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L92701 Jugendwohlfahrt Kinderheim Burgenland;Norm
JWG Bgld 1992 §2 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des B-Vereins in K, vertreten durch Dr. Johann Kuzmich, Rechtsanwalt in Nebersdorf, Lange Gasse 14, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 28. April 1997, Zl. VIII/1-A-62/5/1997, betreffend Feststellung der Eignung zur Erfüllung von nichthoheitlichen Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des beschwerdeführenden Vereins vom 1. September 1995 auf Feststellung der Eignung, "privatrechtliche"Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt zu erfüllen, gemäß § 9 Abs. 1 und 2 des Burgenländischen Jugendwohlfahrtsgesetzes, LGBl. Nr. 32/1992, abgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Konzept sei zu entnehmen, daß er unter einer näher genannten Bezeichnung eine Kindergruppe auf Vereinsbasis führe, sodaß Eltern, die ihre Kinder in dieser Gruppe betreuen lassen wollen, Vereinsmitglieder werden müssen. Neben einer einmaligen Einschreibgebühr von S 2.000,-- seien monatlich S 2.000,-- (bzw. S 500,-- für jedes weitere Kind) zu bezahlen. Die Eltern der in der Kindergruppe betreuten Kinder seien verpflichtet, zumindest einmal wöchentlich während der Kindergruppenöffnungszeiten anwesend zu sein bzw. einen Ersatz zu senden, um an der Betreuung der Kinder teilzunehmen. Ziel des Antrages sei für die Vorstandsmitglieder des beschwerdeführenden Vereins die bessere rechtliche Absicherung ihrer Tätigkeit, als sie derzeit die Vereinsform biete. Es bestehe die Befürchtung, daß durch juristische Spitzfindigkeiten das Projekt in Frage gestellt werden könne.
In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, nach § 2 des Burgenländischen Jugendwohlfahrtsgesetzes sei die öffentliche Jugendwohlfahrtspflege subsidiär, d.h. sie könne nur dann gewährt werden, wenn und insoweit die Erziehungsberechtigten das Wohl des Minderjährigen nicht gewährleisten. Der Umstand, daß die Vereinsmitglieder sowohl von ihrer inneren Einstellung her als auch durch die praktische Mitarbeit in der Kindergruppe ein großes Interesse am Wohl ihrer Kinder erkennen ließen, stehe im Widerspruch zum Subsidiaritätsprinzip. Da zudem die Mitgliedschaft der Eltern beim beschwerdeführenden Verein vorausgesetzt werde und die Mitarbeit der Eltern in der Kindergruppe verpflichtend sei, sei auch eine allgemeine Zugänglichkeit für die durch die öffentliche Jugendwohlfahrt betreuten Personen (Familien mit Vernachlässigung, Verwahrlosung, Gewalt, Mißbrauch, Alkoholproblemen, etc.) als ausgeschlossen zu betrachten. Der beschwerdeführende Verein erfülle keine Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt im Sinne des Burgenländischen Jugendwohlfahrtsgesetzes.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die für den Beschwerdefall wesentlichen Bestimmungen des Burgenländischen Jugendwohlfahrtsgesetzes lauten wie folgt:
"§ 1
Aufgabe der öffentlichen Jugendwohlfahrt
(1) Die Mutterschaft-, Säuglings- und Jugendfürsorge (öffentliche Jugendwohlfahrt) hat
1. für die Betreuung der Mütter, der werdenden Mütter und ihrer Leibesfrucht, sowie von Säuglingen und (Klein)kindern bis zum Eintritt der Schulpflicht und deren Eltern vorzusorgen (Mutterschafts- und Säuglingsfürsorge),
2. die Entwicklung Minderjähriger durch Anbot von Hilfen zur Pflege und Erziehung zu fördern und durch Gewährung von Erziehungsmaßnahmen zu sichern (Jugendfürsorge).
(2) Der öffentlichen Jugendwohlfahrt kommt die allgemeine Aufgabe zu, die Familie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben in der Pflege und Erziehung Minderjähriger zu beraten und zu unterstützen.
§ 2
Subsidiarität der öffentlichen Jugendwohlfahrt
(1) Öffentliche Jugendwohlfahrt ist zu gewähren, wenn und insoweit die Erziehungsberechtigten das Wohl des Minderjährigen nicht gewährleisten.
(2) Die öffentliche Jugendwohlfahrt darf in familiäre Bereiche und Beziehungen nur insoweit eingreifen, als dies zum Wohle des Minderjährigen notwendig ist. Dies ist besonders auch dann der Fall, wenn zur Durchsetzung von Erziehungszielen Gewalt angewendet oder körperliches oder seelisches Leid zugefügt wird.
§ 4
Trägerschaft und Besorgung
(1) Träger der öffentlichen Jugendwohlfahrt ist das Land.
§ 9
Freie Jugendwohlfahrt
(1) Einrichtungen der freien Jugendwohlfahrt dürfen zur Erfüllung von nichthoheitlichen Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt herangezogen werden, wenn sie nach Ziel und Ausstattung dazu geeignet sind; insbesondere müssen sie über Personal in der erforderlichen Anzahl und Qualifikation (§ 6) sowie über die erforderlichen Räumlichkeiten verfügen. Gewährleistet ein freier Jugendwohlfahrtsträger jedoch unter Berücksichtigung seiner Ausstattung und sonstigen Leistungen das Wohl eines Minderjährigen besser und wirtschaftlicher als der öffentliche Träger, so soll der freie Träger herangezogen werden.
(2) Über das Vorliegen der Eignungsvoraussetzungen entscheidet auf Antrag des Eignungswerbers die Landesregierung nach Anhörung der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde mit Bescheid. Diese Einrichtungen der freien Jugendwohlfahrt unterliegen sodann der Fachaufsicht der Landesregierung. Der freie Jugendwohlfahrtsträger hat den Organen der Landesregierung bezüglich dieser Einrichtungen jederzeit die Möglichkeit zur Einschau an Ort und Stelle zu geben sowie die erforderlichen Aufklärungen und Berichte zu erstatten."
Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, neben der öffentlichen Jugendwohlfahrtspflege (= Jugendfürsorge) bestehe die freie Jugendwohlfahrtspflege, in deren Rahmen er die Kindergruppe führe. Die von der belangten Behörde zitierte Subsidiaritätsbestimmung beziehe sich nur auf die Jugendfürsorge, nicht aber auf die freie Jugendwohlfahrt. Ausgehend von ihrer unrichtigen Auffassung habe die belangte Behörde die Eignung von Personal und Räumlichkeiten nicht geprüft. Da diese Voraussetzungen gegeben seien, hätte seinem Antrag auf "Anerkennung des beschwerdeführenden Vereines als Träger der freien Jugendwohlfahrt" Folge gegeben werden müssen.
Diesen Ausführungen ist zunächst entgegenzuhalten, daß das Burgenländische Jugendwohlfahrtsgesetz eine Anerkennung von physischen oder juristischen Personen als Träger der freien Jugendwohlfahrt nicht kennt. § 9 Abs. 1 leg. cit. sieht vielmehr die Möglichkeit der Heranziehung von Einrichtungen der freien Jugendwohlfahrt zur Erfüllung von nichthoheitlichen Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt vor, sofern die Einrichtungen dazu geeignet sind. Nach § 9 Abs. 2 leg. cit. ist über das Vorliegen der Eignungsvoraussetzungen über Antrag mit Bescheid zu entscheiden, nicht aber über die Anerkennung von Personen als Träger der freien Jugendwohlfahrt.
Gemäß § 2 Abs. 1 des Burgenländischen Jugendwohlfahrtsgesetzes ist öffentliche Jugendwohlfahrt zu gewähren, wenn und insoweit die Erziehungsberechtigten das Wohl des Minderjährigen nicht gewährleisten. Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt sind daher dann nicht zu erfüllen, wenn die Erziehungsberechtigten das Wohl des Minderjährigen ohnedies gewährleisten. Wenn die belangte Behörde im Hinblick auf die Voraussetzung der Vereinsmitgliedschaft der Eltern und deren Pflicht zur Mitarbeit in der Kindergruppe den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 9 Abs. 1 und 2 des Burgenländischen Jugendwohlfahrtsgesetzes abgewiesen hat, kann ihr im Ergebnis nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, weil im Hinblick auf die genannten Voraussetzungen eine Eignung der vom Beschwerdeführer geführten Kindergruppe, Aufgaben der - nur bei Versagen der Erziehungsberechtigten zu gewährenden - öffentlichen Jugendwohlfahrt zu erfüllen, nicht angenommen werden kann.
Zu dem im Verwaltungsverfahren genannten Ziel des Antrages, eine bessere rechtliche Absicherung der Tätigkeit des Beschwerdeführers zu erreichen, ist zu bemerken, daß dies nicht Aufgabe eines Bescheides gemäß § 9 Abs. 2 des Burgenländischen Jugendwohlfahrtsgesetzes ist. Dabei geht es allein um die Eignung einer Einrichtung der freien Jugendwohlfahrt, nichthoheitliche Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt zu erfüllen. Die rechtlichen Grundlagen für das Bestehen einer Einrichtung der freien Jugendwohlfahrt werden durch einen solchen Bescheid nicht geschaffen oder ersetzt, sondern müssen sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben. Im gegebenen Zusammenhang ist zu erwähnen, daß die Frage, ob die Errichtung der vom Beschwerdeführer geführten Kindergruppe einer Bewilligung gemäß § 18 des Burgenländischen Kindergartengesetzes 1995 LGBl. Nr. 63/1995 bedarf, nicht Gegenstand des Verfahrens war, sodaß darauf nicht weiter einzugehen ist.
Aus den oben dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 10. November 1998
Schlagworte
Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997110132.X00Im RIS seit
11.07.2001