Entscheidungsdatum
17.05.2019Norm
UVP-G 2000 §40 Abs1Spruch
W155 2120762-1/532E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KRASA über den Antrag der Landesumweltanwaltschaft S XXXX (in der Folge: Revisionswerberin), der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.02.2019, Zl. W155 2120762-1/478E, betreffend Beschwerden gegen die UVP-Genehmigung der 380 kV-Salzburgleitung erhobenen ordentlichen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, beschlossen:
Der ordentlichen Revision wird gemäß § 30 Abs. 2 iVm § 30a Abs. 3 VwGG die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Erkenntnis vom 26.02.2019, Zl. W155 2120762-1/478E hat das Bundesverwaltungsgericht u.a. in Erledigung der Beschwerden der nunmehrigen Revisionswerber entschieden, dass Auflagen teilweise i. S. des Beschwerdevorbringens zu ergänzen bzw. zu ändern seien; die Beschwerden wurden im Übrigen abgewiesen. Weiters wurde die Revision für zulässig erklärt.
2. Mit Schriftsatz vom 16.04.2019, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag, brachte die Revisionswerberin ordentliche Revision gegen das genannte Erkenntnis ein. Zu dem gleichzeitig gestellten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung führte sie zusammenfassend Folgendes an:
"ln Form des hg. angefochtenen, rechtskräftigen Erkenntnisses des BVwG besteht die konkrete Gefahr der Tötung von Vögel der Arten Schwarzstorch, Auerhuhn, Birkhuhn, Wanderfalke und Uhu in signifikant erhöhter Anzahl als im Vergleich zum normalen Naturgeschehen getötet würden, was den Verbotstatbestand der Tötung gemäß § 103 Abs. 2 lit. a Salzburger Jagdgesetz (bzw § 31 Abs 3 Z 1 NSchG beim Schwarzstorch) verletzen würde und zwar bereits während der voraussichtlichen Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
Das Vorkommen dieser Vogelarten ist durch die UVE, das UVG und die gerichtlichen Gutachten des BVwG konkret und aktuell nachgewiesen.
Die Erhöhung des Tötungsrisikos dieser Vogelarten bei Umsetzung des Vorhabens durch das beiliegende Gutachten "Bewertung des Tötungsrisikos von Schwarzstorch, Auerhuhn, Birkhuhn, Wanderfalke und Uhu an den Materialseilbahnen zur Errichtung der geplanten 380 kV-Salzburgleitung", Mag. W XXXX vom 15.04.2019, nachgewiesen und kann auch gemäß dem vorliegenden Gutachten nicht beherrscht werden.
Die aufgezeigten Auswirkungen sind nicht kompensierbar oder wiederherstellbar und erfüllen die Voraussetzungen zur Verwirklichung des Verbotstatbestands der Tötung, wie ihn das BVwG im angefochtenen Erk auslegt. Gleichzeitig liegen damit die Voraussetzungen zur Erfüllung des gerichtlichen Straftatbestands des § 181 f. StGB nahe.
Überall dort wo Erschließungswege zu den zu bauenden Strommasten vorhanden sind oder wo eine Materialseilbahn bereits errichtet ist (also dort wo kein Hubschraubereinsatz mehr erforderlich ist) und wo nicht Felsenbrüterstandorte, Auerhuhnlebensräume und Demontagen im Hochgebirge betroffen sind, gibt es keine generelle Baubeschränkung forstlicher Arbeiten für Vögel nach NSchG und Federwild (ausgenommen Auerwild) nach JagdG!
Dies betrifft den Bau der Masten, zugehörige Baustelleneinrichtungen, etc und den damit verbundenen Betrieb der Materialseilbahnen, der sich laut der Aktenlage gemäß UVE Technischem Bericht über Monate hinziehen kann.
Erhebliche Auswirkungen auf die Populationen sind aufgrund der Aktenlage unbewiesen geblieben.
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich daraus:
* Störung in der gesetzlich geschützten Kernzeit der Brut- und Aufzuchtzeit im April, Mars und Juni bei allen Vogel- und Federwildarten (ausg. Auerwild) durch fehlende Vorschreibungen von Bauzeitbeschränkungen
* Störung in der gesetzlich geschützten Überwinterungszeit zumindest im November und Dezember bei allen Vogel- und Federwildarten (ausg. Auerwild) durch fehlende Vorschreibungen von Bauzeitbeschränkungen
Der unverhältnismäßige Nachteil für die Rw. ist damit hinreichend nachgewiesen.
Interessenabwägung
Einer Revision kann gemäß § 30 Abs 2 VwGG die aufschiebende Wirkung dann zuerkannt werden, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, kann von zwingenden öffentlichen Interessen im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG nur gesprochen werden, wenn die konkrete Interessenslage öffentliche Rücksichten berührt die einen umgehenden Vollzug des angefochtenen Bescheides gebieten. Der Umstand, dass öffentliche Interessen am Vollzug einer behördlichen Maßnahme bestehen, berechtigt nicht schon ohne Weiteres zur Annahme, dass eben diese Interessen auch eine sofortige Verwirklichung der getroffenen Maßnahmen zwingend gebieten. Hiezu bedarf es noch des Hinzutretens weiterer Umstände, um die öffentlichen Interessen als "zwingend" im Sinne der genannten Gesetzesstelle ansehen zu können (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 3. Juni 2011, ZI. AW 2011/10/0016, vom 24. Februar 2011, ZI. AW 2010/10/0058, und vom 13. August 2010, ZI. AW 2010/10/0027).
So wurden einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstehende zwingende öffentliche Interessen im Wesentlichen stets dann angenommen, wenn mit dem Aufschub eine Gefahr für die Gesundheit und das Leben von Menschen (zum Teil auch deren Eigentum) verbunden wäre; daneben lassen sich als relevante Gesichtspunkte die Gefährdung der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruches und des Abgabenanspruches als solchen sowie die Gefährdung der Versorgungslage breiter Bevölkerungsteile (z.B. mit Wasser oder Energie) erkennen (vgl. dazu etwa den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Februar 2012, B 68/12, mwH auf die Literatur), (vgl etwa Beschluss vom 20.03.2013, 2013/05/0005).
Eine solche ist aktuell nicht gegeben. Zwar wird seitens der Projektwerberin des öfteren darauf hingewiesen, dass eine Erneuerung der Infrastruktur überfällig sei und dass erhebliche finanzielle Mittel zur Netzstabilisierung aufgewendet werden müssen. Eine konkrete Gefährdungslage der Stromversorgung der Bevölkerung - und nur eine solche wäre tatsächlich "zwingend" im Sinne der Rechtsprechung - liegt aber mitnichten vor und kann auch für die Dauer des Verfahrens vor dem VwGH nicht angenommen werden. Immerhin würde ein Seilzug der Stromkabel erst frühestens fünf Jahre nach Baubeginn erfolgen. Auch die Fertigstellungsfrist für das Vorhaben beträgt laut UVP-Genehmigung Spruchpunkt V. 10 Jahre ab Rechtskraft.
Derartige zwingende" öffentliche Interessen an der Umsetzung des ggst Projekts während der Dauer des Verfahrens vor dem VwGH bestehen daher jedenfalls nicht.
Daneben ist aber zu beachten, dass - anders als nach Artikel 16 Abs 1 lit c) FFH-Richtlinie im Rahmen eines Ausnahmeverfahrens von den artenschutzrechtlichen Verboten - im Regelungsbereich der Vogelschutz-Richtlinie eine solche Ausnahme im öffentlichen Interesse im Ausnahmeverfahren nach Artikel 9 VS-RL, also im Regelungsbereich des Vogelschutzes, eben nicht zulässig ist.
Ausgehend von
* dem Nachweis der Tötung geschützter Vögel, deren zu erwartende Anzahl signifikant über dem normalen Naturgeschehen liegt und nicht wieder rückgängig gemacht werden kann
* der nicht ausschließbaren Störung geschützter Vögel mangels zwingend erforderlicher Baubeschränkungen
* und deren Einfluss auf die Population und deren Erhaltungszustand, welche nachweislich anhand der Akten läge nicht erhoben wurden,
dürfen daher in diesem Zusammenhang überhaupt keine öffentlichen Interessen für eine Umsetzung des Vorhabens zur Geltung kommen."
3. Dieses Vorbringen wird mit Schriftsatz der Projektwerberinnen (in der Folge: mitbeteiligte Partei) vom 09.05.2019 folgendermaßen erwidert:
Dem rechtskräftigen UVP-Konsens sei sehr wohl ein massives öffentliches Interesse an der Errichtung und dem Betrieb der 380 kV-Salzburgleitung zu entnehmen und seien alle gesetzlich erforderlichen Interessensabwägungen zugunsten des Vorhabens ausgefallen. Das Vorhaben sei das mit Abstand wichtigste im gesamten österreichischen Übertragungsnetz und in sämtlichen Fassungen des Netzentwicklungsplans und der PCI-Verordnung angeführt bzw enthalten. Ohne Umsetzung des Vorhabens sei die österreichische Energiestrategie nicht realisierbar und seien die vorgegebenen Klimaschutzziele jedenfalls nicht erreichbar. Ein weiterer Aufschub des Baubeginns und damit der Inbetriebnahme der gegenständlichen Stromleitung - die derzeit für Ende 2023 angesetzt sei - sei für die Dauer des Verfahrens vor dem VwGH angesichts der schon jetzt äußerst angespannten Netzsituation und der künftigen Netzbelastungen durch den Ausbau der erneuerbaren Energieträger, der Klimaschutzziele etc absolut unvertretbar.
Diese Ausführungen werden belegt durch ein von der mitbeteiligten Partei vorgelegtes Schreiben der E XXXX (E XXXX ), in welchem die Notwendigkeit, Dringlichkeit und die rasche Realisierung des vorliegenden Vorhabens festgehalten wird, um den Anforderungen an die Netzbetriebs- und Versorgungssicherheit in Österreich gerecht zu werden. Jede weitere Verschiebung des Baubeginns bzw der Inbetriebnahme werde als Gefährdung der Versorgungssicherheit und des Elektrizitätsmarktes angesehen. Durch den verfahrensbedingten Aufschub des Baubeginns sei eine Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit nur durch kostspielige Netzstützungsmaßnahmen möglich, die Kosten hätten sich im Jahre 2018 auf ca. € 120 Mio. belaufen. Ein weiteres Zuwarten sei nicht vertretbar.
Weiters wird eine "Analyse der dringlichen netzbetrieblichen Notwendigkeit der 380 kV-Salzburgleitung", von ao Univ. Prof. Dr. XXXX R XXXX in Vorlage gebracht, welche die wesentlichen Kriterien für einen frühestmöglichen Baubeginn der 380-kV-Salzburgleitung auflistet. Das österreichische Übertragungsnetz sei schon derzeit so stark belastet, dass der sichere Netzbetrieb in zunehmendem Ausmaß gefährdet werde. Dafür sei eine Reihe von Faktoren verantwortlich, welche durch den Netzbetreiber nicht beeinflusst werden können. Dazu gehören vor allem die stetige Zunahme des Verbrauchs, die generelle Volatilität des liberalisierten Strommarktes, die massiv zunehmende Einspeisung von Energie aus erneuerbaren Energieträgern sowie die Entwicklung des internationalen Stromhandels. Die Optionen an netzseitigen Engpassmanagement-Maßnahmen seien bereits ausgeschöpft. Es verblieben daher kraftwerksseitige redispatch-Maßnahmen zur Netzentlastung, was aber den unionsrechtlichen Vorgaben und jenen des ElWOG 2010 deutlich widerspreche und überdies sehr hohe Zusatzkosten verursache. Zusammenfassend sei angesichts des Status quo und der drohenden weiteren Verschärfung ein Aufschub des Baubeginns und damit der Inbetriebnahme der 380-kV-Salzburgleitung, des zentralen Vorhabens im österreichischen Höchstspannungsnetz, unvertretbar und unverantwortlich.
Weiters wird über bauvorbereitende Maßnahmen (ua Quellenbeweissicherungen, CEF-Maßnahmen usw) sowie laufende oder bevorstehende Ausschreibungen informiert.
Dass der Bau der 380 kV-Salzburgleitung auch erhebliche volks- und regionalwirtschaftliche Impulse auslöst - was die zwingenden öffentlichen Interessen verstärke - wird in einer Kurzstudie von Dr. XXXX M XXXX "Volks- und regionalwirtschaftliche Effekte durch das Ausführungsprojekt Salzburgleitung", dargelegt.
In weiteren Beilagen finden sich eine tabellarische Darstellung der einschlägigen Auflagen und eine übersichtliche Darstellung der mitbeteiligten Partei über "Ökologische Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bauphase, Schwerpunkt Ornithologie", die sämtliche Bauzeitbeschränkungen und sonstige Maßnahmen insbesondere zum Schutz der Vogelfauna auflistet und beschreibt.
Zum unverhältnismäßigen Nachteil führt die mitbeteiligte Partei mit Verweisen auf die Judikatur des VwGH und VfGH aus, dass die Revisionswerberin im Wesentlichen ihrer Darlegungs- und Konkretisierungspflicht nicht entsprochen habe und nahm zu behaupteten Auswirkungen der Materialseilbahn, der behaupteten Irreversibilität des Schadeneintritts und zu den zitierten Straftatbeständen des StGB Stellung. Zusammenfassend hält sie fest, dass den gewichtigen Interessen der mitbeteiligten Partei an der umgehenden Inanspruchnahme der eingeräumten Berechtigung keine über die Umsetzung des Konsenses in die Wirklichkeit hinausreichenden Nachteile, geschweige denn unverhältnismäßige Nachteile der Revisionswerberin gegenüber bestünden. Auch die Interessenabwägung müsste das BVwG zur Abweisung des Antrags auf Zuerkennung der aW führen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
§ 30 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) idF BGBl I Nr. 58/2018 lautet:
"Aufschiebende Wirkung
§ 30. (1) Die Revision hat keine aufschiebende Wirkung. Dasselbe gilt für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist.
(2) Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden."
Gemäß § 30a Abs. 3 VwGG hat das Verwaltungsgericht über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unverzüglich mit Beschluss zu entscheiden.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Entscheidungen nach § 30a VwGG hat das Verwaltungsgericht durch den Einzelrichter zu treffen (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², Praxiskommentar zum VwGVG, VwGG und VwGbk-ÜG, 2017, K 2. zu § 30a VwGG).
1. Zwingendes öffentliches Interesse
Eine Revision ist der aufschiebenden Wirkung dann nicht zugänglich, wenn die Zuerkennung zwingenden öffentlichen Interessen entgegensteht; darunter versteht der Verwaltungsgerichtshof besonders qualifizierte öffentliche Interessen, die eine sofortige Umsetzung des angefochtenen Erkenntnisses zwingend gebieten. Dies ist nicht bereits bei jedem öffentlichen Interesse der Fall, sondern es bedarf noch des "Hinzutretens weiterer Umstände", um ein zwingendes öffentliches Interesse anzunehmen (vgl. VwGH 13.03.2019, Ra 2019/03/0025; VwGH 10.08.2018, Ra 2018/03/0066; VwGH 05.07.2018, Ra 2018/16/0075; VwGH 20.03.2013, AW 2013/05/0003). Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn mit dem Aufschub eine Gefahr für die Gesundheit und das Leben von Menschen verbunden wäre, die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruches gefährdet wäre oder eine Gefährdung der Versorgungslage breiter Bevölkerungsteile vorläge (vgl. Gruber in: Götzl/Gruber/Reisner/Winkler (Hrsg.), Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte (2015), § 30 Rz 5 mVa VwGH 20.03.2013, AW 2013/05/0003).
Das Bundesverwaltungsgericht hat im Beschwerdeverfahren das öffentliche Interesse an der Durchführung des gegenständlichen Leitungsvorhabens an Hand der gesetzlichen Grundlagen (StGW, ElWOG 2010, NEP...), der fachgutachterlichen Aussagen des SV für Energiesysteme, Energietechnik, Energiewirtschaft, der Ausführungen der belangten Behörde im Bewilligungsbescheid und der einzelnen Beschwerdevorbringen geprüft und als gegeben beurteilt (S 69-74, 453-459 des angefochtenen Erkenntnisses). Aus der Begründung des Erkenntnisses geht eindeutig hervor, dass an der Errichtung und an dem Betrieb des gegenständlichen Vorhabens nicht nur zweifelsfrei ein öffentliches Interesse, sondern auch ein unmittelbares besonders wichtiges öffentliches Interesse im Sinne des § 3a SNSchG besteht und dieses die Interessen am Naturschutz überwiegt. Die Argumente im angefochtenen Erkenntnis decken sich im Wesentlichen mit den nunmehr vorgelegten durch fachkundige Gutachten/Stellungnahmen unterlegte Ausführungen der mitbeteiligten Partei zur Versorgungssicherheit, Netzbetriebssicherheit/Engpässe, Auslastung, Einsatz erneuerbarer Energie, usw. Aus dieser Argumentation ist auch ein zwingendes Interesse im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ableitbar ("Versorgung der Bevölkerung mit Energie"). Insbesondere nimmt das Bundesverwaltungsgericht aus dem Schreiben der E XXXX (der Regulierungsbehörde) eine Gefährdung der Versorgungssicherheit als besonders qualifiziertes öffentliches Interesse an. Die Regulierungsbehörde kommt eindeutig zum Ergebnis, dass jede weitere Verschiebung des Baubeginns zu einer Gefährdung der Versorgungssicherheit und des Elektrizitätsmarktes führen würde. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof in der Vergangenheit die ordnungsgemäße Versorgung der betroffenen Bevölkerung mit elektrischer Energie als zwingendes öffentliches Interesse anerkannt (VwGH 24. 11.1977, Zl. 2254/77, VwGH 27.07.2007, AW 2007/05/0029, 30.09.2008, AW 2008/05/0040).
Die Bejahung eines zwingenden öffentlichen Interesses führt allein schon zu einer Ablehnung des gestellten Antrages, den die Revisionswerberin überwiegend mit dem Vorliegen eines unverhältnismäßigen Nachteils begründen. Dazu wird Nachstehendes ausgeführt:
2. Unverhältnismäßiger Nachteil
Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erforderlich, dass der Revisionswerber schon in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt (vgl etwa VwGH 13.03.2019, Ra 2019/03/0025; VwGH 05.03.2019, Ra 2019/08/0041, jeweils mwH). Die Anforderungen an die Konkretisierungspflicht sind streng (vgl. etwa VwGH 04.02.2019, Ra 2018/04/0179; VwGH 10.8.2018, Ra 2018/03/0066, jeweils mwH).
Unter den für die Revisionswerberin im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG "unverhältnismäßigen Nachteil" ist eine solche Beeinträchtigungen der von ihr als subjektive öffentliche Rechte geltend zu machenden Umweltschutzvorschriften zu verstehen und konkretisiert darzulegen (vgl. VwGH 16.03.2009, AW 2008/04/0062, 31.07.2015, Ra 2015/03/0058), die nicht bereits in der vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis getroffenen, nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennenden Interessenabwägung berücksichtigt wurden (der Verwaltungsgerichtshof schließt sich insoweit für den Anwendungsbereich des § 30 Abs. 2 VwGG der zitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur vergleichbaren Rechtslage nach § 85 Abs. 2 VfGG an).
Im vorliegenden Fall erblickt die Revisionswerberin (gestützt auf das beigelegte Gutachten einer ornithologischen Sachverständigen) zusammengefasst einen unverhältnismäßigen Nachteil darin, dass die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände gemäß dem SNschG und SJagdG verwirklicht werden, indem effiziente Bauzeitbeschränkungen und wirksame Markierungen von Materialseilbahnen und Leitungsseilen fehlen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit sämtlichen Auswirkungen und Beeinträchtigungen des 380 kV-Leitungsvorhabens ua auf Vögel, Fledermäuse Wildtiere und deren Lebensräume im Hinblick auf die entsprechenden Beschwerdevorbringen und unter Berücksichtigung der fachgutachterlichen Stellungnahmen auseinandergesetzt und im angefochtenen Erkenntnis dargelegt, dass keine Verwirklichung eines Verbotstatbestandes vorliegt. Sämtliche artenschutzrechtlichen Fragen hinsichtlich der in der Revision genannten Vogelfauna, Fledermausfauna wurden schon im erstinstanzlichen Verfahren geprüft und vom erkennenden Gericht mit Unterstützung von Fachgutachtern überprüft und kein Vernichtungsszenario oder Artensterben festgestellt. Daran vermag auch die mit dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vorgelegte Bewertungsmethode - für Seilbahnen - nichts ändern (diese Methode kommt in UVP-Verfahren in Österreich nicht zur Anwendung, Ausführungen dazu im angefochtenen Erkenntnis). Die Verletzung artenschutzrechtlicher Verbote wird durch ein umfangreiches Maßnahmen- und Auflagenpaket, das zeitliche und räumliche Bauzeitbeschränkungen, Absperrung, Umsiedlungen und vieles mehr umfasst, verhindert. Inwiefern sich trotz dieser Vorkehrungen ein unverhältnismäßiger Nachteil im Sinne einer besonderen Gefährdung für die Revisionswerberin ergibt, kann mangels Konkretheit nicht nachvollzogen werden. Die Revisionswerberin übersieht mit ihrem Vorbringen, dass die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision und gegebenenfalls der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Revision vorbehalten (VwGH 31.7.2015, Ra 2015/03/0058) ist.
Auch das Vorbringen, dass eine zusätzliche Kollisionsgefahr von Vögel an der vorübergehend in der Bauphase zur Anwendung kommenden Materialseilbahn zu befürchten sei und daher eine Markierung erforderlich sei, wird im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht näher begründet (siehe idZ etwa auch VwGH 8.6.2016, Ra 2016/05/0026, und VwGH 9.10.2013, AW 2013/10/0036), vielmehr wird das Kollisionsrisiko bei Freileitungen auf Materialseilbahnen übertragen bzw gleichgesetzt. Ein Vergleich ist schon deshalb nicht möglich, weil erhebliche Unterschiede in der Seilführung, der Bauweise, der Betriebsweise, im Zweck und im zeitlichen Faktor der Leitung bzw der Materialseilbahn gegeben sind. Die Seile der Materialseilbahn sind grundsätzlich in Bewegung und transportieren Material (im vorliegenden Fall auf mehrere Tage bis wenige Wochen in der Bauphase beschränkt) und sind von der Betriebsweise mit Schiliften bzw. Pendelbahnen zu vergleichen. Schilifte bzw. Pendelbahnen sind nicht mit Vogelschutzmarkierungen ausgestattet. Im Übrigen wurden im erstinstanzlichen Verfahren als auch im Beschwerdeverfahren sämtliche Auswirkungen des gegenständlichen Vorhabens geprüft, überprüft und erforderliche Maßnahmen vorgeschrieben Die Revisionswerberin hat nicht konkret dargetan, dass und inwieweit vor dem Hintergrund sämtlicher angeordneten Auflagen und Maßnahmen betreffend Kollisionsschutz, die in ihrer Gesamtheit eine maßgebliche Beeinträchtigung geschützter Tierarten hintanzuhalten in der Lage sind, dennoch mit den von der Revisionswerberin befürchteten Konsequenzen zu rechnen wäre.
Bei der Beurteilung, ob ein "unverhältnismäßiger Nachteil" im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG vorliegt, ist auch maßgeblich, inwieweit die Folgen des Eingriffes im Fall der Aufhebung des angefochtenen Bescheides/Erkenntnisses beseitigt werden können, wobei den Revisionswerber auch hier eine Konkretisierungspflicht trifft. Die Beurteilung, ob die geltend gemachten Nachteile die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit erreichen, hängt somit von den im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vorgebrachten konkreten Angaben über die Wiederherstellung des vorigen Zustandes ab.
Im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sind keine Angaben darüber vorzufinden, warum und inwieweit nachteilige Auswirkungen nach einer stattgebenden Revisionsentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr rückgängig zu machen sind. Dass eine Wiederherstellung des vorigen Zustandes schon deshalb nicht infrage komme, weil es in der Natur der Sache liege, dass eine Tötung von geschützten Tieren nicht wieder rückgängig gemacht werden könne, ist zu bemerken, dass es bei der Wiederherstellbarkeit des vorigen Zustandes im Übrigen nicht auf die Herstellbarkeit desselben, identischen Zustandes, sondern eines gleichartigen Zustandes ankommt. Die durch die Errichtung der Leitungsanlage eintretenden Veränderungen sind grundsätzlich nicht irreversibel. Eine Leitung und dessen Fundamente sind abbaubar (im Projekt ist bspw der Abbau der 220 kV-Leitung vorgesehen), die für die Fundamente vorgesehenen Rodungsflächen wieder aufforstbar und auch Lebensräume wiederherstellbar. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise bereits im Zusammenhang mit der Wiederherstellbarkeit von gerodeten Wäldern ausgesprochen, dass ein unverhältnismäßiger Nachteil nicht auf der Hand liege, wenn eine Wiederaufforstung möglich ist. Die Revisionswerberin hat nicht (konkret) dargelegt, inwiefern der Lebensraum der betroffenen Vogelarten zerstört werde und eine Wiederbesiedlung des betroffenen Gebietes mit verbliebenen Individuen jedenfalls unmöglich wäre (vgl. VwGH 31.07.2015, Ra 2015/03/0058, VwGH 21.03.2013, AW 2013/05/0011, VwGH 10.08.2018, Ra 2018/03/0066, VfGH 11.05.2007, B 743/07, VwGH 31.07.2015, Ra 2015%03/0058). Es wurde daher diesbezüglich nicht konkret aufgezeigt, dass bei Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung den geschützten Gütern für die Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof aus der Umsetzung des angefochtenen Erkenntnisses konkrete unverhältnismäßige Nachteile drohen (vgl. idZ z. B. VwGH vom 31.07.2015, Ra 2015/03/0058, VwGH 21.03.2013, AW 2013/05/0011 ua.
Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision und gegebenenfalls der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses bleibt aber der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Revision vorbehalten (VwGH 31.7.2015, Ra 2015/03/0058).
Der Revisionswerberin ist somit nicht gelungen, im Rahmen der ihr obliegenden Konkretisierungspflicht darzutun, dass mit dem Vollzug der angefochtenen Entscheidung für sie ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden ist. Während die massiven Interessen der mitbeteiligten Partei auf der Hand liegen, lässt sich ein unverhältnismäßiger Nachteil auf Seiten der Revisionswerber durch die Ausübung der UVP-Genehmigung nicht erkennen.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, Genehmigungsverfahren, Gutachten,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W155.2120762.1.00Zuletzt aktualisiert am
03.10.2019