TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/13 W273 2162350-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.06.2019
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Entscheidungsdatum

13.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W273 2162350-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabel FUNK-LEISCH als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX ,

StA. AFGHANISTAN, vertreten durch: RA Dr. Mario Anton ZÜGER, gegen den Bescheid des BFA, RD Wien, Außenstelle Wien, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Am XXXX stellte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag auf internationalen Schutz nach der Asylgesetznovelle.

2. Am XXXX fand eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "Bundesamt" oder "BFA") zu seinen Fluchtgründen statt.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX (im Folgenden "Bescheid vom XXXX ") wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom XXXX hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum XXXX erteilt (Spruchpunkt III.). Hinsichtlich der Spruchpunkte II. und III. führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass dem Beschwerdeführer mangels Bestehen eines sozialen Netzwerkes in Afghanistan die reale Gefahr einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen des internationalen oder innerstaatlichen Konflikts drohen würde und dass eine Abschiebung in sein Herkunftsland eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde. Der Bescheid vom XXXX erwuchs hinsichtlich aller Spruchpunkte in Rechtskraft.

4. Am XXXX stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung. Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum XXXX .

5. Mit Urteil vom XXXX des Landesgerichtes XXXX zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 und 2 SMG, sowie des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgift nach § 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von XXXX Jahren, davon XXXX Jahre bedingt, sowie zu einer Probezeit von XXXX Jahren verurteilt.

6. Am XXXX leitete die belangte Behörde ein Aberkennungsverfahren gegen den Beschwerdeführer ein. Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX (im Folgenden "der angefochtene Bescheid") wurde dem Beschwerdeführer der mit Bescheid vom XXXX zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Die mit Bescheid vom XXXX erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides). Die belangte Behörde erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides). Die belangte Behörde erließ gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides).

7. In seiner fristgerecht erhobenen Beschwerde vom XXXX führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass die belangte Behörde das Recht auf Parteiengehör verletzt habe, weil keine Einvernahme des Beschwerdeführers stattgefunden habe und eine individuelle Prognose hinsichtlich der etwaigen Gemeingefährlichkeit sowie eine Interessenabwägung zwischen öffentlichen Interessen und den Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich unterblieben sei. Zudem seien die von der belangten Behörde herangezogenen Länderfeststellungen veraltet gewesen.

8. Mit Beschwerdeergänzung vom XXXX erstattete der Beschwerdeführer umfangreiche Rechtsausführungen und legte Unterlagen zu seiner aktuellen Beschäftigungssituation vor.

9. Das Bundeverwaltungsgericht führte am XXXX eine mündliche Verhandlung im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, in den Gerichtsakt, in das Strafregister sowie durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

1.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer befindet sich seit XXXX in Österreich. Er führt den Namen XXXX und wurde am XXXX in Afghanistan in der Provinz Parwan geboren.

Der Beschwerdeführer spricht Paschtu als Muttersprache. Der Beschwerdeführer ist gesund.

Die Mutter des Beschwerdeführers lebt noch in seiner Herkunftsprovinz, der Beschwerdeführer hat aber seit seinem Haftantritt keinen Kontakt mehr mit ihr. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer keinen Kontakt zu Verwandten oder anderen Personen in Afghanistan.

Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Diese Aufenthaltsberechtigung wurde einmal bis XXXX verlängert.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen § 28a Abs. 1 5. Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, § 28 Abs. 1 und 2 SMG und § 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von XXXX Jahren verurteilt. Ein Strafteil von XXXX Jahren wurden unter Bestimmung einer Probezeit von XXXX Jahren bedingt nachgesehen.

1.2. Feststellungen zur aktuellen Situation in Afghanistan

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten.

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (LIB) vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 26.03.2019 - Folgenden "LIB 26.03.2019", S. 16).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (LIB 26.03.2019, S. 17).

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED. Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017) (LIB 26.03.2019, S. 20).

Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an:

Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u. a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für

1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opferwurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (LIB 26.03.2019, S. 20).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten. Ungefähr 24% der zivilen Opfer, werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen (LIB 26.03.2019, S. 21).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben. Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (LIB 26.03.2019, S. 63).

In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren. Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert; auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen. Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant. Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (LIB 26.03.2019, S. 63).

Im ersten Quartal 2019 fanden Anschläge in Kabul mit zahlreichen Todesopfern statt (LIB 26.03.2019, S. 12, 25, 27). Im ersten Quartal 2019 fanden Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban statt (LIB 26.03.2019, S. 13, 23).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

Das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (LIB 26.03.2019, S. 72).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, dies trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen. Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren. Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde (LIB 26.03.2019, S. 72).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht. Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren. Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (LIB 26.03.2019, S. 73).

Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (LIB 26.03.2019, S. 73).

Zur Sicherheitslage in der Provinz Parwan:

Parwan gehört zu den volatilen Provinzen Afghanistans, in der Talibanaufständische in einigen abgelegenen Distrikten aktiv sind. Aus unruhigen Distrikten in der Provinz Parwan wird von Straßenbomben, Selbstmordangriffen, gezielten Tötungen und anderen terroristischen Angriffen berichtet. Deshalb werden Anti-Terrorismus Operationen durchgeführt, um die Aufständischen zu verdrängen. Talibanaufständische führen in einigen Teilen der Provinz Angriffe auf die Sicherheitskräfte aus (LIB 26.03.2019, Seite 208).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 77 zivile Opfer (20 getötete Zivilisten und 57 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Blindgänger/Landminen, gefolgt von gezielten Tötungen und Bodenoffensiven. Dies bedeutet einen Rückgang von 31% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

Militärische Operationen in Parwan

Militärische Operationen werden in der Provinz durchgeführt; dabei werden Talibankämpfer getötet und Waffen gefunden. Auch werden Luftangriffe durchgeführt. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Taliban finden statt Talibanaufständische sind in abgelegenen Distrikten der Provinz Parwan aktiv (LIB 26.03.2019, Seite 209).

Zur Provinz Balkh und der Hauptstadt Mazar-e Sharif:

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan. Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan] und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 26.03.2019, S. 103). Die Infrastruktur ist noch unzureichend, da viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, in schlechtem Zustand und in den Wintermonaten unpassierbar sind (LIB 26.03.2019, S. 103). Mazar-e Sharif ist jedoch grundsätzlich auf dem Straßenweg mittels Bus erreichbar, eine Fahrt kostet zwischen 400 und 1.000 Afghani (LIB 26.03.2019, S. 258).

In Mazar-e Sharif gibt es zudem einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt über den Luftweg von Kabul sicher zu erreichen ist (LIB 26.03.2019, S. 103 und 258). Der Flughafen befindet sich 9 km östlich der Stadt (EASO-Leitlinien 2018, S. 102), die Verbindungsroute in die Stadt ist bei Tageslicht jedenfalls sicher (EASO-Leitlinien 2018, S. 29).

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften ((LIB 26.03.2019, S. 103). Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 26.03.2019, S. 103f). Im Herbst 2018 wurde im Norden Afghanistans - darunter u.a. in der Provinz Balkh - eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden registriert; Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan (LIB 26.03.2019, S. 16).

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen. Dabei werden Taliban getötet und manchmal auch ihre Anführer (LIB 26.03.2019, S. 104).

Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben. Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen. Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachte Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (LIB 26.03.2019, S.105).

Versorgung mit Nahrungsmitteln und Auswirkungen von Dürre und Überflutungen in Mazar- e Sharif:

Die Versorgung mit Lebensmitteln erweist sich - wie im Rest von Afghanistan - als grundsätzlich gegeben (EASO-Leitlinien 2018, Seite 104), ist aber den Einflüssen von Wetterextremen wie der im Jahr 2018 herrschenden Dürre (UNHCR RL 2018, Seite 35) ausgesetzt.

Aufgrund der Dürre wird die Getreideernte geringer ausfallen, als in den vergangenen Jahren. Da die Getreideernte in Pakistan und im Iran gut ausfallen wird, kann ein Defizit in Afghanistan ausgeglichen werden. Die Preise für Getreide waren im Mai 2018 verglichen zum Vormonat in den meisten großen Städten unverändert und lagen sowohl in -Stadt als auch in Mazar-e Sharif etwas unter dem Durchschnitt der Jahre 2013-2017 (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan: Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif auf Grund anhaltender Dürre, 13.9.2018, im Folgenden "ABSD Dürre", S. 3). Das Angebot an Weizenmehl ist relativ stabil (Anfragebeantwortung von ACCORD zu Afghanistan, Folge von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vom 12.10.2018 - im Folgenden "Accord Dürre", S. 8). Aufgrund der Dürre wurde bisher kein nationaler Notstand ausgerufen (ABSD Dürre, S. 11).

Für die Landflucht spielen die Sicherheitslage und die fehlende Beschäftigung eine Rolle. Durch die Dürre wird die Situation verstärkt, sodass viele Haushalte sich in städtischen Gebieten ansiedeln. Diese Personen - Vertriebene, Rückkehrer und Flüchtlinge - siedeln sich in informellen Siedlungen an (Accord Dürre, S. 2, S. 5). Dort ist die größte Sorge der Vertriebenen die Verfügbarkeit von Lebensmitteln, diese sind jedoch mit der Menge und der Regelmäßigkeit des Trinkwassers in den informellen Siedlungen und den erhaltenen Hygienesets zufrieden. Viele Familien, die Bargeld für Lebensmittel erhalten, gaben das Geld jedoch für Schulden, für Gesundheitsleistungen und für Material für provisorische Unterkünfte aus. Vielen Familien der Binnenvertriebenen gehen die Nahrungsmittel aus bzw. können sich diese nur Brot und Tee leisten (Accord Dürre, S. 6). Arme Haushalte, die von einer wassergespeisten Weizenproduktion abhängig sind, werden bis zur Frühjahrsernte sowie im nächsten Jahr Schwierigkeiten haben, den Konsumbedarf zu decken (Accord Dürre, S. 11). Es werden, um die Folgen der Dürre entgegen zu treten, nationale und internationale Hilfsmaßnahmen für die Betroffenen gesetzt (Accord Dürre, S. 17ff).

Die Abnahme der landwirtschaftlichen Arbeitsmöglichkeiten zusammen mit der steigenden Migration sowie der hohen Anzahl an Rückkehrerin und Binnenvertriebenen führt zu einer Senkung der Löhne für Gelegenheitsarbeit in Afghanistan und zu einer angespannten Wohnraum- und Arbeitsmarktlage in urbanen Gebieten (Accord Dürre, S. 15f).

Von Mai bis Mitte August 2018 sind ca. 12.000 Familie aufgrund der Dürre aus den Provinzen Badghis und Ghor geflohen um sich in der Stadt Herat anzusiedeln. Diese leben am westlichen Stadtrand von Herat in behelfsmäßigen Zelten, sodass am Rand der Stadt Herat die Auswirkungen der Dürre am deutlichsten sind (ABSD Dürre, S. 5f). Mittlerweile sind 60.000 Personen nach Herat geflohen (Accord Dürre, S. 5). Es ist besonders die ländliche Bevölkerung, insbesondere in der Provinz Herat, betroffen (Accord Dürre, S. 7). Personen die von der Dürre fliehen, siedeln sich in Herat-Stadt, in Qala-e-Naw sowie in Chaghcharan an, dort wurden unter anderem Zelte, Wasser, Nahrungsmittel sowie Geld verteilt (ABSD Dürre, S. 10).

Während das Lohnniveau in Mazar-e Sharif weiterhin über dem Fünfjahresdurchschnitt liegt, liegt dieses in Herat-Stadt 17% unter dem Fünfjahresdurchschnitt (ABSD Dürre, S. 8). Es gibt keine signifikante dürrebedingte Vertreibung bzw. Zwangsmigration nach Mazar-e Sharif- Stadt (Accord Dürre, S. 3; ABSD Dürre, S. 1 und 3). Im Umland der Stadt Mazar-e Sharif kommt es zu Wasserknappheit und unzureichender Wasserversorgung (ABSD Dürre, S. 1).

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (LIB 26.03.2019, S. 12).

Paschtunen:

Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari. Die Pashtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments - jedoch nicht mehr als 50% der Gesamtsitze. Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (LIB 26.03.2019, S. 315)

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (LIB 26.03.2019, S. 316).

Medizinische Versorgung:

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Es gibt keine staatliche Unterstützung für den Erwerb von Medikamenten. Die Kosten dafür müssen von den Patienten getragen werden; privat versicherten Patienten können die Medikamentenkosten zurückerstattet werden. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 26.03.2019, S. 357 ff).

Medizinische Versorgung wird in Afghanistan auf drei Ebenen gewährleistet: Gesundheitsposten und Gesundheitsarbeiter bieten ihre Dienste auf Gemeinde- oder Dorfebene an; Grundversorgungszentren, allgemeine Gesundheitszentren und Bezirkskrankenhäuser operieren in den größeren Dörfern und Gemeinschaften der Distrikte. Die dritte Ebene der medizinischen Versorgung wird von Provinz- und Regionalkrankenhäusern getragen. In urbanen Gegenden bieten städtische Kliniken, Krankenhäuser und Sonderkrankenanstalten die Dienstleistungen der Gesundheitsposten und Gesundheitsarbeiter an. 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan wird von nationalen und internationalen NGOs zur Verfügung gestellt. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (LIB 26.03.2019, S. 359).

Theoretisch ist die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern kostenlos; dennoch ist eine Bestechung der Ärzte und Krankenschwestern üblich. Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren (LIB 26.03.2019, S. 360 f.).

Wirtschaft:

Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Dennoch ist das Land weiterhin arm und von Hilfeleistungen abhängig (LIB 26.03.2019, S. 353).

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 26.03.2019, S. 353). Mehr als 60% der afghanischen Arbeitskräfte arbeiten im Landwirtschaftssektor, dieser stagniert. Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. 55% der afghanischen Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans ist nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 26.03.2019, S. 353 ff, UNHCR RL 2018, Seite 19 und 20).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Bericht Afghanistan Netzwerke vom Januar 2018, Seite 29-31)

In Kabul und in großen Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden (EASO Bericht Afghanistan Netzwerke vom Januar 2018, Seite 29-31).

Rückkehrer:

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus dem Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kehrten mit Stand

21.3. 1.052 Personen aus den an Afghanistan angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (LIB 26.03.2019, S. 366).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 26.03.2019, S. 368 f.)

Die Organisationen IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 26.03.2019, S. 369 f.). Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft. Seit 2016 erhalten Rückkehr/innen Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (LIB 26.03.2019, S. 370). UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend und begleitet die Ankunft (LIB 26.03.2019, S. 369).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 26.03.2019, S. 371).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 26.03.2019, S. 371).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 26.03.2019, S. 371).

1.3. Keine wesentliche und nachhaltige Veränderung der relevanten Umstände

Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers und der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, insbesondere in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat konnte nicht festgestellt werden, dass sich die Umstände, die zur Gewährung subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom XXXX bzw. nach der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX , wesentlich und nachhaltig verändert haben.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Muttersprache und zu seinem Gesundheitszustand ergeben sich aus seinen dahingehenden übereinstimmenden Angaben im BFA-Akt und in der mündlichen Verhandlung (OZ 11, Seite 6 bis 7, S. 11). Dass die Mutter des Beschwerdeführers in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers lebt, der Beschwerdeführer aber weder zu ihr noch zu anderen Personen Kontakt hat, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, sowie in der Einvernahme vor dem Bundesamt (BFA-Akt, Seite 77; OZ 11, S. 7). Das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Anlass, an den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Strafregister sowie aus dem im Akt aufliegenden Urteil des Landesgerichtes für XXXX vom XXXX .

2.2. Die Feststellung, dass sich die Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers, Parwan, nicht wesentlich und nachhaltig verändert hat, ergibt sich aus einem Vergleich der vom BFA im Bescheid vom XXXX herangezogenen Länderberichte (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 19.11.2014, letzte Kurzinformation eingefügt am 29.09.2015, im Folgenden: "LIB 2015") und der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderinformationen (AS 463 bis 490; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 21.01.2016; im Folgenden: "LIB 2016" sowie Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 25.09.2017; im Folgenden: "LIB 2017") sowie der Einsichtnahme in das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Fassung vom 26.03.2019, welches dem Beschwerdeführer am Ende der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht wurde (OZ 11, Seite 13; im Folgenden: "LIB 2019"). Dies gilt auch für die generelle Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, soweit diese dem Bescheid vom XXXX zugrunde gelegt wurde. Eine wesentliche nachhaltige Veränderung der dem Bescheid vom XXXX und der Gewährung des subsidiären Schutzes zugrunde gelegten Umstände in Bezug auf Afghanistan ist aus einem Vergleich der Informationen zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom XXXX und zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides und zum Entscheidungszeitpunkt nicht erkennbar:

2.2.1. Vergleich bezüglich der Sicherheitslage in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers

Im LIB 2015, welches vom Bescheid vom XXXX bezüglich der Sicherheitslage in Parwan zugrunde gelegt wurde, wird bezüglich der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers festgehalten: "Parwan zählt zu den relativ friedlichen Provinzen Afghanistans. Jedoch sind regierungsfeindliche bewaffnete Aufständische in manchen Distrikten aktiv (Khaama Press 22.4.2014; vgl. RAWA 22.4.2014). Im Vergleich zum Rest des Landes, genießen die nordöstlichen Provinzen Kapisa und Parwan relativen Frieden und Sicherheit. Die Taliban haben hier keine starke Präsenz (RFERL 3.4.2014). Eine neue Organisation "Parwan Social Stability Council" wurde zusammen mit Prominenten, Älteren, Jihadisten und Intellektuellen der Provinz Parwan gegründet, woran sich mehr als 4.000 Menschen beteiligten. Neben der Forderung nach mehr wirtschaftlicher Entwicklung in der Provinz Parwan, wurden auch eine stabile Sicherheitslage, die Aufrechterhaltung des Friedens, das Stärken der Einheit und die Teilnahme an den kommenden Wahlen genannt (Bakhtar News 26.2.2014). Im Jahresvergleich 2011 und 2013, ist die Zahl regierungsfeindlicher Angriffe in der Provinz Parwan im Vergleich zum Jahr 2011 um 6% gestiegen. Im Jahr 2013 wurden 117 Vorfälle registriert (Vertrauliche Quelle 1.2014)." (LIB 2015, S. 51-52)

Im angefochtenen Bescheid stellt das Bundesamt zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan die Informationen aus dem LIB 2016 fest, in Bezug auf die Herkunftsprovinz verwendet die Behörde jedoch die Länderinformationen aus dem LIB 2017: "Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Parwan 140 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016). Das Bagram Airfield liegt in der Provinz Parwan (VoA 1.2.2017; vgl. auch: LWJ 12.11.2016). Als eine der sichersten Einrichtungen in Afghanistan ist dieser Flughafen Ziel von high-profile Angriffen durch Taliban und andere Aufständische (LWJ 12.11.2016; vgl. auch: Pajhwok 26.10.2016). Aktiv sind die Taliban unter anderem in dem abgelegenen Dorf Dara Saidan in der Provinz (Tolonews 10.12.2016). Militärische Operationen werden in der Provinz durchgeführt (Khaama Press 12.12.2016; Khaama Press 24.4.2016). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Taliban finden statt (Tolonews 3.1.2017; Pajhwok 29.10.2016). Die Polizei hat in der Vergangenheit große Drogenmengen auf der Route der nördlichen Regionen beschlagnahmt. Etwa 100 Personen wurden in Zusammenhang mit Drogenschmuggel im Norden verhaftet (Pajhwok 6.10.2016)." (LIB 2017, S. 98-99).

Im aktuellen LIB 2019 heißt es zur Sicherheitslage in der Provinz Parwan: "Parwan gehört zu den volatilen Provinzen Afghanistans, in der Talibanaufständische in einigen abgelegenen Distrikten aktiv sind. Aus unruhigen Distrikten in der Provinz Parwan wird von Straßenbomben, Selbstmordangriffen, gezielten Tötungen und anderen terroristischen Angriffen berichtet. Deshalb werden Anti-Terrorismus Operationen durchgeführt, um die Aufständischen zu verdrängen. Talibanaufständische führen in einigen Teilen der Provinz Angriffe auf die Sicherheitskräfte aus (LIB 26.03.2019, Seite 208). Im gesamten Jahr 2017 wurden 77 zivile Opfer (20 getötete Zivilisten und 57 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Blindgänger/Landminen, gefolgt von gezielten Tötungen und Bodenoffensiven. Dies bedeutet einen Rückgang von 31% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016." (LIB 2019, S. 208).

Die Feststellung, der Sachverhalt, der zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt habe, liege nicht mehr vor, kann aufgrund eines Vergleiches der Länderberichte - wie oben dargelegt - nicht getroffen werden. Aus diesen ist viel mehr ersichtlich, dass die Herkunftsprovinz sich bezüglich der Sicherheitslage seit 2015 verschlechtert hat und als volatil einzuschätzen ist. Jedenfalls kann aufgrund dieser Berichte nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass sich die Versorgungslage wesentlich und nachhaltig geändert hat, und die belangte Behörde hat eine wesentliche Verbesserung in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers auch sonst nicht näher begründet oder nachgewiesen. Diese ergibt sich auch nicht unter Heranziehung der im Entscheidungszeitpunkt relevanten Länderberichte.

2.2.2. Vergleich bezüglich der Sicherheitslage in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat

Festzuhalten ist, dass die belangte Behörde im Bescheid vom XXXX nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgeht und eine solche auch nicht im Detail prüft (AS 215-216). Im Gegensatz dazu geht das Bundesamt im Bescheid vom XXXX (AS 496-497) gestützt auf das "vom Bundesverwaltungsgericht in Auftrag gegebene Gutachten vom 05.03.2017" (Anmerkung des Bundesverwaltungsgerichtes: dabei handelt es sich um das Gutachten des Mag XXXX zu GZ: BVwG-160.000/0001-Kammer A/2017; Gutachten Mag. XXXX , Aktualisierung des Gutachtens vom 05.03.2017 - im Folgenden " XXXX Gutachten") von einer Rückkehrkehrmöglichkeit in die Städte Kabul, Mazar-e Sharif, Kabul und Herat aus.

Das Bundesamt geht aber im angefochtenen Bescheid auf die in dem XXXX Gutachten getroffenen Erhebungen zur Lage in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif nicht ein, sondern stellt lediglich fest, dass es keine Gründe gäbe, welche die Rückkehr einer männlichen Einzelperson in diese Städte unmöglich machen würden (AS 496). Der Integrationserfolg eines Rückkehrers würde ausschließlich vom Willen des Rückkehrers abhängen (AS 497). Dabei handelt es sich nicht um den Beleg einer maßgeblichen Veränderung der Umstände, die zur Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, sondern um eine vom Bundesamt vorgenommene andere rechtliche Würdigung eines im wesentlichen unveränderten Sachverhaltes. Der Verweis auf das XXXX Gutachten im angefochtenen Bescheid ist somit nicht geeignet, eine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in den Städten Kabul, Herat oder Mazar- e Sharif zu belegen.

Bezüglich der Sicherheitslage in Kabul ist dem LIB 2015 zu entnehmen: "Kabul bleibt auch weiterhin eine Festung, die, abgesehen von einem totalen Kollaps der ANSF, sehr wahrscheinlich den Taliban standhält, denen es an finanziellen Mitteln fehlt, um die Hauptstadt einzunehmen (WP 20.10.2014). Die Angriffe werden unter anderem durch Raketenangriffe (Tolo 16.7.2014; vgl. Khaama Press 24.10.2014), Selbstmordattentate (Reuters 2.10.2014), Autobomben, VBIED (Khaama Press 9.10.2014) und unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtungen - IED durchgeführt (Khaama 20.9.2014; vgl. UNAMA 7.2014).

Laut dem Bericht der dänischen COI-Einheit, haben die afghanische Nationalarmee (ANA) und die afghanische Nationalpolizei (ANP) eine relativ gute Kontrolle über Kabul. Kabul hat sich verändert, speziell im letzten Jahr hat es einen ziemlich umfangreichen Sicherheitsapparat aufgebaut. Der Sicherheitsapparat kontrolliert einen Radius von 20 km um die Stadt herum. Kabul wird dominiert von einer Präsenz nationaler und internationaler Sicherheitskräfte (Landinfo 9.1.2014). Es gibt keine offiziellen Zahlen ziviler Opfer in der Stadt Kabul. Die einzigen Zahlen werden von UN OCHA generiert. Diese geben für den Zeitraum 9.2013 - 8.2014 an, dass in der Provinz Kabul 108 Zivilisten getötet und 275 verletzt wurden (UN OCHA 10.2014). Im Jahresvergleich 2011 und 2013 stieg die Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe um 12%. 2013 wurden 130 Vorfälle registriert (Vertrauliche Quelle 1.2014)." (LIB 2015, S. 46)."

Zu Mazar-e Sharif wird im LIB 2015 festgestellt: "Die Provinz Balkh zählt zu den relativ friedlichen Provinzen im Norden Afghanistans. Jedoch erhöhten regierungsfeindliche bewaffnete Gruppen in einer Anzahl von Bezirken ihre Aktivitäten gegen afghanische Sicherheitskräfte und Beamte (Khaama Press 5.9.2014; vgl. Khaama Press 13.7.2014). Die Stadt Mazar-e Sharif wird als eher ruhig bezeichnet. Ein weiterer Indikator dafür ist die Funktion der Stadt als eine Art "Vorzeigeprojekt" für wichtige ausländische Gäste (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014)." (LIB 2015, S. 85)

Bezüglich Herat ist dem LIB 2015 bezüglich der dortigen Sicherheitslage zu entnehmen: "Ende 2011 übernahmen die nationalen afghanischen Sicherheitskräfte (ANSF) die Hauptverantwortung für die Sicherheit der Provinz Herat und haben stufenweise den Rest der westlichen Region übernommen. Die Provinz Herat blieb auch aufgrund der relativen Stabilität der Provinzregierung während der Transitionsperiode sicher. Auch nach der Übergabe an die afghanischen Kräfte gab es keine große Veränderung (WPR 15.1.2014).

Die Einschätzung der Sicherheitslage in Herat stellt sich als schwierig dar, denn dieselbe Quelle gibt in einem Zeitraum von einem Monat, unterschiedliche Informationen an. Einerseits, wird die Provinz Herat im Oktober 2014 zu den relativ friedlichen Provinzen im Westen Afghanistans gezählt, in der jedoch in letzter Zeit regierungsfeindliche bewaffnete Rebellengruppen ihre Aktivitäten in einer Anzahl von Distrikten erhöht haben (Khaama Press 11.10.2014). Andererseits wird im September 2014 berichtet, dass Herat zu den relativ volatilen Provinzen im Westen Afghanistans zählt, in der regierungsfeindliche bewaffnete Rebellengruppen in einer Anzahl von abgelegenen Bezirken aktiv sind (Khaama Press 2.9.2014a)." (LIB 2015, S. 100-101).

Aus den von der belangten Behörde bezüglich der generellen Sicherheitslage in Afghanistan herangezogenem LIB 2016 ergibt sich unter anderem: "Die Sicherheitsumgebung in Kabul ist momentan extrem herausfordernd, Koordinierte Angriffe auf Regierungsgebäude und auf ausländische Organisationen, ist auf einem Niveau, wie zuletzt im November 2014 beobachtet wurde. Die allgemeine Gewalt, Selbstmordattentate, Autobomben und magnetisch angebrachte IEDs (improvised explosive devices) befinden sich im Großen und Ganzen auf dem Niveau von 2014. Dieses Gewaltniveau wird scheinbar von einer größeren Strategie extremistischer Gruppen vorangetrieben (EI o. D.). Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Innerhalb Kabuls gibt es verschiedene Viertel mit unterschiedlichen Sicherheitslagen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014)." (LIB 2016, S. 20-21)

"Die Stadt Mazar-e Sharif ist eine Art "Vorzeigeprojekt" Afghanistans für wichtige ausländische Gäste (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014). Balkh ist, in Bezug auf Angriffe der Taliban, zentralasiatischer Aufständischer oder IS-Kämpfer, die sicherste Provinz in Nordafghanistan." (LIB 2016, S. 76)

"Ende 2011 übernahmen die nationalen afghanischen Sicherheitskräfte (ANSF) die Hauptverantwortung für die Sicherheit der Provinz Herat und haben stufenweise den Rest der westlichen Region übernommen. Die Provinz Herat blieb auch aufgrund der relativen Stabilität der Provinzregierung während der Transitionsperiode sicher. Auch nach der Übergabe an die afghanischen Kräfte gab es keine große Veränderung (WPR 15.1.2014)." (LIB 2016, S. 101)

Die zitierten Länderberichte lassen nicht auf eine maßgebliche Veränderung bzw. Verbesserung der Sicherheits- und Versorgungslage in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat schließen. Bezüglich Kabul wird eine Verschlechterung der Sicherheitslage zwischen dem LIB 2015 und LIB 2016 ersichtlich. Die Länderinformationen zu Mazar-e Sharif und Herat bleiben zum Großteil gleichlautend.

Im Vergleich dazu ist den aktuellen Länderberichte (LIB 2019) in Bezug auf Kabul, eine Verschlechterung der Sicherheitslage zu entnehmen: "Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED. [...] In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. [...] Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant. Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (LIB 26.03.2019, S. 63).

Im ersten Quartal 2019 fanden Anschläge in Kabul mit zahlreichen Todesopfern statt (LIB 26.03.2019, S. 12, 25, 27). Im ersten Quartal 2019 fanden Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban statt (LIB 26.03.2019, S. 13, 23)."

Wenn das BFA im angefochtenen Bescheid davon ausgeht, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat für den Beschwerdeführer möglich sei, ist aus den Länderfeststellungen ersichtlich, dass die Prognose einer Verbesserung der Sicherheitslage bezüglich Kabul noch nicht das notwendige Ausmaß an Nachhaltigkeit erreicht hat, die für eine Veränderung der Lage gegeben sein muss. Bezüglich Mazar-e Sharif und Herat ergibt sich aus dem Vergleich der Länderberichte keine maßgebliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage im Zeitpunkt der Zuerkennung. Soweit das BFA im angefochtenen Bescheid wiederholt darauf hinweist, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan als Rückkehrer in der Lage wäre, sich selbst zu erhalten, da er jung, gesund und ledig sei, so ist darauf zu verweisen, dass die Behörde auch damit keine Änderung jener Voraussetzungen darlegt, unter denen dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Bereits im Bescheid vom XXXX über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stellte das Bundesamt fest, dass der Beschwerdeführer an keiner lebensbedrohlichen Krankheit leide, er keine Medikamente nehme, ledig und arbeitsfähig sei (S. 10 und 52 des Bescheides vom XXXX ). Trotz dieses Gesundheitszustandes, seines Alters und seiner Arbeitsfähigkeit wurde dem Beschwerdeführer vor dem Hintergrund des fehlenden sozialen Netzes in Afghanistan und der aktuell instabilen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan subsidiärer Schutz gewährt. Indem die belangte Behörde eine abweichende Beweiswürdigung dieser Feststellungen vornimmt, versucht sie vielmehr die Rechtskraft der Spruchpunkte II. und III. des Bescheides vom XXXX , zu durchbrechen, um eine abweichende Rechtsauffassung hinsichtlich der Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes durchzusetzen (siehe dazu unter 3.).

2.2.3. Vergleich bezüglich der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers

Soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit "in Kabul Fuß fassen" könne, weil er aufgrund des "Pashtunwali" auf ein soziales Netz zurückgreifen könne (AS 491), ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer bereits im Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigen der Volksgruppe der Paschtunen angehört hat. Eine Veränderung der Lage in diesem Punkt liegt somit nicht vor.

Bezüglich einer möglichen Unterstützung durch die Familie des Beschwerdeführers in Afghanistan werden im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen getroffen. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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