Entscheidungsdatum
13.05.2019Norm
ABGB §229Spruch
W214 2134965-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SOUHRADA-KIRCHMAYER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch den gerichtlichen Erwachsenenvertreter Dr. XXXX , gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 04.08.2016, Zl. 100 Jv 2377/16z-33a, betreffend ein Verfahren nach dem GGG zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Mit Schreiben vom 20.11.2015 legte der (damalige) Sachwalter der nunmehrigen Beschwerdeführerin einen Bericht und die Pflegschaftsrechnung vor und beantragte under anderem Gebührenbefreiung in Sinne der Anm. 8 zu TP 7 lit. c Z 2 GGG.
2. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 23.11.2015, Zl. XXXX (im Folgenden: ON 112), wurde der Bericht des Sachwalters zur Kenntnis genommen und die Pflegschaftsrechnung für die nunmehrige Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 01.11.2014 bis zum 30.10.2015 mit Einnahmen in Höhe von EUR 18.017,49 und Ausgaben in Höhe von EUR 19.252,08, daher - unter Mitberücksichtigung eines Vorsaldos in Höhe von EUR 3.145,05 - mit einem Saldo in Höhe von EUR 1.910,46 pflegschaftsgerichtlich bestätigt.
3. Nachdem im Mandatsverfahren am 18.03.2016 ein Zahlungsauftrag/Mandatsbescheid erlassen und die nunmehrige Beschwerdeführerin (ua.) zur Zahlung einer Entscheidungsgebühr nach TP 7 lit. c Z 2 GGG zuzüglich der Einhebungsgebühr nach § 6 a GEG binnen Frist aufgefordert wurde, erhob sie fristgerecht das Rechtsmittel der Vorstellung und trat der Mandatsbescheid daher ex lege außer Kraft.
4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid (Zahlungsauftrag) vom 04.08.2016 wurde die Beschwerdeführerin sodann im ordentlichen Verfahren in dieser Pflegschaftssache aufgefordert, eine Entscheidungsgebühr nach TP 7 lit. c Z 2 GGG (für ON 112) in Höhe von EUR 175,00 (aufgrund einer Bemessungsgrundlage von EUR 700,00) zuzüglich einer Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs. 1 GEG in Höhe von EUR 8,00, insgesamt daher EUR 183,00 binnen 14 Tagen zur Einzahlung zu bringen.
Rechtlich erwog die Behörde, dass bei der Berechnung der Einkünfte, die für die Frage, ob die Beschwerdeführerin im Verfahren über die Bestätigung der Pflegschaftsrechnung gebührenbefreit ist, folgende Posten unberücksichtigt zu bleiben hätten: das Pflegegeld in Höhe von EUR 1.737,30 und die Familienbeihilfe für das Kind in Höhe von EUR 2.335,20, sodass sich ein relevantes Einkommen von EUR 13.944,99 ergebe, welches über der relevanten Schwelle von EUR 13.244,00 liege.
5. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in der sie Folgendes erklärte: Die Behörde habe übersehen, dass die Beschwerdeführerin von der MA 40 monatlich Mietbeihilfe in Höhe von EUR 194,34 überwiesen erhalte. Dieser Betrag sei ebenfalls in Abzug zu bringen, weil er zweckgebunden sei. Unter Berücksichtigung dieses Abzugspostens in Höhe von EUR 2.332,08 werde die Wertgrenze von EUR 13.244,00 nicht überschritten, weshalb die Voraussetzungen für die Gebührenbefreiung vorlägen und der bekämpfte Bescheid aufzuheben sei.
6. Auf Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichtes legte der (nunmehrige) gerichtliche Erwachsenenvertreter mit Schreiben vom 28.03.2019 die Bescheide der MA 40 vor, mit denen der Beschwerdeführerin u. a. Mietbeihilfe zuerkannt wurde und in denen die Beträge auch näher aufgeschlüsselt sind.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Das Bundesverwaltungsgericht legt seiner Entscheidung den unter Punkt I. dargestellten - unbestrittenen - Sachverhalt zugrunde.
Fest steht daher, dass mit rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 23.11.2015, die Pflegschaftsrechnung für die nunmehrige Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 01.11.2014 bis zum 30.10.2015 mit Einnahmen in Höhe von EUR 18.017,49 und Ausgaben in Höhe von EUR 19.252,08, daher - unter Mitberücksichtigung eines Vorsaldos in Höhe von EUR 3.145,05 - mit einem Saldo in Höhe von EUR 1.910,46 pflegschaftsgerichtlich bestätigt wurde.
Die Beschwerdeführerin hat im verfahrensgegenständlichen Zeitraum von November 2014 bis April 2015 Mindestsicherung in der Höhe von EUR 813,99 monatlich sowie Mietbeihilfe in der Höhe von EUR 194,34 bezogen, für den Zeitraum von Mai 2015 bis Oktober 2015 hat die Beschwerdeführerin Mindestsicherung in der Höhe von EUR 827,82 monatlich sowie Mietbehilfe in der Höhe von EUR 197,63 bezogen.
Die Mietbeihilfe beläuft sich sohin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum auf gesamt EUR 2.351,82.
Das für die Bemessung der Gebühren relevante Einkommen der Beschwerdeführerin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum beläuft sich daher auf insgesamt EUR 11.593,17.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes, aus dem Bescheid der Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien sowie aus den vom gerichtlichen Erwachsenenvertreter im Vefahren vor dem BVwG vorgelegten unbedenklichen Bescheiden der MA 40 Wien, aus denen die Gewährung von Mietbeihilfe in der festgestellten Höhe hervorgeht.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Ersatzlose Behebung:
3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
3.2. Zur Zulässigkeit:
Die Beschwerde wurde fristwahrend erhoben und es liegen auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vor.
3.3. In der Sache:
Gemäß TP 7 lit. c Z 2 GGG (in der hier maßgeblichen Fassung) beträgt die Pauschalgebühr über die Bestätigung der Pflegschaftsrechnung volljähriger Pflegebefohlener (§ 137 Außerstreitgesetz) ein Viertel der Entschädigung, die der Person zuerkannt wird, der die Vermögensverwaltung obliegt, mindestens jedoch EUR 82,00.
Gemäß § 2 Z 3 lit. b GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühr in Verfahren zur Entscheidung in Pflegschaftssachen nach TP 7 lit. c Z 2 GGG mit der Zustellung der Entscheidung an den gesetzlichen Vertreter begründet.
Die Gebühr ist von der Person, in deren Interesse die Prüfung durch das Gericht erfolgt, zu tragen.
Nach der Anmerkung 8 zur TP 7 GGG sind Verfahren über die Bestätigung der Pflegschaftsrechnung auf Antrag der Partei gebührenfrei, wenn aus der Pflegschaftsrechnung als einziges Vermögen Sparguthaben bis zu EUR 20.000,00 ersichtlich ist und die ausgewiesenen jährlichen Einkünfte (§§ 229, 276 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811 idgF [ABGB]) EUR 13.244,00 nicht übersteigen.
Unstrittig ist, dass die Grenze im Sinne der Anm. 8 zu TP 7 GGG betreffend das Sparguthaben in der Pflegschaftsrechnung nicht überschritten wurde. Gegenständlich strittig ist aber, welche Beträge zu den Einkünften nach Anm. 8 zu TP 7 GGG zu zählen sind. Diesbezüglich ist kraft des ausdrücklichen Verweises der Anm. 8 leg. cit. auf § 276 ABGB diese Bestimmung relevant.
Gemäß § 276 Abs. 1 ABGB (in der hier maßgeblichen Fassung) gebührt dem Sachwalter (Kurator) unter Bedachtsame auf Art und Umfang seiner Tätigkeit, insbesondere auch im Bereich der Personensorge, und des damit gewöhnlich verbundenen Aufwands an Zeit und Mühe eine jährliche Entschädigung. Diese beträgt fünf Prozent sämtlicher Einkünfte nach Abzug der hiervon zu entrichtenden Steuern und Abgaben, wobei Bezüge, die kraft besonderer gesetzlicher Anordnung zur Deckung bestimmter Aufwendungen dienen, nicht als Einkünfte zu berücksichtigen sind; bei besonders umfangreichen und erfolgreichen Bemühungen des Sachwalters kann das Gericht die Entschädigung auch mit bis zu zehn Prozent dieser Einkünfte bemessen. Übersteigt der Wert des Vermögens des Pflegebefohlenen EUR 10.000,00, so ist darüber hinaus pro Jahr zwei Prozent des Mehrbetrags an Entschädigung zu gewähren. Das Gericht hat die Entschädigung zu mindern, wenn es dies aus besonderen Gründen für angemessen hält.
Hinsichtlich der Gebührenbefreiung sind bei den Einkünften - wie in § 276 Abs. 1 ABGB geregelt - Bezüge nicht zu berücksichtigen, die kraft gesetzlicher Anordnung ausschließlich zur Deckung bestimmter Aufwendungen dienen. Als wichtigste Beispiele für derartige Bezüge sind das Pflegegeld und die Mietzinsbeihilfe zu nennen (siehe 981 der Beilagen XXIV. GP Regierungsvorlage Vorblatt und Erläuterungen zu Z 10, 16 und 17 [§ 31a Abs. 1, Überschrift vor TP 7, TP 7 Anm. 8 GGG] und Dokalik, Gerichtsgebühren13, Anmerkung 14 zu TP 7 GGG).
Aus dem Bescheid der Präsidentin des des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 4.8.2016 ergibt sich, dass als Einnahmeposten, die bei der Berechnung der Einkünfte unberücksichtigt zu bleiben haben, lediglich das Pflegegeld in Höhe von EUR 1.737,30 und die Familienbeihilfe in Höhe von EUR 2.335,20 berücksichtigt wurden, sodass gesamt ein Einkommen von EUR 13.944,99 festgestellt wurde.
Nicht berücksichtigt wurde jedoch die Mietbeihilfe in der festgestellten Höhe von gesamt EUR 2.351,82.
Aus der oben zitierten Regierungsvorlage und Literatur folgt jedoch eindeutig, dass auch die Mietbeihilfe als Einnahmeposten, der bei der Berechnung der Einkünfte unberücksichtigt zu bleiben hat, zu qualifizieren ist.
Die Mietbeihilfe in Höhe von EUR 2.351,82 war daher ebenfalls in Abzug zu bringen, wodurch sich ein relevantes Einkommen von EUR 11.593,17 ergibt, welches unter der gesetzlichen festgelegten Grenze für die Gebührenbefreiung von EUR 13.244,00 liegt.
Da sohin die Voraussetzungen für die Gebührenbefreiung vorliegen, war der Ansicht der Beschwerdeführerin zu folgen und spruchgemäß zu entscheiden.
3.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen. Im vorliegenden Fall lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten und die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht ersichtlich (vgl. dazu auch VwGH 26.06.2003, 2000/16/0305, wonach die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung/Einbringung von Gerichtsgebühren nicht erforderlich ist). Das Verwaltungsgeschehen und der Sachverhalt stehen hier fest, sodass vor diesem Hintergrund nur mehr die Rechtsfrage, zu deren Lösung eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, zu beantworten war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die vorliegende Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen (siehe zur Mietzinsbeihilfe auch die zitierten Materialien zur GGG-Novelle 2010). Es war daher auszusprechen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.
Schlagworte
Entschädigung, ersatzlose Behebung, Erwachsenenvertreter,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W214.2134965.1.00Zuletzt aktualisiert am
03.10.2019