bangladesch entsprechen, die Sicherheitslage hätte sich jedoch in der letzten Zeit deutlich verschlechtert. Da sich die innenpolitische Lage nicht gebessert habe, bestehe weiterhin die Gefahr, dass der BF aufgrund seiner politischen Gesinnung verfolgt werde. Politisch motivierte Gewalt und allgegenwärtige Korruption blieben ernste Probleme. Dazu wurden Berichte und Zeitungsartikel zitiert, die über ein Vorgehen gegen Unterstützer der Oppositionsparteien BNP und "Jamaat-e-Islami" berichten. Es wird ausgeführt, dass aktuell ein autoritärer Regierungskurs geführt werde, der gegen jegliche Oppositionsbewegung gerichtet sei. Bangladesch leide außerdem unter islamistischem Terror. Das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres informiere über ausgeübte Terrorattentate in Bangladesch. Das Land habe die Sicherheitsstufe 4 erreicht. Die Rückkehr des BF sei ihm daher aus diesem Grunde nicht zumutbar, zumal er aufgrund der ihm unterstellten politischen Gesinnung und der allgemeinen Sicherheitslage in eine ausweglose Situation geraten würde.

Weiters wird ausgeführt, der BF könne keine Beweismittel vorlegen, die seine Fluchtgeschichte belegen könnten. Es sei ihm auch unmöglich, solche zu beschaffen, da die Verfolgung von führenden Anhängern der regierenden Partei in Bangladesch ausgehe. Trotz Fehlens solcher Beweismittel müsse davon ausgegangen werden, dass die Verfolgungsgefahr angesichts der angeführten Berichte und seiner individuellen Lage objektiv nachvollziehbar gegeben sei. Seine (in Bangladesch lebende) Kernfamilie habe die Wohnadresse gewechselt. Die Eltern würden zurzeit getrennt leben, die Mutter des BF befinde sich in der Hauptstadt von Bangladesch und der Rest der Familie sei ins Ausland geflohen - der Vater Richtung Indien, der Bruder Richtung Saudi-Arabien. Der BF sei in Österreich bereits integriert, er habe regelmäßig Deutsch-Kurse besucht und mehrere Deutschprüfungen erfolgreich abgeschlossen. Zurzeit befinde er sich in einem Hotel in einer Lehrausbildung als Koch und besuche derzeit die Berufsschule in XXXX . Es liege schon eine intensive Bindung zur Republik Österreich vor und er habe ein ausgeprägtes Privatleben iSd EMRK, was seiner Ausweisung widerspreche. Vor ca. einem Jahr habe sich der BF einem chirurgischen Eingriff im Bauchbereich unterziehen müssen. Sonst leide der BF an keiner Erkrankung und ist er auch nicht in ärztlicher Behandlung. Trotz seines relativ guten Gesundheitszustandes würde der BF jedoch im Falle der Rückkehr in eine lebensbedrohende Lage kommen. Aufgrund des Geschilderten würde der BF jedenfalls einer realen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein. Wenn ihm der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt werden könne, wäre ihm jedenfalls der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

Der Beschwerde wurde ein Lehrvertrag vom 26.02.2018 angeschlossen. Demnach steht der BF seit 20.12.2017 bis 19.12.2020 in einem Lehrverhältnis als Koch in einem Hotelbetrieb seines Wohnortes. Seit 03.09.2018 befindet sich der BF in der Berufsschule L. Seit Jänner 2018 bis August 2018 bezieht der BF ein Nettoeinkommen von ca. 600 bis 700 Euro/monatlich. Von August 2017 bis Oktober 2017 absolvierte der BF einen Deutschkurs. Der Lehrberechtigte (Ausbildungsberechtigte) ist außerdem im Besitze einer auf den BF lautende Beschäftigungsbewilligung des AMS B. vom 07.12.2017 bis 03.03.2021 nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das Bundesverwaltungsgericht hat Einsicht in den erstinstanzlichen Verfahrensakt genommen und bei seiner Entscheidung die Angaben des BF sowie die Ausführungen seiner rechtlichen Vertretung in der Beschwerde und der nachfolgenden Stellungnahme berücksichtigt. Zur Feststellung der für den BF relevanten asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsland wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 08.01.2018 betreffend Bangladesch herangezogen, welches dem BF zur Kenntnis gebracht und ihm Gelegenheit gegeben wurde, dazu Stellung zu nehmen. Darin sind die Kapitel 1. Politische Lage, 2. Sicherheitslage, 3. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition, 4. Bewegungsfreiheit, 5 Grundversorgung und Wirtschaft sowie 6. Rückkehr abgehandelt. Der BF hat von der Gelegenheit Stellung zu nehmen Gebrauch gemacht (vergl. oben I.5.). Weiters wurde Beweis erhoben durch persönlichen Einvernahme des BF in einer öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung am 08.11.2018. Dabei legte der BF auch eine Kopie einer Geburtsurkunde zur Bescheinigung seiner Identität vor, welche in die deutsche Sprache übersetzt wurde.

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und gehört zur Volksgruppe der Bengalen. Er trägt den im Spruch angeführten Namen und wird von dem angegebenen Geburtsdatum ausgegangen. Er reiste im Dezember 2016 illegal in das Bundesgebiet von Österreich ein und legte bis dato lediglich die Kopie einer Geburtsurkunde in seiner Landessprache ohne Lichtbild vor. Daher konnte seine Identität nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden.

Von seinen Familienangehörigen lebt nach wie vor jedenfalls seine Mutter in Bangladesch, in der Hauptstadt Dhaka. Die Ausreise aus dem Heimatland erfolgte ca. 3 Jahre vor der Antragstellung legal mit bengalischem Reisepass in den Irak, wo sich der BF ca. 2 Jahre lang aufgehalten und wo er auch als Reinigungskraft und Hausdiener ein Einkommen bezogen hat. Über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn gelangte der BF schließlich nach Österreich. Auch in Griechenland hat der BF eine Beschäftigung ausgeübt.

Die Weiterreise ist mit hoher Wahrscheinlichkeit illegal erfolgt. Zum Teil hat der BF für die Reise die Hilfe von Schleppern beansprucht.

Das Vorbringen des BF zum Grund des Verlassens seines Heimatlandes ist nicht glaubhaft. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass der BF in Bangladesch einer aktuellen und unmittelbaren persönlichen, sowie konkreten Gefährdung, Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt war oder im Falle seiner Rückkehr dorthin ausgesetzt wäre. Des Weiteren liegen weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", noch für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Bangladesch gegeben ist.

Zum Herkunftsland Bangladesch sind folgende für den vorliegenden Fall relevante Feststellungen zu treffen:

1. Politische Lage

Bangladesch ist eine Volksrepublik (People' s Republic of Bangladesh) mit einer seit 1991 wieder geltenden parlamentarischen Demokratie als Regierungsform (GIZ 5.2017).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird, eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt Großteils zeremonielle Funktionen aus, die Macht liegt in den Händen des Premierministers als Regierungschef, der von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt wird. Der Premierminister, ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der 5-jährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige "Caretaker"-Regierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB New Delhi 12.2016; vgl. GIZ 5.2017). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 5.2017). Aktuell hat Sheikh Hasina von der Awami League (AL) das Amt der Premierministerin inne (ÖB New Delhi 12.2016)

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300 in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten Abgeordneten (ÖB New Delhi 12.2016) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 14.1.2016). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der "Caretaker"-Regierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB New Delhi 12.2016).

Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die "Awami League" (AL) und "Bangladesh Nationalist Party" (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind stark politisiert und parteipolitisch durchdrungen (AA 3.2017a). AL und BNP werden quasi-dynastisch von Sheikh Hasina und Begum Khaleda Zia geführt, die das politische Vermächtnis ihrer ermordeten Männer fortführen und eine unangefochtene Machtstellung in ihrer jeweiligen Partei genießen. Sie beeinflussen den Kandidatenauswahlprozess für Partei- und Staatsämter und geben den Takt für die politischen Auseinandersetzungen vor. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks (Hartals) großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 5.2017). Nennenswerte parlamentarische Stärke haben in der Vergangenheit sonst nur die Jatiya Party (JP) und die JI erzielt (GIZ 5.2017).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto jedoch die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten ist. Wie schon die Vorgängerregierungen, so baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in der Verwaltung, im Rechtswesen und im Militär aus. Auch im Regierungskabinett folgen Ernennungen und Umbesetzungen meist dem Prinzip der Patronage (GIZ 5.2017).

Bereits am 30.7.2011 hat das Parlament bei nur einer Gegenstimme, die BNP und ihre Verbündeten haben der Parlamentssitzung nicht beigewohnt, in der 15. Verfassungsänderung den Islam als Staatsreligion bestätigt, jedoch den Zusatz "Absolutes Vertrauen und der Glauben an den Allmächtigen Allah soll die Basis allen Handelns sein" aus der Verfassung gestrichen. Ungeachtet der ausgeprägten Leistungsdefizite staatlicher Institutionen, der undemokratischen innerparteilichen? Entscheidungsstrukturen und der in der letzten Dekade verstärkt gewalttätig ausgetragenen Parteienrivalität ist der Glauben an die Demokratie innerhalb der Bevölkerung ungebrochen (GIZ 5.2017; vgl. AA 3.2017a).

Am 5.1.2014 boykottierte die BNP die 10. Parlamentswahlen wodurch die AL eine verfassungsändernde Mehrheit erreichen konnte. Weitere Sitze gingen an Koalitionspartner der AL. Die sehr geringe Wahlbeteiligung von nur ca. 30% bei den Parlamentswahlen 2014 ist auf den Wahlboykott der Opposition zurückzuführen. Es gab Berichte über massive Einschüchterungsversuche wahlbereiter Bürger seitens oppositioneller Gruppen (GIZ 5.2017; vgl. AA 3.2017a). Am Wahltag wurden mindestens 21 Menschen getötet und über 130 Wahllokale in Brand gesetzt. Die Opposition reagierte bereits einen Tag nach den Wahlen mit Generalstreiks und in vielen Distrikten wurde über Attacken gegen ethnische und religiöse Minderheiten, v.a. Hindus, berichtet. Die AL versuchte mit gezielten Verhaftungen von Oppositionspolitikern den Druck auf das Regime zu schwächen (GIZ 5.2017).

Die verfassungsändernde Mehrheit im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration in den Händen der AL respektive der Regierung. Mit neuen Gesetzen zu Medien, Äußerungen im Internet, Absetzung von obersten Richtern und Förderung von NGOs aus dem Ausland wird diese Konzentration noch weiter verstärkt. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren (AA 3.2017a). Auch die BNP ist dadurch in der Defensive (GIZ 5.2017). Die Prozesse und (häufig Todes-) Urteile öffnen alte Wunden und führen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen säkularen und islamistischen Kräften (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden acht Todesurteile und mehrere lebenslange Haftstrafen ausgesprochen, sechs Hinrichtungen wurden vollstreckt. Dabei hat sich innerhalb der säkularen Zivilgesellschaft mit Blick auf das Kriegsverbrechertribunal ein grundlegender Dissens entwickelt: Während die einen auf rechtstaatliche Standards pochen und die Todesstrafe ablehnen, ist für andere, v.a. aus der urbanen Protestbewegung Shabagh, jedes Urteil unterhalb der Todesstrafe inakzeptabel (GIZ 5.2017).

Bei den am 30.12.2015 in 234 Stadtbezirken durchgeführten Kommunalwahlen in Bangladesch ist die regierende AL als Siegerin hervorgegangen (NETZ 2.1.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2017): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/#c14332, Zugriff 9.6.2017

-

HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/334685/476437_de.html, Zugriff 9.6.2017

-

NETZ - Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit e.V. (2.1.2016): Bangladesch Aktuell, http://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/kommunalwahlen/cHash/781fa29261a9302cfb84107680f22794.html, Zugriff 9.6.2017

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

2. Sicherheitslage

Es gibt in Bangladesch keine Bürgerkriegsgebiete (AA 3.2017a).

Die Opposition organisierte Proteste und Straßenblockaden, unter denen die Wirtschaft leidet. Die Regierung reagiert mit Verhaftungen und mit Einschränkungen von Grundrechten. Sie will die öffentliche Ruhe mit allen Mitteln wiederherstellen. Die internationale Gemeinschaft verurteilte die Gewalt scharf und hat die Beteiligten zum Dialog aufgerufen (GIZ 5.2017).

Extremistische Gruppen, wie Jamaat-ul-Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansar al-Islam, die ihre Zugehörigkeit zu Daesh und Al Qaida auf dem indischen Subkontinent (AQIS) erklärten, haben Angriffe auf Angehörige religiöser Minderheiten, Akademiker, Ausländer, Menschenrechtsaktivisten und LGBTI-Personen, sowie weitere Gruppen durchgeführt (USDOS 3.3.2017; vgl. AI 22.2.2017). Medienberichten zufolge hat die Terrororganisation IS 2016 für 39 Morde die Verantwortung übernommen, der bengalische Al-Kaida-Ableger soll sich zu acht Taten bekannt haben (GIZ 5.2017). Die Sicherheitsbehörden waren zunächst nicht bereit, angemessene Schutzmaßnahmen zu veranlassen, gewährt aber in vielen Fällen inzwischen Personenschutz (AA 14.1.2016). Darüber hinaus kommt es regelmäßig zu intra- und interreligiöser Gewalt (AA 3.2017a; vgl. AI 22.2.2017). die Polizei tötete laut eigenen Angaben mindestens 45 mutmaßliche Terroristen in Schießereien (AI 22.2.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

-

AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/336450/479091_de.html, Zugriff 28.6.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2017): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/#c14332, Zugriff 9.6.2017

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USDOS (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 12.6.2017

3. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wird von der Verfassung garantiert, von der Regierung für oppositionelle politische Parteien jedoch beschnitten. Proteste und Demonstrationen müssen vorab genehmigt werden und die Regierung hat das Recht Versammlungen von mehr als vier Personen zu verbieten (USDOS 3.3.2017).

Es sind Fälle bekannt geworden, in denen politischen Gruppen unter dem Vorwand der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gemäß § 144 Strafprozessgesetz die Versammlungsfreiheit abgesprochen wurde (AA 14.1.2016). 2016 hat die Regierung mehrere Treffen, Versammlungen und Kundgebungen die von verschiedenen politischen Parteien und progressiven Organisationen organisiert worden waren, verboten und angegriffen (Odhikar 2017; vgl. ÖB New Delhi). Durch Verhaftungen von Parteiaktivisten versucht die Regierung Kundgebungen zu verhindern. Oft werden Demonstranten bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften verletzt, gelegentlich sogar getötet (FH 1.2017).

Die Gründung von Gewerkschaften wurde aufgrund einer Gesetzesreform 2015 erleichtert, jedoch sehen sich Gewerkschaftsführer Entlassungen und körperlicher Einschüchterung ausgesetzt. Ebenso sehen sich Arbeitsrechts-Organisationen, wie Bangladesh Center for Workers' Solidarity Belästigung ausgesetzt. Beschwerden wegen unsicherer Arbeitsbedingungen, besonders in der schnell wachsenden Kleidungsherstellung, führen immer wieder zu Streiks. Im Zuge eines Wochenlangen Streiks im Dezember 2016 wurden mindestens 1.500 Arbeiter entlassen und Gewerkschaftsführer inhaftiert (FH 1.2017).

Frontorganisationen der Parteien AL und BNP (Studentenvereinigungen, Bauern- und Arbeitervertretungen) sind teilweise militant und weisen Strukturen krimineller Banden oder Milizen auf. So sind etwa Mitglieder der Studentenorganisationen Chattra League (AL) und Chattro Dal (BNP) mit Klein- und anderen Waffen ausgestattet und kontrollieren, anstelle der Universitätsverwaltung, die Vergabe von Bau- und Instandhaltungsarbeiten an der Universität. Andere Frontorganisationen sind in kriminelle Machenschaften wie Erpressung oder die illegale Kontrolle von Aufträgen im öffentlichen Beschaffungswesen verwickelt. Madrassen werden oft als Instrument genutzt, um Ideologien zu verbreiten und um als Deckmantel für militante Aktionen zu dienen. Allein die in Kuwait ansässige RIHS (Revival of Islamic Heritage Society) kanalisierte Gelder nach Bangladesch, mit denen mehr als 1.000 Moscheen und Madrassen errichtet wurden, auch mit dem Ziel, Jihadis zu rekrutieren (GIZ 8.2017).

Die Mitgliedschaft oder die Unterstützung einer Oppositionspartei führt nicht per se zu einer Verfolgung durch die Regierung. Allerdings hat die Regierung seit dem Wahlboykott Anfang 2014 viele Oppositionspolitiker verhaften lassen. Allein im Januar 2015 sollen 7.000 Aktivisten verhaftet worden sein, wobei auch vor hochrangigen Politikern nicht Halt gemacht wurde. Verhaftungen und strafrechtliche Verfahren werden traditionell mit Vorwürfen wegen Korruption, Steuerhinterziehung oder Erpressung begründet. Hinzu kommen nun auch Vorwürfe wegen Anstiftung zu bzw. Durchführung von Brandanschlägen (AA 14.1.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/336450/479091_de.html, Zugriff 28.6.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2017): Geschichte & Staat,

https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/#c3828, Zugriff 28.6.2017

-

FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/341770/485095_de.html, Zugriff 28.6.2017

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

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Odhikar (2017): BANGLADESH - Annual Human Rights Report 2016, http://1dgy051vgyxh41o8cj16kk7s19f2.wpengine.netdna-cdn.com/wp-content/uploads/2017/01/AHRR-2016_Eng.pdf, Zugriff 12.6.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 28.6.2017

4. Bewegungsfreiheit

Artikel 36 der Verfassung garantiert die Freizügigkeit. Bürger ist es somit gestattet sich auch in anderen Landesteilen niederzulassen (AA 14.1.2016; vgl. Freedom House 1.2017). Es liegen auch keine Einschränkungen hinsichtlich der Ein- oder Ausreise vor (ÖB New Delhi 12.2016; vgl. Freedom House 1.2017). Personen, die in der Vergangenheit bereits ihren Pass verloren haben, bekommen allerdings oft nur Reisepässe, die nur wenige Monate gültig sind, ausgestellt. Generell kommt es zu teils enormen Verzögerung bei der Reisepassausstellung (ÖB New Delhi 12.2016). Auch manche Oppositionspolitiker berichten von langen Verzögerungen bei der Erneuerung von Reisepässen, zusätzlich von Belästigungen und Verzögerungen an Flughäfen (USDOS 3.3.2017).

Frauen brauchen keine Erlaubnis ihrer Väter oder Ehemänner um zu reisen. Minderjährige über 12 Jahre brauchen keinen gesetzlichen Vertreter um einen Pass zu beantragen. Sie dürfen auch alleine reisen, bedürfen dazu aber eines speziellen, von einem Elternteil unterschriebenen Formulars (ÖB New Delhi 12.2016).

Grundsätzlich respektiert die Regierung die Rechte der inländischen und ausländischen Bewegungsfreiheit und Emigration und Rückkehr von Bürgern, mit Ausnahme der zwei sensiblen Regionen, Chittagong Hill Tracts und Cox's Bazar (USDOS 3.3.2017). Die Regierung hat 2015 Restriktionen für ausländische Reisende in diese Gebiete, in denen viele nichtregistrierte Rohingyas außerhalb der zwei offiziellen Flüchtlingscamps in den Städten und Dörfern leben, angekündigt, allerdings war die Art der Umsetzung zum damaligen Zeitpunkt noch unklar (ÖB New Delhi 12.2016).

Ein Ausreiseverbot besteht für Verdächtige an den Kriegsverbrechen während des Unabhängigkeitskriegs 1971 (ÖB New Delhi 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/341770/485095_de.html, Zugriff 28.6.2017

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 28.6.2017

4.1. Meldewesen

Es existiert kein staatliches Meldewesen oder Staatsangehörigkeitsregister in Bangladesch (ÖB New Delhi 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

5. Grundversorgung und Wirtschaft

Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln hat sich in den vergangenen Jahren wesentlich verbessert. Bei regionaler Nahrungsmittelknappheit werden von der Regierung Bezugsscheine für staatliche Nothilferationen ausgegeben. Sonstige staatliche Hilfe für bedürftige Personen gibt es nicht. Nichtstaatliche Unterstützung durch religiös ausgerichtete Wohltätigkeitsvereine und andere NGOs kann in Anbetracht der hohen Bevölkerungszahl nur einem kleinen Teil der Bedürftigen geleistet werden. Eine flächendeckende soziale Absicherung besteht nicht (AA 14.1.2016). Obwohl die Armutsquote in den letzten zwei Dekaden zurückging, leben weiterhin fast 26,5% der Bevölkerung (ca. 44 Millionen) unterhalb der Armutsgrenze von 1,25 USD. Unter- sowie Fehlernährung bleiben weit verbreitete Phänomene. Das Bevölkerungswachstum liegt bei 1,34%, die Geburtenziffer je Frau bei 2,24 (AA 3.2017).

Die Volkswirtschaft Bangladeschs hat sich - zumindest in monetärer Hinsicht - in den Jahren seit der Unabhängigkeit von einer vorwiegend landwirtschaftlich geprägten Ökonomie zu einer Industrie- und Dienstleistungsökonomie gewandelt. Der traditionell stark entwickelte Sektor der Landwirtschaft trägt heute nur noch knapp ein Sechstel zum BIP bei (GIZ 6.2017). Allerdings ist etwa die Hälfte der Bevölkerung in der Landwirtschaft beschäftigt - mit Reis als allerwichtigstem Erzeugnis (CIA 26.7.2017). Demgegenüber steht ein erheblicher Bedeutungsgewinn des industriellen Sektors und des Dienstleistungsbereichs (GIZ 6.2017), auf den 2016 geschätzt 56,3% des BIP gefallen sind (CIA 26.7.2017).

Bangladeschs Wirtschaft ist seit 1996 jährlich um rund 6% gewachsen, trotz politischer Instabilität, schlechter Infrastruktur, Korruption, unzureichender Stromversorgung, langsamer Umsetzung der Wirtschaftsreformen (CIA 26.7.2017).

Der Export von Kleidungsstücken, das Rückgrat des Industriesektors Bangladeschs, der 80% der Exporte ausmacht, hat im Jahr 2016 über 25 Milliarden USD überstiegen.

Der Sektor wächst trotz einer Reihe von Fabriksunfällen, bei denen mehr als 1.000 Arbeiter getötet wurden, sowie lähmenden Streiks wie beispielsweise einer landesweiten, mehrere Monate dauernden Transportblockade, die Anfang 2015 durch die Opposition veranlasst wurde, weiterhin (CIA 26.7.2017).

Ein verlässliches Wachstum des Exports von Kleidungsstücken kombiniert mit Überweisungen von Bangladeschi aus Übersee, die sich 2016 auf etwa 15 Milliarden USD und 8% des BIP beliefen, machen den größten Anteil an Bangladeschs Leistungsbilanz und steigenden Devisenreserven aus (CIA 26.7.2017). Ungeachtet des Wachstums der Textilindustrie ist die Struktur des industriellen Sektors nach wie vor durch die Be- und Verarbeitung von Agrarprodukten, eine geringe Diversifizierung, viele Betriebe der Klein- und Heimindustrie und nur wenige große und mittlere Betriebe gekennzeichnet. Die Schlüsselindustrien sind in den Großräumen Dhaka und Chittagong konzentriert. Im Dienstleistungssektor arbeiten etwa 30% der Erwerbsbevölkerung Bangladeschs, die mehr als die Hälfte des BIP durch Dienstleistungen erwirtschaften (GIZ 6.2017).

Arbeitsmigration, vornehmlich in die Golfstaaten und Malaysia, ist stark ausgeprägt und wird von der Regierung gefördert. Ca. 8,6 Mio. bangladeschische Staatsangehörige arbeiten im Ausland. Die Migration wird durch das "Bureau of Manpower, Employment and Training" (BMET) gesteuert. Daneben existieren weitere Organisationen, die sich der Bedürfnisse der Wanderarbeiter vor Ausreise und nach Rückkehr annehmen. (z.B. "BRAC", "Welfare Association of Bangladeshi Returnee Employees", "Bangladesh Migrant Centre", "Bangladesh Women Migrants Association"). Dachverband ist das "Bangladesh Migration Development Forum" (BMDF). Diese Organisationen werden aber auch bei zurückgeführten Personen aktiv (AA 14.1.2016).

Die Vergabe von Mikrokrediten gehört zu den am meisten eingesetzten Instrumenten der Armutsbekämpfung in Bangladesch. Maßgeblich zu ihrer Verbreitung in Bangladesch beigetragen hat die Grameen Bank. Mittlerweile hat sie bei den zahlreich vertretenden NGOs im Land Nachahmer gefunden. Auch diese geben nun Kredite an die jeweiligen Zielgruppen und helfen dabei, Klein- und Kleinstunternehmen zu starten. Ende 2006 wurde dem Gründer der Bank, Muhammad Yunus, und der Grameen Bank der Friedensnobelpreis verliehen (GIZ 6.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017b): Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Wirtschaft_node.html, Zurgiff 27.7.2017

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CIA - Central Intelligence Agency (26.7.2017): The world factbook

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Bangladesh,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/bg.html, Zugriff 27.7.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2017): Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/bangladesch/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 28.6.2017

6. Rückkehr

Die Rückkehr bangladeschischer Staatsangehöriger unterliegt keinen rechtlichen Beschränkungen (AA 14.1.2016). Es gibt keine Hinweise darauf, dass Abgeschobene bei ihrer Rückkehr nach Bangladesch mit staatlichen Sanktionen oder Repressionen zu rechnen haben. Sofern es sich um Opfer von Schlepperei handelt, können sie allerdings auch nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen. Es gibt einige NGOs, die sich um Menschenhandelsopfer kümmern. Problematisch ist, dass "erfolglose Rückkehrer" von ihren Familien und lokalen Gemeinschaften als Schandfleck betrachtet werden (ÖB New Delhi 12.2016).

Staatliche Repressionen nach Rückkehr wegen oppositioneller Tätigkeiten im Ausland (z.B. Demonstrationen und Presseartikel in Deutschland) sind nicht bekannt. Der International Organization for Migration (IOM) ist kein Fall bekannt, in dem eine rückgeführte Person misshandelt wurde. In einigen seltenen Fällen wurden die Rückkehrer zu einem so genannten "General Diary" gebeten. Nach IOM Angaben handelt es sich dabei um ein ca. halbstündiges Gespräch mit der Immigrationsbehörde, die die Daten des Rückkehrers aufnimmt und ihn zum Auslandsaufenthalt befragt. IOM sind bislang keine Fälle bekannt geworden, in denen dem Rückkehrer ein Nachteil entstanden ist. Besondere Vorkommnisse sind anlässlich der Durchführung der Einreisekontrollen nicht bekannt geworden (AA 14.1.2016).

IOM betreut nur Personen, die freiwillig zurückkehren und ist am Flughafen Dhaka mit einem Büro und Mitarbeitern präsent und kann im Rahmen von Betreuungs- und Integrationsvereinbarungen die Betreuung vor Ort übernehmen. Diese Hilfe umfasst die Betreuung und Begleitung anlässlich der Ankunft, soweit erforderlich die Vermittlung von Kontakten zur Familie des Rückkehrers und die Vermittlung von Kontakten zu anderen Organisationen, die weiterführende Hilfe leisten können. Ferner leistet IOM praktische Reintegrationsbetreuung und -begleitung. IOM Dhaka betreute im vergangenen Jahr abgelehnte Asylbewerber oder andere zurückgekehrte Personen u. a. aus Großbritannien, der Schweiz, Australien und Belgien. IOM bestätigt, dass in Bangladesch familiäre und verwandtschaftliche Unterstützung letztendlich für die Rückkehrer maßgeblich sind und dem Rückkehrer als Auffangnetz in einer kritischen Lebensphase dienen. Rückkehrer sind, auch ohne die oben genannten Institutionen, aufgrund der großen Familien, enger, weit verzweigter Verwandtschaftsverhältnisse und noch intakter nachbarschaftlicher bzw. dörflicher Strukturen regelmäßig nicht auf sich allein gestellt (AA 14.1.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des BF und seinen persönlichen wie familiären Verhältnissen gründen sich auf dessen Angaben. Aufgrund der von ihm benutzten Sprache, die er als seine Muttersprache bezeichnete, ist davon auszugehen, dass er Staatsangehöriger von Bangladesch ist und er der Volksgruppe der Bengalen angehört. Die Angaben diesbezüglich sind plausibel und geben keine Anhaltspunkte für Zweifel. Seine Identität belegte der BF durch Vorlage der Kopie einer in der bengalischen Sprache abgefassten Geburtsurkunde. Diese spricht zwar für die Richtigkeit der angegebenen Identität, ein eindeutiger Nachweis der Identität wurde dadurch aber nicht erbracht. Es ist daher von einer bloßen Verfahrensidentität auszugehen.

2.2. Das Vorbringen des BF ist nicht glaubhaft. Er hat in der mündlichen Beschwerdeverhandlung keinen glaubwürdigen Eindruck gemacht und konnte nicht überzeugend darlegen, dass der Grund für seine Ausreise Asylrelevanz hatte; dies aus folgenden Gründen:

Der BF hat in der mündlichen Beschwerdeverhandlung auf die Frage, warum er das Heimatland verlassen hat, lediglich einen einzigen Satz angegeben ("Mein Vater war Politiker von Jamaat-islami und wurde von der Regierungspartei verfolgt."). Auf Nachfrage ob er das konkreter beschreiben könne und ob das alles wäre, was er dazu sagen könne, führte er 3 Sätze an: "Die Regierungspartei hat die Jamaat-Mitglieder angezeigt. Deshalb haben wir unser Dorf verlassen. Wir sind nach Dhaka gegangen, dort haben wir auch Probleme bekommen." Er musste wiederum aufgefordert werden, Details wie Zeiten und nähere Umstände anzugeben. Dies war während der gesamten Befragung immer wieder notwendig, da der BF nicht bereit war, von sich aus einen einigermaßen zusammenhängenden Sachverhalt zu erzählen oder Probleme zu schildern, die ihn zum Verlassen des Heimatlandes veranlasst haben. Er schien stets darauf zu warten, welche Fragen gestellt werden, um darauf eine möglichst kurze und unverfängliche Antwort geben zu können. Aufforderungen zu konkreteren oder ausführlicheren Angaben blieben regelmäßig erfolglos.

Das Bundesverwaltungsgericht kam dadurch nicht zur Überzeugung, dass der BF wahrheitsgemäße Antworten gibt, was seine persönliche Glaubwürdigkeit stark bezweifeln lässt.

Für die Annahme, dass keinerlei Verfolgungshandlungen vorlagen und er solche auch nicht zu befürchten hatte, spricht auch, dass der BF legal zur Arbeitsaufnahme in den Irak gereist ist und dort 2 1/2 Jahre lang einer Beschäftigung nachgegangen ist. Weiters hat der BF in keinem der EU-Mitgliedsstaaten, durch die er gereist ist, bis er in Österreich eintraf, einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Selbst eine Aufenthaltsdauer von 6 Monaten in Griechenland, wo er ebenfalls einer Beschäftigung nachging, hat er nicht dazu genutzt, um einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. All das spricht dagegen, dass der BF begründete Furcht vor einer Verfolgung hatte. Vielmehr ist anzunehmen, dass der BF andere (wirtschaftliche) Gründe hatte, um aus seinem Heimatland auszuwandern und die Regelungen des Asylrechts bloß benutzen wollte, um auf diese Weise einen Aufenthaltstitel zu erlangen.

Folglich ist auch der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie letztlich zum Schluss gelangt, dass das gesamte Vorbringen oberflächlich ist, Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten aufweist und dieses als erfunden zu dem Zweck beurteilt, um im Wege des Asylre

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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