Entscheidungsdatum
14.05.2019Norm
BVergG 2018 §327Spruch
W139 2218406-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Kristina Hofer über die Anträge der XXXX , vertreten durch Leitner Trischler Rechtsanwälte, Lindengasse 38/3, 1070 Wien, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "Lieferung von Hygienepapier BBG GZ 4805.03216" der Auftraggeberinnen Republik Österreich (Bund), Bundesbeschaffung GmbH (BBG) als zentrale Beschaffungsstelle sowie weiterer Auftraggeber gemäß der den Ausschreibungsunterlagen beiliegenden Drittkundenliste, alle vertreten durch die Bundesbeschaffung GmbH, Lassallestraße 9b, 1020 Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, vom 06.05.2019:
A) Dem Antrag "das Bundesverwaltungsgericht möge unverzüglich zu dem
in Abschnitt I näher bezeichneten Vergabeverfahren für die Dauer der Nachprüfungsverfahren eine einstweilige Verfügung erlassen, in welcher den Auftraggebern bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in gegenständlichen Nachprüfungsverfahren betreffend das Vergabeverfahren Abschluss einer Rahmenvereinbarung nach Durchführung eines offenen Verfahrens betreffend Lieferung von Hygienepapier (internes Geschäftszeichen der BBG: 408.03216) die Angebotsöffnung sowie die Fortführung dieses Vergabeverfahrens untersagt wird, sowie den Lauf der Frist zur Abgabe von Angeboten auszusetzen" wird dahingehend stattgegeben, als im Vergabeverfahren "Lieferung von Hygienepapier BBG GZ 4805.03216" für die Dauer des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens der Lauf der Angebotsfrist ausgesetzt wird.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 iVm Abs 9 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Vorbringen der Parteien/Verfahrensgang:
Mit Schriftsatz vom 06.05.2019 stellte die Antragstellerin Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung in Verbindung mit einem Antrag auf Nichtigerklärung 1. der Ausschreibung, 2. der 1. Fragebeantwortung und der 1. Berichtigung sowie 3. der 2. Fragebeantwortung. Weiters beantragte die Antragstellerin die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Akteneinsicht in den Vergabeakt sowie den Ersatz der von ihr entrichteten Pauschalgebühren. Begründend führte die Antragstellerin zahlreiche Verstöße gegen das BVergG 2018 ins Treffen, insbesondere die mangelnde Kalkulierbarkeit der Leistung und damit die mangelnde Vergleichbarkeit der Angebote aufgrund des Fehlens eines Mengengerüstes für jeden Auftraggeber und einer Mindestabnahmemenge und von Preisanpassungsbestimmungen, die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes angesichts des Informationsvorsprunges und der Kalkulationsvorteile des bisherigen Rahmenvereinbarungspartners, die Festlegung unklarer und diskriminierender Ausschreibungsinhalte, insbesondere im Hinblick auf die Festlegung der Zuschlagskriterien sowie weiters die unzulässige Wahl der Gesamtvergabe anstelle einer losweisen Vergabe.
Die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung sei erforderlich, da die Antragstellerin andernfalls Gefahr laufe, von einem rechtskonformen Vergabeverfahren ausgeschlossen zu werden. Sie ginge daher sowohl des Zuschlags und damit der Erzielung von Erträgen als auch eines wichtigen Referenzprojektes verlustig. Die Interessenabwägung habe zu Gunsten der Antragstellerin auszufallen. Nur durch die Untersagung der Fortführung des gegenständlichen Vergabeverfahrens bzw der Untersagung der Öffnung der Angebote bzw die Aussetzung des Laufes der Frist zur Angebotsabgabe könne verhindert werden, dass der Abschluss der Rahmenvereinbarung mit der Antragstellerin endgültig verunmöglicht werde.
Am 09.05.2019 erteilten die Auftraggeberinnen zunächst allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren. Zum Verfahrensstand teilten sie mit, dass die Bundesbeschaffung GmbH eine Widerrufsentscheidung erlassen und an alle beteiligten Bieter via der elektronischen Plattform übermittelt habe. Diese Widerrufsentscheidung habe jedenfalls zur Beseitigung der angefochtenen Bestimmungen aus dem Rechtsbestand geführt, da der Widerruf des gesamten Vergabeverfahrens alle angefochtenen Entscheidungen des Auftraggebers beseitige. Die Antragstellerin sei durch die Widerrufsentscheidung sohin vollumfänglich klaglos gestellt worden. Der insoweit ex ante zulässige Nachprüfungsantrag gehe daher nunmehr ins Leere und sind sämtliche Anträge auf Nichtigerklärung und auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 13.05.2019, am 14.05.2019 beim Bundeverwaltungsgericht eingelangt, führte die Antragstellerin aus, dass sämtliche Anträge aufrechterhalten würden, zumal entgegen der Ansicht der Auftraggeberinnen die angefochtenen Entscheidungen tatsächlich erst mit der Widerrufserklärung aus dem Rechtsbestand entfernt werden würden und die Gefährdungslage sohin jedenfalls bis zur rechtskräftigen Widerrufserklärung fortbestehe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt:
Aufgrund der vorgelegten Stellungnahmen, der Bezug nehmenden Beilagen und der Unterlagen des Vergabeverfahrens wird im Rahmen des Verfahrens zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt festgestellt:
Die Auftraggeberinnen schrieben im April 2019 die gegenständliche Leistung "Lieferung von Hygienepapier BBG GZ 4805.03216" in einem offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich nach dem Bestbieterprinzip mit dem Ziel des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung mit einem Unternehmer für eine Laufzeit von 48 Monaten aus (CPV-Code: 33770000-8). Der geschätzte Auftragswert beträgt EUR 34.887.389,70 ohne USt.
Die gegenständlichen Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verbunden mit Nachprüfungsanträgen wurden am 06.05.2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht.
Am 09.05.2019 gaben die Auftraggeberinnen die Widerrufsentscheidung betreffend die gegenständliche Ausschreibung bekannt und teilten dies überdies über die elektronische Vergabeplattform mit.
2. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Am 21.08.2018 ist das Bundesvergabegesetz 2018, BGBl I, Nr 65/2018, in Kraft getreten. Das gegenständliche Vergabeverfahren wurde im April 2019, somit nach In-Kraft-Treten des BVergG 2018 eingeleitet. Die Nachprüfungsverfahren wurden im Mai 2019 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig gemacht. Sowohl materiellrechtlich als auch formellrechtlich kommen demnach die Bestimmungen des BVergG 2018 (idF BVergG) zur Anwendung.
Gemäß Art 135 Abs 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 328 Abs 1 BVergG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über einen Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht über die oben wiedergegebenen Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Somit liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Auftraggeberinnen im Sinne des § 2 Z 5 BVergG sind die Republik Österreich, die Bundesbeschaffung GmbH als zentrale Beschaffungsstelle sowie alle weiteren Auftraggeber gemäß der den Ausschreibungsunterlagen beiliegenden Drittkundenliste.
Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich gemäß § 6 BVergG um einen Lieferauftrag. Der geschätzte Auftragswert liegt über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 BVergG, sodass es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt.
Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 334 Abs 2 BVergG iVm Art 14b Abs 2 Z 1 B-VG ist sohin gegeben.
Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 350 BVergG nicht offensichtlich fehlen.
Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass die Anträge auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG zulässig sind, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen. Die Pauschalgebühr wurde bezahlt. Die Nachprüfungsanträge richten sich gegen die Ausschreibung, die 1. und 2. Fragebeantwortung sowie die 1. Berichtigung. Dabei handelt es sich um gesondert anfechtbare Entscheidungen gemäß § 2 Z 15 lit a sublit jj iVm sublit aa BVergG.
Gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.
Gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.
Gemäß § 351 Abs 3 BVergG können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.
Gemäß § 351 Abs 4 BVergG ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.
Die Antragstellerin behauptet die Rechtswidrigkeit der gegenständlichen Ausschreibung bzw einzelner Festlegungen während der Angebotsfrist. Diese Behauptung erscheint zumindest nicht denkunmöglich. Es kann insofern nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Rechtswidrigkeiten (zumindest teilweise) zutreffen. Über die inhaltliche Begründetheit ist allerdings im Provisorialverfahren nicht abzusprechen.
Zur gebotenen Interessenabwägung ist auszuführen, dass bei Abwägung aller möglicherweise geschädigten Interessen der Antragstellerin, der sonstigen Bieter und der Auftraggeberinnen, eines allfälligen besonderen öffentlichen Interesses an der Fortführung des Vergabeverfahrens sowie des öffentlichen Interesses an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter (VfGH 15.10.2001, B 1369/01) sowie unter Zugrundlegung insbesondere des auch im gegenständlichen Vergabeverfahren maßgeblichen Gemeinschaftsrechts, wonach im Zweifel dem provisorischen Rechtsschutz Vorrang einzuräumen ist, ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung nicht gegeben erscheint.
In der vorliegenden Konstellation haben die Auftraggeberinnen am 09.05.2019 eine Widerrufsentscheidung betreffend das gegenständliche Vergabeverfahren "Lieferung von Hygienepapier BBG GZ 4805.03216" bekanntgegeben bzw mitgeteilt. Dabei handelt es sich gemäß § 2 Z 44 BVergG um die an Unternehmer übermittelte bzw für diese bereitgestellte nicht verbindliche Absichtserklärung, ein Vergabeverfahren widerrufen zu wollen. Die Widerrufsentscheidung stellt sohin eine vorläufige Wissenserklärung dar, welche von den Auftraggeberinnen grundsätzlich jederzeit zurückgenommen werden kann. Wie die Antragstellerin insofern zu Recht ausführt, beseitigt nicht bereits die Widerrufsentscheidung, sondern erst die Widerrufserklärung die gegenständlich angefochtenen Entscheidungen aus dem Rechtsbestand.
Wenngleich den Auftraggeberinnen eine Rücknahme der Widerrufsentscheidung nicht unterstellt werden soll, erscheint es angesichts dessen und angesichts der Vernichtbarkeit der Widerrufsentscheidung weiterhin zur Abwehr des aufgezeigten drohenden Schadens notwendig, um die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in einem solchen Fall nicht ins Leere laufen zu lassen und die Teilnahme an einem vergaberechtskonformen Vergabeverfahren und damit die grundsätzliche Möglichkeit der Auftragserteilung im Rahmen eines rechtskonformen Vergabeverfahrens über die hier verfahrensgegenständlichen Leistungen an die Antragstellerin zu wahren, den Lauf der Angebotsfrist auszusetzen. Dabei handelt es sich auch um die gelindeste noch zum Ziel führende Maßnahme iSd § 351 Abs 3 BVergG, welche auch im Interesse der Auftraggeberinnen eine allfällige Fortführung des Vergabeverfahrens unter allenfalls geänderten Ausschreibungsbestimmungen gewährleisten würde. Eine Öffnung allfälliger Angebote kommt bereits insofern nicht in Betracht, zumal sich aus § 133 Abs 1 BVergG ergibt, dass Angebote erst nach Ablauf der Angebotsfrist, welche gegenständlich ausgesetzt wird, geöffnet werden dürfen. Soweit sich das Begehren der Antragstellerin auf die Untersagung der Fortführung des gesamten Vergabeverfahrens richtet, ist dieses nach ständiger Rechtsprechung als überschießend abzuweisen.
Über den Antrag auf Gebührenersatz wird gesondert entschieden werden.
Zu B)
Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aussetzung der Angebotsfrist, Dauer der Maßnahme, einstweiligeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W139.2218406.1.00Zuletzt aktualisiert am
04.10.2019