Entscheidungsdatum
31.05.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W264 2166678-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.7.2017, 1086969002-151329518, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden auch als "BF" bezeichnet) ist afghanischer Staatsangehöriger und stellte im Alter von 21 Jahren nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 12.9.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Der Beschwerdeführer erstattete in der laut Erstbefragungs-Niederschrift in Dari geführten Erstbefragung zum Asylantrag folgendes sachverhaltsrelevantes Vorbringen: Er gehöre der Volksgruppe der Tadschiken und der islamischen Glaubensrichtung der Sunniten an und stamme aus der Provinz Maidan Wardak. Es ist in der Niederschrift der LPD XXXX vom 14.9.2015, XXXX auf Seite 7 nach dem Satz "Die aufgenommene Niederschrift wurde mir in einer für mich verständlichen Sprache rückübersetzt" zu der Frage "Gab es Verständigungsprobleme" angekreuzt "nein".
Zu seinem Fluchtgrund führte er aus: "Ich habe meine Heimat aufgrund des Krieges und der unsicheren Lage verlassen. Besonders in unserem Dorf ist es sehr gefährlich und es herrscht Krieg. Außerdem wurden meine Familie und ich von den Taliban bedroht. Das ist mein Asylgrund."
Zudem gab der Beschwerdeführer an, unverheiratet, kinderlos und Analphabet zu sein und sei die finanzielle Situation in Afghanistan schlecht gewesen. Er sei für seine Brüder XXXX und XXXX verantwortlich. Im Verfahren gaben die drei Brüder übereinstimmend an, die Mutter und die beiden Drillingsschwestern des XXXX auf der Flucht verloren zu haben.
3. Im vorgelegten Fremdakt liegt ein Schreiben des VMÖ vom 24.9.2015 ein, worin der BF bekannt gibt, bereits 21 Jahre alt zu sein und verheiratet zu sein. Seine Frau heiße XXXX und lebe in Kabul. Er habe bei der Erstbefragung falsche Angaben gemacht, da er sehr aufgeregt gewesen sei und die Fragen nicht richtig verstanden habe.
4. Im vorgelegten Fremdakt liegt ein Zertifikat der XXXX über Besuch des Workshops "Demokratie in Österreich" vom 23.3.2016 (Ausmaß: 12 Unterrichtseinheiten) ein.
Es liegt ein Schreiben der XXXX vom 4.2.2017 ein. Darin teilt die Gefertigte mit, für den BF und dessen zwei Brüder "ohne zu zögern die Hand ins Feuer" zu legen und berichtet darüber, dass der BF nach jeder Vorstellung eines bestimmten Theaterstücks für alle gekocht habe. Der BF wird darin als sehr verlässlich und als Bereicherung für alle, die ihn kennen, beschrieben.
Ein weiteres Schreiben liegt von XXXX ein. Darin wird der BF als gastfreundlich, wissensdurstig und interessiert beschrieben.
In einem Schreiben der Mag. XXXX vom 6.2.2017 wird der BF beschrieben als sehr aufgeschlossen, neugierig, positiv und engagiert. Er habe Herzenswärme und sei gastfreundlich.
Es liegen im Akt weiters eine Teilnahmebestätigung über die Teilnahme an einer Theaterproduktion ein und eine Bestätigung der XXXX über unterstützende Mitarbeit des BF in einer Tagesstätte für Menschen mit Behinderung (seit November 2016 vier Wochenstunden) und eine Kursbesuchsbestätigung mit Beurteilung des Deutschlehrers der XXXX ein.
Im Akt liegt das ÖSD-Zertifikat A2 (bestanden) ein.
5. Am 16.3.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) niederschriftlich einvernommen. Die Einvernahme wurde in Dari durchgeführt.
Der BF gab an, der Vater sei auf dem Weg von XXXX nach Kabul verschollen und auf der Flucht hätte er an der iranisch-türkischen Grenze weitere Familienmitglieder verloren und sei ohne Nachricht über diese. Er wisse nicht, wo seine Frau nun sei, er habe keine Telefonnummer von ihr. Deren Eltern hätten nicht gewollt, dass sie mit ihm gemeinsam flüchte. Die wirtschaftliche / finanzielle Lage sei mittelmäßig gewesen. Der Vater habe einen Tankwagen gehabt, die Mutter sei krank gewesen und habe als Hausfrau gearbeitet. Das Eigentum (Haus und Grundstücke) hätten sie für die Ausreise (Kosten: ca. EUR 5.000 pro Person) verkauft.
Er führte zu seinem Fluchtgrund näher aus (Protokoll des BFA S. 7 ff).
Der BF bejahte, den Dolmetsch einwandfrei verstanden zu haben und geht aus der Niederschrift hervor, dass diese wortwörtlich rückübersetzt wurde (Protokoll des BFA S. 12).
6. Mit dem nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde den Asylantrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Umständen wurde dem BF nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. dieses Bescheides wurde die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 Z 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
7. Gegen den oben genannten Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 31.7.2017, welche vom Rechtsberater Verein für Menschenrechte Österreich verfasst und näher begründet wurde.
8. Die Beschwerdeangelegenheit samt dem Verwaltungsakt langte am 2.8.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
9. Der BF übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht eine Teilnahmebestätigung von XXXX vom 22.8.2017 (Kursdauer: 21.8. - 31.12.2018).
10. Der BF widerrief die dem VMÖ erteilte Vollmacht am 12.3.2018.
11. Am 15.3.2018 fand die öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari statt. Vor Gericht erschien als Rechtsberater die Mitarbeiterin der XXXX , Frau Mag. XXXX (Vollmacht in der Verhandlung vorgelegt, Beilage ./A des Verhandlungsprotokolls).
In das Verfahren wurde seitens der Rechtsberaterin eingebracht:
* Schreiben des XXXX vom 12.3.2018
* Schreiben der Lehrerin Mag. XXXX vom 10.3.2018
* Teilnahmebestätigung "Antirassismus Workshop" der XXXX (3,5 Unterrichtseinheiten)
* Teilnahmebestätigung "Energiesparen im Haushalt" der XXXX
* Teilnahmebestätigung XXXX vom 22.8.2017
* Kursbesuchsbestätigung der XXXX vom 29.9.2017, worin der Unterrichtsfortschritt des BF beschrieben wird
* Zertifikat der XXXX über Workshop "Demokratie in Österreich" vom 23.3.2016
* ÖSD-Zertifikat A2 (bestanden)
* Kursbesuchsbestätigungen und Beurteilungen der XXXX vom 9.2.2017 und 14.3.2017
* Teilnahmebestätigung Theaterproduktion vom 26.1.2017
* Schreiben der XXXX vom 4.2.2017
* Schreiben der Mag. XXXX vom 6.2.2017
* Schreiben der XXXX
* Präsentation des UNHCR vom 12.3.2018 in deutsch und englisch
* Anmerkungen des UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen BMI, Dezember 2016
* Security Situation Afghanistan, EASO Country of Origin Information Report, Dezember 2017
* Arbeitsübersetzung Landinfo Report Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne vom 23.8.2017
* Relevante Auszüge aus dem Forschungspapier von ASYLOS "Afghanistan: Situation of young male ‚Westernised' returnees to Kabul vom August 2017" (mit Markierungen)
* Forschungspapier von ASYLOS "Afghanistan: Situation of young male ‚Westernised' returnees to Kabul vom August 2017" in englisch
* "Beweismittelvorlage Länderbericht"
* Artikel Friederike Stahlmann "Überleben in Afghanistan", Asylmagazin 3/2017
* Artikel Friederike Stahlmann "Zur aktuellen Bedrohungslage der afghanischen Zivilbevölkerung im innerstaatlichen Konflikt", ZAR 5-6/2017
Es folgen Auszüge aus der Verhandlungsschrift:
"R: Haben Sie bei der belangten Behörde die Wahrheit gesagt?
BF: Ja, ich habe die Wahrheit gesagt. Auf die Frage ob ich dort
Verständigungsschwierigkeiten hatte, gebe ich an: Wir haben uns verstanden. Er sprach Hochdari und hat gefragt ob ich ledig oder verheiratet bin. Ich habe gesagt dass ich ledig bin, aber ich war schon verheiratet. Normal fragt man "hast du eine Frau?" aber der hat D hat Begriffe verwendet aus dem Hoch-Dari.
"Mojarad" heißt ledig, "Motahel" ist verheiratet. So wurde ich gefragt und damals habe ich die Begriffe nicht verstanden. Sonst hat es gepasst.
RV: War es bei der Erstbefragung oder bei der belangten Behörde am 16.3.2017 was Sie jetzt vorgebracht haben?
BF: Das ist damals bei der Erstbefragung passiert. Beim BFA ist alles ok gegangen.
Der BF wird aufgefordert, seinen Namen, Volksgruppenzugehörigkeit und
Religionsbekenntnis und Heimatprovinz aufzuschreiben und wird dies als Beilage B zum Akt genommen.
Der BF gibt an, dass er es auf Deutsch nicht schreiben kann, aber auf Dari schreibt er es nieder. Der D übersetzt: Provinz Maidan Wardak, Distrikt / Bezirk XXXX und Dorf XXXX , Sunnit, Tadschike.
Der BF gibt an: Verheiratet traditionell mit XXXX . Damals als ich das Land verlassen musste, war sie im Heimatdorf XXXX , jetzt weiß ich es aber nicht. Mein letzter Kontakt mit Fatima war als ich im Heimatdorf war, danach brach der Kontakt ab. Ich habe zu keinem in Afghanistan mehr Kontakt.
R: Sagen Sie mir wer aus Ihrer Familie noch in Afghanistan lebt. Wie heißt die jeweilige Person und wo wohnt sie?
BF: Es wohnt niemand in Afghanistan. Keine Mutter, keine Schwestern, keine Brüder, keine Onkeln, keine Tanten, niemand.
R: Haben Sie Geschwister?
BF: 3 Brüder und 2 Schwestern.
R: Wo leben diese?
BF: Ich habe meine Geschwister an der Staatsgrenze zwischen Türkei und Iran verloren.
Befragt "welche Geschwister": meine Mutter war dabei, zwei Schwester und ein Bruder.
R: Warum nur ein Bruder?
BF: Zwei sind in Österreich. Die heißen XXXX und XXXX .
R: Sind diese Brüder nach oder vor Ihnen nach Österreich gekommen?
BF: Wir sind alle drei gemeinsam nach Österreich gekommen. Ich und diese beiden Brüder.
R: Sie wissen jetzt nicht, wo die Mutter und die beiden Schwestern und der andere Bruder sind?
BF: Ich weiß noch nicht, wo die sind. Ich bin bei einer Organisation - ich glaube Rotes Kreuz - angemeldet und die sind auf der Suche nach meiner Familie.
Die R fordert den BF auf, nun in Ruhe in freier Erzählung alle seine Fluchtgründe detailiert mitzuteilen und nichts wegzulassen. Schildern Sie Bedrohungen und Verfolgungen ganz konkret und detailliert.
BF: Ich wurde 2 mal von Taliban bedroht. Die sind zu mir gekommen und beim ersten mal habe ich eine Bedenkzeit bekommen. Beim ersten Besuch der Taliban war meine Mutter sehr krank und weinte viel. Die Taliban wollten mich mitnehmen und sie sagten, dass ich mich ihnen anschließen, kooperieren und für sie arbeiten muss. Ich habe die Taliban gebeten mir Zeit zu geben. Ca 13-15 Tage danach kamen sie wieder. Eigentlich hatte ich zwei Monate Bedenkzeit, aber sie sind schon nach 14 Tagen wieder gekommen. In unserem Hof haben sie mit mir gegen 23:00 Uhr gesprochen. Sie haben zu mir gesagt, dass ich erwachsen bin und es meine Pflicht ist am heiligen Krieg teilzunehmen. Ich habe auf die 2 Monate Bedenkzeit hingewiesen und sagte ihnen, dass meine Mutter krank ist und ich noch Bedenkzeit brauche, bis meine Mutter wieder gesund ist. Ich wurde von denen sehr schlecht behandelt.
Beim 2.x habe ich aus Angst keinen Widerstand geleistet, ich hatte Angst, falls ich etwas sage und nicht mitgehe würde, sie mich töten. Aus Angst bin ich mitgegangen. Sie waren bewaffnet.
In Anwesenheit meiner Familie haben sie meine Hände nach hinten gebunden und die Familie hat einen Schock erlebt. Meine Mutter hat es gesehen und mein Bruder XXXX .
XXXX und die Schwestern waren damals klein und meine Mutter erlaubte nicht, dass die dabei sind und hat sie aufs Zimmer geschickt. Also ich musste mit ihnen raus gehen, sie haben auch meine Augen verbunden und sie haben dann mich mit dem Motorrad zu einer Ortschaft gebracht, wo die Taliban stationiert waren.
Wir haben diese Ortschaft der Taliban erreicht.
Befragt nach deren Name gebe ich an: Ich weiß es nicht, aber ich weiß wie lange es gedauert hat. Mit dem Motorrad ca 20 min.
Die 20 Minuten über konnte ich wegen den verbundenen Augen nichts sehen. Ich habe Stress erlebt. Es war sehr schwierig für mich. Als wir die Ortschaft erreicht haben, konnte ich wieder normal sehen. Sie haben mich zu einem Zimmer gebracht. Es war darin dunkel, ziemlich groß. Es war ein Teppich dort, ziemlich klein. Sie haben meine Hände nochmals gefesselt und mir gesagt ich müsse heute hierbleiben und morgen würden die Älteren, die Führer der Taliban kommen und mit mir reden.
Mit den gefesselten Händen bin ich dort geblieben, sie haben sich verabschiedet und gingen.
In dem Zustand konnte ich nicht schlafen.
Gegen 4 Uhr früh sind sie zu mir gekommen. Ich dachte, dass ich in diesem Zimmer allein bin. Ich schlief nur ganz wenig, ganz kurz. Im Hof sah ich, dass dort viele andere Leute auch sind und ich nicht der einzige war. Es waren ca 20 Leute mehr oder weniger dort. Wir sind dort gesessen und 5 Min später ist ein Führer der Taliban gekommen. Einer war der Führer von denen und es kamen noch ein paar andere dazu. Aber einer sprach mit uns. Er sprach lange mit uns, dass wir erwachsene Leute sind und von XXXX und wir verpflichtet sind, am Jihad heiligen Krieg teilzunehmen und die Familien und unser Land zu verteidigen. Er sagte, dass die afgh Nationalarmee ein Diener der Amerikaner ist und wir verpflichtet sind gegen die Nationalarmee und die Amerikaner zu kämpfen. Falls die uns töten, landen wir im Paradies. Es wurde lange über Religion gesprochen und dann haben sie uns in unser Zimmer gebracht. Ca 10 oder 15 min sind wir in diesem Zimmer geblieben. Ich habe versucht persönlich mit dem Taliban-Führer zu reden. Ich habe an die Tür geklopft und dass ich mit dem Führer der Taliban reden möchte. Sie haben mich aus dem Zimmer rausgenommen und zu einem anderen Zimmer gebracht, wo dieser Führer war. Ich habe über alle meine Schwierigkeiten gesprochen:
dass die Mutter krank ist mit Herz- und Magenproblemen und ich der einzige ältere Mann daheim bin, eine Bedenkzeit von 2 Monate bekommen habe. Ich hab auch gesagt, dass mein Vater vor ca 1 Jahr spurlos verschwunden ist und habe um Bedenkzeit gebeten. Wir haben lang miteinander gesprochen. Ich habe 3 Monate Zeit bekommen, weil ich denen klar machte, dass ich in dem Dorf bin, hier lebe und nicht für die Regierung arbeite und kein Polizist bin. Ich sagte ich weiß nicht, wie es meiner Mutter geht und habe um Erlaubnis zum Nachhause gehen gefragt, weil die Mutter krank war.
Ich bekam 3 Monate Bedenkzeit und mir wurde gesagt, dass ich verpflichtet bin, nach den 3 Monaten zurückzukommen. So wie sie mich hergebracht hatten, haben Sie mich zurückgebracht - mit einem Motorrad. Wie am Anfang: Hände nach hinten verbunden und die Augen verbunden. So haben sie mich heimgebracht. Sie haben mich zu einem Hügel gebracht und mich dort auch fotografiert und mir einen Weg gezeigt, über welchen ich nach 20 min mein Zuhause erreichen würde.
Ich fragte warum ich fotografiert wurde. Sie haben gesagt, dass ich versprochen habe zurückzukommen und daher die Fotos. Damit ich nicht flüchten kann und dass ich zurückkomme. Ich hatte keine andere Wahl und war mit dem fotografieren einverstanden und ging auf dem Weg, den sie mir zeigten, heim. Ca nach 18 Minuten mehr oder weniger habe ich mein Zuhause zu Fuß erreicht.
Obwohl meine Mutter krank war, war sie glücklich dass ich zurück war. Sie fragte ob alles ok war und ob die Taliban mir was getan oder mich geschlagen haben. Alles was ich dort erlebt habe und was man von mir dort verlangte und dass ich 3 Monate Bedenkzeit bekam habe ich meiner Mutter erzählt.
Das erste Mal, als die Taliban uns aufsuchten, habe ich nicht ernst genommen.
Das letzte Mal als sie mich mitgenommen haben, war es sehr sehr ernst als sie mich mitgenommen haben. Meine Mutter war sehr glücklich und gesagt, gottseidank dass du lebendig zurückgekommen bist und wir werden was überlegen. Meine Mutter hatte vor, in dem Bedenkzeitraum das Haus und die Grundstücke zu verkaufen und die Ortshcaft zu verlassen. Ca 15 bis 20 Tage später haben wir es geschafft das Haus und die Grundstücke zu verkaufen. Der Dorfstsprecher Malek, welcher von manchen XXXX genannt wurde, hat es gekauft.
Aus Angst haben wir niemandem gesagt, dass wir die Ortschaft verlassen wollen. Wir wollten nicht, dass die Taliban das mitbekommen. Nur ich und die Mutter wussten es. Wir alle haben das Haus verlassen und sind zur Schwiegerfamilie gegangen und von der Bedrohung erzählt. Ich habe denen mitgeteilt, dass ich mit der Familie und meiner Frau das Land verlassen möchte. Der Schwiegervater war nicht einverstanden, er erlaubte nicht, dass meine Frau - seine einzige Tochter - mit flüchtet. Noch dazu sagte er, wir sollten ihn nicht so kurzfristig informieren.
Gegen die Entscheidung des Schwiegervaters konnte ich nichts machen, deshalb bin ich mit meiner Familie geflüchtet.
BF: Soll ich detailliert reden wie meine Frau geweint hat?
R: Wenn es Ihnen wichtig ist erzählen sie es.
BF: Ich habe mich verabschiedet und draußen hat ein Schlepper gewartet und wir verließen das Land. Damals ging es uns schlecht und wir mussten unser Dorf und unser Leben verlassen. Ich kann diese Situation nicht beschreiben, wie es uns damals ging eine Ortschaft zu verlassen, wo ich geboren und aufgewachsen bin.
R: Kommt noch etwas, was Sie zur Flucht erzählen möchten?
BF: Warum ich das Land verlassen habe, war das was ich erzählte.
R: Was haben Sie in der Schule gelernt?
BF: Den Koran.
R: Wo haben Sie schreiben und lesen gelernt?
BF: Lesen und Schreiben kann ich nicht so viel und habe es durch das Lesen des Koran gelernt.
R: Haben Sie den Koran auf Dari?
D: Auf Dari gibt es ihn nicht, nur in Arabisch.
BF: auf Arabisch habe ich ihn gelesen.
Die R stellt Fragen zu den Vorbringen aus freier Erzählung:
R: Sie haben gesagt "Meine Mutter hat es gesehen und mein Bruder XXXX ." - war das beim 1. Besuch der Taliban oder beim 2. Besuch?
BF: Das war beim 1. Besuch. Die anderen waren auch zuhause, aber denen hat die Mutter das Dabeisein nicht erlaubt. Wenn ich von XXXX spreche, meine ich den XXXX .
R: Wohnen Sie mit XXXX zusammen?
BF: Ja, mit ihm und mit dem anderen Bruder.
R: Sie haben vorhin gesagt "Also ich musste mit ihnen raus gehen, sie haben auch meine Augen verbunden und sie haben dann mich mit dem Motorrad zu einer Ortschaft gebracht, wo die Taliban stationiert waren" - sind Sie da vorne oder hinten am Motorrad gesessen?
BF: Ich saß hinten.
R: Wieviele Motorräder waren es?
BF: Es waren sieben oder mehr.
R: Sind Sie am letzten Motorrad gewesen oder waren andere Motorräder hinter Ihnen?
BF: Ich glaube, unseres war in der Mitte.
R: Wie haben Sie sich am Motorrad festgehalten?
BF: Meine Hände wurden nach hinten verbunden. Aber die haben ganz hinten einen Hinterteil wo man sich festhalten kann.
R: Hätten Sie die Möglichkeit gehabt abzusteigen, glauben Sie?
BF: Meine Augen waren auch verbunden. Sie waren auch bewaffnet.
Die Marke des Motorrads weiß ich nicht.
R: Sie haben vorhin gesagt: "Als wir die Ortschaft erreicht haben, konnte ich wieder normal sehen. Sie haben mich zu einem Zimmer gebracht. Es war darin dunkel, ziemlich groß. Es war ein Teppich dort, ziemlich klein. Sie haben meine Hände nochmals gefesselt und mir gesagt ich müsse heute hierbleiben und morgen würden die Älteren, die Führer der Taliban kommen und mit mir reden." - Wann wurde Ihnen die Augenbinde abgenommen?
BF: Wir haben den Ort erreicht, ich musste absteigen. Zuerst wurden die Hände entfesselt und dann die Augenbinde abgenommen.
R: Was haben Sie aus Ihrer Erinnerung als erstes mit den Augen gesehen?
BF: In den ersten paar Sekunden war mir schwindlig, ich konnte nichts sehen. Ich war in einem Hof, auf 3 Seiten des Hofs waren Zimmern. Auf meiner rechten Seite war ein Zimmer, dort haben sie mich hingebracht.
R: Wie wurden Sie denn von den Taliban behandelt beim Auf- und Absteigen auf das Motorrad, beim Ins-Zimmer-Bringen?
BF: Die waren nicht so lieb mit mir, sie haben mich festgehalten. Aber nicht geschlagen.
R: Haben Sie eine dieser Personen persönlich gekannt?
BF: Nein.
R: Waren Sie allein in dem Zimmer wo man Sie hingebracht hat?
BF: Ja.
R: Warum wurde Ihnen die Augenbinde abgenommen, wissen Sie das?
BF: Das wissen die Taliban, ich weiß es nicht
R: Haben Sie sich gewehrt, haben Sie Widerstand geleistet?
BF: Ich konnte gar nichts machen. Aus Angst konnt ich nichts machen. Ich hatte Angst sie würden mich köpfen.
R: Wie waren die Taliban ausgestattet, wie sahen diese aus?
BF: Unterschiedliche Waffen gehabt, afghanische ziemlich lange Kleidung. Manche hatten eine Kappe aus Kandarhar und Turban und die Gesichter waren mit dem Turban vermummt.
R: Hat man Ihnen im Zimmer nochmals die Augen verbunden?
BF: Die Augen nein, die Hände schon. Die ersten paar Minuten die Augen auch, aber dann nicht mehr. Ich habe deren Sprache nicht verstanden als sie miteinander sprachen.
R: Erklären Sie mir nochmals - als Sie in das Zimmer gekommen sind, was haben die genau mit Ihnen gemacht?
BF: (Der BF zeigt mit den Händen)
Sie haben mich festgehalten, gestoßen und mir gezeigt wo ich sitzen muss. Ich konnte dann sehen aber die Hände waren noch immer verbunden und sie sind hinausgegangen. Ich habe gehört, dass sie das Zimmer zugesperrt haben. Ich konnte ncihts machen. Flüchten konnte ich sowieso nicht, sie wussten ja wo meine Familie lebt, sie haben mich selbst mitgebracht.
R: Also konnten Sie in dem Zimmer normal sehen?
BF: Es war dunkel, spät in der Nacht.
R: Aber war es dunkel, weil die Sonne nicht mehr schien und es spät war und dunkel oder weil es kein Fenster gab oder weil ihre Augen verbunden waren?
BF: Das Fenster war ganz klein, aber es war auch schon dunkel.
R: War das ganz allein Ihr Zimmer oder waren auch andere dort?
BF: Ich war allein.
Fragen seitens der Rechtsvertreterin:
RV: War beim 1. Mal die Hände verbunden und Sie wurden mitgenommen?
BF auf deutsch ohne Übersetzung: Beim zweiten Mal.
Weiter auf Dari: XXXX und meine Mutter haben es gesehen. Die anderen waren klein, es kann sein, dass sie es nicht gesehen haben, aber sie haben es ganz sicher gehört.
R: Sie haben gesagt die Taliban haben Ihnen beim ersten Besuch eine Bedenkzeit von zwei Monaten gegeben und sind dann doch früher gekommen.
BF: Ja, das ist richtig. Ich bekam zwei Monate Bedenkzeit, weil meine Mutter krank war. Dann sind sie nach 14 Tagen schon wieder gekommen.
Und der zweite Grund war, dass ich denen mitgeteilt habe, dass mein Vater spurlos verschwunden war und ich der einzige ältere Mann in der Familie war.
R: Und beim zweiten Mal haben Sie dann wieder eine Bedenkzeit bekommen?
BF: Beim zweiten Mal nahmen sie mich mit und ich bekam die Bedenkzeit erst, als ich mit einem Talibanführer sprach. Ich habe ihm gesagt ‚Sie wissen wo ich lebe, wo meine Familie ist, dass ich nicht flüchten möchte'
R: Meinen Sie mit "nicht flüchten" von dort von den Taliban?
BF: Gemeint, dass ich nicht den Ort verlassen und untertauchen möchte. Ich meine den Ort wo ich gelebt habe. Auf Befragen sage ich
XXXX .
R: Warum glauben Sie eine zweite Bedenkzeit bekommen zu haben wo Sie doch schon beim ersten Mal eine Bedenkzeit bekommen haben und sich doch nicht den Taliban angeschlossen haben?
BF: Die Taliban wollten dass ich mit denen kooperiere und mit denen kämpfe. Sie wollten das nicht zwangsweise, sie wollten mich überzeugen, dass ich selbst freiwillig mitmache. Sie haben gewusst, dass es ich kein Mitglied der afgh. Polizei oder der afgh. Regierung bin.
Die Taliban sind dort sehr viele und sind sich sicher, dass niemand vor denen flüchten kann.
Die Taliban sind gut informiert. Sie haben ganz genau gewusst wo ich lebe, wo unsere Grundstücke und das Haus sind. Sie waren sich sicher, dass ich nicht flüchten kann. Wenn die Taliban jemanden töten wollen - die machen das. Und keiner kann dagegen etwas machen. Wenn sie wollen, dass jemand für sie arbeitet und sich ihnen anschließt, das Verhältnis gegenüber denen ist dann ganz anders:
diese werden dann gut behandelt oder anders damit sie sich selbst und aus Überzeugung freiwillig anschließen. Am Anfang versuchen die Taliban, dass die Leute freiwillig mitmachen, aber wenn sie das ablehen mitzumachen, machen sie denen das Leben schwierig.
R: haben die Taliban Ihnen mit dem Tod gedroht, für den Fall, dass Sie sich nicht anschließen?
BF: Ja, sie haben mich fotografiert und mir gesagt im Falle einer Ablehnung dass ich mich anschließe werden sie mich und die ganze Familie umbringen.
R: Wie haben die versucht Sie zu überzeugen?
BF: ZB das sie mir am Anfang die 2monatige Bedenkzeit versprochen haben und auch beim zweiten Mal die Bedenkzeit gegeben haben. Damit wollten sie mich überzeugen freiwillig mitzumachen. Wie ich schon vorher erwähnt habe, haben die gewusst, dass meine Familie dort ist und unsere Grundstücke und dass ich nicht flüchten kann.
R: Wenn Sie sagen "Die Taliban sind dort sehr viele und sind sich sicher, dass niemand vor denen flüchten kann." - wie konnten Sie dann doch aus Afghanistan flüchten?
BF: Also ich hatte Glück - ich hab die Bedenkzeit bekommen und in der Zeit haben wir geschafft das Haus zu verkaufen um aus dem Dorf zu flüchten. Weil es in jeder Familie einen Talib gibt - entweder Vater oder Sohn - haben wir die Geschichte geheim gehalten, damit es keiner mitbekommt.
R: Wie haben Sie versucht Käufer für das Huas zu finden, mit welchen Methoden?
BF: Ich weiß es nicht. Meine Mutter hat das alles erledigt.
R: Hatten Sie keine Angst vor dem Ortsvorsteher, als Sie ihm die Grundstücke und das Haus verkauft haben?
BF: Hatten wir. Aber wir hatten keine Wahl.
Auf Befragen ob er wissen wollte wo wir hinziehen: Das hat er nicht gefragt.
Frage durch die RV: Woher wissen Sie, dass er nicht gefragt hat?
BF: Ich wurde nicht gefragt. Meine Mutter vielleicht. Eigentlich sollte er fragen, weil er ein Dorfsprecher ist. Er sollte es eigentlich fragen.
R: Erst unterwegs hat Ihnen die Mama erzählt, dass er alle gekauft hat? Hat sie da nicht erzählt, wie der Dorfsprecher Malek reagiert hat?
BF: Ich habe gefragt woher sie das Geld. Sie sagte: "Wegen Euch habe ich es verkauft, damit die Familie ein ruhiges Leben hat". Von Malek hatte sie nichts erzählt was er gesagt oder gefragt hat.
R: Gab es in Ihrem Dorf auch Talibanzugehörige?
BF: Vielleicht ja, vielleicht nein. Man kann es nicht so wissen. Aber generell sind die Taliban und überall sind die Kampfhandlungen. Die Taliban sind in unserer Ortschaft sehr viele und die afghanische Regierung ist dort fast machtlos. Also man kann nicht so leicht von XXXX nach Kabul oder umgekehrt fahren. Unterwegs sind überall Straßenminen und die Taliban wissen es ganz genau wer und wann um wieviel Uhr durch diese Straßen fährt. Wenn Zivilisten unterwegs sind, werden sie von Taliban genau kontrolliert wer hin und her fährt. Wenn die Regierungskonvois unterwegs sind ist es fast immer zu Kampfhandlungen gekommen.
R: Wenn Sie von der ersten Bedenkzeit wussten, dass die Taliban die Frist nicht einhalten, warum sind sie bei der zweiten Bedenkzeit nicht sofort weggelaufen, weggegangen, weggefahren?
BF: Aus zwei Gründen: erstens hat es mir ein Führer der Taliban versprochen und drei Monate hab ich Bedenkzeit bekommen. Und zweitens, dass wir für die Flucht Geld brauchten. Daher mussten wir das Haus und die Grundstücke verkaufen. Dafür brauchten wir ein bisschen Zeit, wir hatten keine andere Wahl. Außer dem Verkauf von Haus und Grundstücken hatten wir keine andere Wahl von irgendwo finanzielle Unterstützung zu bekommen.
R: Wer hat die Grundstücke gekauft?
BF: Meine Mutter hat unterwegs erzählt, dass der Dorfsprecher XXXX , welcher von manchen Malek genannt wurde, gekauft hat
R: Hat der auch das Haus gekauft?
BF: Laut meiner Mutter ja.
R: Welche Berufe haben Sie ausgeübt?
BF: Echt habe ich nicht gearbeitet, ich habe zu Hause geholfen, weil meine Mutter krank war. Wir hatten Obstplantagen gehabt. Marillen und Äpfel Plantagen und dort habe ich auch geholfen.
R: Wie konnte die Familie mit dem Geld leben, von den Plantagenverkäufen?
BF: Wir haben von der Landwirtschaft gelebt.
R: Sind Sie mit dem Geld aus der Landwirtschaft gut ausgekommen?
BF: Man konnte damit gut leben.
Auf die Frage ob der BF jemals in Kabul und oder dort jemand kennt verneint er beides.
R: Wenn Sie jetzt nach Afghanistan zurückkehren müssten, was befürchten Sie als Person?
BF: Ich bin von Taliban bedroht und geflüchtet. Sie sind gut vernetzt. Sie werden mich finden und töten, egal wo ich bin. Wenn mich die Taliban nicht erwischen. Für die normale Bevölkerung bin ich auch ein Ungläubiger. Ich bin für sie wie ein Amerikaner und ich fürchte dort um mein Leben. Ich habe dort nichts und niemanden mehr.
R: Wie hat Ihr Papa geheißen?
BF. XXXX .
R: Hat Ihr Papa Fahrzeuge besessen?
BF: Tankwagen.
R: Sie haben sehr viele Geschwister. Was ist so besonders an Ihren Geschwistern?
BF: 3 sind auf einmal geboren. Die 2 Schwestern und einer befindet sich hier, dieser hat mit 12 Jahren Österreich erreicht und jetzt ist er 15.
R: Hat Ihr Vater auch Angestellte, Mitarbeiter.
BF Der Tankwagen hat uns gehört und wir hatten einen Chauffeur. An den Namen erinnere ivjh mich momentan nicht, ich möchte nicht lügen. Befragt ob ich XXXX kenne, gebe ich an, ich weiß es nicht und blickt der BF nach links oben.
R: Sind Sie in Afghanistan, außer von den Taliban "Menschen" einmal von irgendjemanden bedroht oder verfolgt worden?
BF: Nein, wie geschildert. Ich war auch nie in einer Partei in Afghanistan und wurde weder wegen der Volksgruppe, noch wegen der Religion verfolgt worden. Ich war auch nie im Gefängnis. Ich hatte auch nie Probleme mit der Polizei, Behörden oder den Gerichten in Afghanistan.
R: Hatten Sie die Tankwagen noch oder wurden die verkauft?
BF: Wurde unterwegs nach Kandarhar von einer Rakete getroffen, das war der Vorfall wo auch der Chauffeur starb.
Befragt ob ich noch etwas vorbringen möchte: Nein, Dankeschön. Auf Befragung ob ich den D bis jetzt immer verstanden habe, bejahe ich dies.
R weist darauf hin, dass dem BF mit der Ladung der aktuelle Länderbericht der Staatendokumentation übermittelt wurde und wird an den BF und dessen Rechtsvertreter die Frage gerichtet, ob hierzu Vorbringen erstatten werden, da die R beabsichtigt, diesen ihrer Entscheidung zu Grunde legen.
BF: ich habe es gelesen, glaube aber nicht, dass es die Wahrheit in Afghanistan zeigt. Z.B. wenn bei einem Attentat 100 Leute ums Leben kommen, schreiben die Medien bloß von 5 Leuten. In diesen Unterlagen steht, man kann in einer anderen Ortschaft leben. Bei mir ist es nicht möglich, weil ich mich dort anmelden muss und unter Angst kann ich nicht leben.
Auf Befragen der Richterin was "anmelden" in Afghanistan bedeutet, ob es eine Meldepflicht wie in Österreich ist?
BF: Das ist keine offizielle Registrierung so wie hier, aber wenn man in eine andere Ortschaft geht oder lebt, muss man dort auch zur Moschee Essen bringen und dadurch wissen die Leute wer neu gekommen ist, wer dort lebt und das ist eine afghanische Art von
"Registrierung", ein unoffizielle Registrierung.
Ich kann mir nicht vorstellen dort wieder zu leben. Ich wohne seit ca. 2 Jahren und 6 Mon in Österreich und bin sehr gewohnt an diese Art und Weise von Leben in Österreich. Ich habe ein neues Leben hier angefangen - z. B. Schule, Sport. Ich habe hier sehr gute Freunde, weiblich und männlich. Ich habe die beste Lehrer, z. B. den anwesenden Herrn. Wir haben sehr gute Kontakte zu seiner Frau und ich bekomme von meinen Freunden und Lehrern die beste Unterstützung. Ich habe noch eine Lehrerin namens XXXX , diese hatte heute keine Zeit und hatte einen Termin. XXXX hat mir Glück gewunschen.
Zweimal pro Woche bekomme ich auch von ihr Unterstützung - Mittwochs und an einem weiteren Tag in der Woche.
RV: Ist das eine Lehrerin oder ein Lehrer?
BF: Die sind eine Ehepaar.
Auf Deutsch: XXXX und seine Frau XXXX .
Ich habe einige Zeit bei der XXXX gearbeitet, wir haben sechs Monate Theater gespielt.
R: Wie heißt das Stück?
BF ohne Übersetzung auf Deutsch: Also das Stück heißt - ich hab ein bißchen schwieriges.
In Dari: ich hab dort auch als Koch gearbeitet. Ich habe für 200 bis 250 Leute gekocht. Zweimal habe ich auf der Universität gekocht. Es war eine Abschlussparty bei der U3. Ich habe dort für ca 600 Leute afghanisches Essen gekocht.
R: Haben Sie Deutsch gelernt? Haben Sie Zeugnisse?
BF: A1 inkl. Prüfung. B1 hab ich gelernt, bald gibt's die Prüfung.
Ich bin in der Vorbereitungsphase für den Hauptschulabschluss.
R. Erzählen Sie mir, was Sie gestern gemacht haben:
Gestern ich hab gestern ich hab soviel Training gehabt. Nach dem Training hab ich mit meine Freundin namens Lisa getroffen wegen meinem Interview gesprochen. In einem Lokal getroffen. Sie hat eine heute diese Nacht eine Zeitbestätigung geschickt in meine Email und ich bringe vielleicht übermorgen ich schicke XXXX .
Ich kann gut verstehen Deutsch, aber ich kann nicht sehr gut deutsch sprechen. Aber ich kann gut verstehen alles. Jeden Tag ich lese Zeitung und sehe in der Nacht Fernsehen. Und ich sehe manchmal Film auf Deutsch mit meine zwei Brüder und ich hab jeden Tag ich Kontakte mit österreichische Freunde. Ich hab jeden Tag Deutsch sprechen. Ich hab ganz wenig afghanische Freund. Ich hab eine Nachbar, so ich afghanische.
Ich steh um 6 Uhr auf und bis 2 Uhr in der Schule, halb drei Uhr Fitness in McFit Training, 3 oder 4 Stunden. Nach dem Training ich gehe nach Hause und koche etwas mit meinem Bruder und gemeinsam Essen. Jeden Tag so. Mein Bruder HTL und mein kleiner Bruder ist in Hauptschule. Gestern hat gesagt ich mache A1 Prüfung und ich hab eine Termin gemacht und mein kleiner Bruder heute A1 Prüfung.
Auf die Frage, was der BF beruflich gerne machen würde, wenn er in Österreich bleiben könnte gibt er ohne Übersetzung auf Deutsch an:
Koch.
Die RV legt ein Konvolut von den BF betreffenden Dokumenten vor und werden diese als Beilage C. zum Akt genommen. Die RV bringt vor, dass das Zertifikat A2 das bisher höchste vom BF abgeschlossene Deutsch-Diplom ist.
Fragen der RV an den BF (mit Übersetzung):
RV: Welche Bedeutung spielt die Religion in Ihrem Leben?
BF: Normal. Für ist die Menschlichkeit im Vordergrund. Spielt gar keine große Rolle.
RV: Praktizieren Sie Religion?
BF: Leider nein.
Zwischenfrage der R: Warum "leider nein"?
BF: Ich habe keine Zeit dafür und hier zwingt mich auch keiner. In Afghanistan war ich gezwungen, da musste ich. Aber hier praktiziere ich es nicht mehr.
Zwischenfrage der R: Aber warum sagen Sie "leider"? Bedauern Sie es?
BF: Es ist bei mir Gewohnheit zu sagen "leider", das hab ich nur so gesagt.
RV: Was ist Ihnen lieber? Afghanistan oder hier?
BF: Dort war ich gezwungen, dort musste ich. Hier ist es meine Entscheidung. Dort wird man bestraft.
Die RV legt als ihre Stellungnahme zum Länderbericht vor (Beilage /.D):
Ich lege vor die Präsentation vom UNHCR vom 12.3.2018 zum Internationalen Schutzbedarf afghan. Asylsuchender samt übersetzten Auszügen sowie Anmerkungen vom UNHCR von Dezember 2016, weiters einen Auszug aus dem EASO Bericht zur Sicherheitslage in Afghanistan von Dezember 2017 (S. 252 bis 256 betreffend aktuelle Lage in der Provinz Maidan Wardak. Dann zum Thema "Verfolgung durch die Taliban" eine Arbeitsübersetzung des BFA vom Landinfo Report Afghanistan vom 23.8.2017. Und noch das Forschungspapier von ASYLOS zur Situation von jungen verwestl. Rückkehrern von August 2017, weiters die Auszüge aus dem EASO Bericht zur Situation in Afghanistans Großstädten von August 2017 und dann noch die Artikel der Friederike Stahlmann (Überleben in Afghanistan; Die Bedrohungen im Alltag; Bedrohungslage der afgh. Bevölkerung im innerstaatlichen Konflikt).
Der Artikel von Thomas Ruttig über die Lage der Rückkehrer wird zwar heute nicht vorgelegt, aber es wird explizit darauf verwiesen!
Es wird auch noch eine schriftliche Stellungnahme sowie eine Bestätigung über die Teilnahme des BF an einem Theaterproduktion nachgesendet werden.
Es wird auch auf den Inhalt des Beschwerdeschriftsatzes hingewiesen.
Festgehalten wird, dass der BF sehr auskunftsfreudig ist und viele an ihn herangetragenen Fragen sehr detailliert und genau erläutert.
Es erfolgt die Rückübersetzung durch Dr. XXXX .
Die RV fragt ob de facto nur eine zusammenfassende Übersetzung stattgefunden hat und nicht eine wortwörtlich.
Die R fordert die RV auf den BF selbst zu fragen und richtet sie an ihn die Frage "wurde es wortwörtlich übersetzt?".
Der BF sagt: "Ja, außer eine Sache, dass ich vergessen habe, dass ich eine CD vom Theaterstück habe. Denn das habe ich nicht erwähnt.
Das was ich gesagt habe war der Grund warum ich das Land verlassen habe, aber vorher gab es auch Kriegshandlungen, wo auch unser Leben immer wieder in Gefahr war und darüber habe ich detailliert nicht erzählt.
Dass die Häuser vernichtet wurden, Kampfhandlungen waren. Aber das waren allgemeine Situationen, wo wir immer wieder in Gefahr waren.
R: Herr BF ich frage Sie: Alles was Ihnen Dr. XXXX vorgelesen hat:
war das alles was Sie gesagt haben und war das alles richtig?
BF: Das was ich nachhinein erzählt habe, war eine allgemeine Situation.
Die Taliban sind immer wieder gekommen zu dieser Ortschaft gelebt haben.
R: Hat Ihnen alles, was wir heute hier gesprochen haben, Herr Dr. XXXX vorgelesen in Ihrer Muttersprache?
BF: Ja.
R: Ist da irgendetwas drin gewesen was Sie gesagt haben, aber was er nicht vorgelesen hat? BF: Es wurde alles protokolliert."
12. Am 19.3.2018 langte eine umfassende Stellungnahme der Rechtsberaterin beim Bundesverwaltungsgericht ein, welcher auch Beilagen angefügt waren.
* Stellungnahme, unter anderem mit dem Hinweis auf das EP, wonach Abschiebungen nach Afghanistan völkerrechtswidrig wären (Entschließung des EP vom 14.12.2017, 2017/2932 RSP)
* Kommentar des Thomas Ruttig zum Gutachten von Mag. Mahringer, GZ BVwG-160.000/0001-Kammer Al2017
* Neuerliche (undatierte) Empfehlung der Mag. XXXX
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1.1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, er gehört der Volksgruppe der Tadschiken an, ist Sunnit und seine Muttersprache ist Dari. Der Beschwerdeführer ist auch der deutschen Sprache mächtig.
Der Beschwerdeführer ist volljährig und stellte im September 2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, nachdem er unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet einreiste.
Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Maidan Wardak in Afghanistan, wo er bis zu seiner Ausreise lebte. Der BF besuchte in Afghanistan eine Koranschule. Der BF erwarb im Herkunftsstaat Arbeitserfahrung in der familieneigenen Landwirtschaft.
Zwei der Geschwister des BF leben in Österreich.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF nicht über ihm wohl gesonnene leibliche Verwandte in Afghanistan verfügt.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF verheiratet ist.
Die Ausreise des BF wurde von der Mutter organisiert und finanziert.
Feststellungen zu der finanziellen / wirtschaftlichen Lage der Familie des BF während seines Aufenthalts in Afghanistan können nicht getroffen werden.
1.1.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer einer asylrechtlich relevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt war bzw. ihm eine solche Verfolgung im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.
Eine konkret gegen die Person des BF gerichtete asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention oder im Sinne der Risikoprofile der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.4.2016 kann nicht festgestellt werden.
1.1.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken sowie als sunnitischer Moslem bzw dass jeder Angehörige der Volksgruppe des Beschwerdeführers sowie der Glaubensrichtung des Beschwerdeführers in Afghanistan psychischer und / oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.
1.1.4. Es kann weder festgestellt werden, dass konkret der Beschwerdeführer aufgrund der Tatsache, dass er sich in Europa aufgehalten hat, noch, dass jeder afghanische Staatsangehörige, welcher aus dem westlichen Ausland nach Afghanistan zurückkehrt, in Afghanistan psychischer und / oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.
1.1.5. Zudem droht dem Beschwerdeführer im Falle einer Verbringung in seinen Herkunftsstaat Afghanistan kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (EMRK). Es kann insgesamt nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder wegen politischen Ansichten von Seiten Dritter bedroht wäre.
Der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit vom Konflikt sowie dessen Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.
1.1.6. Der Beschwerdeführer ist ohne Sorgepflichten, arbeitsfähig und gesund. Der Beschwerdeführer war in Afghanistan durch Arbeit auf der familieneigenen Landwirtschaft erwerbstätig.
1.1.7. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.1.8. Die Herkunftsprovinz des BF ist Maidan Wardak. Wardak zählt seit einiger Zeit zu den volatilen Provinzen Afghanistans. Regierungsfeindliche, bewaffnete Aufständische sind in unterschiedlichen Distrikten aktiv - speziell in den Distrikten nächst der Autobahn. Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 81 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 83 zivile Opfer (42 getötete Zivilisten und 41 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten/willkürlichen Tötungen und Luftangriffen. Dies deutet einen Rückgang von 35% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. In der Provinz Wardak werden groß angelegte militärische Operationen durchgeführt. Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche bewaffnete Aufständische sind in unterschiedlichen Distrikten aktiv. Dazu zählen u. a. die Taliban; Quellen zufolge hat das Haqqani-Netzwerk in einem Teil der Provinz Wardak eine Zentrale gehabt. Das Haqqani-Netzwerk operiert großteils in Ostafghanistan und der Hauptstadt Kabul.
Für den Zeitraum 1.1.2017-31.1.2018 wurden keine IS-bezogene Vorfälle in der Provinz gemeldet.
Die Herkunftsprovinz scheidet als Ort für die Wiederansiedelung des BF nach seiner Rückkehr daher aus.
Ebenso scheidet die Hauptstadt Kabul vor dem Hintergrund des "Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Beurteilung des internen Schutzbedarfs von Asylsuchenden aus Afghanistan vom 30.8.2018" als innerstaatliche Fluchtalternative aus.
1.1.9. Der BF kann sich in Afghanistan in dem als innerstaatliche Fluchtalternative geltenden Ort Mazar-e Sharif in der Provinz Balkh ansiedeln.
1.1.9.1. Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri, sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Laut Länderbericht wurden im Dezember 2017 verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).
Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018).
Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017). Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).
Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräf