TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/22 W224 2217664-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.05.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

22.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3a
AsylG 2005 §9 Abs2 Z3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W224 2217664-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gesetzlich vertreten durch seine Mutter XXXX , wiederum vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 11.03.2019, Zl. 1050701504 - 180372913/BMI-BFA_BGLD_RD, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbots gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG auf 5 (fünf) Jahre herabgesetzt wird.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste am 24.05.2015 legal in Österreich ein. Seine Mutter stellte für ihn am 27.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid vom 29.06.2015, Zl. 1050701504 - 150563938, wurde dem Antrag auf internationalen Schutz durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) stattgegeben und dem Beschwerdeführer im Familienverfahren gemäß § 3 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3. Nach Einlangen der Verständigung über eine Anklageerhebung wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen wurde der Beschwerdeführer am 15.05.2018 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Auf Vorhalt der Anklage gab der Beschwerdeführer an, was passiert sei, tue ihm leid. Er hoffe, noch eine Chance zu bekommen, da er in seiner Heimat niemanden mehr habe. Der Grund für die Tat sei der schlechte Einfluss von schlechten Freunden gewesen. Jetzt habe der Beschwerdeführer aber Abstand von diesen Freunden genommen, er mache jetzt einen Deutschkurs und gehe trainieren.

4. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28.05.2018, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, einer näher bezeichneten Person von hinten einen heftigen Stoß versetzt zu haben, sodass diese zu Boden gefallen sei, und ihr anschließend die Handtasche entrissen zu haben, davongelaufen zu sein und aus der Handtasche das darin befindliche Bargeld in der Höhe von EUR 30,- und eine Bankomatkarte behalten zu habe, während er die Handtasche weggeschmissen habe. Weiters habe der Beschwerdeführer im Zeitraum von Jänner bis Februar 2018 versucht, eine andere näher bezeichnete Person dazu zu bestimmen, in einem Ermittlungsverfahren als Zeuge zur Sache vor der Kriminalpolizei falsch auszusagen. Der Beschwerdeführer wurde daher wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB sowie des Vergehens der falschen Beweisaussage nach §§ 15, 12 2. Fall, 288 Abs. 1 und 4 StGB unter Bedachtnahme auf § 5 Abs. 4 JGG nach dem Strafsatz des § 142 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, der Privatbeteiligten einen Betrag von EUR 100,- zu zahlen. Für die Dauer der Probezeit wurde eine Bewährungshilfe angeordnet. Im Rahmen der Strafbemessung wurden die Verletzung des Opfers sowie das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen erschwerend, das reumütige Geständnis, der tadellose Lebenswandel und die teilweise Schadensgutmachung mildernd gewertet.

5. Mit Schreiben vom 05.10.2018 wurde das BFA davon in Kenntnis gesetzt, dass der Beschwerdeführer wegen §§ 15, 142 Abs. 1 StGB in Untersuchungshaft genommen worden sei.

6. Am 05.11.2018 wurde die Mutter als gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers erneut vor dem BFA einvernommen. Sie gab an, dass der Beschwerdeführer in Österreich drei Jahre lang die Schule besucht habe und kurdische und arabische Freunde habe. In Syrien würden noch die Großmutter und der Onkel des Beschwerdeführers leben. Dem Beschwerdeführer sei 2015 der Status des Asylberechtigten im Familienverfahren zuerkannt worden, im damaligen Verfahren seien für ihn keine Verfolgungsgründe geltend gemacht worden. Nunmehr würde er - aufgrund seines fortgeschrittenen Alters - im Falle einer Rückkehr nach Syrien aber von der PKK aufgefordert werden zu kämpfen.

7. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23.01.2019, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, versucht zu haben, einer näher bezeichneten Person eine schwere Körperverletzung vorsätzlich zuzufügen, indem er dieser mit einem Messer einen Stich in den Oberschenkel versetzt habe, wodurch diese eine 3 cm breite und 2 cm tiefe Stichverletzung erlitten habe. Der Beschwerdeführer wurde daher rechtskräftig wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs. 4 StGB unter Anwendung des § 5 Abs. 4 JGG zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten rechtskräftig verurteilt. Gemäß § 43a Abs. 3 StGB wurde ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe, nämlich elf Monate, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Bei den Strafbemessungsgründen wurde als mildern angesehen, dass es hinsichtlich der schweren Körperverletzung beim Versuch geblieben sei, während die einschlägige Vorstrafen, der rasche Rückfall innerhalb offener Probezeit sowie die Körperverletzung unter Einsatz einer Waffe erschwerend berücksichtigt wurden. Vom Widerruf der gewährten bedingten Strafnachsicht zu der Verurteilung des Landesgerichts für Strafsachen Wien, AZ 162 Hv 39/18w , wurde abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert. Für die Dauer der Probezeit wurde Bewährungshilfe angeordnet. Dem Beschwerdeführer wurde ferner die Weisung erteilt, an einem Anti-Gewalt-Training (forensische Therapie) zu teilzunehmen.

8. Mit Bescheid des BFA vom 11.03.2019, Zl. 1050701504 - 180372913/BMI-BFA_BGLD_RD, wurde dem Beschwerdeführer im Spruchpunkt I. der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Im Spruchpunkt II. wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 nicht zuerkannt. Dem Beschwerdeführer wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Gleichzeitig wurde gemäß § 8 Abs. 3a AsylG iVm § 9 Abs. 2 AsylG und § 52 Abs. 9 FPG die Abschiebung nach Syrien für unzulässig erklärt. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf sechs Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Zur Aberkennung des Status eines Asylberechtigten führte das BFA im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer wegen eines besonders schweren Verbrechens verurteilt worden sei. Bei der ersten Einvernahme vor dem BFA habe der Beschwerdeführer reumütig vorgebracht, dass ihm der Vorfall leidtue und er so etwas das letzte Mal gemacht hätte. Indem der Beschwerdeführer jedoch ein halbes Jahr später erneut straffällig geworden sei, sei ein innerer Wertewandel ausgeschlossen und infolge der Einstellung des Beschwerdeführers zur österreichischen Rechtsordnung jedenfalls von einer künftigen Gefahr auszugehen. Das Verhalten des Beschwerdeführers lasse auf eine sozialschädliche Neigung zur Missachtung der österreichischen Rechtsvorschriften schließen. Der Beschwerdeführer stelle daher eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Die öffentlichen Interessen, insbesondere an der Einhaltung der Grundrechte, seien jedenfalls höher zu bewerten als die Interessen des Beschwerdeführers. Die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete das BFA damit, dass der Beschwerdeführer nicht dem realen Risiko unterworfen wäre, einer Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Gefahr oder einer dem 6. oder 13. Zusatzprotokoll zur EMRK wiederstreitenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Zur Rückkehrentscheidung führte das BFA aus, dass zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Familie keine derart intensive Beziehung bestehe, dass diese auch nach Erreichen der Volljährigkeit noch aufrecht erhalten werden müsse. Der Beschwerdeführer habe in Österreich mehrere Straftaten begangen, sich jedoch in Österreich nicht maßgeblich (etwa beruflich und sozial) integriert und hier auch keine maßgeblichen Bindungen aufgebaut. Gesamt gesehen stelle der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers eine hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Zum Einreiseverbot führte das BFA aus, dass § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt sei, da der Beschwerdeführer von einem österreichischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einmal zwölf Monaten und einmal sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei. Aus dem Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers sei der Schluss zu ziehen, dass von ihm eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr ausgehe und ein Verbleib im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung nachhaltig und maßgeblich gefährde. Auch unter Berücksichtigung der familiären und privaten Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Österreich überwiege das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich. Zum Einreiseverbot führte das BFA aus, dass der Beschwerdeführer von einem österreichischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe einmal in der Dauer von zwölf Monaten und einmal in der Dauer von sechs Monaten verurteilt worden sei und damit § 53 Abs. 3 Z 1 FPG erfüllt sei.

9. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das BFA ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe. Sie letzte Einvernahme des Beschwerdeführers habe am 15.05.2018 stattgefunden, weshalb die Behörde nicht in der Lage gewesen sei, die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie das Privat- und Familienleben aktuell zu beurteilen. Aus der am 05.11.2018 erfolgten Einvernahme könne nicht auf die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers geschlossen werden. Beim minderjährigen Beschwerdeführer habe die Haft, die zwischen Einvernahme und Erlassung des Bescheides erfolgt sei, einen besonderen Eindruck hinterlassen. Darüber hinaus habe der Bewährungshelfer positiv hervorgehoben, dass der Beschwerdeführer alle Terminen verlässlich und regelmäßig wahrnehme und bereit sei, sich mit Situationen, die zu einem straffälligen Verhalten führen würden, auseinanderzusetzen und diese zu vermeiden. Auch im Rahmen einer weiteren Therapie setze sich der Beschwerdeführer mit seiner Lebenssituation auseinander. Seit Ende Februar besuche er eine Produktionsschule. Darüber hinaus habe das BFA es unterlassen, sich mit dem individuellen Fluchtgrund des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. Im Falle einer Rückkehr würde er von der PKK aufgefordert werden, für sie zu kämpfen. Darüber hinaus drohe dem Beschwerdeführer, sowohl als Minderjähriger als auch nach eingetretener Volljährigkeit, eine Zwangsrekrutierung von staatlicher Seite. Auch habe das BFA eine mangelhafte Beweiswürdigung durchgeführt. Bei gesetzmäßiger Beurteilung hätte das BFA dem Beschwerdeführer nicht den Status des Asylberechtigten aberkannt. Insbesondere hätte es gegen den Beschwerdeführer keine Rückkehrentscheidung erlassen, sondern die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt. Entgegen der Bescheidbegründung sei der Beschwerdeführer an dem damals stattgefundenen Raub nicht beteiligt gewesen. Bei beiden Verurteilungen sei die zulässige Höchststrafe bei weitem nicht ausgeschöpft worden, die verhängten Freiheitsstrafen seien zu einem überwiegenden Teil bedingt nachgesehen worden. Es sei daher nicht nachvollziehbar, warum vom Beschwerdeführer eine Gemeingefährlichkeit ausgehen solle, wenn über ihn lediglich eine unbedingte Strafe von einem Monat verhängt worden sei. Zur rechtlichen Beurteilung wurde ausgeführt, dass das BFA zu Unrecht vom Vorliegen der Voraussetzungen ausgegangen sei. Nach der Rechtsprechung des VwGH sei ein äußerst hoher Unrechtsgehalt erforderlich, damit ein Verbrechen als besonders schweres Verbrechen zu qualifizieren sei. Ferner habe die belangte Behörde auch keine ausreichende Prognoseentscheidung getroffen. Sie habe lediglich auf die Straftaten Bezug genommen, die für eine positive Prognose sprechenden Umstände seien jedoch nicht herangezogen worden. Darüber hinaus sei im Rahmen der Interessenabwägung erforderlich, zu berücksichtigen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr eine asylrelevante Verfolgung drohe. Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten sei daher zu Unrecht erfolgt. Da dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Syrien jedenfalls eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe, wäre ihm jedenfalls der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen. Die verhängte Rückkehrentscheidung greife jedenfalls unverhältnismäßig in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ein. Der Beschwerdeführer gehöre faktisch Österreich zu, während ihn mit seinem Heimatland nur noch das formale Band der Staatsbürgerschaft verbinde. Zu berücksichtigen sei auch, ob es dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr möglich sei, eine Existenzgrundlage zu schaffen. Im Hinblick auf das verhängte Einreiseverbot fehle es an einer nachvollziehbaren Begründung und die Behörde habe auch hier die Prognosebeurteilung nur unzureichend durchgeführt. Der Sachverhalt sei so mangelhaft ermittelt worden, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheine. Gemeinsam mit der Beschwerde wurden ein Sozialbericht des Bewährungshelfers vom 28.04.2019, eine Bestätigung des Instituts für forensische Therapie vom 04.04.2019 sowie eine Teilnahmebestätigung "Produktionsschule" vom 22.03.2019 vorgelegt.

10. Mit Schreiben vom 16.04.2019, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 18.04.2019, wurde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist ein minderjähriger syrischer Staatsangehöriger. Er ist in XXXX geboren, bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islams und ist ledig. In Syrien lebte er zuletzt mit seiner Familie in einem Haus in XXXX .

Dem Vater des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid vom 05.12.2014 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 24.05.2015 in Österreich, mit Bescheid vom 29.06.2015, Zl. 1050701504-150563938, wurde ihm durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 3 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 im Familienverfahren der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Derzeit lebt der Beschwerdeführer mit seinen Eltern und Geschwistern in einer Wohnung in Wien. Der Beschwerdeführer hat in Österreich drei Jahre lang die Schule besucht und nimmt seit 25.02.2019 am Projekt "Produktionsschule" teil. Das Programm "Produktionsschule" ist ein Angebot für Jugendliche und junge Erwachsene nach Beendigung ihrer Schulpflicht, die Unterstützung für ihre weitere schulische oder berufliche Ausbildung suchen. Der Beschwerdeführer spricht Arabisch, Kurdisch und besucht einen Deutschkurs A2+. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Die Großmutter und der Onkel des Beschwerdeführers leben in Syrien, die Mutter des Beschwerdeführers steht mit diesen in Kontakt. Auch der Beschwerdeführer selbst lebte bis 2015 gemeinsam mit seiner Familie in Syrien.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28.05.2018, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, einer näher bezeichneten Person von hinten einen heftigen Stoß versetzt zu haben, sodass diese zu Boden fiel, und der Beschwerdeführer ihr anschließend die Handtasche entriss, davonlief und aus der Handtasche das darin befindliche Bargeld in der Höhe von EUR 30,-

und eine Bankomatkarte behielt, während er die Handtasche wegschmiss. Weiters wurde er schuldig erkannt, im Zeitraum von Jänner bis Februar 2018 versucht zu haben, eine andere näher bezeichnete Person dazu zu bestimmen, in einem Ermittlungsverfahren als Zeuge zur Sache vor der Kriminalpolizei falsch auszusagen. Der Beschwerdeführer wurde daher wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB sowie des Vergehens der falschen Beweisaussage nach §§ 15, 12 2. Fall, 288 Abs. 1 und 4 StGB unter Bedachtnahme auf § 5 Abs. 4 JGG nach dem Strafsatz des § 142 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, der Privatbeteiligten einen Betrag von EUR 100,-

zu zahlen. Für die Dauer der Probezeit wurde eine Bewährungshilfe angeordnet. Im Rahmen der Strafbemessung wurden die Verletzung des Opfers sowie das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen erschwerend, das reumütige Geständnis, der tadellose Lebenswandel und die teilweise Schadensgutmachung mildernd gewertet.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23.01.2019, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, versucht zu haben, einer näher bezeichneten Person eine schwere Körperverletzung vorsätzlich zuzufügen, indem er dieser mit einem Messer einen Stich in den Oberschenkel versetzte, wodurch diese eine 3 cm breite und 2 cm tiefe Stichverletzung erlitt. Der Beschwerdeführer wurde daher rechtskräftig wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs. 4 StGB unter Anwendung des § 5 Abs. 4 JGG zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten rechtskräftig verurteilt. Gemäß § 43a Abs. 3 StGB wurde ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe, nämlich elf Monate, unter Bestimmung einer Probezeit nachgesehen. Bei den Strafbemessungsgründen wurde als mildernd angesehen, dass es hinsichtlich der schweren Körperverletzung beim Versuch geblieben sei, während die einschlägige Vorstrafen, der rasche Rückfall innerhalb offener Probezeit und die Körperverletzung unter Einsatz einer Waffe erschwerend berücksichtigt wurden. Vom Widerruf der gewährten bedingten Strafnachsicht zu der Verurteilung des Landesgerichts für Strafsachen Wien, AZ 162 Hv 39/18w, wurde abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert. Für die Dauer der Probezeit wurde Bewährungshilfe angeordnet. Dem Beschwerdeführer wurde ferner die Weisung erteilt, an einem Anti-Gewalt-Training teilzunehmen.

Der Beschwerdeführer war von 03.10.2018 bis 26.11.2018 in Haft.

Der Beschwerdeführer wird seit 06.07.2018 von einem Bewährungshelfer betreut und nimmt die vereinbarten Termine wahr. Aufgrund der gerichtlichen Weisung vom 23.01.2019 nimmt der Beschwerdeführer auch an forensisch-therapeutischen Sitzungen (Anti-Gewalt-Training) teil.

Es kann seit der letzten Verurteilung, die erst vor vier Monaten erfolgte, kein relevantes strafrechtliches Wohlverhalten des Beschwerdeführers festgestellt werden.

Zwar hat der Beschwerdeführer bereits Kontakte in Österreich geknüpft, eine intensive Bindung zu Freunden und eine umfassende Teilnahme am sozialen Leben in Österreich sind im Verfahren jedoch nicht hervorgekommen.

Der Beschwerdeführer ist XXXX geboren und damit (bald) im wehrdienstfähigen Alter. Damit droht dem Beschwerdeführer in Syrien (bei einer nunmehrigen Rückkehr) die reale Gefahr, zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden und er ist in Zusammenhang mit der Einziehung, der Ableistung und der Verweigerung des Militärdienstes der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt.

Zur Lage in Syrien wird festgestellt (entnommen aus:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 13.05.2019; UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 5. Aktualisierte Fassung):

1. Sicherheitslage

Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention des Iran in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018a). Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der "wichtigsten" Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer lebt (Reuters 13.4.2016).

Am Beginn des Jahres 2019 sind noch drei größere Gebiete außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung: die Provinz Idlib und angrenzende Gebiete im Westen der Provinz Aleppo und Norden der Provinz Hama; die Gebiete im Norden und Osten Syriens, die unter Kontrolle der kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) stehen; außerdem die Konfliktschutzzone (de-confliction zone) bei Tanf in Homs bzw. in der Nähe des Rukban Flüchtlingslagers (UNHRC 31.1.2019).

Trotz weitreichender militärischer Erfolge des syrischen Regimes und seiner Unterstützer sind Teile Syriens noch immer von Kampfhandlungen betroffen, allen voran die Provinzen Idlib, Teile Aleppos, Raqqas und Deir ez-Zours (AA 13.11.2018).

Laut UNMAS (United Nations Mine Action Service) sind 43% der besiedelten Gebiete Syriens mit Mienen und Fundmunition kontaminiert (AA 13.11.2018). Es kommt immer wieder zu Zwischenfällen mit derartigen Hinterlassenschaften des bewaffneten Konfliktes zum Beispiel im Osten der Stadt Aleppo, Ost-Ghouta und im Osten Hamas (DIS/DRC 2.2019).

Der sogenannte Islamische Staat (IS) kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghus die letzte Bastion des IS von den oppositionellen "Syrian Democratic Forces" erobert. Der IS ist zwar zerschlagen, verfügt aber noch immer über militärische Einheiten, die sich in den Wüstengebieten Syriens und des Irak versteckt halten (DZO 24.3.2019). Schläferzellen des IS sind sowohl im Irak als auch in Syrien weiterhin aktiv (FAZ 10.3.2019). Gegenwärtig sollen im Untergrund mehr als 20.000 IS-Kämpfer auf eine Gelegenheit zur Rückkehr warten (FAZ 22.3.2019). Auch IS-Führer Abu Bakr al-Bagdadi bleibt weiterhin verschwunden (FAZ 23.3.2019).

US-Präsident Donald Trump kündigte im Dezember 2018 an, alle 2.000 US-Soldaten aus Syrien abziehen zu wollen. Er erklärte jedoch später noch Soldaten vor Ort belassen zu wollen. Für die von den Amerikanern unterstützen Kurden ist ein Abzug der amerikanischen Truppen ein herber Schlag (Qantara 28.2.2019).

Die NGO Syrian Network for Human Rights (SNHR) versucht die Zahlen ziviler Todesopfer zu erfassen, für die einzelnen Monate des Jahres 2018 finden sich deren Daten in der unten befindlichen Grafik. Getötete Kämpfer werden in dem Bericht nicht berücksichtigt. Betont wird außerdem, dass die Organisation in vielen Fällen Vorkommnisse nicht dokumentieren konnte, besonders im Fall von Massakern, bei denen Städte und Dörfer komplett abgeriegelt wurden. Die hohe Zahl solcher Berichte lässt darauf schließen, dass die eigentlichen Zahlen ziviler Opfer weit höher als die unten angegebenen sind (SNHR 1.1.2019).

Für Januar 2019 erfasste SNHR zumindest 197 getötete Zivilisten (SNHR 1.2.2019) für Februar 2019 246 (SNHR 1.3.2019), für März 2019 334 (SNHR 1.4.2019) und für April 2019 324. Zudem sind im April 2019 54 Personen aufgrund Folter verstorben, 50 davon durch Einheiten der syrischen Regierung (SNHR 1.5.2019).

2. Folter, Haftbedingungen und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz verbietet Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen, wobei das Strafgesetzbuch eine Strafe von maximal drei Jahren Gefängnis für Täter vorsieht. Nichtsdestotrotz wenden die Sicherheitskräfte in Tausenden Fällen solche Praktiken an (USDOS 13.3.2019). Willkürliche Festnahmen, Misshandlung, Folter und Verschwindenlassen sind in Syrien weit verbreitet (HRW 18.1.2018; vgl. AI 22.2.2018, USDOS 13.3.2019, AA 13.11.2018). Sie richten sich von Seiten der Regierung insbesondere gegen Oppositionelle oder Menschen, die vom Regime als oppositionell wahrgenommen werden (AA 13.11.2018).

NGOs berichten glaubhaft, dass die syrische Regierung und mit ihr verbündete Milizen physische Misshandlung, Bestrafung und Folter an oppositionellen Kämpfern und Zivilisten begehen (USDOS 13.3.2019; vgl. TWP 23.12.2018). Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und Minderjährigen sind weit verbreitet. Die Regierung soll hierbei auch auf Personen abzielen, denen Verbindungen zur Opposition vorgeworfen werden (USDOS 13.3.2019). Es sind zahllose Fälle dokumentiert, bei denen Familienmitglieder wegen der als regierungsfeindlich wahrgenommenen Tätigkeit von Verwandten inhaftiert und gefoltert wurden, auch wenn die als regierungsfeindlich wahrgenommenen Personen ins Ausland geflüchtet waren (AA 13.11.2018; vgl. AI 22.2.2018).

Systematische Folter und die Bedingungen in den Haftanstalten führen häufig zum Tod der Insassen. Die Gefängnisse sind stark überfüllt, es mangelt an Nahrung, Trinkwasser, Hygiene und Zugang zu sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung. Diese Bedingungen waren so durchgängig, dass die UN Commission of Inquiry zu dem Schluss kam, diese seien Regierungspolitik. Laut Berichten von NGOs gibt es zahlreiche informelle Hafteinrichtungen in umgebauten Militärbasen, Schulen, Stadien und anderen unbekannten Lokalitäten. So sollen inhaftierte Demonstranten in leerstehenden Fabriken und Lagerhäusern ohne angemessene sanitäre Einrichtungen festhalten werden. Die Regierung hält weiterhin Tausende Personen ohne Anklage und ohne Kontakt zur Außenwelt ("incommunicado") an unbekannten Orten fest (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 13.11.2018, SHRC 24.1.2019).

In jedem Dorf und jeder Stadt gibt es Haft- bzw. Verhörzentren für die ersten Befragungen und Untersuchungen nach einer Verhaftung. Diese werden von den Sicherheits- und Nachrichtendiensten oder auch regierungstreuen Milizen kontrolliert. Meist werden Festgenommene in ein größeres Untersuchungszentrum in der Provinz oder nach Damaskus und schließlich in ein Militär- oder ziviles Gefängnis gebracht. Im Zuge dieses Prozesses kommt es zu Folter und Todesfällen. Selten wird ein Häftling freigelassen. Unschuldige bleiben oft in Haft, um Geldsummen für ihre Freilassung zu erpressen oder um sie im Zuge eines "Freilassungsabkommens" auszutauschen (SHRC 24.1.2019).

Seit Sommer 2018 werden von den Regierungsbehörden Sterberegister veröffentlicht, wodurch erstmals offiziell der Tod von 7.953 Menschen in Regierungsgewahrsam bestätigt wurde, wenn auch unter Angabe wenig glaubwürdiger amtlich festgestellter natürlicher Todesursachen (Herzinfarkt, etc.). Berichte von ehemaligen Insassen sowie Menschenrechtsorganisationen benennen als häufigste Todesursachen Folter, Krankheit als Folge mangelnder Ernährung und Hygiene in den Einrichtungen und außergerichtliche Tötung (AA 13.11.2018; vgl. SHRC 24.1.2019). Die syrische Regierung übergibt die Überreste der Verstorbenen nicht an die Familien (HRW 17.1.2019).

Mit Stand Dezember 2018 ist der Verbleib von 100.000 syrischen Gefangenen noch immer unbekannt. Laut Menschenrechtsgruppen und den Vereinten Nationen sind wahrscheinlich Tausende, wenn nicht Zehntausende davon umgekommen (TWP 23.12.2018).

Die Methoden der Folter, des Verschwindenlassens und der schlechten Bedingungen in den Haftanstalten sind jedoch keine Neuerung der Jahre seit Ausbruch des Konfliktes, sondern waren bereits zuvor gängige Praxis der unterschiedlichen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in Syrien (SHRC 24.1.2019).

Russland, der Iran und die Türkei haben im Zusammenhang mit den Astana-Verhandlungen wiederholt zugesagt, sich um die Missstände bezüglich willkürlicher Verhaftungen und Verschwindenlassen zu kümmern. Im Dezember 2017 gründeten sie eine Arbeitsgruppe zu Inhaftierungen und Entführungen im syrischen Konflikt, es waren bisher jedoch nur geringe Fortschritte zu verzeichnen (HRW 17.1.2019).

Auch die Rebellengruppierungen werden außergerichtlicher Tötungen und der Folter von Inhaftierten beschuldigt (FH 1.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Opfer sind vor allem (vermutete) regierungstreue Personen und Mitglieder von Milizen oder rivalisierenden bewaffneten Gruppen. Zu den Bedingungen in den Hafteinrichtungen der verschiedenen regierungsfeindlichen Gruppen ist wenig bekannt, NGOs berichten von willkürlichen Verhaftungen, Folter und unmenschlicher Behandlung. Der IS bestrafte häufig Opfer in der Öffentlichkeit und zwang Bewohner, darunter auch Kinder, Hinrichtungen und Amputationen mitanzusehen. Es gibt Berichte zu Steinigungen und Misshandlungen von Frauen. Dem sogenannten Islamischen Staat (IS) werden systematische Misshandlungen von Gefangenen der Freien Syrischen Armee (FSA) und der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) vorgeworfen. Berichtet werden auch Folter und Tötungen von Gefangenen durch den IS (USDOS 13.3.2019).

3. Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

3.1. Rekrutierung von Minderjährigen durch verschiedenste Organisationen

Regierungseinheiten, Pro-Regime-Milizen, bewaffnete oppositionelle Gruppen und terroristische Organisationen rekrutieren in Syrien Minderjährige (USDOS 28.6.2018; vgl. AA 13.11.2018) und setzen sie als Soldaten, menschliche Schutzschilde, Selbstmordattentäter, Henker sowie in unterstützenden Funktionen ein. Kinder dienen auch als Zwangsarbeiter oder Informanten, was diese dem Risiko von Vergeltungsakten oder extremen Bestrafungen aussetzt (USDOS 28.6.2018). Laut einem FFM-Bericht der finnischen Einwanderungsbehörde liegen keine verlässlichen Informationen vor, die auf die Rekrutierung von Minderjährigen durch die syrische Armee hinweisen, jedoch gibt es durchaus Minderjährige, die in den Rängen von regierungstreuen Milizen kämpfen (FIS 14.12.2018).

Es gibt aktive Versuche der Rekrutierung von Minderjährigen durch den sogenannten Islamischen Staat (IS), die einer Nötigung gleichkommen (BFA 8.2017). Der IS setzt diese aktiv in Kampfhandlungen und teils auch bei Hinrichtungen ein. Der IS zielt bewusst auf Kinder ab, um diese zu indoktrinieren und nutzt Schulen für militärische Zwecke, wodurch Kinder gefährdet werden und ihr Zugang zu Bildung eingeschränkt wird (USDOS 28.6.2018).

Berichten zufolge gibt es weiterhin Rekrutierungen Minderjähriger durch die kurdischen Volksverteidigungseinheiten bzw. Frauenverteidigungseinheiten (YPG/YPJ) (AA 13.11.2018). Im September 2018 erließen die großteils kurdischen Syrian Democratic Forces (SDF) einen Befehl, der die Rekrutierung von Minderjährigen verbietet und vorsieht das Alter der aktuellen Mitglieder der SDF zu überprüfen (HRW 11.9.2018). Im Dezember 2018 wurden Berichten zufolge 56 minderjährige Jungen ihren Familien übergeben (USDOS 13.3.2019).

3.2. Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von 18 oder 21 Monaten gesetzlich verpflichtend. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes. Frauen können ebenfalls freiwillig Militärdienst leisten (CIA 3.4.2019; vgl. AA 13.11.2018, FIS 14.12.2018). Palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht, dienen jedoch in der Regel in der Palestinian Liberation Army (PLA) unter palästinensischen Offizieren. Diese ist jedoch de facto ein Teil der syrischen Armee (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018).

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden wieder zum aktiven Dienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird. Männer können ihren Dienst-/Reservedienststatus bei der Militärbehörde überprüfen. Die meisten tun dies jedoch nur auf informellem Weg, um zu vermeiden, sofort rekrutiert zu werden (BFA 8.2017).

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (BFA 8.2017).

Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (TIMEP 6.12.2018).

Aktuell ist ein "Herausfiltern" von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints weit verbreitet. In der Praxis wurde die Altersgrenze erhöht und auch Männer in ihren späten 40ern und frühen 50ern sind gezwungen Wehr-/Reservedienst zu leisten. Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab, als vom allgemeinen Gesetz. Dem Experten zufolge würden jedoch jüngere Männer genauer überwacht, ältere könnten leichter der Rekrutierung entgehen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht (FIS 14.12.2018).

Die Militärpolizei verhaftet in Gebieten unter der Kontrolle der Regierung junge Männer, die für den Wehrdienst gesucht werden. Nachdem die meisten fixen Sicherheitsbarrieren innerhalb der Städte aufgelöst wurden, patrouilliert nun die Militärpolizei durch die Straßen. Diese Patrouillen stoppen junge Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln und durchsuchen Wohnungen von gesuchten Personen (SHRC 24.1.2019). Es gab in der Vergangenheit Fälle, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren Vergeltungsmaßnahmen wie Unterdrucksetzung und Inhaftierung ausgesetzt waren (TIMEP 6.12.2018).

Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten haben und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, aber auch nicht aus etwaigen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann basierend auf einem Beschluss des Finanzministers das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vgl. SLJ 10.11.2017, PAR 15.11.2017).

3.3. Wehrdienstverweigerung / Desertion

Im Verlauf des syrischen Bürgerkrieges verlor die syrische Armee viele Männer aufgrund von Wehrdienstverweigerung, Desertion, Überlaufen und zahlreichen Todesfällen (TIMEP 6.12.2018).

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft (AA 13.11.2018). Bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während manche die Ergreifung eines Wehrdienstverweigerers mit Foltergarantie und Todesurteil gleichsetzen, sagen andere, dass Betroffene sofort eingezogen würden. Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab (Landinfo 3.1.2018).

Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen (BFA 8.2017).

Zwischen der letzten Hälfte des Jahres 2011 bis zum Beginn des Jahres 2013 desertierten zehntausende Soldaten und Offiziere, flohen oder schlossen sich bewaffneten aufständischen Einheiten an. Seit der zweiten Hälfte des Jahres 2013 sind jedoch nur wenige Fälle von Desertion bekannt (Landinfo 3.1.2018).

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (sogenannte "externe Desertion"), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (BFA 8.2017).

Deserteure werden härter bestraft als Wehrdienstverweigerer. Deserteure riskieren, inhaftiert, gefoltert und getötet zu werden. Repressalien gegenüber Familienmitgliedern können insbesondere bei Familien von "high profile"-Deserteuren der Fall sein, also z.B. Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet haben oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben (Landinfo 3.1.2018).

Seit Ausbruch des Syrienkonflikts werden syrische Armeeangehörige erschossen, gefoltert, geschlagen und inhaftiert, wenn sie Befehle nicht befolgen (AA 13.11.2018).

In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle der syrischen Regierung gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bezüglich des Wehrdienstes getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden (BFA 8.2017). Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch in den "versöhnten Gebieten" sind Männer im entsprechenden Alter also mit der Wehrpflicht oder mit der Rekrutierung durch regimetreue bewaffnete Gruppen konfrontiert. In manchen dieser Gebiete drohte die Regierung auch, dass die Bevölkerung keinen Zugang zu humanitärer Hilfe erhält, wenn diese nicht die Regierungseinheiten unterstützt (FIS 14.12.2018).

3.4. Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG/YPJ)

Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG) sind die bewaffneten Einheiten der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) (DZO 13.1.2019). Bis 2014 war der Militärdienst bei der YPG freiwillig. Seit 2014 gibt es jedoch in den Gebieten unter Kontrolle der PYD eine gesetzliche Verordnung zum verpflichtenden Wehrdienst. Jede Familie ist dazu verpflichtet, ein Familienmitglied im Alter von 18 bis 30 Jahren als "Freiwilligen" für einen sechsmonatigen Wehrdienst bei der YPG aufzubieten. Laut Menschenrechtsorganisationen wird dieses Gesetz auch mit Gewalt durchgesetzt (AA 13.11.2018).

Mehrfach ist es zu Fällen gekommen, in denen Männer von der YPG rekrutiert werden, die älter als 30 Jahre waren. Dabei handelte es sich um Personen, die PYD-kritisch politisch aktiv waren, und die mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Rekrutierung abgestraft werden sollten (Savelsberg 3.11.2017).

Frauen können freiwilligen Militärdienst in den kurdischen Einheiten leisten, wobei es gleichzeitig Berichte von Zwangsrekrutierungen von Frauen gibt (AA 13.11.2018). Quellen zufolge gibt es keine Beweise für Zwangsrekrutierungen von Frauen durch die kurdischen Frauenverteidigungseinheiten (YPJ), jedoch kann es einzelne Fälle der Zwangsrekrutierung von Frauen in kleineren lokalen kurdischen Milizen geben, die gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) kämpfen (BFA 8.2017). Dem widersprechen andere Quellen, denen zufolge es in mehreren Fällen zur Rekrutierung bzw. Zwangsrekrutierung minderjähriger Mädchen gekommen ist. Darüber hinaus sind Fälle bekannt, in denen kurdische Frauen, die der YPG zunächst freiwillig beitraten, daran gehindert wurden, diese wieder zu verlassen (Savelsberg 3.11.2017).

4. Allgemeine Menschenrechtslage

Schätzungen besagen, dass etwa eine halbe Million Menschen im syrischen Bürgerkrieg getötet wurden (BS 2018).

Die syrische Verfassung sieht die Baath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat. Ein Dekret von 2011 erlaubt die Bildung anderer politischer Parteien, jedoch nicht auf Basis von Religion, Stammeszugehörigkeit oder regionalen Interessen. Die Regierung erlaubt nur regierungsnahen Gruppen offizielle Parteien zu gründen und zeigt wenig Toleranz gegenüber anderen politischen Parteien, auch jenen, die mit ihr verbündet sind. Parteien wie das Communist Union Movement, die Communist Action Party und die Arab Social Union werden schikaniert. Gesetze, welche die Mitgliedschaft in illegalen Organisationen verbieten, wurden auch verwendet um Hunderte Mitglieder von Menschenrechts- und Studentenorganisationen zu verhaften. Es gibt auch zahlreiche Berichte zu anderen Formen der Belästigung von Menschenrechtsaktivisten, Oppositionellen oder Personen, die als oppositionell wahrgenommen werden, von Reiseverboten, Enteignung und Überwachung bis hin zu willkürlichen Festnahmen, "Verschwindenlassen" und Folter (USDOS 13.3.2019).

Es sind zahllose Fälle bekannt, bei denen Personen für als regierungsfeindlich angesehene Tätigkeiten ihrer Verwandten inhaftiert und gefoltert werden, darunter sollen auch Fälle sein, bei denen die gesuchten Personen ins Ausland geflüchtet sind (AA 13.11.2018). Frauen mit familiären Verbindungen zu Oppositionskämpfern werden z.B. als Vergeltung oder zur Informationsgewinnung festgenommen. Außerdem werden Personen festgenommen, die Kontakte zu Verwandten oder Freunden unterhalten, die in oppositionell kontrollierten Gebieten leben (UNHRC 31.1.2019).

Die Methoden der Folter, des Verschwindenlassens und der schlechten Bedingungen in den Haftanstalten sind keine Neuerung der letzten Jahre seit Ausbruch des Konfliktes, sondern waren bereits zuvor gängige Praxis der unterschiedlichen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in Syrien (SHRC 24.1.2019).

Russland, der Iran und die Türkei haben im Zusammenhang mit den Astana-Verhandlungen wiederholt zugesagt, sich um die Missstände bezüglich willkürlicher Verhaftungen und Verschwindenlassen zu kümmern. Im Dezember 2017 gründeten sie eine Arbeitsgruppe zu Inhaftierungen und Entführungen im syrischen Konflikt, es waren bisher jedoch nur geringe Fortschritte zu verzeichnen (HRW 17.1.2019).

Weitere schwere Menschenrechtsverletzungen, derer das Regime und seine Verbündeten beschuldigt werden, sind willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten, darunter auch der Einsatz von chemischen Waffen; Massaker und Vergewaltigungen als Kriegstaktik; Einsatz von Kindersoldaten sowie übermäßige Einschränkungen der Bewegungs-, Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit, inklusive Zensur. Die Regierung überwacht die Kommunikation im Internet, inklusive E-Mails, greift in Internet- und Telefondienste ein und blockiert diese. Die Regierung setzt ausgereifte Technologien und Hunderte von Computerspezialisten für Überwachungszwecke ein (USDOS 13.3.2019).

Orte, die im Laufe der vergangenen Jahre wieder unter die Kontrolle der Regierung gelangt sind, erlebten organisierte und systematische Plünderungen durch die bewaffneten Einheiten der Regierung (SHRC 24.1.2019). Berichten zufolge sind Personen in Gebieten, die erst vor kurzer Zeit durch die Regierung wiedererobert wurden, aus Angst vor Repressalien oft zurückhaltend über die Situation in diesen Gebieten zu berichten (USDOS 13.3.2019).

Bewaffnete terroristische Gruppierungen, wie die mit al-Qaida in Verbindung stehende Gruppe Hay'at Tahrir al-Sham (HTS), sind für weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen wie Massaker, Beschuss, Entführung, unrechtmäßige Inhaftierung, Folter, Tötung und Zwangsvertreibung auf Basis der Konfession Betroffener, verantwortlich. Der sogenannte Islamische Staat (IS) agiert(e) mit Brutalität gegenüber Bewohnern des von ihm kontrollierten Territoriums. Ihm werden u.a. vorgeworfen: außergerichtliche Hinrichtungen und Verhaftungen, Haft unter unmenschlichen Bedingungen, Folter, Verschwindenlassen und Anwendung von Körperstrafen. Frauen erleb(t)en in vom IS gehaltenen Gebieten willkürliche und schwere Bestrafungen, inklusive Hinrichtung durch Steinigung. (USDOS 13.3.2019). Sexuelle Versklavung und Zwangsverheiratung sind zentrale Elemente der Ideologie des IS. Mädchen und Frauen wurden zur Heirat mit Kämpfern gezwungen. Frauen und Mädchen, die Minderheiten angehören, wurden sexuell versklavt (USDOS 28.6.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Im Bezug auf Kampfhandlungen wird dem IS der Einsatz von Kindersoldaten sowie von Zivilisten als menschliche Schutzschilde vorgeworfen. Außerhalb der (ehemals) kontrollierten Gebiete verübte der IS Entführungen und Anschläge (USDOS 13.3.2019).

Auch die oppositionellen bewaffneten Gruppen der Syrian Democratic Forces (SDF) werden für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht, darunter die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG). Es gibt Berichte über Verschwindenlassen von Gegnern der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und deren Familien, unrechtmäßige Verhaftungen, Folter von politischen Gegnern, sowie vereinzelte Berichte über Festnahmen von Journalisten, Mitgliedern von Menschenrechtsorganisationen und Oppositionsparteien und Personen, die sich weigerten mit den kurdischen Gruppen zu kooperieren (USDOS 13.3.2019; vgl. HRW 10.9.2018).

Familienmitglieder von gesuchten Aktivisten, darunter auch Verwandte von Mitgliedern des IS, sollen von den SDF in den von ihnen kontrollierten Gebieten gefangen genommen worden sein, um Informationen zu erhalten oder um Druck auszuüben. Weiters gibt es Berichte über vermehrte Verhaftungen von Männern für versuchte Wehrdienstverweigerung und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit in den befreiten Gebieten (USDOS 13.3.2019).

Berichten zufolge kam es 2017 auch zur Vertreibung von arabischen Bewohnern aus Gegenden, die durch kurdische Einheiten vom IS befreit worden waren (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 13.11.2018).

Die YPG gehört seit 2014 zu den vom VN-Generalsekretär gelisteten Konfliktparteien, die Kindersoldaten einsetzen und Kinderrechte verletzen (AA 13.11.2018). Nach Berichten zu Rekrutierungen von Kindern, auch unter Zwang, durch die SDF, verabschiedeten diese ein Verbot der Rekrutierung und Verwendung von Personen unter 18 Jahren zum Kampf. Verboten sind, unter Androhung von Strafen für die Befehlshaber, auch Hilfsdienste wie Ausspähen, Wach- und Versorgungsdienste. Die kurdischen Gruppen erklärten ihre volle Unterstützung der Anordnung. Im Dezember 2018 wurden 56 Unter-18-Jährige ihren Eltern übergeben (USDOS 13.3.2019).

Die menschenrechtliche Situation in den kurdisch kontrollierten Gebieten stellt sich insgesamt deutlich weniger gravierend dar, als in den Gebieten, die sich unter Kontrolle des syrischen Regimes oder islamistischer bis jihadistischer Gruppen befinden (AA 13.11.2018).

Ein Charakteristikum des Bürgerkriegs in Syrien ist, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt (UNHCR 11.2015).

5. Risikoprofile

Die nachstehenden Abschnitte enthalten maßgebliche und zuverlässige Informationen zum Herkunftsland und Hinweise für die Beurteilung des Schutzbedarfs in Bezug auf die nachstehenden Risikoprofile, die gegebenenfalls auch für Familienangehörige und sonstige Personen gelten, die Menschen mit diesen Risikoprofilen nahestehen:1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, insbesondere, jedoch nicht ausschließlich Mitglieder politischer Oppositionsparteien; Demonstranten, Aktivisten und sonstige Personen, die als Sympathisanten der Opposition angesehen werden; Personen, die als Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen angesehen werden; hochrangige Mitglieder der Regierung und der Baath-Partei, die ihre Ämter niedergelegt haben; Zivilpersonen, die in vermeintlich regierungsfeindlichen städtischen Bezirken, Dörfern und Gemeinden leben.

2. Wehrdienstentzieher und Deserteure der Streitkräfte.

3. [...]

6. Ein- und Ausreise, Situation an Grenzübergängen

Die syrische Regierung kann die Ausstellung von Reisepässen oder anderen wichtigen Dokumenten aufgrund der politischen Einstellung einer Person, deren Verbindung zu oppositionellen Gruppen oder der Verbindung zu einem geographischen Gebiet, in dem die Opposition dominiert, verweigern. Das syrische Regime verlangt außerdem ein Ausreisevisum und schließt regelmäßig den Flughafen Damaskus und Grenzübergänge, angeblich aus Sicherheitsgründen. Die Regierung verbietet durchgängig die Ausreise von Mitgliedern der Opposition. Viele Personen erfahren erst von einem Ausreiseverbot, wenn ihnen die Ausreise verweigert wird. Grund oder Gültigkeitsdauer werden häufig nicht genannt (USDOS 13.3.2019).

Minderjährige Kinder können nicht ohne schriftliche Genehmigung ihres Vaters ins Ausland reisen, selbst wenn sie sich in Begleitung ihrer Mutter befinden (BFA 8.2017). Außerdem gibt es ein Gesetz, das bestimmten männlichen Verwandten erlaubt, Frauen das Reisen zu verbieten (USDOS 13.3.2019).

Einige in Syrien aufhältige Palästinenser brauchen für eine legale Ausreise aus Syrien eine Genehmigung und müssen sich zusätzlich einer weiteren Sicherheitskontrolle unterziehen, dies hängt jedoch von ihrem rechtlichen Status in Syrien ab (BFA 8.2017).

7. Grundversorgung und Wirtschaft

Vor dem Krieg betrug das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Syriens 60 Milliarden USD, aufgrund des Konfliktes verschlechterte sich die Wirtschaft und das BIP sank im Jahr 2017 auf 12 Milliarden USD. Schätzungen setzen die Kosten für den Wiederaufbau bei 250 Milliarden USD fest (TE 28.6.2018). Internationale Sanktionen, große strukturelle Schäden, der verringerte Konsum und die geminderte Produktion, reduzierte Subventionen und die hohe Inflation senken unter anderem den Wert des syrischen Pfund und die Kaufkraft privater Haushalte (CIA 3.4.2019).

Die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Konflikts sind erheblich und verstärken sich weiterhin. Der fehlende Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, Unterkunft und Nahrung drängt Millionen Menschen in Arbeitslosigkeit und Armut (WB 11.10.2018). Über die Hälfte der arbeitsfähigen Bevölkerung sind arbeitslos, die Jugendarbeitslosigkeit wird auf über 75% geschätzt (AA 13.11.2018; vgl. WKO 11.2018). Die Arbeits- und Perspektivlosigkeit und der daraus entstehende finanzielle Druck führen dazu, dass sich Personen aus finanziellen Gründen (sowohl oppositionellen als auch regierungstreuen) bewaffneten Milizen anschließen. Während einem Experten zufolge Damaskus im Wesentlichen seinen Status als funktionierende Stadt behalten hat, wurden andere Städte wie Homs und Aleppo im Zuge der Kämpfe fast zerstört. Der finanzielle Druck trifft vor allem Personen in ländlichen Gegenden, aber auch dort gibt es regionale Unterschiede (FIS 14.12.2018). Der Think Tank Middle East Institute berichtet, dass es in Damaskus immer schwieriger wird ohne Beziehungen (wasta) eine Arbeitsmöglichkeit zu finden (MEI 6.11.2018).

13,1 Millionen Menschen in Syrien sind auf humanitäre Hilfe angewiesen (UNOCHA o.D.), davon leben etwa 1,16 Millionen Menschen in für Hilfsorganisationen schwer zu erreichenden Gebieten (UNOCHA 29.10.2018). In diesen Gebieten übersteigt der durchschnittliche Lebensmittelpreis den Durchschnittspreis in Damaskus um ein Vielfaches. In den zentralen Vierteln der Hauptstadt Damaskus und Teilen der Gouvernements Lattakia und Tartous ist die Versorgungslage dagegen besser. In Gebieten im Nordwesten und Nordosten Syriens sowie Landesteilen mit einem hohen Anteil an Binnenvertriebenen ist die humanitäre Lage besonders angespannt. Die kritische Versorgungslage hat in Regionen mit besonders hohem Anteil Binnenvertriebener (z.B. Provinz Idlib, aber auch Zufluchtsorte in den Provinzen Homs, Damaskus und Tartous) darüber hinaus vereinzelt zu Ablehnung und Abweisung von Neuankömmlingen geführt, die als Konkurrenten in Bezug auf die ohnehin sehr knappen Ressourcen gesehen werden. Nach wie vor verhindert das Regime Hilfslieferungen über die Konfliktlinien in Oppositionsgebiete. Die Zahl der von Hilfsleistungen abhängigen Personen ist laut UNOCHA in Tartous, Lattakia und Teilen Hassakahs am niedrigsten. Der Zugang zu Wasser, Elektrizität, Bildung und gesundheitlicher Versorgung ist dort grundlegend gewährleistet. Doch auch dort sind Teile der Bevölkerung vor allem Binnenvertriebene und vulnerable Aufnahmegemeinden in den ländlichen Gegenden, weiterhin von Lebensmittelhilfe abhängig (AA 13.11.2018).

Die Vertreibung großer Zahlen von Personen in Gebiete mit limitierten Unterbringungsmöglichkeiten treiben in von der Opposition gehaltenen Gebieten die Lebenshaltungskosten in die Höhe. Laut einem syrischen Menschenrechtsaktivisten und Wirtschaftswissenschafter beträgt die Miete für ein Haus mindestens 150 USD im Monat, während sie für ein Haus nahe der türkischen Grenze und damit entfernt von Bombenangriffen auf 300 USD gestiegen ist. Im Vergleich dazu liegt das durchschnittliche Einkommen in Syrien bei etwa 50 USD. Dies stellt ein Hindernis für Personen dar, die in diese Gebiete ziehen wollen. Die Häuser in den von der Regierung gehaltenen Gebieten blieben trotz steigender Preise "relativ leistbar", mit einem Durchschnittspreis von 100 USD (CHH 5.2018).

Im Zuge der Militäroperationen zur Wiedereroberung von zentralen Gebieten Syriens versucht die Regierung zudem neue demographische Verhältnisse zu schaffen, indem sie Stadtplanungsgesetze ändert. So auch zuletzt mit Gesetz Nr. 10, das von Präsident Assad am 2. April 2018 verkündet wurde. Das Gesetz erlaubt den Behörden Zonen innerhalb ihrer Verwaltungsgrenzen für Entwicklung und Wiederaufbau vorzusehen und Immobilienentwicklungsgesellschaften zu gründen, die die Planung und Durchführung solcher Projekte überwachen (CMEC 9.5.2018). Im Zuge dessen ermöglicht das Gesetz die Enteignung von Flüchtlingen, denn gemäß dem Gesetz fallen sämtliche Grundstücke, Wohnungen und Häuser dem syrischen Staat zu, wenn deren Besitzer nicht Besitzurkunden bei der dementsprechenden, neu installierten Behörde vorlegen können (VB 24.4.2018). Dieser Besitznachweis musste ursprünglich innerhalb von 30 Tagen nach Deklaration einer "Entwicklungszone" erfolgen. Diese Frist wurde jedoch nach internationalen Protesten auf ein Jahr verlängert (LMD 12.7.2018). Personen, die ihren Besitz beanspruchen können, erhalten Aktien der neu eingerichteten Immobiliengesellschaften, die dem geschätzten Wert ihres Besitzes entsprechen, wobei es aufgrund der aktuellen Konf

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten