TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/11 W114 2196400-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.06.2019
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Entscheidungsdatum

11.06.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W114 2196400-1/12E

Schriftliche Ausfertigung des am 07.05.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, Mozartstraße 11/6, 4020 Linz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle Linz, vom 23.04.2018, Zl. 1094839900 - 151770630, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.05.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

III. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

IV. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte IV., V. und VII. des angefochtenen Bescheides aufgehoben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

V. XXXX wird der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX geb. am XXXX , (im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF), stellte am 13.11.2015 nach illegaler Einreise in das österreichische Staatsgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor der Polizeiinspektion XXXX gab der Beschwerdeführer an, afghanischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und sunnitischer Moslem zu sein. Er sei ledig. Er stamme aus einem Dorf in der Provinz Baghlan in Afghanistan. Er habe in Afghanistan keine Schule besucht und sei Analphabet. Er habe zuletzt in Afghanistan als Fahrer in einem Transportunternehmen gearbeitet. Sein Vater, seine Mutter, zwei ältere Schwestern, zwei jüngere Schwestern und drei jüngere Brüder würden sich in Afghanistan in seinem Heimatort befinden.

Befragt nach seinen Fluchtgründen führte der BF aus, dass in Afghanistan Krieg herrsche und er deswegen geflüchtet sei. Seine Familie sei in Afghanistan geblieben, da für deren Ausreise das Geld nicht gereicht habe. Er habe Angst vor dem Krieg.

3. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 14.12.2017 legte der Beschwerdeführer dar, dass er aus der Region XXXX im Distrikt Nahrin in der Provinz Baghlan stamme. Er habe bereits im Jahr 2014 beschlossen, Afghanistan zu verlassen; aus finanziellen Gründen sei er jedoch erst im Oktober 2015 aus Afghanistan ausgereist. Seine Schlepper-unterstützte Flucht habe US $ 6.000.-- gekostet.

Er habe in Afghanistan ab seinem 8. Lebensjahr gearbeitet, wobei er zuerst als Schweißer beschäftigt gewesen sei. Ab seinem 12. Lebensjahr sei er LKW-Beifahrer eines Onkels väterlicherseits gewesen; während der letzten beiden Jahren habe er selbst einen LKW gelenkt, wobei er für seinen Vater, der mit Kohle gehandelt habe, gearbeitet habe. Seine Familie, die aus seinen Eltern, vier Schwestern und drei Brüder bestehen würde, würde sich nach wie vor in seinem Heimatdorf befinden. Seine Familie lebe dabei in ihrem eigenen Haus. Er habe auch regelmäßig Kontakt zu seiner Familie. Darüber hinaus würden sich in Afghanistan insgesamt vier Onkel und fünf Tanten aufhalten, wobei alle über Eigenheime verfügen würden. Er habe auch Kontakt zu einem Freund in Afghanistan.

Im Jahr 2013 habe er einen LKW seines Vaters chauffiert, als er und sein Beifahrer von vier bewaffneten und vermummten Personen überfallen, misshandelt und beraubt worden wären. Sie hätten auch sein Mobiltelefon, auf dem die Telefonnummer seines Vaters abgespeichert gewesen wäre, mit sich genommen. Sein Vater sei daraufhin immer wieder angerufen worden. Dabei sei seinem Vater mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer für sie als Fahrer arbeiten sollte. Sein Vater habe schließlich seine Telefonnummer geändert. Damit hätten die Belästigungen geendet.

Ein Jahr später sei vor dem Wohnhaus ein Drohbrief gelegen. In diesem Drohbrief sei gestanden, dass er von den Taliban ein Fahrzeug gestohlen habe und dieses der Polizei übergeben habe. Er solle dafür die Verantwortung übernehmen und sich den Taliban stellen.

Sein Vater habe keinen anderen Ausweg gesehen, als den Beschwerdeführer nach Europa zu schicken.

In seiner Einvernahme vor dem BFA verneinte er die Frage, ob er in Österreich eine Freundin bzw. eine Lebensgefährtin habe.

4. Bereits im Asylverfahren legte der BF zahlreiche Unterstützungsschreiben österreichischer Privatpersonen und Institutionen sowie mehrere Dokumente, die ehrenamtliche Tätigkeiten bescheinigten und weitere Integrationsdokumente vor. Der BF legte auch eine Totalfälschung eines afghanischen Führerscheines und eine Ablichtung des Drohbriefes, der mit 27.05.2014 datiert ist und eine Ablichtung eines Schreibens der Dorfältesten seines Dorfes in Afghanistan, welches mit 11.02.2014 datiert ist und in dem berichtet wird, dass der BF im Alter von 17 Jahren mehrmals von Taliban mit dem Tod bedroht worden wäre, weswegen der BF Afghanistan verlassen habe, vor.

Der BF verwies auf viele Deutsch-Sprachkursteilnahmebestätigungen und legte auch ein ÖSD-Zertifikat vom 21.03.2018 vor, in welchem bescheinigt wird, dass der BF eine Deutsch-Sprachprüfung auf B1-Niveau bestanden hat.

5. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle Linz vom 23.04.2018, Zl. 1094839900 - 151770630, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm

§ 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 BFA-VG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Weiters wurde ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VII.).

Begründend wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei. Die vom BF im Asylverfahren getätigten Zeitangaben würden dazu führen, dass der BF keine Verfolgungsgefahr habe glaubhaft machen können, zumal zwischen dem Vorfall, bei dem er als LKW-Fahrer überfallen, beraubt und misshandelt worden wäre, dem behaupteten Erhalt des Drohbriefes und seiner tatsächlichen Ausreise aus Afghanistan jeweils ein Jahr vergangen ist, ohne dass es zu weiteren verfolgungsrelevanten Aktionen gekommen sei. Zudem sei es seinen Familienmitgliedern offensichtlich möglich, sich in Afghanistan, ohne verfolgt zu werden, aufzuhalten. Die Echtheit des vom BF vorgelegten Drohbriefes wurde angezweifelt, die von den Dorfältesten seines Dorfes vorgelegte Bestätigung wurde vom BFA als Gefälligkeitsschreiben qualifiziert.

Zu Spruchpunkt II. wurde dargelegt, dass es sich bei seiner Heimatprovinz Baghlan um eine volatile Provinz handle und dass die Sicherheitssituation dort bedrohlich sei.

Dem Beschwerdeführer stehe jedoch mit Kabul, das über einen international sicher erreichbaren Flughafen verfüge, eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Er könne darüber hinaus auch Rückkehrbeihilfe in Anspruch nehmen. Der BF verfüge in Afghanistan darüber hinaus über familiäre Anknüpfungspunkte.

Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG; der BF habe sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein müssen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan. Besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe würden zwar vorliegen. Bei der anzustellenden Abwägung der betroffenen Interessen sei dem geordneten Vollzug des Fremdenwesens und der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mehr Gewicht einzuräumen, als den Interessen des Beschwerdeführers.

Angesichts des Umstandes, dass der BF eine Totalfälschung eines afghanischen Führerscheines vorgelegt habe und sich darauf berufen habe, sei einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen. Daher sei auch eine Frist für eine freiwillige Ausreise nicht zuzusprechen.

Diese Entscheidung wurde dem BF am 24.04.2018 durch persönliche Übernahme durch den BF zugestellt.

6. Mit Schriftsatz vom 17.05.2018, eingelangt beim BFA am 22.05.2018, erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch Dr. Helmut BLUM, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, Beschwerde. Insbesondere wurde dabei auch ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt.

Begründet wird diese Beschwerde im Wesentlichen zusammengefasst damit, dass der BF im Asylverfahren keinesfalls das BFA über seine Identität getäuscht habe, zumal er auch eine Tazkira vorgelegt habe, aus der zweifelsfrei seine wahre Identität entnommen werden könnte. Er habe im Asylverfahren immer die Wahrheit gesagt, sodass ihm der Status eines Asylberechtigten, jedenfalls jedoch zumindest der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei. Er habe Afghanistan nicht sofort verlassen können, da er damals einerseits nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt habe und andererseits noch sehr jung gewesen wäre. In Kabul verfüge er über kein soziales Netz, sodass ihm dort eine Ansiedelung nicht zugemutet werden könnte. Er habe bereits maßgebliche Integrationsschritte gesetzt, was insbesondere durch die Zeugin XXXX bestätigt werden könnte.

7. Mit Schreiben vom 24.05.2018 legte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde mit dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie die bezughabenden Unterlagen des Verwaltungsverfahrens zur Entscheidung vor.

8. Mit (Teil-) Erkenntnis des BVwG vom 28.05.2018, GZ W114 2196400-1/3E, wurde Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides behoben und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Entscheidungswesentlich wurde in dieser Entscheidung mitgeteilt, dass die Vorlage eines gefälschten Führerscheines, aufgrund dessen der BF befugt gewesen wäre, bereits im Alter von 14 Jahren legal ein mehrspuriges Kraftfahrzeug zu lenken, ein untauglicher Versuch einer Täuschung über die Identität darstellen würde, da bereits bei einfacher Recherche zu erfahren gewesen wäre, dass in Afghanistan für das Ausstellen eines echten und legalen Führerscheines ein Mindestalter von 18 Jahren gelte. Da aus dem vorgelegten Akteninhalt nicht zweifelsfrei erkennbar sei, ob die Verneinung der Gewährung eines internationalen Schutzes rechtskonform sei, sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

9. Mit Schreiben vom 07.06.2018 teilte der BF durch seinen Rechtsvertreter mit, dass das Strafverfahren hinsichtlich des Vergehens der Urkundenfälschung von der Staatsanwaltschaft Linz eingestellt worden wäre.

10. Am 22.08.2018 wies der BF auf eine Beschäftigungsbewilligung des AMS vom 17.08.2018, ABB-Nr. 3938229, hin, in der dem BF erlaubt wird, eine Lehre als Straßenerhaltungsfachmann zu absolvieren.

11. Am 01.09.2018 begann der BF eine Lehre bei der Gemeinde Engerwitzdorf, wobei als Ausbildungsleiter XXXX verantwortlich ist.

In einem Schreiben vom 02.05.2019 bestätigte XXXX , dass der BF in ihrer Familie Anschluss gefunden habe und gleichsam wie ein Enkelkind in ihrer Familie behandelt werde.

12. Gemeinsam mit der Ladung zur Beschwerdeverhandlung vom 26.03.2019 wurden dem Beschwerdeführer umfangreiche aktuelle Länderinformationen zu Afghanistan zugänglich gemacht und ihm die Möglichkeit geboten, eine Stellungnahme abzugeben.

13. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 07.05.2019 wurde der Beschwerdeführer zu seiner Identität und Herkunft sowie zu seinen Fluchtgründen befragt. Die Verhandlung fand im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt. Das BFA verzichtete mit Schreiben vom 27.03.2019 auf eine Teilnahme an der Verhandlung.

An der Beschwerdeverhandlung nahm neben dem BF und seinem Rechtsvertreter auch XXXX teil, die sich als Zeugin hinsichtlich der Bescheinigung der Integration des BF in Österreich anbot. Insbesondere berichtete sie zeugenschaftlich befragt, dass der BF eine siebzehnjährige Freundin habe, deren Vater vor wenigen Wochen einen schweren Autounfall gehabt habe, sich seither im Zustand eines Wachkomas befinde und falls er jemals wieder das Bewusstsein zurückerhalten würde, mit schweren zerebralen Schäden zu rechnen habe. Der Beschwerdeführer als Freund, mit dem sie sich in einer Beziehung befinden würde, sei ihr in dieser schweren Zeit eine äußerst wichtige Stütze und dürfe nicht abgeschoben werden, zumal dann nicht absehbar sei, welche Konsequenzen der Verlust ihres Freundes für die junge Frau hätte. Die beiden jungen Menschen würden sich in einer Beziehung befinden, wobei der BF in der Familie von XXXX und seine Freundin bei ihrer Mutter wohnen würden. Die Freundin habe mit Zustimmung von XXXX auch bereits beim BF genächtigt.

Ausgehend von den im Beschwerdeverfahren aufgenommenen Beweisen und dem ermittelten Sachverhalt, insbesondere dem in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 07.05.2019 gewonnen Eindruck wurde das Erkenntnis gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG mündlich verkündet und umfangreich begründet.

Im Zuge der mündlichen Verkündung des Erkenntnisses wurde auch die Rechtsmittelbelehrung sowie die Belehrung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG erteilt. Die von den anwesenden Verfahrensparteien unterzeichnete Verhandlungsschrift samt dem mündlich verkündeten und begründeten Erkenntnis und der erteilten Rechtsmittelbelehrung wurde im Anschluss an die mündliche Verkündung am 07.05.2019 ausgefertigt und an die Verfahrensparteien verteilt bzw. an das BFA übermittelt.

15. Mit Schreiben vom 09.05.2019, eingelangt im BVwG noch am selben Tag, beantragte das BFA die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des in der mündlichen Verhandlung am 07.05.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses des BVwG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und der Einsichtnahme in die Bezug habenden Unterlagen des Verwaltungsverfahrens, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018 mit Aktualisierungen und letzten Ergänzungen zum 22.01.2019 sowie in weitere Länderinformationen zu Afghanistan werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken. Er ist sunnitischer Moslem.

Er verfügt über keine Schulausbildung und arbeitete in Afghanistan als Schweißer, LKW-Beifahrer und LKW-Fahrer. Er hat den Großteil seines Lebens in Afghanistan verbracht und ist mit den Sitten und Gebräuchen, mit der Kultur und einem Leben in Afghanistan bestens vertraut. Er spricht mit Dari zumindest eine in Afghanistan weit verbreitete und geläufige Sprache.

Der BF ist ledig und hat keine Kinder. In seiner Heimatprovinz Baghlan in Afghanistan lebt in einem familieneigenen Haus seine Familie, die aus seinen Eltern, zwei älteren Schwestern, zwei jüngeren Schwestern und drei jüngeren Brüder besteht. Sein Vater handelt mit Kohle. In Afghanistan leben insgesamt vier Onkel und fünf Tanten, die alle über ein Eigenheim verfügen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan von Taliban verfolgt werden würde. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan, aus welchem Grund auch immer, verfolgt werden würde.

Damit kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan aus asylrelevanten Gründen verfolgt werden würde.

Der vorgelegte Drohbrief und eine vom BF vorgelegte Bestätigung der Dorfältesten werden nicht als echt erachtet.

Der Beschwerdeführer berichtet von keinen individuell ihn betreffenden Vorfällen, aus denen erkannt oder abgeleitet werden könnte, dass er überhaupt gesucht oder verfolgt wurde bzw. im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden müsste, dass gerade und speziell der Beschwerdeführer von einer ihm drohenden Verfolgungsgefahr durch wen auch immer, insbesondere durch Taliban rechnen müsste.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Ersteinvernahme von einem in Afghanistan herrschendem Krieg berichtete, weswegen er dieses Land verlassen habe.

Er hat auch kein Fahrzeug von Taliban gestohlen und dieses an Regierungsvertreter ausgehändigt.

Der Beschwerdeführer hat nach illegaler Einreise nach Österreich am 13.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er befindet sich somit seit ca. 3, 5 Jahren in Österreich. Er muss sich seines unrechtmäßigen Aufenthaltes im österreichischen Staatsgebiet bewusst sein.

Das erkennende Gericht stellt fest, dass der BF nach Afghanistan zurückkehren könnte, ohne unter Berücksichtigung von Art. 2 und 3 EMRK in eine ausweglose Situation zu geraten. Er verfügt in Afghanistan über familiäre Anknüpfungspunkte und kann erwarten, dass er von seiner Familie bei einer Wiederansiedelung Unterstützung erhalten würde. Wenn auch in seiner Herkunftsprovinz die allgemeine Sicherheitslage als volatil zu bezeichnen ist, stünden dem BF mit Mazar-e Sharif, Herat, Charcharan und eingeschränkt auch Kabul mehrere Orte zur Verfügung, wo er sich im Rahmen einer innerstaatlichen Fluchtalternative ansiedeln könnte. Alle diese Städte verfügen über international erreichbare Flughäfen.

Der Beschwerdeführer hat in der Vergangenheit in Österreich mehrfach ehrenamtlich und gemeinnützig gearbeitet. Er befindet sich in einem legalen Ausbildungsverhältnis und absolviert eine Lehre als Straßenerhaltungsfachmann. Er ist finanziell unabhängig und nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen. Er wohnt bei der Familie von XXXX , die ihn gleichsam als Enkelsohn betrachten und ihn als solchen behandeln bzw. auch unterstützen. Er spricht bereits ausgezeichnet Deutsch und verfügt auch über ein entsprechendes ÖSD-Zertifikat auf Niveau B1.

Er hat eine österreichische Freundin, deren Vater vor wenigen Wochen im Straßenverkehr schwer verunfallt ist, sich seither im Wachkoma befindet und falls er jemals wieder das Bewusstsein erlangen sollte, mit schwersten zerebralen Schäden zu rechnen hat. Der Beschwerdeführer begleitet seine Freundin durch diese schwere Zeit und ist ihr eine große und unentbehrliche Stütze. Sollte der Beschwerdeführer Österreich verlassen müssen, wäre unklar, wie sich dieser Verlust auf die Psyche der jungen Frau auswirken würde. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Verlust des Freundes - nach dem Verlust des Vaters als primäre männliche Ansprechperson - dazu führen würde, dass die Freundin des Beschwerdeführers in eine besorgniserregende Situation geraten würde und allenfalls auch mit gravierenden Folgen für diese junge Frau zu rechnen wäre.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 31.01.2019):

Politische Lage:

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.02.2015). Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.09.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.09.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.02.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Am 28.02.2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.03.2018; vgl. TS 28.02.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 07.03.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.04.2018; vgl. Tolonews 11.04.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.03.2018; vgl. TD 07.03.2018, NZZ 28.02.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.04.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen.

Am 07.06.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.06.2018 - 20.06.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 04.06.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 07.06.2018; vgl. Reuters 07.06.2018, RFL/RL 05.06.2018). Durch dieses Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 05.06.2018). Die Taliban selbst gingen am 09.06.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.06.2018; vgl. TH 10.06.2018, Tolonews 09.06.2018).

Am Samstag dem 26.01.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.01.2019; vgl. NYT 28.01.2019, CNN 27.01.2019, Tolonews 28.01.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.01.2019; vgl. DP 28.01.2019, FP 29.01.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.01.2019; vgl. DP 28.01.2019). Wann die nächste Friedensgesprächsrunde stattfinden wird, ist noch nicht geklärt. Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.01.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.01.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.01.2019; vgl. DP 28.01.2019, IM 28.01.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.01.2019; vgl. WP 30.01.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.01.2019; vgl. FP 29.01.2019).

Sicherheitslage in Afghanistan:

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.08.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 07.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.01.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 07.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.01.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 07.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 01.01.2018 und 30.09.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 07.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.01.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 07.12.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (01.01.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.

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(BFA Staatendokumentation 20.02.2019)

In der folgenden Grafik der Staatendokumentation wird das Verhältnis zwischen den vier Quartalen des Jahres 2018 anhand der registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle für den Zeitraum 01.01.2018 - 31.12.2018 veranschaulicht.

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(BFA Staatendokumentation 20.02.2019)

Zivile Opfer:

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (01.01.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.02.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.02.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben; 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.02.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.02.2019).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele:

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.02.2018, NZZ 21.03.2018, UNGASC 27.02.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.03.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 01.06. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.02.2018; vgl. Slate 22.04.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.03.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.03.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.01.2018; vgl. BBC 29.01.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.01.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.01.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.05.2018; AD 20.05.2018). Zählt man nur die getöteten Zivilisten, sind die regierungstreuen Truppen im 1. Quartal sogar für mehr Opfer verantwortlich als die Aufständischen: Die afghanischen Sicherheitskräfte, ihre internationalen Unterstützer und regierungstreue Milizen töteten 305 unbeteiligte Bürger, die Taliban, die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) und andere regierungsfeindliche Kräfte 227. Mehr Tote gab es vor allem durch Luftangriffe und bei Suchoperationen.

49 Zivilisten kamen im Kreuzfeuer und bei anderen Vorfällen um. Sie wurden in der Statistik keiner Seite zugezählt. Insgesamt starben damit dem Bericht zufolge von Januar bis Ende März 581 Zivilisten in dem Konflikt und 1192 wurden verletzt. Unter den Toten waren 150 Kinder.

Die Einsätze der afghanischen Regierungstruppen und ihrer Verbündeten haben insgesamt zu einem Anstieg der zivilen Opfer geführt. Während die Gesamtzahl der verletzten oder getöteten Zivilisten in den ersten drei Monaten 2019 um 23 Prozent auf 1773 Personen sank, stieg die Zahl der Opfer der Einsätze regierungstreuer Truppen um 39 Prozent auf 608 (305 Tote, 303 Verletzte). Das geht aus einem Bericht der Uno-Mission in Afghanistan hervor.

Einschließlich der Verletzten gingen die meisten zivilen Opfer weiterhin auf das Konto der regierungsfeindlichen Kräfte. Ihre Gesamtzahl sank jedoch in Jahresfrist um 36 Prozent auf 963 (227 Tote und 736 Verletzte). Weniger Opfer gab es vor allem infolge von Selbstmordattentaten.

Im ersten Quartal 2019 wurden vier Angriffe mit Selbstmordattentätern dokumentiert; ein Jahr zuvor waren es noch 19 gewesen. Dazu könne der harte Winter beigetragen haben, heißt es. Unklar sei, ob auch die Gespräche der Taliban mit den USA zur Lösung des Konflikts damit in Zusammenhang stünden.

Zur Veranschaulichung öffentlichkeitswirkamer werden hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben (Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 09.05.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 09.05.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 09.05.2018; vgl. Tolonews 09.05.2018).

* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.05.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.05.2018; vgl. Tolonews 13.05.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.05.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.05.2018).

* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.05.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.05.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.05.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.05.2018; vgl. Gandhara 30.05.2018)

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.06.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.06.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.06.2018; Gandhara 11.06.2018).

* Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 01.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefägnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 01.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 01.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

* Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

* Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

* Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

* Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.01.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.01.2019; vgl. IM 22.01.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.-amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.01.2019; vgl. NYT 21.01.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.01.2019; vgl. IM 22.01.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Katar (NYT 21.01.2019; vgl. IM 22.01.2019, Tolonews 21.01.2019).

* Am Vortag, dem 20.01.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.01.2019; vgl. IM 22.01.2019).

* Des Weiteren detonierte am 14.01.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.01.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.01.2019; vgl. Reuters 15.01.2019, RFE/RL 14.01.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.01.2019; vgl. Reuters 15.01.2019).

* Am 08.05.2019 haben Taliban-Kämpfer in der afghanischen Hauptstadt Kabul die Einrichtung der internationalen NGO Counterpart International angegriffen. Das teilte das afghanische Innenministerium am Mittwoch mit. Counterpart International mit Hauptsitz in Arlington in Virginia arbeitet in verschiedenen Projekten mit der US-Entwicklungsbehörde USAID zusammen. Laut einem Sprecher des afghanischen Gesundheitsministeriums wurden zunächst neun Verletzte in verschiedene Krankenhäuser Kabuls gebracht.

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich, wenn u.a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen. In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:

Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilisten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 01.01.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

Zivile Opfer

Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).

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(UNAMA 10.10.2018)

Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:

davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamic State Khorasan Province (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).

Regierungsfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).

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(UNAMA 10.10.2018)

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.08.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.03.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.03.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Taliban:

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.04.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.04.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurden. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führ

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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