TE Vfgh Beschluss 2007/9/25 V12/07

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Veröffentlicht am 25.09.2007
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83 Natur- und Umweltschutz
83/01 Natur- und Umweltschutz

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
GeschwindigkeitsbeschränkungsV des Landeshauptmannes von Oberösterreich, LGBl 2/2007 idF LGBl 3/2007
ImmissionsschutzG-Luft (IG-L) §10 ff, §14

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags eines Pendlers auf Aufhebungeiner Geschwindigkeitsbeschränkung auf der A1 Westautobahn inOberösterreich aufgrund des Immissionsschutzgesetzes-Luft mangelsEingriffs in die rechtlich geschützten Interessen einesFahrzeuglenkers

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit dem auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller, die Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich, mit der eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h in der Zeit von 5.00 Uhr bis 23.00 Uhr für eine Teilstrecke der A1 Westautobahn angeordnet wird, kundgemacht im LGBl. für Oö 2/2007 idF LGBl. 3/2007 sowie durch das Beschränkungszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) 100 km/h" samt den Zusatztafeln "5.00 - 23.00 Uhr" und "Immissionsschutzgesetz-Luft" zur Gänze, in eventu §3 dieser Verordnung, als gesetzwidrig aufzuheben. Der Antrag lautet wie folgt:

"... der Verfassungsgerichtshof möge gemäß Art139 B-VG und §59 Abs2 VfGG

a. die Verordnung des Landeshauptmanns von Oberösterreich, mit der eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h in der Zeit von 5.00 Uhr bis 23.00 Uhr für die Teilstrecke der A1 Westautobahn in Fahrtrichtung Wien zwischen km 167,850 im Gemeindegebiet von Linz und km 154,968 im Gemeindegebiet von Enns und in Fahrtrichtung Salzburg zwischen km 155,096 im Gemeindegebiet von Enns und km 167,360 im Gemeindegebiet von Linz angeordnet wird, kundgemacht am 19.1.2007 durch das Beschränkungszeichen 'Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) 100 km/h' samt den Zusatztafeln '5.00 - 23.00 Uhr' und 'Immissionsschutzgesetz-Luft' zur Gänze; und/oder

b. den §3 ('Geschwindigkeitsbeschränkung') der 'Verordnung des Landeshauptmanns von Oberösterreich, mit der eine Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Teilstrecke der A1 Westautobahn angeordnet wird', Oö.LGBl. Nr. 2/2007 idF. Oö.LGBl. Nr. 3/2007; oder die Verordnung des Landeshauptmanns von Oberösterreich, mit der eine Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Teilstrecke der A1 Westautobahn angeordnet wird, Oö.LGBl. Nr. 2/2007 idF. Nr. 3/2007 zur Gänze; und/oder

c. den §3 ('Geschwindigkeitsbeschränkung') der 'Verordnung des Landeshauptmanns von Oberösterreich, mit der eine Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Teilstrecke der A1 Westautobahn angeordnet wird', kundgemacht im Oö.LGBl. Nr. 2/2007 idF. Nr. 3/2007 und durch das Beschränkungszeichen 'Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) 100 km/h' samt den Zusatztafeln '5.00 - 23.00 Uhr' und 'Immissionsschutzgesetz-Luft'; oder die 'Verordnung des Landeshauptmanns von Oberösterreich, mit der eine Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Teilstrecke der A1 Westautobahn angeordnet wird', kundgemacht im Oö.LGBl. Nr. 2/2007 idF. Nr. 3/2007 und durch das Beschränkungszeichen 'Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) 100 km/h' samt den Zusatztafeln '5.00 - 23.00 Uhr' und 'Immissionsschutzgesetz-Luft'

als gesetzwidrig aufheben, oder

d. den gegenständlichen Verordnungsprüfungsantrag wegen Nichtigkeit der angefochtene(n) Verordnung(en) als unzulässig zurückweisen, ..."

2. Die mit dem in Rede stehenden Antrag bekämpfte Verordnung wurde vom (nach der maßgeblichen Geschäftsverteilung) zuständigen Mitglied der Landesregierung im Namen des Landeshauptmannes erlassen und stützt sich auf die §§10 bis 12 und 14 Abs1 Z2 IG-L, BGBl. I 115/1997 idF BGBl. I 34/2003 iVm §9a Abs9 IG-L, BGBl. I 115/1997 idF BGBl. I 34/2006.

2.1. Die Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich, mit der eine Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Teilstrecke der A1 Westautobahn angeordnet wird, lautet in ihrer Stammfassung, LGBl. für Oö 2/2007, wie folgt:

"Verordnung des Landeshauptmanns von Oberösterreich, mit der eine Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Teilstrecke der A1 Westautobahn

angeordnet wird

Auf Grund der §§10 bis 12 und 14 Abs1 Z. 2 Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L), BGBl. I Nr. 115/1997, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 34/2003 in Verbindung mit §9a Abs9 Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L), BGBl. I Nr. 115/1997, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 34/2006 wird verordnet:

§1

Ziel der Verordnung

Die durch den Verkehr verursachten Stickstoffdioxidemissionen entlang der A1 Westautobahn im Bereich der Städte Ansfelden, Linz und Enns sowie der Marktgemeinden Asten und St. Florian sollen verringert und somit die Luftqualität verbessert werden. Diese Verbesserung dient dem dauerhaften Schutz der Gesundheit des Menschen, des Tier- und Pflanzenbestands, ihrer Lebensgemeinschaften, Lebensräume und deren Wechselbeziehungen sowie der Kultur- und Sachgüter vor schädlichen Luftschadstoffen sowie dem Schutz der Menschen vor unzumutbar belästigenden Luftschadstoffen. Die Geschwindigkeitsbeschränkung nach §3 soll zur Erreichung dieses Ziels beitragen. Um eine zielgerichtete Maßnahme zu gewährleisten soll die starre Geschwindigkeitsbeschränkung lediglich bis zur Inbetriebnahme einer immissionsgesteuerten Verkehrsbeeinflussungsanlage in Geltung stehen.

§2

Sanierungsgebiet

Als Sanierungsgebiet gemäß §2 Abs8 IG-L wird die Teilstrecke der A1 Westautobahn zwischen der Anschlussstelle Enns - Steyr bei km 154,966 und dem Knoten Haid bei km 175,574 festgelegt.

§3

Geschwindigkeitsbeschränkung

(1) Im Sanierungsgebiet gilt

1.

in Fahrtrichtung Wien zwischen km 167,850 im Gemeindegebiet von Linz und km 154,966 im Gemeindegebiet von Enns und

2.

in Fahrtrichtung Salzburg zwischen km 154,966 im Gemeindegebiet von Enns und km 167,360 im Gemeindegebiet von Linz

eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h in der Zeit von 05.00 Uhr bis 23.00 Uhr. Die Kundmachung dieser Geschwindigkeitsbeschränkung erfolgt durch Aufstellung der entsprechenden Vorschriftszeichen gemäß §52 StVO 1960. Allfällige nach anderen Bestimmungen angeordnete geringere Höchstgeschwindigkeiten bleiben unberührt.

(2) Die im Abs1 enthaltene Beschränkung wirkt direkt, sie bedarf keiner bescheidmäßigen Anordnung durch die Behörde.

§4

In-Kraft-Treten

(1) Diese Verordnung tritt mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung im Landesgesetzblatt für Oberösterreich in Kraft.

(2) Mit dem In-Kraft-Treten dieser Verordnung tritt die Verordnung, mit der eine Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Teilstrecke der A1 Westautobahn angeordnet wird, LGBl. Nr. 98/2006, außer Kraft.

Für den Landeshauptmann:

Anschober

Landesrat"

2.2. In der Folge wurde §3 der zitierten Verordnung geändert. Die Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich, mit der die Verordnung, mit der eine Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Teilstrecke der A1 Westautobahn angeordnet wird, geändert wird, LGBl. für Oö 3/2007, lautet wie folgt:

"Verordnung des Landeshauptmanns von Oberösterreich,

mit der die Verordnung, mit der eine Geschwindigkeitsbeschränkung

für eine Teilstrecke der A1 Westautobahn angeordnet wird, geändert

wird

Auf Grund der §§10 bis 12 und 14 Abs1 Z. 2 Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L), BGBl. I Nr. 115/1997, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 34/2003 in Verbindung mit §9a Abs9 Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L), BGBl. I Nr. 115/1997, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 34/2006 wird verordnet:

Artikel I

Die Verordnung des Landeshauptmanns von Oberösterreich, mit der eine Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Teilstrecke der A1 Westautobahn angeordnet wird, LGBl. Nr. 2/2007, wird wie folgt geändert:

1.

Im §3 Abs1 Z. 1 wird die Kilometerangabe 'km 154,966' durch die Kilometerangabe 'km 154,968' ersetzt.

2.

Im §3 Abs1 Z. 2 wird die Kilometerangabe 'km 154,966' durch die Kilometerangabe 'km 155,096' ersetzt.

Artikel II

Diese Verordnung tritt mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung im Landesgesetzblatt für Oberösterreich in Kraft.

Für den Landeshauptmann:

Anschober

Landesrat"

3. Zur Zulässigkeit des Antrages bringt der Antragsteller vor, dass die angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung gemäß §3 Abs2 der Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich, mit der eine Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Teilstrecke der A1 Westautobahn angeordnet wird, LGBl. 2/2007 idF LGBl. 3/2007, direkte Wirkung entfalte und keiner weiteren bescheidmäßigen Anordnung durch die Behörde bedürfe. Ein zumutbarer Weg, die Bedenken gegen die in Rede stehende Verordnung im Rahmen eines Administrativverfahrens, in dem die Geschwindigkeitsbeschränkung präjudiziell anzuwenden wäre, an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, stehe nicht zur Verfügung. §14 Abs2 und 3 IG-L sehe zwar ein Verfahren für Ausnahmen von einem nach dem IG-L verordneten "Maßnahmenkatalog" vor, doch sei eine solche Ausnahme ausdrücklich nur für Maßnahmen nach §14 Abs1 Z1 IG-L, nicht aber für Maßnahmen nach §14 Abs1 Z2 IG-L ("Geschwindigkeitsbeschränkungen") vorgesehen. Abgesehen davon sei es dem Antragsteller auch nicht zumutbar, ein Verwaltungsstrafverfahren zu provozieren, in dem er sich mit der Behauptung zur Wehr setzen könnte, dass die übertretene Norm verfassungswidrig sei.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat den Landeshauptmann von Oberösterreich (in dessen Namen die Verordnung erlassen wurde) aufgefordert, eine Äußerung zum Gegenstand zu erstatten und die Verwaltungsakten vorzulegen. Der nach der Geschäftsverteilung zuständige Landesrat hat im Namen des Landeshauptmannes eine solche Äußerung erstattet und gleichzeitig die Akten des Verordnungsverfahrens vorgelegt.

5. Der zur Vertretung der Verordnung als oberste Verwaltungsbehörde des Bundes zuständige Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat keine Äußerung abgegeben.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).

1.1. Der Antragsteller bringt auf das Wesentliche zusammengefasst vor, dass er den täglichen Weg zum Arbeitsplatz in Linz regelmäßig mit seinem Kraftfahrzeug zurücklege. Dabei befahre er auch die Autobahn A1 auf der gesamten, von der Geschwindigkeitsbeschränkung betroffenen Strecke. Seit In-Kraft-Treten der angefochtenen Beschränkung sei es ihm jedoch nicht mehr möglich, mit der auf Autobahnen grundsätzlich erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h zu fahren. Die bekämpfte Verordnung würde ihn daher in seinem, gemäß §20 Abs2 StVO gesetzlich gewährleisteten Recht, die Teilstrecke der Autobahn A1 zwischen Linz und Enns mit einer Geschwindigkeit von bis zu 130 km/h befahren zu dürfen, sowie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzen.

1.2. Im vorliegenden Fall wird durch die angefochtene Verordnung die zulässige Höchstgeschwindigkeit für einen näher bezeichneten Autobahnabschnitt während eines bestimmten Zeitraumes auf 100 km/h beschränkt. Damit wird jedoch eine aktuelle Beeinträchtigung der rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers nicht bewirkt. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss zu Maßnahmenverordnungen des Landeshauptmannes von Wien nach dem IG-L unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung ausgesprochen hat, genießt das Interesse an der Teilnahme am Gemeingebrauch, also an der Teilnahme am öffentlichen Verkehr auf vffentlichen Straßen, rechtlichen Schutz nur in dem Rahmen, der diesem Gemeingebrauch jeweils allgemein gezogen ist (VfGH 21.6.2007, V9,10/07 mwN).

Selbst wenn der Antragsteller daher durch die bekämpfte Verordnung stärker berührt werden sollte als solche Verkehrsteilnehmer, die das betroffene Teilstück der A1 Westautobahn nicht regelmäßig befahren, genießt sein Interesse (als Fahrzeuglenker) an der Teilnahme am Gemeingebrauch (d.i. am öffentlichen Verkehr auf der öffentlichen Straße) rechtlichen Schutz nur in dem Rahmen, der diesem Gemeingebrauch jeweils allgemein (für alle Verkehrsteilnehmer in gleicher Weise) gezogen ist. Besondere Umstände, die es erlauben würden, einen aktuellen Eingriff in eine rechtlich geschützte Interessensphäre anzunehmen - wie etwa das Verbot des Anfahrens eines Warenumschlagplatzes (VfSlg. 8984/1980) oder die Sperre der Zufahrt zu einem Grundstück (VfSlg. 9089/1981) - sind im vorliegenden Fall nicht zu erkennen.

Die bekämpfte Geschwindigkeitsbeschränkung greift demnach nicht in eine rechtlich geschützte Position des Antragstellers ein, weshalb der in Rede stehende Antrag bereits mangels Antragslegitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen war.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Straßenpolizei,Geschwindigkeitsbeschränkung, Umweltschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:V12.2007

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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