TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/13 G304 2210105-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.06.2019
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Entscheidungsdatum

13.06.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

G304 2210105-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Helmut WEIß als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 02.11.2018, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF. iVm. §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 22/1970 idF. BGBl. I Nr. 138/2013 wird die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 27.02.2018 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass ein.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 13.07.2018 eingeholt.

In diesem Gutachten wurde nach durchgeführter Begutachtung des BF am 09.07.2018 folgende "gutachterliche Stellungnahme" abgegeben:

"Beim Antragsteller bestehen in 1. Linie Sturzereignisse aufgrund eines Alkohol-Missbrauches (Überkonsums). Dies kann darauf zurückgeführt werden, da in den Arztbriefen des UKH ein Durchgangssyndrom festgestellt wurde. Mehrmals wurden EEG¿ s durch den Neurologen durchgeführt, diese waren unauffällig. Daher sind die Stürze in 1. Linie aufgrund der alkoholischen Applikation zurückzuführen. In der Reha im Mai 2018 wird vom letzten anamnestisch erhobenen epileptischen Anfall Oktober 2017 gesprochen. In der Anamnese heute erzählt der Antragsteller von einem epileptischen Anfall im März 2018.

Weiters wird in der Reha berichtet, dass die Wegstrecke des Patienten mehr als 500 m beträgt und dass der Patient sogar mit dem eigenen Auto anreisen konnte. Eine Verbesserung des Bewegungsumfanges, eine Erweiterung der Wegstrecke sowie das Stiegen steigen konnte in der Reha verbessert werden, auch bei der heutigen Untersuchung konnte ein guter sicherer Stand und ein zufriedenstellendes Gangbild festgestellt werden. Die Stiegen zur Ordination konnten problemlos erklommen werden. Das An- und Ausziehen gestaltete sich etwas schwierig aufgrund der Beschwerden in der rechten oberen Extremität konnte aber mit der linken Hand gut kompensiert werden. Eine ausreichende Stabilität in öffentlichen Verkehrsmitteln kann durch Fixierung mit der linken Hand erreicht werden.

Trotz der oben genannten Gesundheitsschädigungen besteht keine wesentliche Gehbehinderung des AS. Das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel ist zumutbar. Es kann einerseits eine ausreichende Wegstrecke zurückgelegt werden, andererseits ist das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport gewährleistet.

Es bestehen keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit aufgrund einer kardiopulmonalen Funktionseinschränkung.

Es bestehen keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt liegt nicht vor."

3. In einer "sofortigen Beantwortung" vom 07.09.2018 gab die Sachverständige Dr. XXXX an:

"Obwohl nach einem Oberarmbruch noch Verbesserungen der Schultergelenksfunktion zu erwarten sind, ist nicht damit zu rechnen, dass der Gesamtgrad der Behinderung durch diese Besserung maßgeblich beeinflusst wird. Vor allem ein Absinken des Gesamtgrades der Behinderung unter 50 v.H. ist bei der Vielzahl der übrigen Funktionseinschränkungen nicht zu erwarten. Eine Nachuntersuchung erscheint daher nicht sinnvoll, es ist von einem Dauerzustand auszugehen."

4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 02.11.2018 wurde der Antrag des BF vom 27.02.2018 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gem. §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990, idgF, abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten vom 13.07.2018 und die sofortige Beantwortung einer ärztlichen Sachverständigen vom 07.09.2018 als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden sei. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, auch unter der Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentlichen Transportmittels in hohem Maß erschweren würde. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen auswirke. Wie das ärztliche Begutachtungsverfahren jedoch ergeben habe, lägen die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung derzeit nicht vor.

5. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Dabei wurde auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des BF hingewiesen und um Stattgebung der Beschwerde ersucht.

6. Am 23.11.2018 langten der gegenständliche Verwaltungsakt und die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

7. Mit Schreiben des BVwG vom 28.12.2018, Zl. G304 2210105-1/2Z, wurde Dr. WXXXX, Facharzt für Neurologie, ersucht, ein Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage zu erstellen und dieses "binnen sechs Wochen ab Zustellung dieser Verfügung" dem BVwG zu übermitteln.

Mit Schreiben des BVwG vom 28.12.2018, Zl. G304 2210105-1/2Z, wurde der BF aufgefordert, sich am 25.01.2019 um 14:00 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.

8. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 25.01.2019 wurde nach Begutachtung des BF am 25.01.2019 unter Berücksichtigung aktenmäßiger Befunde und des Beschwerdevorbringens die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für zumutbar gehalten.

9. Mit Schreiben des BVwG vom 15.04.2019, Zl. G304 2210105-1/4Z, erging eine an den BF gerichtete "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme". Da der BF nicht an seiner Hauptwohnsitzadresse erreicht werden konnte, wurde das Schriftstück bei der nächstgelegenen Post-Geschäftsstelle hinterlegt und mangels Behebung binnen der Abholfrist wieder an das BVwG rückübermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF, kroatischer Staatsbürger mit aufrechtem ordentlichen Hauptwohnsitz in Österreich, ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung ist nicht zumutbar" liegen nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das von Amts wegen eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen Dr. XXXX, Facharzt für Neurologie, vom 25.01.2019 nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf.

Es wurde folgende "Stellungnahme zum Vorgutachten" abgegeben:

"Der Antragsteller beantragt einen Zusatzeintrag in den Behindertenpass.

Er gibt in der Anamneseerhebung an, dass er in (...) mit dem Bus fahren würde.

Dies setzt voraus, dass ihm kurze Wegstrecken ohne Unterbrechung, Ein- und Aussteigen ohne Probleme sowie die Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln zumutbar sind.

Die Voraussetzungen sind trotz der erhobenen Befunde und Diagnosen gegeben, somit besteht Zumutbarkeit."

Der BF, der laut Sachverständigengutachten vom 25.01.2019 keine technischen Hilfsmittel und orthopädischen Behelfe benötigt, brachte im Zuge seiner ärztlichen Begutachtung am 25.01.2019 im Verlauf der Anamneseerhebung selbst vor, an seinem Wohnort mit dem Bus zu fahren.

Dem Sachverständigen im Gutachten vom 25.01.2019 folgend ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel durch die offensichtlich mögliche Zurücklegbarkeit einer relevanten Wegstrecke, Überwindung von Niveauunterschieden und sichere Transportmöglichkeit jedenfalls zumutbar.

Da das eingeholte Sachverständigengutachten vom 25.01.2019 an der Hauptwohnsitzadresse des BF, eines kroatischen Staatsbürgers, der seit August 2016 einen Hauptwohnsitz in Österreich hat, nicht zugestellt werden konnte, sondern bei der nächstgelegenen Post-Geschäftsstelle hinterlegt und mangels Behebung innerhalb der Abholfrist wieder an das BVwG rückübermittelt wurde, gilt das Schreiben des BVwG vom 15.04.2019 mit "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" samt beigelegtes Gutachten vom 25.01.2019 mit Beginn der Abholfrist am 23.04.2019 als zugestellt.

Der BF konnte an seiner Hauptwohnsitzadresse nicht angetroffen werden. Ein vom Hauptwohnsitz des BF anderer Aufenthaltsort wurde der belangten Behörde zudem nicht bekanntgegeben, weshalb der BF aus eigenem Verschulden keine Einwendung gegen das Gutachten vom 25.01.2019 erheben konnte.

Da das Sachverständigengutachten vom 25.01.2019, in welchem das Beschwerdevorbringen des BF, an seinem Wohnort den Bus zu benützen, und die Tatsache, dass der BF keine technischen Hilfsmittel und orthopädischen Behelfe benötigt, festgehalten und die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für zumutbar gehalten wurde, unangefochten geblieben ist, wird dieses gegenständlicher Entscheidung vollinhaltlich in freier Beweiswürdigung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach

§ 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte ärztliche Gutachten von Dr. XXXX vom 25.01.2019, erfüllt den Anspruch der Schlüssigkeit im vollen Umfang. Das Gutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.

Im Sachverständigengutachten vom 25.01.2019 wurde das Beschwerdevorbringen des BF, an seinem Wohnort den Bus zu benutzen, und die Tatsache, dass der BF keine technischen Hilfsmittel und orthopädischen Behelfe benötigt, festgehalten. Dem Sachverständigen folgend ist wegen offensichtlicher Zurücklegbarkeit einer relevanten Wegstrecke, Überwindbarkeit von Niveauunterschieden und sicherer Transportmöglichkeit dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel jedenfalls zumutbar.

Diesem Sachverständigengutachten folgend wird die gegenständliche Beschwerde abgewiesen.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht bestrittenen Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX vom 25.01.2019, welches als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt.

3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G304.2210105.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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