Entscheidungsdatum
22.05.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
L525 2142409-1/29E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 18.04.2019 VERKÜNDETEN
ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Pakistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 12.4.2017, 8.4.2019 und 18.4.2019 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer - ein pakistanischer Staatsangehöriger - reiste am 20.12.2001 unter Umgehung der Grenzbestimmungen in das Bundesgebiet ein und brachte am 21.12.2001 beim Bundesasylamt einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.4.2002 wurde der Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen (rechtskräftig am 14.5.2002). Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und verblieb illegal im Bundesgebiet. Am 16.7.2005 ging er mit der österreichischen Staatsangehörigen XXXX eine Ehe ein. Mit Bescheid der BPD Leoben vom 9.3.2006 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Ausweisung erlassen. Mit Schriftsatz vom 20.3.2006 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Beschwerde. Daraufhin reiste der Beschwerdeführer am 26.3.2006 aus dem Bundesgebiet aus, um seine Eltern in Pakistan zu besuchen. Am 2.4.2006 kehrte der Beschwerdeführer nach Österreich zurück. Dem Beschwerdeführer wurde von der österreichischen Botschaft in Islamabad ein Aufenthaltsvisum (Tourist) mit Gültigkeit bis 4.8.2006 erteilt. Die Bezirkshauptmannschaft Leoben erteilte dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" mit Gültigkeit bis zum 1.1.2007. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 29.6.2006 wurde der Bescheid der BPD Leoben vom 9.3.2006 aufgehoben und die Ausweisung für derzeit unzulässig erklärt. Der Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" des Beschwerdeführers wurde in der Folge verlängert, zuletzt bis 13.8.2015. Die Integrationsvereinbarung erfüllte der Beschwerdeführer nicht. Am 17.1.2014 wurde die Ehe des Beschwerdeführers geschieden.
Mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 2.2.2004 (rechtskräftig am 6.2.2004) wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung gemäß § 287 Abs 1 iVm §§ 99 Abs 1, 269 Abs 1 erster Fall StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Knittelfeld vom 17.8.2005 (rechtskräftig am 23.8.2005) wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 28.9.2006 (rechtskräftig am 3.10.2006) wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der Körperverletzung gemäß § 83 Abs 1 StGB und der schweren Körperverletzung gemäß § 84 Abs 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 27.2.2013 (rechtskräftig am 5.3.2013) wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der versuchten Nötigung gemäß §§ 15, 105 Abs 1 StGB und der Körperverletzung gemäß § 83 Abs 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 23.9.2014 wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung gemäß § 107 Abs 1 StGB, der Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB und der Körperverletzung gemäß § 83 Abs 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Leoben vom 5.10.2015 (rechtskräftig am 8.10.2015) wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des Betrugs gemäß § 146 StGB und der Körperverletzung gemäß § 83 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 16.12.2015 wurde der Beschwerdeführer wegen der Verbrechen der Schlepperei gemäß § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und Z 2, Abs 4 erster Fall FPG, und der versuchten geschlechtlichen Nötigung gemäß §§ 15, 202 Abs 1 StGB sowie des Vergehens der Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt.
Mit zuletzt genanntem Urteil wurde der Beschwerdeführer mit zwei weiteren Angeklagten für schuldig befunden, als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, nämlich einer mit weiteren unbekannten Tätern gebildeten, arbeitsteiligen, bei Schleppereien zusammenwirkenden internationalen Vereinigung, in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Tathandlungen eine fortlaufende Einnahme über einen zumindest mehrmonatigen Zeitraum zu verschaffen, die rechtswidrige Einreise oder Durchreise von Fremden in oder durch einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, die Tat in Bezug auf eine größere Zahl von Fremden begangen zu haben, in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit weiteren unbekannten Tätern, insbesondere afghanische und pakistanische Staatsangehörige gegen Entgelt über Ungarn nach Österreich mit dem Endziel Deutschland bzw. Italien verbracht zu haben.
Der Beschwerdeführer wurde in diesem Urteil weiters für schuldig befunden, eine Frau mit Gewalt zur Vornahme oder Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt zu haben, indem er sie an beiden Händen erfasste, sie stark in seine Richtung zog, in den Schwitzkasten nahm, wodurch sie sich mit dem Kopf in seiner Beckenregion befand, er sie mit den Händen gegen den festhaltenden Arm und Rippenbereich drückte, während er an seinem Hosenschlitz manipulierte, um seinen Penis heraus zu holen, wobei es lediglich aufgrund der lauten Schreie und der Hilfe durch eine andere Person beim Versuch blieb.
Das Landesgericht Leoben führte im erstinstanzlichen Urteil vom 16.12.2015 auszugsweise wie folgt aus:
Zur gewerbsmäßigen Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung:
"Die Angeklagten beschlossen zu einem nicht bekannten Zeitpunkt, spätestens im Februar 2015, sich gemeinsam sowie unter Beteiligung weiterer, im einzelnen nicht genau bekannter - darunter aller Wahrscheinlichkeit nach in Griechenland, Pakistan, Deutschland und Ungarn aufhältiger - Personen zu einem auf längstmögliche (jedenfalls mehrmonatige) Dauer angelegten international agierenden Schlepperring zusammen zu schließen, der die rechtswidrige Einreise von vornehmlich pakistanischen und afghanischen Staatsbürgern in die EU und Weiterreise innerhalb der EU in ein bestimmtes Zielland gegen Entgelt organisiert. Den Angeklagten kam es dabei darauf an, sich an einer derartigen kriminellen Vereinigung mehrerer Personen, die auf die Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Durchreise von Fremden in oder durch einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union gegen dafür zu leistendes Entgelt ausgerichtet ist, zu beteiligen, in diesem Rahmen Schleppungen von Fremden durch und nach Österreich bzw. innerhalb der EU zum Zwecke der eigenen unrechtmäßigen Bereicherung zu begehen und sich im Rahmen dieser Schlepperorganisation durch die Förderung der rechtswidrigen Einreise von Fremden gegen Entgelt eine fortlaufende Einnahmequelle zu erschließen."
Zur versuchten geschlechtlichen Nötigung:
"Am 28.8.2015 begab sich der Erstangeklagte XXXX (Anm.: der Beschwerdeführer) in Begleitung des Drittangeklagten XXXX sowie einer nicht ausforschbaren Personen namens " XXXX " in das Büro der Versicherungsangestellten XXXX , um ein Fahrzeug abzumelden. Der erheblich alkoholisierte Erstangeklagte machte XXXX zunächst Komplimente über ihr Aussehen und begab sich sodann neben die im Bereich ihres Schreibtisches befindliche XXXX , erfasste diese an ihren Händen und zog sie stark in seine Richtung. Anschließend legte er den Arm um XXXX und nahm sie in den sogenannten Schwitzkasten, wodurch ihr Kopf sich im Bereich seines Beckens befand. Der Angeklagte hielt XXXX dabei so fest, dass er ihr Schmerzen zufügte; ihre Versuche, sich aus der Umklammerung zu lösen, konnte der Erstangeklagte abwehren und lachte zudem noch über XXXX . Während der Erstangeklagte mit einer Hand den Arm der XXXX festhielt und gegen den Rippenbereich drückte, versuchte er mit seiner anderen Hand, den Schlitz seiner Hose zu öffnen, um seinen Penis heraus zu holen.
Dem Erstangeklagten kam es dabei geradezu darauf an, zumindest jedoch hielt er es ernstlich für möglich, nahm es billigend in Kauf und fand sich damit ab, XXXX mit Gewalt, und zwar durch das Festhalten bzw. in den "Schwitzkasten" nehmen zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung, und zwar der Durchführung des Oralverkehrs an dem Erstgeklagten zu nötigen.
Aufgrund der lauten Schreie der XXXX kam " XXXX " ihr zu Hilfe und riss den Angeklagten von ihr weg."
Mit Urteil vom 10.8.2016 gab das Oberlandesgericht Graz der Berufung der Staatsanwaltschaft Folge und hob das verhängte Strafausmaß auf sechs Jahre Freiheitsstrafe an.
Begründend führte das Oberlandesgericht Graz auszugweise aus:
"Zu berücksichtigen bleibt auch der hohe Unrechtsgehalt der Schlepperei und die massive Störung des öffentlichen Friedens [...] durch die zahlreichen Tathandlungen der Angeklagten und deren rein finanzielle Motivation, die schwierige Lage ihrer in einer nicht legalen Reisbewegung befindlichen Landsleute, nämlich überwiegend Pakistaner und Afghanen, im Rahmen einer kriminellen Organisation auszubeuten.
Bei Abwägung der zum Nachteil der Angeklagten XXXX (Anm.: des Beschwerdeführers) und XXXX korrigierten Strafzumessungsgründe und mit Blick auf die aus den Tathandlungen der Schlepperei ersichtlichen kriminellen Energie der Angeklagten sowie das Gesamtausmaß der Delinquenz bei XXXX (Anm.: dem Beschwerdeführer) erweisen sich die von der Vorinstanz ausgemessenen (Zusatz-) Freiheitsstrafen bei beiden Angeklagten als zu gering, um Tatunrecht und Täterschuld zu decken, weshalb sie der im Spruch ersichtlichen Anhebung bedürfen."
Mit den Bescheiden der BH Leoben vom 26.11.2013, 21.1.2013 und 15.12.2014 wurden über den Beschwerdeführer wegen Verletzung der Verpflichtung zur Erbringung eines Nachweises über die Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 77 Abs 1 Z 3 NAG jeweils Geldstrafen in Höhe von EUR 50,-- bzw. EUR 80,-- verhängt. Mit Bescheid der BH Leoben vom 25.8.2014 wurde über den Beschwerdeführer wegen Verletzung von Meldepflichten gemäß § 77 Abs 1 Z 5 iVm § 27 Abs 4 NAG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 70,-- verhängt.
Am 23.6.2016 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Nach Vorhalt des Verfahrensganges wurde der Beschwerdeführer auf die von der belangten Behörde beabsichtigten fremdenrechtlichen Maßnahmen hingewiesen und zu seinem Privat- und Familienleben befragt.
Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid des BFA vom 22.11.2016 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 5 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, es sei eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen, weil die Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthaltes nicht vorliegen würden. Zur Erlassung des Einreiseverbotes verwies die belangte Behörde auf die Urteile des Landesgerichtes Leoben vom 16.12.2015 bzw. des Oberlandesgerichtes Graz vom 10.8.2016 und führte sodann im Wesentlichen aus, das Verhalten des Beschwerdeführers, insbesondere die erhebliche Schwere seiner Delinquenz, aber auch die augenfällige Häufung von Verstößen gegen die österreichische Rechtsordnung ließen klar erkennen, dass er nicht gewillt bzw. in der Lage sei, geltende Rechtsvorschriften einzuhalten. Durch sein Verhalten habe der Beschwerdeführer über mehrere Jahre seine negierende Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung und ein besonders destruktives Persönlichkeitsbild dokumentiert und durch die qualifizierte Begehung des Verbrechens der Schlepperei die öffentliche Ordnung und Sicherheit in erheblichem Maße gefährdet. Der Beschwerdeführer stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich dar.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seines rechtsfreundlichen Vertreters vom 7.12.2016 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend führte die Beschwerde aus, dass eine Rückkehrentscheidung, die in das Privat- und Familienleben eingreift, nur dann zulässig sei, wenn diese zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Der Beschwerdeführer sei seit dem Jahr 2001 hauptsächlich in Österreich aufhältig und habe jahrelang über den Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" verfügt. Er spreche passabel Deutsch und verfüge über einige soziale Kontakte mit Österreichern und noch eine enge Bindung zu seiner österreichischen, geschiedenen Frau. Aufgrund seiner langen Aufenthaltsdauer sei sein soziales Leben in Österreich stark verwurzelt, in Pakistan verfüge der Beschwerdeführer über keine sozialen und familiären Anknüpfungspunkte mehr. Dort würden ihm die notwendigen infrastrukturellen und örtlichen Kenntnisse fehlen, um sich ein normales Leben aufbauen zu können. Im Falle einer Rückstellung wäre der Beschwerdeführer massiv in seinem Recht auf Privatsphäre eingeschränkt. Seine Interessen würden die Interessen Österreichs überwiegen. Der Beschwerdeführer bereue seine in Österreich begangenen Straftaten zutiefst.
Mit Schriftsatz vom 18.4.2017 erstatte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers eine Stellungnahme zu den im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelten Länderberichten. Darin wurde unter anderem ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Heimat vor ca. 17 Jahren verlassen habe, seine Eltern verstorben seien und er nicht mit der Unterstützung seiner Geschwister rechnen könne. Aufgrund seiner langjährigen Abwesenheit und geringen Bindung zu seinem Heimatland würde er in eine aussichtslose Lage fallen. Da er für fast keine familiären und sozialen Netzwerke in Pakistan verfüge, werde er auf sehr große Schwierigkeiten stoßen.
Mit Beschluss des erkennenden Gerichtes vom 27.12.2016 wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Am 12.04.2017, 08.04.2019 und 18.04.2019 führte das erkennende Gericht mündliche Beschwerdeverhandlungen durch. Im Zuge der Verhandlung vom 18.4.2019 legte der Beschwerdeführer eine Teilnahmebestätigung vor, aus der hervorgeht, dass er die Alkoholgruppe in der Justizanstalt Garsten auf freiwilliger Basis seit dem 9.1.2019 besuche. Weiters legte der Beschwerdeführer eine Arbeitsbestätigung der Justizanstalt Garsten vom 2.4.2019 über eine Beschäftigung in der Wirtschaftsstelle vor.
Am 25.4.2019 beantragte der Beschwerdeführer fristgerecht die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am angeführten Datum geboren. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und brachte am 21.12.2001 beim Bundesasylamt einen Antrag auf internationalen Schutz ein, welcher mit Bescheid vom 10.4.2002 (rechtskräftig am 14.5.2002) abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und ging eine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin ein. Nachdem der Beschwerdeführer im März 2006 aus dem Bundesgebiet ausgereist war, wurde ihm von der österreichischen Botschaft in Islamabad ein Aufenthaltsvisum (Tourist) erteilt. Im April 2006 kehrte der Beschwerdeführer nach Österreich zurück. In der Folge wurde ihm eine Aufenthaltsberechtigung "Familienangehöriger" erteilt und wiederholt verlängert, zuletzt bis zum 13.8.2015. Seitdem verfügt er über keinen aufrechten Aufenthaltstitel in Österreich und ist illegal im Bundesgebiet aufhältig.
Die Ehe des Beschwerdeführers wurde im Jahr 2014 geschieden, er hat keine Kinder und verfügt über keine familiären oder privaten Bindungen in Österreich. Der Beschwerdeführer lebt nicht in einer Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer hat in Pakistan einen Bruder und zwei Schwestern; mit seinem Bruder steht er auch in telefonischem Kontakt. Zwei Cousins des Beschwerdeführers befinden sich in Österreich. In Pakistan verfügt der Beschwerdeführer im Dorf XXXX , Bezirk XXXX , Provinz Punjab über eine Einzimmerwohnung. Der Beschwerdeführer war zuletzt im Jahr 2015 in Pakistan und hielt sich in seinem Heimatdorf auf. Der Beschwerdeführer ist gesund. Er bekennt sich zum Islam. Er spricht Urdu und kaum Deutsch. Nachweise über die Erfüllung der Integrationsvereinbarung legte der Beschwerdeführer nicht vor. Er ist nicht Mitglied in einem Verein. Der Beschwerdeführer befindet sich in Strafhaft in der Justizanstalt Garsten. In der Justizanstalt war er im Unternehmerbetrieb, als Hausarbeiter und Installateur tätig und ist dort derzeit in der Hauswerkstätte beschäftigt. Vor seiner Inhaftierung ging der Beschwerdeführer nur sporadisch einer Beschäftigung als Arbeiter nach, zuletzt stand der Beschwerdeführer für drei Tage vom 19.2.2015 bis zum 22.2.2015 bzw. vom 11.2.2015 bis zum 13.2.2015 in einer vollversicherungspflichtigen Beschäftigung, davor zuletzt vom 12.9.2012 bis zum 4.10.2012. Insgesamt stand der Beschwerdeführer seit November 2005 1.434 Tage in vollversicherungspflichtigen Dienstverhältnissen. Dem gegenüber stehen 1.762 Tage des Bezuges von Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe.
Über eine Wohnstätte in Österreich außerhalb der Justizanstalt verfügt der Beschwerdeführer nicht.
Eine Integration des Beschwerdeführers in die österreichische Mehrheitsgesellschaft kann nicht festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer weist folgende strafrechtliche Verurteilungen auf:
• Mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 2.2.2004 (rechtskräftig am 6.2.2004) wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung gemäß § 287 Abs 1 iVm §§ 99 Abs 1, 269 Abs 1 erster Fall StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.
• Mit Urteil des Bezirksgerichtes Knittelfeld vom 17.8.2005 (rechtskräftig am 23.8.2005) wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.
• Mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 28.9.2006 (rechtskräftig am 3.10.2006) wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der Körperverletzung gemäß § 83 Abs 1 StGB und der schweren Körperverletzung gemäß § 84 Abs 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.
• Mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 27.2.2013 (rechtskräftig am 5.3.2013) wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der versuchten Nötigung gemäß §§ 15, 105 Abs 1 StGB und der Körperverletzung gemäß § 83 Abs 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.
• Mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 23.9.2014 wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung gemäß § 107 Abs 1 StGB, der Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB und der Körperverletzung gemäß § 83 Abs 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.
• Mit Urteil des Bezirksgerichtes Leoben vom 5.10.2015 (rechtskräftig am 8.10.2015) wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des Betrugs gemäß § 146 StGB und der Körperverletzung gemäß § 83 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.
• Mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 16.12.2015 wurde der Beschwerdeführer wegen der Verbrechen der Schlepperei gemäß § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und Z 2, Abs 4 erster Fall FPG, und der versuchten geschlechtlichen Nötigung gemäß §§ 15, 202 Abs 1 StGB sowie des Vergehens der Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Mit Urteil vom 10.8.2016 gab das Oberlandesgericht Graz der Berufung der Staatsanwaltschaft Folge und hob das verhängte Strafausmaß auf sechs Jahre Freiheitsstrafe an.
Der Beschwerdeführer hat unter anderem folgende Verwaltungsübertretungen begangen:
• Mit den Bescheiden der BH Leoben vom 26.11.2013, 21.1.2013 und 15.12.2014 wurden über den Beschwerdeführer wegen Verletzung der Verpflichtung zur Erbringung eines Nachweises über die Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 77 Abs 1 Z 3 NAG jeweils Geldstrafen in Höhe von EUR 50,-- bzw. EUR 80,-- verhängt.
* Mit Bescheid der BH Leoben vom 25.8.2014 wurde über den Beschwerdeführer wegen Verletzung von Meldepflichten gemäß § 77 Abs 1 Z 5 iVm § 27 Abs 4 NAG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 70,-- verhängt.
Der Beschwerdeführer weist sieben gerichtliche Vorstrafen auf, zuletzt beging er die Verbrechen der gewerbsmäßigen Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung und der versuchten geschlechtlichen Nötigung und Sachbeschädigung. Ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers nach der verbüßten Strafhaft würde eine Gefährdung in Hinblick auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen, zumal auf Grundlage seines bisher gesetzten Verhaltens die Gefahr einer neuerlichen Straffälligkeit zu prognostizieren ist. Der Zeitpunkt des Wegfalles der prognostizierten Gefährdung lässt sich vor dem Hintergrund der Umstände des vorliegenden Falles nicht prognostizieren.
Es konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und Beweismittel nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung der EMRK bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit mit sich bringen würde. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdeführer um sein Leben zu fürchten hat.
Eine berücksichtigungswürdige Integration konnte nicht festgestellt werden.
1.2 Länderfeststellungen:
Sicherheitslage
Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch pakistanische Großstädte wie Karatschi, Lahore und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z. B. die Sufis (AA 10.2017a). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2013 kontinuierlich zurückgegangen, wobei der Rückgang 2017 nicht so deutlich ausfiel wie im Jahr zuvor und auch nicht alle Landesteile gleich betraf. In Belutschistan und Punjab stieg 2017 die Zahl terroristischer Anschläge, die Opferzahlen gingen jedoch im Vergleich zum Vorjahr auch in diesen Provinzen zurück (PIPS 1.2018 S 21f).
Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 20.10.2017). Seit Ende April 2009, als die Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (ehem. Federally Administered Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär wieder vertrieben wurden (AA 10.2017a).
Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess im Juni 2014, nach Beginn einer umfassenden Militäroperation in Nord-Wasiristan abgebrochen. Die Militäroperation begann am 15.4.2014 in der bis dahin weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 10.2017a). Durch verschiedene Operationen der Sicherheitskräfte gegen Terrorgruppen in den [ehem.] Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas - FATA) konnte dort das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden. Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 20.10.2017).
Durch die Militäroperation wurden ca. 1,5 Millionen Menschen vertrieben. Die geordnete Rückführung der Binnenvertriebenen in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 20.10.2017).
Im Gefolge des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014, bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u. a. die Aufhebung des seit 2008 geltenden Todesstrafen-Moratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismus verdächtiger und Maßnahmen gegen Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu verstärken (AA 10.2017a).
2016 wurden weiterhin Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nord-Wasiristan durchgeführt, um aufständische Feinde des Staates zu eliminieren. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten landesweit Operationen durch. Sicherheitskräfte, inklusive der paramilitärischen Sindh Rangers, verhafteten Verdächtige und vereitelten Anschlagspläne in Großstädten wie Karatschi. Operationen der paramilitärischen Rangers gegen Terrorismus und Kriminalität führten zu geringeren Ausmaßen an Gewalt und in Karatschi, jedoch wurden in den Medien Vorwürfe veröffentlicht, dass die Rangers gegen bestimmte politische Parteien auch aus politischen Gründen vorgingen (USDOS 7.2017).
Spezialisierte Einheiten der Exekutive leiden unter einem Mangel an Ausrüstung und Training, um die weitreichenden Möglichkeiten der Anti-Terrorismus-Gesetzgebung durchzusetzen. Die Informationsweitergabe zwischen den unterschiedlichen Behörden funktioniert nur schleppend. Anti-Terror-Gerichte sind langsam bei der Abarbeitung von Terrorfällen, da die Terrorismusdelikte sehr breit definiert sind. In Terrorismusprozessen gibt es eine hohe Rate an Freisprüchen. Dies liegt auch daran, dass Staatsanwälte in Terrorismusfällen eine untergeordnete Rolle spielen und die Rechtsabteilungen von militärischen und zivilen Einrichtungen Ermittlungen behindern. Ebenso werden Zeugen, Polizei, Opfer, Ankläger, Anwälte und Richter von terroristischen Gruppen eingeschüchtert (USDOS 7.2017).
Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen und 171 Personen verletzt wurden. Unter den Todesopfern befanden sich 44 Zivilisten, 28 Polizisten, 31 Mitglieder von Grenzschutz oder Rangers, zwei Steuereintreiber sowie zehn Aufständische (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).
Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-sektiererischen Gruppierungen führten 2017 370 terroristische Angriffe in 64 Distrikten Pakistans durch. Dabei kamen 815 Menschen ums Leben und weitere 1.736 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 563 Zivilisten, 217 Angehörige der Sicherheitskräfte und 35 Aufständische. 160 (43 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, 86 (23 %) auf Zivilisten, 22 waren religös-sektiererisch motiviert, 16 Angriffe zielten auf staatliche Einrichtungen, 13 waren gezielte Angriffe auf politische Persönlichkeiten oder Parteien, zwölf waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste, zehn Angriffe betrafen nicht-belutschische Arbeiter oder Siedler in Belutschistan und neun betrafen Journalisten oder Medienvertreter (PIPS 1.2018 S 17f).
2015 gab es 625 Terrorakte in 76 Distrikten/Regionen in Pakistan, 48 % weniger als 2014. Mindestens 1.069 Menschen verloren dabei ihr Leben, 38 % weniger als 2014, 1443 Personen wurden verletzt, 54 % weniger als 2014. Unter den Todesopfern waren 630 Zivilisten, 318 Angehörige der Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden und 121 Aufständische (PIPS 3.1.2016). Im Jahr 2016 ging die Zahl der Terroranschläge um weitere 28 % auf 441 zurück, betroffen waren 57 Distrikte. Getötet wurden dabei 908 Personen. Der Umstand, dass ein Rückgang von 28 % bei der Zahl der Anschläge nur einen leichten Rückgang von 12 % bei den Todesopfern mit sich brachte, zeigt auch, dass den Aufständischen einige größere Anschläge gelingen konnten. Zu Tode kamen 545 Zivilisten, 302 Angehörige der Sicherheitskräfte und 61 Aufständische (PIPS 1.2017).
Die Situation verbesserte sich kontinuierlich seit 2013 und der Trend setzte sich auch 2017 fort. Dies lässt sich Großteils auf landesweite, umfassende Operationen gegen Aufständische durch die Sicherheitsbehörden als Teil des National Action Plan (NAP) zurückführen, beispielsweise von den Militäroperationen in den [ehem.] FATA zu den von den Rangers angeführten gezielten Operationen in Karatschi (PIPS 1.2018 S 17ff).
Etwa 58 % (213 von 370) aller Anschläge mit 604 Toten und 1374 Verletzten wurden von Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihren Splittergruppen bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen in den [ehem.] FATA und Khyber Pakhtunkhwa wie die Lashkar-e-Islam sowie von IS-Unterstützern durchgeführt. Nationalistische Gruppierungen führten 138 Anschläge durch, vorwiegend in Belutschistan, und einige wenige in Sindh, dabei kamen 140 Menschen ums Leben und 265 Menschen wurden verletzt. 19 Anschläge mit 71 Toten und 97 Verletzten wurden durch religiös-sektiererische Gruppen durchgeführt (PIPS 1.2018 S 17).
Insgesamt gab es im Jahr 2017 in Pakistan, inklusive der Anschläge, 713 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2016:
749; -5 %), darunter 75 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2016: 95), 68 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2016: 105), 171 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2016: 74) und vier Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2016: zwölf) (PIPS 1.2018 S 20; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 15 % auf 1.611 von 1.887 im Jahr 2016, die Zahl der verletzten Personen stieg jedoch im selben Zeitraum um 13 % von 1.956 auf 2.212 (PIPS 1.2018 S 20). Im Jahr 2016 gab es im Vergleich zu 2015 32 % weniger Vorfälle und 46 % weniger Todesopfer (PIPS 1.2017).
Im Jahr 2017 wurden 75 operative Schläge und Razzien (2016: 95; -21 %) in 28 Distrikten oder Regionen Pakistans durchgeführt (2016: 35), davon 39 in Belutschistan (2016: 38), 18 in den [ehem.] FATA (2016: 24), acht in Khyber Pakhtunkhwa (2016: fünf), sieben im Punjab (2016: 13) und drei in Karatschi (2016: 15). 296 Menschen wurden dabei getötet (2016: 492), davon 281 Aufständische (2016: 481) (PIPS 1.2018 S 23; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Im Jahr 2015 wurden 143 Sicherheitsoperationen in 31 Distrikten mit 1.545 Todesopfern durchgeführt (PIPS 1.2017).
Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft gegenüber Terror durchsetzt. Die Sicherheitseinrichtungen sind weiterhin mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert. Die wichtigsten davon sind Kapazitätslücken in der Bekämpfung städtischer Terrorbedrohungen und die mangelhafte Kooperation zwischen den verschiedenen Gesetzesdurchsetzungsbehörden (PIPS 3.1.2016).
Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die "korrigierende religiöse Bildung", Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten (USDOS 7.2017). Zentren befinden sich in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 7.2017).
Die Asia Pacific Group on Money Laundering konnte in Pakistan Fortschritte bei der Behebung von strategischen Mängeln erzielen, die diese in Bezug auf die Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus zuvor festgestellt hatte. Maßnahmen umfassen z.B. die Überwachung von grenzüberschreitenden Geldtransfers, NGO-Finanzierungen, das Einfrieren von Geldern, die rechtliche Meldepflicht von Banken über verdächtige Transaktionen sowie deren Verpflichtung, regelmäßig die Liste der von der UN als Terrororganisationen Eingestuften zu kontrollieren. Dennoch werden bestimmte Gruppen, insbesondere Lashkar e-Tayyiba, nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen (USDOS 7.2017).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (10.2017a):
Pakistan - Innenpolitik,
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2018
-
AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017):
Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.BFA Staatendokumentation (9.2015):
Fact Finding Mission Report Pakistan, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf, Zugriff 18.3.2017
-
PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.
-
PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.
-
PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.
-
PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January 2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018
-
PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February 2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018
-
PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March 2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018
-
USDOS - US Department of State (7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Pakistan (S 261-265), https://www.state.gov/documents/organization/272488.pdf, Zugriff 8.5.2018
Regionale Verteilung der Gewalt
Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern liegt in Khyber Pakhtunkhwa, den [ehem.] Stammesgebieten FATA und in Belutschistan (AA 28.3.2018) sowie in der Wirtschaftsmetropole Karatschi, wobei es in Karatschi seit 2016 nicht mehr zu größeren Anschlägen gekommen ist (AA 20.10.2017).
Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen. Davon entfielen auf Belutschistan 40 Anschläge mit 56 Toten; auf Khyber Pakhtunkhwa zehn Anschläge mit 20 Toten und auf die [ehem.] FATA 18 Anschläge mit 17 Toten. Im Sindh gab es fünf Anschläge mit acht Toten, in Punjab zwei Anschläge mit zwölf Toten. Im Hauptstadtterritorium Islamabad, in Gilgit Baltistan und Azad Jammu & Kashmir wurden keine Anschläge registriert (Aggregat aus:
PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).
Im Jahr 2017 war Belutschistan - wie schon in den drei Jahren zuvor - die am stärksten vom Terrorismus betroffene Provinz. Bei 165 Anschlägen kamen 288 Menschen ums Leben. Somit entfielen 44 % aller Anschläge bzw. 35 % aller Todesfälle landesweit auf Belutschistan. Die [ehem.] Stammesgebiete (FATA) waren die am zweitstärksten vom Terrorismus betroffene Region, sowohl was die Zahl der Anschläge als auch der Opfer angeht. Bei 83 Angriffen kamen 253 Personen ums Leben. In Khyber Pakhtunkhwa kamen bei 71 Anschlägen 91 Personen ums Leben; in Sindh gab es 31 Anschläge (davon 24 in Karatschi) mit 119 Todesopfern (davon 25 in Karatschi, sowie 91 durch einen einzigen suizidalen Sprengstoffanschlag in Sehwan Sharif). Im Punjab kam es zu 14 Anschlägen mit 61 Todesopfern, im Hauptstadtterritorium gab es drei Anschläge mit zwei Todesopfern und in Azad Jammu und Kashmir gab es drei Anschläge mit einem Todesopfer (PIPS 1.2018 S 37-59).
Im Jahr 2016 war Belutschistan wieder die Region von Pakistan mit den höchsten Anschlagszahlen - 151 Anschläge wurden durchgeführt. Sie war auch die Provinz mit den höchsten Opferzahlen, mit 412 Toten. Khyber Pakhtunkhwa war am zweitstärksten von Anschlägen betroffen, 127 Anschläge töteten hier 189 Menschen. Gefolgt wurden diese von den [ehem.] FATA mit 99 Anschlägen und 163 Toten. Sindh war von 54 Anschlägen mit 63 Toten betroffen, allerdings entfielen davon 47 Anschläge mit 60 Toten allein auf Karatschi. Im Sindh - Karatschi ausgenommen - gingen die Todeszahlen in Bezug zu Terrorismus um 97 % zurück, in Islamabad um 75 %, in Karatschi um 60 und in den [ehem.] FATA um 38 %. Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017):
Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.
-
AA - Auswärtiges Amt Deutschland (28.3.2018): Pakistan - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung) https://www.auswaertiges-amt.de/de/pakistansicherheit/204974, Zugriff 8.5.2018
-
PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.
-
PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.
-
PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.
-
PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March 2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018
-
PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February 2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018
-
PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January 2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018
Punjab und Islamabad
Im Punjab gibt es im Landesvergleich weniger Fälle von organisierten, bewaffneten gewalttätigen Übergriffen aber eine große Zahl von Protesten. In großen Städten wie Lahore und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern, durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan, Al Qaeda oder deren Verbündeten (ACLED 7.2.2017). Die Bevölkerung der Provinz beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen (PBS 2017a). Provinzhauptstadt ist Lahore, nach Karatschi die zweitgrößte Stadt Pakistans (EASO 7.2016) mit 11,1 Millionen Einwohnern (PBS 2017a). Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ist ein Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017a).
Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwölf Toten und 23 Verletzten (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018). Sämtliche Todesopfer stammen aus einem Selbstmordattentat vom 14.3. auf einen Polizeiposten vor einer religiösen Versammlung in Lahore. Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) haben sich zu dem Anschlag bekannt (Reuters 14.3.2018; vgl. PIPS 6.4.2018).
Im Jahr 2017 hat sich die Zahl der terroristischen Angriffe im Punjab im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Bei 14 Anschlägen kamen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Die Todesopfer umfassten 35 Zivilisten, 18 Polizisten, sechs Armeemitarbeiter und zwei Aufständische. Es gab drei Selbstmordanschläge in Lahore mit insgesamt 50 Toten, die sich gegen Sicherheitskräfte und Zensusmitarbeiter richteten, darunter einen Sprengstoffanschlag auf einen Polizeieinsatz bei der Räumung eines illegalen Marktes mit 26 Toten. Es gab einen religiös-sektiererisch motivierten Vorfall mit einem Todesopfer. Vier Anschläge richteten sich gegen die Gemeinschaft der Ahmadiya. Für die Anschläge verantwortlich zeigten sich die TTP, Jamaatul Ahrar, Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami sowie weitere unidentifizierte Gruppen (PIPS 1.2018).
Das Hauptstadtterritorium Islamabad verzeichnete 2017 drei Anschläge mit zwei Todesopfern. Zwei der Anschläge waren religiös-sektiererisch motiviert und richteten sich gegen Schiiten (PIPS 1.2018). Im November 2017 blockierten Demonstranten - Mitglieder religiöser Parteien wie Tehreek Labbaik Ya Rasool Allah (TLY), Tehreek-i-Khatm-i-Nabuwwat und Sunni Tehreek Pakistan (ST) - 20 Tage lang den Autobahnknoten Fayzabad Interchange. Am 25.11.2017 begann die Regierung mit der gewaltsamen Auflösung der Proteste, bei der sechs Personen getötet wurden. Da die zur Unterstützung gerufene Armee ihr Eingreifen verweigerte, wurde die Blockade letztlich nach weiteren Verhandlungen und Zugeständnissen friedlich aufgelöst [vgl. Abschnitt 2] (Dawn 28.11.2017).
Die Zahl der Terroranschläge und Todesopfer im Punjab ging in den Jahren 2015 und 2016 zurück (PIPS 1.2017; vgl. PIPS 3.1.2016). Für das Jahr 2016 wurden sieben Terroranschläge im Punjab mit 80 Toten registriert, wobei 74 Tote alleine auf den groß angelegten, gegen die christliche Gemeinschaft gerichteten, Anschlag in Lahore im März 2016 entfielen. Sechs Distrikte des Punjab waren von Anschlägen betroffen. Unter den Opfern befanden sich 75 Zivilisten, vier Polizisten und ein Aufständischer. Das Hauptstadtterritorium Islamabad verzeichnete 2016 einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).
Quellen:
-
ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (7.2.2017):
Regional Violence in Pakistan,
https://www.crisis.acleddata.com/regional-violence-in-pakistan/. Zugriff 21.6.2018
-
Dawn (28.11.2017): An overview of the crisis that forced the government to capitulate,
https://www.dawn.com/news/1373200/an-overview-of-the-crisis-that-forced-the-government-to-capitulate, Zugriff 26.4.2018
-
EASO - European Asylum Support Office (7.2016): Country of Origin Information Report, Pakistan Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1469617733_easo-country-of-origin-information-report-pakistani-security-report.pdf, Zugriff 18.3.2017
-
ICTA - Islamabad Capital Territory Administration (o.D.): About ICTA, https://ictadministration.gov.pk/about-icta/, Zugriff 8.5.2018
-
PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS - 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 8.5.2018
-
PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Repo