TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/13 G304 2211430-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.06.2019
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Entscheidungsdatum

13.06.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

G304 2211430-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Helmut WEIß als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 17.07.2018, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend Neufestsetzung des Grades der Behinderung und die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF. iVm. §§ 40, 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 22/1970 idF. BGBl. I Nr. 138/2013 wird die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Nach Erstbegutachtung der Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) durch eine Ärztin für Allgemeinmedizin am 11.03.2015 wurde mit Sachverständigengutachten vom 11.03.2015 ein Grad der Behinderung (im Folgenden: GdB) von 50 v.H. und die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt und festgehalten:

"Nachuntersuchung in 3 Jahren (03/2018), Begründung: Besserung der GS 1 nach eventueller erneuter Operation möglich. Bei dadurch bedingter Schmerzreduktion eventuell Besserung GS 2 ebenfalls möglich."

Darauf folgend wurde der BF ein befristeter Behindertenpass ausgestellt.

2. Die BF brachte am 14.05.2018 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf "Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass" und auf "Verlängerung des befristeten Behindertenpasses" ein.

3. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 13.07.2018 eingeholt.

In diesem Gutachten wurde nach am 02.07.2018 durchgeführter Begutachtung der BF ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. festgestellt und die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für zumutbar gehalten.

Die Gesundheitsschädigung (im Folgenden: GS) 2 "Chronisch-depressives Zustandsbild" wurde dabei wie in den beiden Vorgutachten vom 11.03.2015 und 13.07.2018 mit 30 v.H. eingeschätzt, die führende mit 40 v.H. eingeschätzte GS 1 "Chronisches Schmerzsyndrom durch Abnützungserscheinungen und Bandscheibenschäden der Hals- und Lendenwirbelsäule" durch die GS 2 aufgrund von negativer wechselseitiger Leidensbeeinflussung um 1 Stufe und durch die GS 3, 4 und 5 ("Harninkontinenz", 20 v.H.;

"Magenteilentfernung/-bypass aufgrund von Sodbrennen", 20 v.H. und "Abnützungsbedingte Veränderungen beider Schultergelenke", 20 v.H.) um eine weitere Stufe angehoben.

4. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 17.07.2018 wurde der BF mitgeteilt, "dass laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 60% festgestellt wurde" und die Voraussetzungen für folgende Zusatzeintragungen vorliegen:

* "Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor"

* "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn von Osteosynthesematerial"

Dieser Behindertenpass gründet sich auf das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten vom 13.07.2018.

5. In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde wurde vorgebracht: "(...) hiermit lege ich Beschwerde gegen die Bewertung, zur Ausstellung, des Behindertenpasses/Behindertengrades ein. Auf Grund meiner panikartigen Angstzustände ist es mir schon lange nicht möglich, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen."

6. Am 18.12.2018 langten der gegenständliche Verwaltungsakt und die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

7. Mit Schreiben des BVwG vom 12.02.2019, Zl. G304 2211430-1/2Z, wurde Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, ersucht, ein Sachverständigengutachten auf Grundlage der Einschätzungsverordnung zu erstellen und dieses "binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Verfügung" dem BVwG zu übermitteln.

Mit Schreiben des BVwG vom 12.02.2019, Zl. G304 2211430-1/2Z, wurde die BF aufgefordert, sich am 13.03.2019 um 15:30 Uhr bei Dr. XXXX zur Begutachtung einzufinden.

8. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 13.03.2019 wurde nach Begutachtung der BF am 13.03.2018 unter Berücksichtigung aktenmäßiger Befunde und des Beschwerdevorbringens ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. und die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde gleich wie im Vorgutachten vom 13.07.2018 begründet.

9. Mit Verfügung des BVwG vom 25.03.2019, Zl. G304 2211430-1/4Z, der BF zugestellt am 10.04.2019, wurde der BF das eingeholte Sachverständigengutachten vom 13.03.2019 übermittelt und ihr zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung Stellung zu nehmen.

10. Eine Stellungnahme dazu ist bis dato beim BVwG nicht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Ihr Grad der Behinderung beträgt 60 v.H.

Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung ist nicht zumutbar" liegen nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das von Amts wegen eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 13.03.2019 nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf.

Im Sachverständigengutachten vom 13.03.2019 wurden folgende von der BF angeführten "momentane Beschwerden" festgehalten:

"Aktuell habe ich Rückenschmerzen. Ich habe erst vor kurzem eine Facettenblockade im Bereich der Lendenwirbelsäule bekommen. Von Seiten der Beine habe ich keine Probleme, jedoch, wenn ich Stiegen steige und dies länger mache, habe ich einen Kraftverlust im Bereich beider Beine. Zusätzlich habe ich eine Blasenschwäche mit einer nachgewiesenen Stressinkontinenz Grad II, was mir auch ein wenig zu schaffen macht, bekommen."

Verwiesen wurde unter anderem auf einen Befund des Krankenhauses der barmherzigen Brüder (...) vom 13.03.2018, wonach bei der BF "Stressinkontinenz Grad II mit bestehender Drangkomponente" vorliege.

Es wurde im Sachverständigengutachten vom 13.03.2019 ebenso wie im Vorgutachten die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für zumutbar gehalten und in einer Stellungnahme angeführt:

"Im Rahmen des Vorgutachtens wurden sämtliche Leiden entsprechend gewürdigt. Es bestehen keine neuromotorischen Ausfallszeichen. Bezüglich der Mobilität ist diese ausreichend gegeben, was die Wegstrecke, Niveauunterschiede aber auch den sicheren Transport anlangen. Die Harninkontinenz ist mit üblichen Inkontinenzprodukten kompensierbar. Dauerfall gegeben. Einschätzung gilt ab Antragstellung."

Der Sachverständige ging demnach von einer medizinisch versorgbaren Inkontinenz und keiner der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel entgegenstehenden Funktionseinschränkung der BF aus.

Da die BF dem ihr im Rahmen des Parteiengehörs vorgehaltenen Sachverständigengutachten vom 13.03.2019 mit keiner Einwendung entgegengetreten ist, wird dieses gegenständlicher Entscheidung vollinhaltlich in freier Beweiswürdigung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

3.2. Zu Spruchteil A):

3.2.1. Die relevanten Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) idgF lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist."

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(2) Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist."

"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (...)."

Im gegenständlichen Fall kommt dem ausgestellten unbefristeten Behindertenpass der BF "Bescheidcharakater" iSv § 45 Abs. 2 BBG zu und steht dem diesem "Bescheid" zugrunde gelegten eingeholten Sachverständigengutachten vom 13.03.2019 folgend ein bereits mit Vorgutachten vom 13.07.2018 festgestellter Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. fest. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde zudem gleich wie im Vorgutachten begründet.

3.2.2. Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach

§ 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte ärztliche Gutachten von Dr. XXXX vom 13.03.2019, erfüllt den Anspruch der Schlüssigkeit im vollen Umfang. Das Gutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.

Die BF hat jedenfalls keine Einwendung gegen das ihr vorgehaltene allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 13.03.2019 erhoben.

Der Sachverständige ging nach durchgeführter Begutachtung der BF am 13.03.2019 von einer medizinisch versorgbaren Inkontinenz und keiner der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel entgegenstehenden Funktionseinschränkung der BF aus.

Die gegenständliche Beschwerde war folglich abzuweisen.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht bestrittenen Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX vom 13.03.2019, welches als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt, weshalb von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Neufestsetzung,
Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G304.2211430.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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