TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/22 L507 2165359-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.05.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

22.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z5
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs1 Z2
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L507 2165359-1/28E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung -Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.11.2017, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, sodass die Spruchpunkte I. und III. wie folgt zu lauten haben:

"I. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wird gegen XXXX eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen.

III. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG wird gegen XXXX ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen."

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein in Deutschland lebender Staatsangehöriger der Türkei, reiste ab spätestens März 2014 von Deutschland aus immer wieder zwecks Begehung von Straftaten in das österreichische Bundesgebiet ein und wurde am 19.07.2014 wegen des Verdachtes der Begehung einer Straftat von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen.

2. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29.11.2014 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass aufgrund seines Aufenthaltes in Untersuchungshaft beabsichtigt sei, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich zu erlassen. Zudem wurden der Beschwerdeführer gebeten, Fragen zu seinem Aufenthalt in Österreich, seinen persönlichen Verhältnissen, seinen Lebensumständen, seinen Integrationsbemühungen, zu seinen familiären Verhältnissen sowie einer Zustelladresse nach der Haftentlassung im Inland zu beantworten.

3. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 11.12.2014 (rechtskräftig seit 07.05.2015), Zl. XXXX , wegen § 231 Abs. 1 StGB, §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 2, 130 4. Fall StGB, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von fünf Jahren verurteilt.

4. Mit Schreiben des BFA vom 10.01.2017 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilung beabsichtigt sei, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein befristetes Einreiseverbot zu erlassen. Zudem wurden dem Beschwerdeführer die Länderfeststellungen zu seinem Heimatstaat übermittelt und dieser gebeten, Fragen zu seiner Einreise, seinen Lebensumständen, seinen Integrationsbemühungen sowie zu seinen familiären Verhältnissen zu beantworten.

5. Mit Schreiben vom 17.01.2017 gab der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu den an ihn gestellten Fragen ab.

6. Mit Schreiben des BFA vom 11.05.2017 wurde dem Beschwerdeführer neuerlich mitgeteilt, dass aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilung beabsichtigt sei gegen ihn ein Aufenthaltsverbot oder eine Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot zu erlassen. Zudem wurde der Beschwerdeführer gebeten, Fragen zu seinem Aufenthaltsstatus sowie zu seiner Berufstätigkeit in Deutschland, zu seinem Wohnsitz in Deutschland und zu einer allfällig bestehenden Vertretung im gegenständlichen Verfahren zu beantworten.

7. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 20.06.2017 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gegen ihn gemäß

§ 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt II.). Zudem wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.). Der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Das BFA führte aus, dass sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und aufgrund der begangenen strafbaren Handlungen eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Österreich darstelle. Es bestünden auch keine nennenswerten familiären und privaten Beziehungen in Österreich. Hinsichtlich der Verhängung eines Einreiseverbots wurde ausgeführt, dass aufgrund der Verurteilung wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch und des Vergehens des Gebrauchs fremder Ausweise eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit vorliege. Eine Gefährlichkeitsprognose gehe zu Lasten des Beschwerdeführers. Familiäre oder private Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Österreich seien nicht dergestalt, dass sie einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Die Erlassung eines auf 10 Jahre befristeten Einreiseverbotes sei daher angemessen.

8. Mit Verfahrensanordnungen des BFA vom 20.06.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt und gemäß

§ 52a Abs. 2 BFA-VG die Verpflichtung mitgeteilt, umgehend ein Rückkehrberatungsgespräch bis zum 30.06.2017 in Anspruch zu nehmen.

7. Gegen diesen dem Beschwerdeführervertreter am 26.06.2017 ordnungsgemäß zugestellten Bescheid wurde mit Schreiben vom 10.07.2017 fristgerecht Beschwerde erhoben sowie ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt.

Darin wurde vorweg darauf hingewiesen, dass mit der Rückkehrentscheidung nicht zwingend auch ein Einreiseverbot erlassen werden müsse und reiche als Begründung für das Einreiseverbot und die Länge des Einreiseverbotes jedenfalls nicht aus, lediglich auf das im Urteil angeführte Fehlverhalten zu verweisen bzw. lediglich das Urteil bzw. die Beweiswürdigung des Strafgerichtes zu zitieren, ohne selbst eine Beweiswürdigung vorzunehmen. Das BFA habe es auch unterlassen, nähere Ermittlungen der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers im gesamten Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten anzustellen, obwohl das BFA festgestellt habe, dass der Beschwerdeführer in Deutschland ein Kind gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin habe. Im Weitern folgen nähere Ausführungen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Deutschland.

8. Am 21.11.2017 führte das Bundesverwaltungsgericht in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentlich mündliche Verhandlung durch. In dieser wurde der Beschwerdeführer zu seinem bisherigen Lebenslauf sowie zu seinen privaten Verhältnissen in der Türkei, in Deutschland und in Österreich befragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Türkei, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, alevitischen Glaubens und lebte ab seinem vierzehnten Lebensjahr bzw. ab 1994 mit seinen Eltern und Geschwistern in Deutschland. Er besuchte dort die Hauptschule und war nach dem Schulabschluss von Mai 1999 bis Juni 2012 mit mehrfachen Unterbrechungen rund siebzehn Monate legal erwerbstätig. Unter anderem war der Beschwerdeführer in der Baubranche und im Bereich der Stahlarmierung in Firmen seines Schwagers und Bruders tätig.

Der Beschwerdeführer verfügte in Deutschland ab 12.03.1996 über folgende Aufenthaltsgenehmigungen:

ab 12.03.1996 Duldung

10.12.1996 bis 29.06.2000 Aufenthaltsgestattung

16.09.2004 bis 09.04.2005 Duldung

08.06.2005 bis 30.05.2008 Aufenthaltserlaubnis Familie § 30 deutsches AufenthG

03.06.2008 bis 30.04.2014 Fiktionsbescheinigungen

Am 21.01.2002 wurde der Beschwerdeführer in Deutschland erstmals wegen fahrlässigen Gebrauchs eines Fahrzeuges ohne Haftpflichtversicherung zu einer Geldstrafe verurteilt und folgten bis zum Jahr 2011 sechs weitere Verurteilungen (Gemeinschaftlicher Betrug in 22 Fällen, Handel mit Betäubungsmittel und Geldfälschung in 2 Fällen; Bedrohung und Körperverletzung; vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit mit schwerem Raub in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung; vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis; vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis in 2 Fällen; versuchter Diebstahl in 4 Fällen und vollendeter Diebstahl in 4 Fällen).

Der Beschwerdeführer wurde aufgrund der begangenen Straftaten in Deutschland mehrfach zu Geldstrafen sowie zu mehrjährigen Haftstrafen (1 Jahr und 6 Monate; 2 Jahre und 8 Monate bzw. nachträgliche Gesamtstrafe 2 Jahre und 9 Monate; 3 Jahre und 10 Monate) verurteilt und befand sich zuletzt bis 20.01.2014 in Haft.

Im März 2014 hat der Beschwerdeführer erstmals in Österreich eine Straftat begangen und wurde er aufgrund weiterer in Österreich begangener Delikte mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 11.12.2014 (rechtskräftig seit 07.05.2015), Zl. XXXX , wegen

§§ 231 Abs. 1 StGB, 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 2, 130 4. Fall StGB, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von fünf Jahren verurteilt. Im Zeitraum von 20.03.2014 bis 19.07.2014 hat der Beschwerdeführer 48 Mal Fahrkartenautomaten der Österreichischen Bundesbahnen aufgebrochen und das darin befindliche Bargeld herausgenommen, wobei er zur Begehung dieser Straftaten gemeinsam mit Komplizen kurzfristig von Deutschland nach Österreich eingereist ist und unmittelbar nach Begehung der Straftaten das österreichische Bundesgebiet wieder verlassen hat. Zudem hat der Beschwerdeführer nach seiner Festnahme am 19.07.2014 Beamten des Landeskriminalamtes für Tirol und Vorarlberg den Führerschein seines Bruders als Identitätsnachweis vorgezeigt.

Der Beschwerdeführer befand sich von 19.07.2014 bis 19.07.2018 in Österreich in Haft und ist aktuell wieder in Deutschland aufhältig.

Der Beschwerdeführer lernte im Jahr 2007 seine jetzige Lebensgefährtin, eine deutsche Staatsangehörige, kennen und entstammt dieser Beziehung eine Tochter, welche am 28.05.2013 in Deutschland geboren wurde. Seit Juni 2013 besteht für die Tochter die gemeinsame elterliche Sorge. Ein gemeinsamer Wohnsitz mit seiner Lebensgefährtin bis zur Inhaftierung des Beschwerdeführers im Jahr 2010 in Deutschland bestand nicht. Nach seiner Haftentlassung in Österreich am 19.07.2018 kehrte der Beschwerdeführer wieder nach Deutschland zurück und besteht aktuell ein gemeinsamer Wohnsitz mit seiner Lebensgefährtin und Tochter. Der Beschwerdeführe leistete bisher keine Unterhaltszahlungen an seine Tochter.

Der Beschwerdeführer verfügt in Deutschland aktuell über keinen Aufenthaltstitel. Am 16.04.2012 wurde gegen den Beschwerdeführer von den deutschen Behörden eine Ausweisung ausgesprochen und bestand (zunächst) ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot. Der Beschwerdeführer verfügte zuletzt bis 28.12.2018 über eine Duldung für Deutschland (Aussetzung der Abschiebung) und wurde seitens des Beschwerdeführers erneut die Befristung der Wirkung der Ausweisung sowie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland beantragt. Das Verfahren ist bis dato nicht abgeschlossen. Im Rahmen der ausgesprochenen Duldung ist dem Beschwerdeführer eine Erwerbstätigkeit in Deutschland nicht gestattet und sein Aufenthalt auf einen bestimmten Landkreis sowie eine Stadt in Deutschland beschränkt.

In der Türkei sind mehrere Verwandte der Mutter des Beschwerdeführers aufhältig. Die Eltern des Beschwerdeführers leben in Deutschland und wohnen, wenn sie in der Türkei ihren Urlaub verbringen, im Haus des Großvaters des Beschwerdeführers väterlicherseits. Der Beschwerdeführer war zuletzt 2007 in der Türkei aufhältig.

In Österreich leben keine Verwandten oder sonstigen Bezugspersonen des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer verfügte über kein Aufenthaltsrecht für Österreich, war in Österreich außerhalb seines Haftaufenthaltes nicht legal erwerbstätig und kehrte nach seiner Haftentlassung freiwillig nach Deutschland zurück. Während der Verbüßung seiner Haftstrafe war der Beschwerdeführer als Freigänger von 07.05.2015 bis 19.07.2018 bei einer Spedition tätig.

Der Beschwerdeführer ist gesund und spricht auf einem guten Niveau die deutsche sowie türkische Sprache.

Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer umfassenden und fortgeschrittenen Integration des Beschwerdeführers in Österreich und Deutschland in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden, welche die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen würden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in die Türkei in eine seine Existenz gefährdende Notlage geraten würde.

Weiters konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat nach § 46 FPG unzulässig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den Akt des BFA;

* Mündliche Verhandlung am 21.11.2017;

* Einsicht in folgende Urkunden:

-

XXXX

-

XXXX

-

XXXX

-

XXXX XXXX

-

XXXX

-

XXXX

-

XXXX

-

XXXX

-

XXXX

-

XXXX

-

XXXX

-

XXXX

-

XXXX

-

XXXX

-

XXXX

-

XXXX XXXX )

-

XXXX

-

XXXX

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, der Identität des Beschwerdeführers sowie hinsichtlich seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den familiären und privaten Verhältnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf dessen in diesen Punkten glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren.

Dass der Beschwerdeführer in Deutschland eine Lebensgemeinschaft mit einer deutschen Staatsangehörigen führt und aus dieser Beziehung eine gemeinsame Tochter stammt, für die ein gemeinsames Sorgerecht besteht, ist den dahingehend gleichlautenden Angaben des Beschwerdeführers, der vorgelegten Geburtsurkunde sowie der Sorgeerklärung zu entnehmen.

Der Beschwerdeführer brachte auch vor, dass er in Deutschland mit seiner Lebensgefährtin an einem gemeinsamen Wohnsitz ( XXXX ) gelebt habe. Aus der vorgelegten Meldebescheinigung geht jedoch nicht hervor, dass der Beschwerdeführer an dieser Adresse gemeldet war. Auch an der aus der Sorgeerklärung hervorgehenden weiteren Adresse seiner Lebensgefährtin ( XXXX ) war der Beschwerdeführer nie gemeldet, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass von 2007 bis zur Inhaftierung im Jahr 2010 ein gemeinsamer Wohnsitz mit seiner Lebensgefährtin bestanden hat. Nach seinem Haftaufenthalt in Deutschland (bis 20.01.2014) begab sich der Beschwerdeführer spätestens ab März 2014 immer wieder zur Begehung von Straftaten nach Österreich und war hier von 19.07.2014 bis 19.07.2018 in Haft, weshalb auch in dieser Zeit kein gemeinsamer Wohnsitz mit seiner Lebensgefährtin bestand. Dass seit der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Deutschland ein gemeinsamer Wohnsitz mit seiner Lebensgefährtin und Tochter besteht ist seinen dahingehen widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Angaben zu entnehmen.

Trotz der Aufforderung, Nachweise für die Unterhaltszahlungen an seine Tochter vorzulegen, hat der Beschwerdeführer bis dato keine dahingehenden Nachweise erbracht, weshalb auch keine Unterhaltsleistungen festgestellt werden konnten. Es wird darauf hingewiesen, dass gerade in diesem Punkt eine erhöhte Mitwirkungspflicht durch den Beschwerdeführer besteht. Die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich das erkennende Gericht nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (etwa die familiäre, gesundheitliche oder finanzielle Situation), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

Die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers in Deutschland sowie in Österreich sind dem vorgelegten (deutschen) Versicherungsverlauf vom 31.08.2017, dem Schreiben der Justizanstalt XXXX vom 18.07.2018, dem Schreiben der Firma XXXX vom 23.05.2017 und den diesbezüglich gleichlautenden Angaben des Beschwerdeführers zu entnehmen.

Dass der Beschwerdeführer über gute Deutschkenntnisse verfügt beruht auf dem langjährigen Aufenthalt und Schulbesuch in Deutschland sowie den Wahrnehmungen des entscheidenden Richters in der mündlichen Verhandlung. Da der Beschwerdeführer bis zum vierzehnten Lebensjahr in der Türkei aufgewachsen und dort zur Schule gegangen ist, kann auch vom Erwerb der türkischen Sprache ausgegangen werden.

Dass der Beschwerdeführer gesund ist, beruht auf den dahingehenden Angaben des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 17.01.2017 (AS 253).

Die Verurteilungen und Haftaufenthalte in Deutschland sowie strafrechtlichen Verurteilungen in Österreich ergeben sich aus dem Verwaltungsakt des BFA, dem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck, dem Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck und dem Strafregisterauszug der Republik Österreich.

Dass sich der Beschwerdeführer in Österreich von 19.07.2014 bis 19.07.2018 in Haft befunden hat, ist den diesbezüglichen Informationen der Justizanstalt XXXX zu entnehmen.

Die Angaben zum aufenthaltsrechtlichen Status in Deutschland ergeben sich aus dem Schreiben der Stadt XXXX vom 23.01.2018, den Nachweisen der Aussetzung der Abschiebung sowie dem Schreiben des Regierungspräsidiums XXXX vom 03.01.2018.

Die Feststellung betreffend die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Herkunftsstaat beruht darauf, dass der Beschwerdeführer weder vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde konkrete Angaben dahingehend getätigt hat, denen zufolge eine rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung anzunehmen gewesen wäre. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG aus vom Beschwerdeführers zu vertretenden Gründen nicht möglich wäre (§ 52 Abs. 9 FPG).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides bzw. zur Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung:

3.2.1. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß

§ 46a Abs. 1 Z 1 oder Z3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Ein Ausspruch in Bezug auf § 57 AsylG hat seine Grundlage in § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG, wonach das BFA die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen hat, wenn sich ein Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des sechsten Hauptstückes des FPG fällt. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung des BVwG über die gegen den Bescheid des BFA erhobene Beschwerde befand sich der Beschwerdeführer allerdings nicht mehr im österreichischen Bundesgebiet, weshalb die Voraussetzung für die amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG weggefallen ist.

Die in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ausgesprochene Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG hat daher zu entfallen (siehe VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234, Rz 23).

3.2.2. § 10 Abs. 2 AsylG lautet:

"(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden."

§ 52 FPG lautet:

"(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG).

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere folgende Punkte zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Nach § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt. Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterium hiefür kommt etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht (vgl. EGMR 13. 6. 1979, Marckx, EuGRZ 1979).

Die Frage nach dem Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Drittstaatsangehörigen darf jedoch nicht allein im Hinblick auf seine Verhältnisse in Österreich beurteilt werden, sondern ist auch die Situation in den anderen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Das folgt unzweifelhaft daraus, dass eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot grundsätzlich auf das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten bezogen sein sollen (VwGH 26.03.2015, 2013/22/0284).

Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären Bindungen in Österreich. Auch wurden diesbezüglich keine anderen Ausführungen in der Beschwerde bzw. in der mündlichen Verhandlung getroffen.

Der Beschwerdeführer hat jedoch familiäre Anknüpfungspunkte in Deutschland, zumal seine Eltern und Geschwister dort leben und er seit 2007 eine Lebensgemeinschaft führt. Zudem hat der Beschwerdeführer eine Tochter mit seiner Lebensgefährtin, welche am 28.05.2013 in Deutschland geboren wurde.

Unter Volljährigen reicht das rechtliche Band der Blutsverwandtschaft allein jedoch nicht, um ein Familienleben iSd Art 8 MRK zu begründen. Hier wird auf das tatsächliche Bestehen eines effektiven Familienlebens abgestellt, darüber hinaus müssen zusätzliche Merkmale einer Abhängigkeit gegeben sein, die über die sonst üblichen Beziehungen hinausgehen. Vgl. ua. EGMR 30.11.1999 (Baghli gegen Frankreich) Ziff 35; EGMR Ezzouhdi (FN 9) Ziff 34; EGMR 10.07.2003 (Benhebba gegen Frankreich); EGMR 17.01.2006 (Aoulmi gegen Frankreich).

Hinsichtlich seiner Eltern und Geschwister hat der Beschwerdeführer jedoch kein besonderes Abhängigkeits- oder Naheverhältnis, welches über die üblichen Beziehungen von volljährigen Kindern zu ihren Eltern bzw. unter volljährigen Geschwistern hinausgeht, behauptet oder nachweisen können, noch hat er dartun können, dass seine Angehörigen auf Betreuung durch den Beschwerdeführer angewiesen wären. Da der Beschwerdeführer erwachsen ist, ist nicht zu erkennen, inwieweit er auf eine Familiengemeinschaft mit seinen Eltern und Geschwistern derart angewiesen wäre, dass die gesetzte Maßnahme einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein Familienleben darstellen würde.

Hinsichtlich der Lebensgefährtin und Tochter des Beschwerdeführers ist anzumerken, dass bis zu seiner Rückkehr aus Österreich im Juli 2018 kein gemeinsamer Wohnsitz bestanden hat. Entsprechend den Angaben des Beschwerdeführers, wonach er in seiner zuletzt in Deutschland verbüßten Haftstrafe (von 2010 bis 2014) ab 2012 "Freigänger" gewesen sei, ist davon auszugehen, dass die im Mai 2013 geborene Tochter auch in diesem Zeitraum gezeugt wurde. Dem Beschwerdeführer musste demnach auch klar sein, dass er zum Zeitpunkt der Geburt seiner Tochter noch in Haft sein wird und war er auch in weiterer Folge die ersten acht Lebensmonate seiner Tochter noch inhaftiert, was dem Aufbauen einer Nahebeziehung entgegenstand.

Zudem ist hervorzuheben, dass weder die Geburt der Tochter, noch seine Lebensgefährtin bzw. die sonst in Deutschland vorhandenen familiären Anbindungen den Beschwerdeführer von der fortgesetzten Wiederholung schwerwiegender Eigentumsdelikte knapp zwei Monate nach der Haftentlassung im Jänner 2014 abgehalten haben und er somit eine Trennung von seinen Angehörigen bereits durch die bewusste Begehung von mit mehrjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Delikten in Kauf genommen hat.

Darüber hinaus kann auch angesichts des Umstandes, dass sich der Beschwerdeführer ab dem Jahr 2010 mehr als sieben Jahre durchgehend in Haft befunden hat, keine besonders enge familiäre Beziehung zu seinen in Deutschland lebenden Angehörigen angenommen werden. An dieser Stelle sei erneut darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer seine Lebensgefährtin 2007 kennengelernt hat und mit dieser bis zur Inhaftierung im Jahr 2010 auch keinen gemeinsamen Wohnsitz bestand, was auf eine nicht besonders intensive Bindung schließen lässt. Zudem liegt es in der Natur des Strafvollzuges, dass zwar ein Mindestmaß an Kontakt zu seinen Angehörigen aufrechterhalten werden kann, dieser einer Intensivierung solcher sowie der Aufrechterhaltung von starken Beziehungen jedoch im Wege steht. Dies vor allem auch im Hinblick auf das junge Alter der Tochter des Beschwerdeführers. Seiner Sorgfaltspflicht gegenüber seinen minderjährigen Kindern, konnte der Beschwerdeführer während seiner Inhaftierung ebenfalls nicht nachkommen.

Das Gewicht des Familienlebens des Beschwerdeführers in Deutschland wird durch seine strafrechtlichen Verurteilungen und mehrjährigen Haftaufenthalte daher erheblich abgeschwächt. Der Beschwerdeführer hat im Wissen seiner Straffälligkeit während seiner Haft als Freigänger ein Kind gezeugt und durch seine wiederholte Straffälligkeit den nachhaltigen Unwillen, die Beziehung zu seiner Tochter und Lebensgefährtin zu schützen und zu pflegen, zum Ausdruck gebracht.

Die relevante Rechtsprechung des EGMR zeigt auch, dass es Fälle geben kann, in denen ein Verweis auf Besuchsmöglichkeiten oder sonstige fernmündliche Kontakte genügt, um eine Verletzung von Art. 8 EMRK zu vermeiden (vgl. EGMR 31.07.2008, Darren Omeregie and others v. Norway 265/07). Im gegenständlichen Verfahren liegt zudem ein wesentlich weniger ausgeprägtes Familienleben vor.

Insgesamt gesehen erweist sich das Vorbringen betreffend des in Deutschland bestehenden Familienlebens als nicht zielführend, ist doch von den nationalen Behörden und Gerichten hinsichtlich Art. 8 EMRK das allenfalls in Österreich entstandene Privat- und Familienleben maßgeblich (vgl. VfGH U794/10, vom 26.9.2011; U2447/10 vom 19.9.2011 ua). Inwieweit ein für Deutschland ausgestellter Aufenthaltstitel entzogen bzw. eine Wiedereinreise nach Deutschland gewährt wird, obliegt der Prüfung durch die nationalen Behörden und Gerichte, wie dies etwa auch in Art. 11 der RückführungsRL vorgesehen ist.

In diesem Sinne entschied etwa auch das VG Augsburg mit Urteil vom 30.4.2013, Az. Au 1K 13.316, wenn dieses zum Vorbringen des Klägers, ungarischer Volkszugehörigkeit, er könne nach seiner Abschiebung aus der Strafhaft von Deutschland nach Serbien nicht nach Ungarn einreisen, um die in Ungarn lebenden Verwandten und das Grab seiner Eltern in Ungarn zu besuchen, ausführt, dass die Bestandskraft des Einreise und Aufenthaltsverbot nach Art. 92, 96 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14.6.1985 (ABL. 2000 Nr. L 239 S. 19 - Schengener Durchführungsübereinkommen; SDÜ) automatisch mit der Ausschreibung des Klägers im Schengener Informationssystem (SIS) verbunden ist. Mit dieser Ausschreibung des Klägers im SIS wird jedoch keine Regelung getroffen, die die ungarischen Behörden bindet.

Auch das deutsche Rechtssystem kennt Ausnahmen wie etwa eine Betretungserlaubnis gemäß § 11 Aufenthaltsgesetz für das kurzfristige Betreten des deutschen Hoheitsgebietes aus zwingenden Gründen, die seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würden (vgl. Beschluss des Niedersächsischen OVG, vom 20.2.2007 Az. 11 ME 386/06), oder gemäß § 23a Aufenthaltsgesetz eine Aufenthaltsgewährung in Härtefällen. Für die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen sind jedoch die deutschen Behörden und Gerichte berufen.

In diesem Zusammenhang kann eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (vgl. EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u.a., Zl. 26940/10). Im Gegenständlichen Fall liegt ein solcher Ausnahmefall jedoch nicht vor, zumal allein die Tatsache des Bestehens einer Familiengemeinschaft in Deutschland nicht ausreicht, um annehmen zu können, dass mit der angeordneten Rückkehrentscheidung jedenfalls in unzulässiger Weise in das nach

Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben eingegriffen werden würde.

Gestützt auf die Straffälligkeit des Beschwerdeführers ist auch noch auf die nachfolgende Judikatur zu verweisen:

Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung zu U536/11 zur Zulässigkeit der Ausweisung von Personen, die im Aufenthaltsstaat geboren sind bzw. seit frühester Kindheit in diesem Staat leben, festgehalten, dass selbst wenn sich für diese Personen ein besonderer, stärkerer Schutz aus Art 8 EMRK ergibt, der auch dann gilt, wenn Straftaten begangen wurden (Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention5, 2012, §22 Rz 68), deren Ausweisung nach der Rechtsprechung des EGMR verhältnismäßig sein kann. Insbesondere hat der EGMR bei der Begehung von Drogendelikten die Zulässigkeit der Ausweisung wiederholt bejaht (vgl. etwa jüngst EGMR 13.10.2011, Fall Trabelsi, Appl. 41.548/06). Der Umstand, dass sich in diesem Fall der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2012 wohlverhalten hat, vermochte am Ergebnis der Abwägung nichts zu ändern, hatte der Beschwerdeführer doch - anders als in EGMR 23.6.2008 [GK], Fall Maslov, Appl. 1638/03, - sämtliche Delikte nicht als Jugendlicher, sondern als Erwachsener begangen. Hingewiesen wurde auch auf hinreichende Kenntnisse der serbischen Sprache, die der Beschwerdeführer im Zuge wiederholter, wenn auch kurzer Aufenthalte in Serbien nutzte (anders in EGMR 12.1.2010, Fall Khan, Appl. 47.486/06, Z42; vgl. auch EGMR 13.10.2011, Fall Trabelsi, Appl. 41.548/06, Z63 f.).

Weiters ist auf einen Ablehnungsbeschluss des VfGH vom 30.11.2009, U 2541/09-3, mit welchem die Behandlung einer Beschwerde gegen das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 11.08.2009, Zl. C10 407392-1/2009/3E, bestätigt wurde, zu verweisen. In diesem wurde eine seit ca. 29 Jahren in Österreich aufhältige Person ausgewiesen, welche elf strafgerichtliche Verurteilungen aufwies.

Auch der Verwaltungsgerichtshof erklärte die Ausweisung im Falle eines seit 15 Jahren (seit seinem 10. Lebensjahr) aufhältigen Fremden für zulässig, welcher wegen eines Verstoßes gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten und wegen gefährlicher Drohung und Nötigung zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden war (14.6.2007, 2004/18/0062).

Darüber hinaus erklärte der VwGH Aufenthaltsverbote bei einem 17-jährigen Aufenthalt (seit dem 3. Lebensjahr) und einer Verurteilung wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren (16.10.2007, 2007/18/0294), bei einem Aufenthalt seit dem 7. Lebensjahr und einer Verurteilung wegen schweren Raubes zu Freiheitsstrafe von sechs Jahren (24.10.2007, 2007/21/0369) für zulässig.

Ebenso erklärte der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 17.851 ein Aufenthaltsverbot bei einem 15-jähriger Aufenthalt (seit dem 6. Lebensjahr) und Verurteilungen wegen Raubes zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten und wegen Verstoßes gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten für zulässig.

Zum Überwiegen der öffentlichen Interessen des Staates an der Ausweisung und der Zulässigkeit des Eingriffes in das Privatleben und Familienleben ist des Weiteren auch auf die Entscheidung des EGMR vom 18.02.1991, Moustaquim, 12.313/86 (Ausweisung straffälliger Fremder), zu verweisen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten