TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/28 W231 2212605-2

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Veröffentlicht am 28.05.2019
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Entscheidungsdatum

28.05.2019

Norm

AsylG 2005 §6 Abs1 Z3
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W231 2212605-2/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Birgit HAVRANEK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA AFGHANISTAN, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des BFA, RD Wien, Außenstelle Wien vom 27.12.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben. Der angefochtene Bescheid wird

gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Mutter des Beschwerdeführers ("BF") stellte am 18.10.2005 einen Asylantrag im österreichischen Bundesgebiet. Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 21.05.2008 wurde ihr letztlich der Status einer Asylberechtigten zuerkannt.

I.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.12.2006 wurde der im Rahmen eines Familienverfahrens gestellte Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 7 AsylG abgewiesen und festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG nicht zulässig sei, gleichzeitig wurde dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung gab der Unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 27.05.2008 statt und erkannte dem BF im Rahmen des Familienverfahrens als minderjährigem Familienangehörigen einer Asylberechtigten den Status des Asylberechtigten zu. Zugleich wurde festgestellt, dass dem BF damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

I.3. Im Juni 2016 langte bei der belangten Behörde eine Verständigung über die rechtskräftige Verurteilung des BF gem. § 142 Abs. 1 StGB, § 15 StGB (Jugendstraftat) ein.

I.4. Im August 2018 wurde die belangte Behörde über eine weitere rechtskräftige Verurteilung des BF gem. § 107 Abs. 1, Abs. 2 StGB, § 50 Abs. 1 Z 3 WaffenG informiert.

I.5. Am 09.08.2018 wurde der BF von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen und darüber in Kenntnis gesetzt, dass gegen ihn aufgrund seiner strafrechtlichen Verurteilungen ein Asyl-Aberkennungsverfahren eingeleitet wird.

I.6. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 27.12.2018 erkannte die belangte Behörde dem BF den Status des Asylberechtigten ab und stellte fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I), der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde ihm nicht zuerkannt (Spruchpunkt II), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV), und seine Abschiebung nach Afghanistan für zulässig erklärt (Spruchpunkt V). Schließlich erließ die belangte Behörde gegen den BF ein auf 10 Jahre befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII).

I.7. Am 22.01.2019 erhob der BF die rechtzeitige und zulässige Beschwerde in vollem Umfang wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, in Folge einer mangelhaften Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Es wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben; in eventu den Bescheid zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen; in eventu dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen; in eventu die Ausweisung beziehungsweise Abschiebung für auf Dauer unzulässig zu erklären, das Einreiseverbot aufzuheben bzw. die Dauer herabzusetzen und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Insb. sei verabsäumt worden, das schutzwürdige Interesse des BF an seinem Privat- und Familienleben in Österreich hinreichend zu berücksichtigen.

I.8. Am 25.01.2019 langte die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.15. Am 18.03.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF und sein Rechtsvertreter teilnahmen. Eine Vertreterin der belangten Behörde war ebenso anwesend. Im Rahmen der Verhandlung wurde der BF ausführlich zu seinen Verurteilungen in Österreich, allfälligen aktuellen Asylgründen, seinem Privat- und Familienleben in Österreich und Afghanistan sowie zu einer möglichen Situation im Falle einer Rückkehr befragt. Nach der mündlichen Verhandlung forderte die erkennende Richterin den Strafakt zu XXXX an und stellte den Parteien Auszüge aus Protokollen im Rahmen des Parteiengehörs zur Verfügung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Sachverhalt:

II.1.1. Der BF ist volljährig und Staatsangehöriger von Afghanistan. Er lebt mit seinen Angehörigen in Wien.

Mit Bescheid vom 20.05.2008 wurde der Mutter des BF Asyl gewährt. Abgeleitet von dieser Angehörigen erhielt der BF mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 27.05.2008 ebenfalls Asyl, da es sich beim damals minderjährigen BF um einen Familienangehörigen einer Asylberechtigten handelte.

II.1.2. Mit Urteil des LG für Strafsachen Wien zu XXXX vom XXXX , rechtskräftig seit diesem Tag, wurde der BF wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1, § 15 StGB unter Anwendung von §§ 28 Abs. 1 StGB und § 5 Z 4 JGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten verurteilt (Jugendstraftat). Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde die verhängte Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.

Dieser Verurteilung liegt zugrunde, dass der BF gemeinsam mit einem weiteren Asylwerber im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) einem Opfer ca. € 14 an Bargeld weggenommen hat, indem die beiden das Opfer umzingelten und unter Vortäuschung eines zugeklappten Klappmessers die Herausgabe von Bargeld forderten. Weiters, dass der BF und sein Mittäter am selben Tag gemeinsam mit einer weiteren strafunmündigen Person einem anderen Opfer € 70 an Bargeld weggenommen haben, indem sie dieses Opfer umzingelten und unter Vortäuschung eines Messers die Herausgabe von Bargeld forderten. Weiters, dass der BF und sein Mittäter gemeinsam mit einer strafunmündigen Person weiteren Opfern ein Mobiltelefon wegnahmen, indem sie zunächst die beiden Opfer bedrängten und nach Geld fragten, und als ein Opfer mit seinem Handy die Polizei rufen wollte, diesem das Handy entrissen und weggingen, worauf das Opfer den Tätern nachging und im Tausch gegen sein Handy € 24 anbot, wobei der BF und sein Mittäter dieses "Anbot" annahmen. Zwischen Mitte Februar 2016 und Ende Februar 2016 versuchte der BF weiters unbekannten Opfern Geld wegzunehmen, wobei es deshalb beim Versuch blieb, weil die Opfer die Räuber nicht ernst nahmen oder wegliefen.

Im Rahmen der Strafzumessungsgründe berücksichtigte das Gericht beim BF mildernd das Geständnis, dass es teilweise beim Versuch geblieben war, sowie seinen bisher ordentlichen Lebenswandel. Erschwerend wurde die Tatwiederholung gewertet.

II.1.3. Mit Urteil des LG für Strafsachen Wien zu XXXX vom XXXX , rechtskräftig seit diesem Tag, wurde der BF wegen 1) des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1, Abs. 2 StGB, und 2) des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 3 WaffenG nach § 107 Abs. 2 StGB unter Anwendung von § 28 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs. 2 StGB wurde der Vollzug von 7 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen. Die erlittene Vorhaft wurde angerechnet, die sichergestellte Gaspistole samt Schalldämpfer wurde eingezogen.

Als mildernd wertete das Gericht das Geständnis und die Tatbegehung vor Vollendungen des 21. Lebensjahres. Als erschwerend die einschlägige Vorstrafe, den Rückfall innerhalb offener Probezeit und das Zusammentreffen mehrerer Vergehen. Vom Widerruf der mit Urteil vom XXXX gewährten bedingten Strafnachsicht wurde abgesehen und die Probezeit auf 5 Jahre verlängert. Für die Dauer der Probezeit wurde Bewährungshilfe angeordnet. Gemäß § 51 Abs. 2 StGB erteilte das Gericht dem BF die Weisung, ein Antigewalt-Training zu absolvieren und einen Nachweis darüber unaufgefordert vierteljährlich vorzulegen.

Dieser Verurteilung liegt zugrunde, dass der BF an einem Tag im Mai 2018 in Wien zwei Opfer gefährlich mit dem Tod bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er eine Gaspistole gegen ihren Körper richtete und diese repetierte. Weiters, dass der BF vom für 10 Tage im Mai 2018 trotz Waffenverbotes eine Waffe, nämlich eine Gaspistole Marke Walter P 22, besessen hatte.

Der BF lebt mit seinen Eltern und Geschwistern im gemeinsamen Haushalt in Österreich. Er besucht eine Bundeshandelsakademie als ordentlicher Schüler, absolviert seit 24.10.2018 das gerichtlich angeordnete Anti-Gewalttraining und arbeitet dort aktiv mit.

II.2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang sowie der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung konnte sich die erkennende Richterin einen persönlichen Eindruck vom BF verschaffen.

Die Feststellungen zu seinem strafrechtlichen Fehlverhalten ergeben sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus einem aktuellen Strafregisterauszug sowie den aktenkundigen Urteilen des LG für Strafsachen Wien, und wurden auch vom BF nicht in Abrede gestellt. Auch aus dem angeforderten Strafakt zu Zl. XXXX ist die gegenständliche Verurteilung wegen eines Verbrechens und die zugrundeliegende Tat ersichtlich.

Der Schulbesuch und die Absolvierung des Anti-Gewalttrainings sind durch Schulbesuchs- bzw. Teilnahmebestätigungen nachgewiesen.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz geregelt (§ 1 leg.cit.).

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 3 BFA-G obliegt dem BFA die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

II.3.2. Zu Spruchpunkt A)

II.3.2.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 leg.cit. vorliegt. Nach § 7 Abs. 4 AsylG 2005 ist die Aberkennung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetztes nicht mehr zukommt.

Nach § 6 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn und solange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt (Z 1); einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt (Z 2); aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (Z 3), oder er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Eine Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht (Z 4).

Die Zurückweisung eines Flüchtlings bildet die ultima ratio für einen Mitgliedstaat, wenn keine andere Maßnahme mehr möglich oder ausreichend ist, um der Gefahr entgegenzutreten, die von diesem Flüchtling für die Sicherheit oder die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats ausgeht, da er in ein Land zurückgeschickt werden könnte, in dem er der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt sein könnte (EuGH 24.06.2015, C-373/13).

Im konkreten Fall stützte die belangte Behörde die Asyl-Aberkennung auf § 6 Abs. 1 Z 3 und Z 4 AsylG 2005.

Ad § 6 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005:

Im Zusammenhang mit der Aberkennung von subsidiärem Schutz hat der VwGH rezent festgehalten (14.03.2019, Ra 2018/20/0387, mit Hinwiesen auf VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0246), dass gem. § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 eine Aberkennung dann stattzufinden hat, wenn der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt. Ob der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, erfordert eine Gefährdungsprognose. Dabei ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Strafgerichtliche Verurteilungen des Fremden sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit sich daraus nach der Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und der Tatumstände der Schluss auf die Gefährlichkeit des Fremden für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich ziehen lässt.

Der VfGH sprach in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2011, U 1907/19 (VfSlg. 19591), aus, dass eine Gefahr für die Sicherheit und Allgemeinheit eines Landes nur dann gegeben ist, wenn die Existenz oder territoriale Integrität eines Staates gefährdet ist oder wenn besonders qualifizierte strafrechtliche Verstöße (z.B. Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Drogenhandel, bewaffneter Raub) vorliegen. Zur Begründung verwies er darauf, dass § 9 Abs. 2 (Z 2) AsylG 2005 in Umsetzung der Statusrichtlinie ergangen sei und daher richtlinienkonform interpretiert werden müsse.

Die Aberkennung von Asyl gem. § 6 Abs. 1 Z 3 leg.cit. ist hingegen (nur) dann zulässig, wenn aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (Z 3).

§ 6 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 formuliert die Bestimmungen des Art 33 Z 2 GFK nach. Z 3 spricht dabei von strafbaren Handlungen, die eine Gefahr für den Staat selbst darstellen, also für dessen Bestand und Sicherheit. In Frage kommen Delikte wie die Planung eines Umsturzes oder Spionage für einen fremden Staat (Filzwieser u.a., Asyl- und Fremdenrecht, § 6 K 16 f).

Im konkreten Fall wurde der BF wegen des Verbrechens des Raubes und der Vergehen der gefährlichen Drohung sowie des unerlaubten Besitzes einer Gaspistole verurteilt. Diesen Verurteilungen lagen, wie dargestellt, Angriffe gegen bzw. Gefährdung von Privatpersonen zugrunde. Auf Basis dessen können keine hinreichenden Umstände erkannt werden, die die Annahme, der BF stelle eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar, konkret in dem Sinne, dass die Existenz oder territoriale Integrität der Republik Österreich gefährdet wäre, rechtfertigen würden.

Eine Aberkennung des Asylstatus nach § 6 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 kommt daher konkret nicht in Betracht.

Ad § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs müssen für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden darf. Er muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein, und schließlich müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen. Es genügt nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. In gravierenden Fällen schwerer Verbrechen ist bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose zulässig (VwGH 05.04.2018, Ra 2017/19/0531 mwN; zum Begriff des "besonders schweren Verbrechens" vgl. besonders VwGH 03.12.2002, 99/01/0449).

Im konkreten Fall wurde der BF wegen des Verbrechens des Raubes gem. § 142 StGB (Jugendstraftat) und der Vergehen der gefährlichen Drohung sowie des unerlaubten Besitzes einer Gaspistole verurteilt.

Mit der Einteilung in Verbrechen und Vergehen trifft § 17 StGB eine grundsätzliche Unterscheidung der Straftaten, durch die das besondere Gewicht der als Verbrechen geltenden Straftaten ihrer Art nach betont werden soll. Über die Bezeichnung dieser Straftaten hinaus - mit "Verbrechen" wird schon rein sprachlich ein höherer Unwert konnotiert - bringt die Anknüpfung an ein Mindestmaß der Strafdrohung von mehr als dreijähriger oder lebenslanger Freiheitsstrafe sowie die Einschränkung auf Vorsatztaten zum Ausdruck, dass es sich um solche handelt, denen ein besonders hoher Unrechtsgehalt innewohnt (VwGH 05.04.2018, Ra 2017/19/0531 mwN).

Unstrittig ist, dass der BF das Verbrechen des Raubes begangen hat, und dafür auch rechtskräftig verurteilt wurde.

Für die Anwendbarkeit des Ausschlussgrundes des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist gefordert, dass es sich um ein "besonders schweres" Verbrechen handeln muss, und dass sich die Tat im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweist.

Dazu hat der VwGH in seiner - zur Vorgängerregelung des § 13 Abs. 2 AsylG 1997 ergangenen und auch für die aktuelle Rechtslage weiterhin anwendbaren - Rechtsprechung festgehalten, dass unter den Begriff des "besonders schweren Verbrechens" nur Straftaten fallen, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen. Auf die Strafdrohung allein kommt es bei der Beurteilung, ob ein "besonders schweres Verbrechen" vorliegt, nicht an (VwGH 05.04.2018, Ra 2017/19/0531 mwN; zum Begriff des "besonders schweren Verbrechens" vgl. besonders VwGH 03.12.2002, 99/01/0449).

Der "bewaffnete Raub", sohin ein schwerer Raub gem. § 143 Abs. 1 StGB unter Verwendung einer Waffe, der sich massiv gegen das besonders wichtige Rechtsgut der körperlichen Integrität richtet, zählt demnach schon typischerweise zu den objektiv schweren Verbrechen (wobei bereits ausreichend wäre, dass der Räuber ein geschlossenes Messer in der Hand hält: Fabrizy, StGB, § 143 Zz 8).

Die erkennende Richterin kann hingegen, vor dem Hintergrund der zitierten Judikatur des VwGH zum Kreis der "besonders schweren Verbrechen" und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles, insgesamt nicht erkennen, dass der BF mit der Verurteilung wegen des Verbrechens des Raubes gem. § 142 Abs. 1 StGB rechtskräftig wegen eines "besonders schweren Verbrechens" verurteilt wurde. Dass der BF ein Messer tatsächlich verwendet hätte, ließ sich nicht feststellen. Er wurde wegen Raubes gem. § 142 StGB (und nicht wegen schweren Raubes unter Verwendung einer Waffe gem. § 143 Abs. 1 StGB) verurteilt, was sich auch mit den Inhalten des vom Strafgericht angeforderten Strafaktes deckt (das Vortäuschen des Vorhandenseins einer Waffe ist auch nicht nach § 143 StGB zu beurteilen: Fabrizy, StGB, § 143 Rz 7).

Bei der Beurteilung der Tat im konkreten Einzelfall in objektiver und subjektiver Hinsicht ist im Sinne des BF zu berücksichtigen, dass es sich um eine Verurteilung wegen einer Jugendstraftat handelte, weshalb das Höchstmaß der angedrohten zeitlichen Freiheitsstrafen auch auf die Hälfte herabgesetzt wird und ein Mindestmaß entfällt (§ 5 Z 4 JGG). Bei einem unter Anwendung dieser Bestimmung vorgesehenen Strafmaß von bis zu 5 Jahren ist die konkret verhängte Strafe von einem Jahr eher im unteren Bereich des Strafrahmens angesiedelt. Überdies fand das Strafgericht mit einer vollständig bedingten Freiheitsstrafe das Auslangen und berücksichtige insgesamt drei Milderungsgründe und nur einen Erschwerungsgrund. Im Übrigen wurde auch anlässlich der neuerlichen Verurteilung des BF wegen zweier Vergehen die bedingte Strafnachsicht nicht widerrufen.

Wie bereits erwähnt, wird mit der Einteilung in Verbrechen und Vergehen gem. § 17 StGB eine grundsätzliche Unterscheidung der Straftaten, durch die das besondere Gewicht der als Verbrechen geltenden Straftaten ihrer Art nach betont werden soll, getroffen; Verbrechen wohnt ein besonders hoher Unrechtsgehalt inne (VwGH 05.04.2018, Ra 2017/19/0531 mwN). Bereits vor diesem Hintergrund kann die Aberkennung des Asylstatus wegen der Verurteilung wegen Vergehen nicht erfolgreich auf § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 gestützt werden. Weiters wäre konkret auch zu berücksichtigen, dass - bei einem Strafrahmen von drei Jahren - eine Freiheitsstrafe von acht Monaten, sohin im unteren Drittel, verhängt wurde, und sieben Monate davon bedingt nachgesehen wurden, was das Strafgericht als tat- und schuldangemessene Strafe erachtete, und somit auch keine "besonders schwerwiegende Tat" in objektiver und subjektiver Hinsicht indiziert ist.

Eine Aberkennung des Asylstatus nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 kommt daher schon mangels rechtskräftiger Verurteilung wegen eines "besonders schweren Verbrechens" im Sinne dieser Bestimmung nicht in Betracht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

II.3.3. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (VwGH 14.03.2019, Ra 2018/20/0387;

05.04.2018, Ra 2017/19/0531; 03.12.2002, 99/01/0449) noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. dazu die eben zitierte Judikatur);

weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Asylaberkennung, Behebung der Entscheidung, besonders schweres
Verbrechen, ersatzlose Behebung, strafrechtliche Verurteilung,
Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W231.2212605.2.00

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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