TE Vwgh Erkenntnis 1998/11/10 94/08/0258

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Veröffentlicht am 10.11.1998
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1294;
AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in 1021 Wien, vertreten durch Dr. Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 17/16, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. September 1994, Zl. MA 15-II-SCH 17/94, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Gewährung einer Ausgleichszulage (mitbeteiligte Partei: I in Z, vertreten durch Dr. Raoul Troll, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt vom 28. Mai 1993 wurde das mit Bescheid vom 9. Dezember 1992 abgeschlossene Pensionsverfahren des Mitbeteiligten gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 357 Abs. 1 ASVG wiederaufgenommen und ausgesprochen, daß der Antrag des Mitbeteiligten auf Gewährung einer Ausgleichszulage gemäß § 292 ASVG abgelehnt werde. Nach der letztgenannten Bestimmung habe der Pensionsberechtigte, solange er sich im Inland aufhalte, Anspruch auf eine Ausgleichszulage, wenn seine Pension zuzüglich seines aus den übrigen Einkünften erwachsenden Nettoeinkommens und der gemäß § 294 zu berücksichtigten Beträge die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes (§ 239) nicht erreiche. Nach der Zuerkennung der Ausgleichszulage sei der Pensionsversicherungsanstalt allerdings bekannt geworden, daß sich der gewöhnliche Aufenthalt des Mitbeteiligten nicht im Inland befinde.

Dem dagegen erhobenen Einspruch des Mitbeteiligten gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid Folge und stellte fest, daß die mit Bescheid vom 28. Mai 1993 erfolgte amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens über die Ausgleichszulage des Mitbeteiligten nicht zu Recht erfolgt sei.

Nach der Begründung sei der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt auf Grund einer Note des fremdenpolizeilichen Referates der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 28. April 1993 nach Bescheiderteilung bekannt geworden, daß sich der gewöhnliche Aufenthalt des Mitbeteiligten nicht im Inland befunden habe. Dagegen habe der Mitbeteiligte in seinem Einspruch aber im wesentlichen vorgebracht, daß sich sein gewöhnlicher Aufenthalt sehr wohl im Inland befunden habe. Sein ordentlicher Wohnsitz sei bis zum 24. Mai 1993 in Eis Nr. 50, 9113 Ruden, gewesen. Eine mehrmalige Ortsabwesenheit in der Dauer von etwa 14 Tagen werde allerdings nicht bestritten.

Nach den Feststellungen der belangten Behörde sei der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt am 30. März 1992 von der Gemeinde Bergheim die Meldeauskunft erteilt worden, daß der Mitbeteiligte mit dem ordentlichen Wohnsitz in 5101 Bergheim, Bräumühlweg 13, gemeldet gewesen, jedoch am 13. Mai 1991 nach Jugoslawien verzogen sei. Mit Schreiben vom 6. April 1992 sei der Pensionsversicherungsanstalt seitens des Gemeindeamtes Ruden mitgeteilt worden, daß der Mitbeteiligte seit 9. September 1991 als Untermieter in Eis Nr. 50, 9113 Ruden, gemeldet sei. Trotz der Auskunft der Gemeinde Bergheim, daß der Mitbeteiligte nach Jugoslawien verzogen sei, habe die Pensionsversicherungsanstalt keine Ermittlungen vorgenommen, ob die angegebene Adresse in Ruden tatsächlich der gewöhnliche Aufenthalt des Mitbeteiligten sei. Wohl sei von diesem im Schreiben vom 17. November 1992 angegeben worden, sein ordentlicher Wohnsitz befinde sich in Ruden, Eis Nr. 50, jedoch gehe aus diesem Schreiben auch hervor, daß seine Gattin in Kroatien lebe und er diese sehr oft aufsuche. In diesem Zusammenhang weise auch die Tatsache, daß in dem vom Mitbeteiligten am 15. August 1992 ausgefüllten Fragebogen der Pensionsversicherungsanstalt die Frage, ob eine Haushaltsgemeinschaft mit dem Ehepartner bestehe, mit "Ja" beantwortet worden sei, darauf hin, daß der in Ruden angegebene Wohnsitz möglicherweise nicht der gewöhnliche Aufenthaltsort des Mitbeteiligten sei. Auch dies habe zu keinen näheren Ermittlungen der Pensionsversicherungsanstalt geführt. Da von der Pensionsversicherungsanstalt eingehende Ermittlungen zur Ausforschung des tatsächlichen gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Mitbeteiligten unterlassen worden seien, obwohl im seinerzeitigen Verfahren widersprüchliche Hinweise über den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Mitbeteiligten hervorgekommen seien, könne nicht davon gesprochen werden, daß durch die Note der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 28. April 1993 neue Tatsachen über den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Mitbeteiligten ohne Verschulden der Behörde erst nach dem bescheidmäßigen Abschluß des Verfahrens hervorgekommen seien. Es liege daher im gegenständlichen Fall kein Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG vor, weshalb dem Einspruch des Mitbeteiligten stattzugeben gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Auch der Mitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 292 Abs. 1 ASVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der 53. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 411/1996, hat der Pensionsberechtigte unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf eine Ausgleichszulage zur Pension, "solange er sich im Inland aufhält".

Nach § 69 Abs. 1 Z. 2 ASVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Gemäß § 69 Abs. 3 AVG kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden.

Bei dem (auch bei der amtswegigen Wiederaufnahme beachtlichen) Verschulden der Behörde im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG handelt es sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes um ein Verschulden im Sinne des § 1294 ABGB. Ein solches Verschulden kann auch in einem Verfahrensmangel gelegen sein, der zur Folge hatte, daß die erst nachträglich hervorgekommene Tatsache nicht schon in dem abgeschlossenen Verfahren verwertet werden konnte (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, Zl. 94/08/0290).

Die belangte Behörde hat ihre Feststellung, daß die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt an der Nichterörterung der neu hervorgekommenen Tatsache ein Verschulden treffe, zunächst auf den Umstand gestützt, daß trotz der Auskunft der Gemeinde Bergheim, der Mitbeteiligte sei am 13. Mai 1991 nach Jugoslawien verzogen, seitens der Pensionsversicherungsanstalt keine Ermittlungen vorgenommen worden seien, ob die angegebene Adresse in Ruden tatsächlich als gewöhnlicher Aufenthaltsort des Mitbeteiligten anzusehen sei.

Diesbezüglich wird allerdings in der Beschwerde zutreffend darauf hingewiesen, es sei nicht widersprüchlich, wenn sich jemand im Mai eines Jahres ins Ausland abmelde und in der Folge (im September desselben Jahres) in Österreich wieder anmelde, weshalb die Unterlassung weiterer Erhebungen bei dieser Sachlage kein Verschulden darstelle.

Zu Recht hebt allerdings die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid hervor, daß der Mitbeteiligte in dem von ihm ausgefüllten Fragebogen der Pensionsversicherungsanstalt am 15. August 1992 die Frage, ob eine Haushaltsgemeinschaft mit dem (in Kroatien lebenden) Ehepartner bestehe, mit "Ja" beantwortet und im Schreiben vom 17. November 1992 (vgl. das Aktenstück 75) angegeben hat, sein ordentlicher Wohnsitz befinde sich in Ruden, Eis Nr. 50, weshalb die Pensionsversicherungsanstalt verhalten gewesen wäre, vor Zuerkennung einer Ausgleichszulage im Dezember 1992 die widersprüchlichen Angaben des Mitbeteiligten aufzuklären. Die belangte Behörde handelte daher nicht rechtswidrig, wenn sie auf Grund dieser Sachlage feststellte, daß die mit Bescheid der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt vom 28. Mai 1993 erfolgte amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens über die Ausgleichszulage des Mitbeteiligten nicht zu Recht erfolgt ist, weil die Unkenntnis von jenen Umständen, auf welche der die Wiederaufnahme verfügende Bescheid gestützt war, von der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt zu vertreten ist.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebühren waren der mitbeteiligten Partei auf Grund der sachlichen Abgabenfreiheit (vgl. § 110 ASVG) nicht zuzusprechen. Der im Gesetz vorgesehene Schriftsatzaufwand ist eine Pauschalsumme, mit der der gesamte mit der Einbringung der Beschwerde anfallende schriftliche Aufwand als abgegolten zu gelten hat. Für die Stellungnahme des Mitbeteiligten zum Antrag der Beschwerde, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, war daher kein Schriftsatzaufwand zuzusprechen.

Wien, am 10. November 1998

Schlagworte

Verschulden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1994080258.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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