Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASVG §67 Abs10;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der M in A, vertreten durch die Rechtsanwälte Hitzenbichler & Vogl in 5020 Salzburg, Hubert Sattlergasse 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 28. November 1997, Zl. 3/01-7/13.263/5-1997, betreffend Haftung für Beitragsschuldigkeiten gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse, 5024 Salzburg, Faberstraße 19-23), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde - in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse - festgestellt, daß die Beschwerdeführerin als ehemalige Geschäftsführerin der im Konkurs befindlichen Kunst- und Bauschlosserei Eder GesmbH gemäß §§ 67 Abs. 10, 83 und 59 ASVG für die im Haftungszeitraum vom 1. Jänner 1997 bis zum 28. Februar 1997 fälligen und rückständigen Sozialversicherungsbeiträge der genannten Gesellschaft hafte und den mit S 243.152,68 ausgewiesenen Betrag zuzüglich Verzugszinsen ab dem 28. März 1997 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu bezahlen habe.
Nach der Begründung dieses Bescheides sei die genannte Summe an offenen Beiträgen aus dem genannten Zeitraum zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung am 17. März 1997 fällig gewesen. Die Beiträge seien auch objektiv uneinbringlich. Die Beschwerdeführerin habe trotz wiederholter Aufforderungen, entsprechende Beweise dafür anzubieten, daß sie der Verpflichtung, die Verbindlichkeiten gegenüber der Salzburger Gebietskrankenkasse nicht schlechter zu behandeln als die übrigen aus dem von ihr verwalteten Vermögen zu begleichenden Verbindlichkeiten, dazu nichts vorgebracht. Auch ein Liquiditätsstatus sei nicht vorgelegt worden. Die Ausführungen in näher genannten Stellungnahmen der Beschwerdeführerin, die sich auf die wirtschaftliche Situation der Beitragsschuldnerin bezogen hätten, seien daher unbeachtlich. Unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es Sache des haftungspflichtigen Vertreters sei, darzulegen, weshalb er für die rechtzeitige Entrichtung der Beitragsschulden nicht habe Sorge tragen können, widrigenfalls angenommen werden dürfe, daß er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen sei, hielt die belangte Behörde die Haftung der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin für gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Haftung des Geschäftsführers gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Februar 1996, Zl. 95/08/0251) ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen zur rechtzeitigen Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung, für deren Beurteilung die von Lehre und Rechtsprechung zu § 9 und § 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden können (vgl. hiezu u.a. das Erkenntnis vom 14. April 1988, Zl. 88/08/0025), kann z.B. darin liegen, daß der Geschäftsführer die Beitragsschulden insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt läßt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0198, und jenes vom 19. November 1996, Zl. 96/08/0180).
Im Beschwerdefall behauptet die Beschwerdeführerin nicht, daß die Gesellschaft im fraglichen Zeitraum vom 1. Jänner bis zum 17.3.1997 mangels finanzieller Mittel ihre Zahlungen zur Gänze eingestellt und deshalb auch keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet hätte.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht für die Vertreterhaftung nach § 67 Abs. 10 ASVG leichte Fahrlässigkeit (bei der Verletzung der den Geschäftsführer treffenden Verpflichtungen) aus (vgl. hiezu das oben zitierte hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1996, Zl. 95/08/0251). Es trifft jedoch - ungeachtet der grundsätzlich amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde - denjenigen, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt, über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm deren Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, daß er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0016, sowie neuerlich das bereits erwähnte Erkenntnis vom 19. November 1996, Zl. 96/08/0180).
Die Beschwerdeführerin hat ungeachtet der Aufforderung der belangten Behörde in deren Schreiben vom 14. Juli 1997, zu den näher bezeichneten, im Sinne der Rechtsprechung maßgebenden Umständen Stellung zu nehmen und entsprechende Beweise anzubieten (diese Aufforderung ist vom Beschwerdevertreter - wie aus seinem Fristerstreckungsansuchen vom 23. September 1997 hervorgeht - auch insoweit zutreffend verstanden worden, zumal er die Vorlage eines Gutachtens zur Gleichbehandlung der Gläubiger in diesem Ansuchen ausdrücklich ankündigte), in ihrer schließlich erstatteten Stellungnahme vom 21. Oktober 1997 nicht nur kein derartiges Gutachten vorgelegt, sondern ausschließlich ausgeführt, daß das gegen sie eingeleitete Strafverfahren eingestellt worden und ihr die Überschuldung des Unternehmens, das sie als Geschäftsführerin nach dem plötzlichen Tod ihres Ehegatten übernommen habe, ohne ihre Schuld nicht bekannt geworden sei.
Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang teils unter dem Gesichtspunkt von "Verfahrensmängeln", teils unter jenem der inhaltlichen Rechtswidrigkeit nunmehr rügt, daß sich die belangte Behörde mit ihren Argumenten im Einspruchsverfahren nur unzureichend auseinandergesetzt und nicht berücksichtigt habe, daß sie kein Verschulden an der Insolvenz der Gesellschaft treffe, dann verkennt sie weiterhin das Thema eines Verfahrens nach § 67 Abs. 10 ASVG, in dem es ausschließlich darauf ankommt, ob die Beschwerdeführerin ihrer sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtung zur Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge ohne Verschulden nicht oder nur teilweise nachkommen konnte, im letztgenannten Fall, ob sie die Forderung der Gebietskrankenkasse (gemessen an den zur Verfügung stehenden Mitteln und den diesen Mitteln zum Fälligkeitszeitpunkt jeweils gegenüberstehenden Forderungen) zumindest anteilig befriedigt und dadurch im Verhältnis zu anderen Gläubigern gleichbehandelt hat.
Hat aber die Beschwerdeführerin nicht dargelegt, weshalb sie - entsprechend den ihr obliegenden sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen - nicht dafür Sorge tragen konnte, daß die Beitragsschulden rechtzeitig - zur Gänze oder zumindest anteilig - entrichtet wurden (das Angebot, die Buchhaltungsunterlagen beizubringen, ist keine solche Darlegung), dann trifft sie nach der vorerwähnten Rechtsprechung konsequenterweise die Haftung für die (von der Haftung betroffenen) Beitragsschulden zur Gänze (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. April 1994, Zl. 93/08/0232), da ohne ihre Mitwirkung jener Anteil, der durch das schuldhafte Verhalten uneinbringlich geworden ist, nicht festgestellt werden kann. Es ist daher auch nicht auf die im Beschwerdevorbringen aufgestellte Behauptung näher einzugehen, daß eine seinerzeitige Befriedigung der Gebietskrankenkasse zu 100 % und damit aber auch eine Haftung in voller Höhe "nicht denkbar" sei.
Auch der weitere Einwand der Beschwerdeführerin, sie sei nur vom 27. Jänner 1997 an Geschäftsführerin gewesen und dürfe daher mit den Sozialversicherungsbeiträgen für Jänner 1997 nur anteilig belastet werden, verhilft ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg, weil sie übersieht, daß es für die Haftung auf das Verhalten des Geschäftsführers am Fälligkeitstag für die Beiträge, hinsichtlich jener für Jänner 1997 bei einem "Selbstabrechnerbetrieb" somit am 31. Jänner 1997, ankommt, also zu einem Zeitpunkt, zu welchem die Beschwerdeführerin bereits Geschäftsführerin gewesen ist und sie daher bereits die Verpflichtung zur (allenfalls anteiligen) Abfuhr dieser Beiträge getroffen hat.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG - im Hinblick auf die Klärung aller maßgeblichen Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 10. November 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998080025.X00Im RIS seit
20.11.2000