TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/18 W262 2205172-1

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Veröffentlicht am 18.06.2019
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Entscheidungsdatum

18.06.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W262 2205172-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Claudia MARIK sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Dax & Partner Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 25.07.2018, OB XXXX , in Form der Ausstellung eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H. und der Zusatzeintragung "Der Inhaber des Passes ist Träger von Osteosynthesematerial" zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist seit 25.06.2014 Inhaber eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. und der Zusatzeintragung "Der Inhaber des Passes ist Träger von Osteosynthesematerial".

2. Am 24.05.2018 stellte der Beschwerdeführer beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet), unter Vorlage medizinischer Befunde und Unterlagen einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass.

3. Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 19.07.2018 erstatteten Sachverständigengutachten vom 23.07.2018 wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt:

"...

Derzeitige Beschwerden:

Schmerzen im Rücken ausstrahlend in das rechte Bein, zeitweise stuhl- und harninkontinent, fühlt sich beim Gehen nur mit Krücke sicher, Krämpfe im rechten Bein, Potenzprobleme.

Klinischer Status - Fachstatus:

36-jähriger Mann kommt mit 1 Stützkrücke gehend ohne Begleitung in meine Ordination. Caput/Collum: Optomotorik unauffällig, Pupillen rund isocor, reagieren prompt auf Licht, die einsehbaren Schleimhäute gut durchblutet, Zähne saniert. Thorax symmetrisch, Herzaktion rein rhythmisch normocard, Vesikuläratmung, keine pathologischen RGs auskultierbar. Abdomen weich eindrückbar, Leber am Rippenbogen, Milz nicht tastbar. Durchblutung und bis auf Vorfußsenkerschwäche rechts grob neurologisch unauffällig.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Extremitäten: Die Gelenke der OE und UE altersentsprechend frei beweglich, Trophik und Muskeltonus beide UE unauffällig, WS: HWS in allen Ebenen frei beweglich, BWS/LWS: blande Narbe nach OP, Drehung und Seitneigung des Oberkörpers nach links und rechts deutlich eingeschränkt, Lasegue beidseits negativ, Finger-Bodenabstand: 10cm unter Kniehöhe. Das Gangbild wird ohne Gehhilfe wegen Angst zu stürzen nicht demonstriert, mit 1 Stützkrücke normalschrittig und flüssig, Einbeinstand, Zehen- und Fersengang nur links durchführbar.

Status Psychicus: bewusstseinsklar, allseits orientiert, Stimmungslage gedrückt, Allgemeintempo von normaler Schnelligkeit, Gedächtnis und Konzentration unauffällig.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Zustand nach operativer Verblockung im Lendenwirbelsäulenbereich und Wirbelkörperersatz L2 (12/2010) nach Wirbelkörperfraktur. 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz unter Mitberücksichtigung der Sacrumfraktur und Duraeröffnung mit chronischem Dauerschmerz und Vorfußsenkerschwäche rechts sowie zeitweisem Verlust von Stuhl und Harn.

02.01.03

60

Gesamtgrad der Behinderung 60 v.H.

...

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Leiden 1 wird um 1 Stufe erhöht.

...

.Dauerzustand

..."

Das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" wurde mit näherer Begründung verneint.

4. Dem Beschwerdeführer wurde aufgrund seines Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung am 25.07.2018 ein unbefristeter Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H. und der Zusatzeintragung "Der Inhaber des Passes ist Träger von Osteosynthesematerial" ausgestellt.

5. Mit Schreiben vom 05.09.2018 brachte der nunmehr anwaltlich vertretene Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde ein und führte auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass zumindest ein Grad der Behinderung von 80 v.H., in eventu ein Grad der Behinderung von 70 v. H., festgestellt werden müsse, da er einen chronischen neurogenen Dauerschmerz habe, opioidhaltige Medikamente nehmen müsse und Lähmungserscheinungen in der rechten unteren Extremität auftreten würden. Weiters sei unerklärlich, wie die belangte Behörde die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel annehmen könne. Abschließend beantragte er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Einholung eines Sachverständigengutachtens der Fachrichtung "Wirbelsäulenchirurgie bzw. Unfallchirurgie".

6. Am 07.09.2018 wurden die Beschwerde und der Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

7. Das Bundesverwaltungsgericht holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie ein. In dem - auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 18.10.2017 erstatteten - Gutachten vom 22.10.2018 wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt (ergänzt um die Fragestellung des Bundesverwaltungsgerichtes):

"...

Ich kann nicht lange Gehen, etwa 50-100 Meter schmerzbedingt, der Schmerz ist dauernd da, bei Belastung ist er verstärkt. Im rechten Bein habe ich keine Kraft, es rutscht oft weg. Der Schmerz zieht sich von der rechten Glutealregion bis zum Fuß - wird gezeigt. Nach längerem Sitzen, Fahren, kann ich den Harn nicht kontrollieren. Bei Normalstuhl habe ich keine Probleme, aber bei Durchfall. Gelegentlich krampft das rechte Bein. Ich bin mit den 60 % nicht zufrieden.

...

Allgemeiner Status:

172 cm groß und 63 kg schwer in gutem Allgemein- und Ernährungszustand.

Thorax symmetrisch. Blande Narbe unter dem linken Rippenbogen.

15cm Narbe, etwas eingezogen am thoracolumbalen Übergang.

Relevanter Status:

Wirbelsäule im Lot. HWS in R 50-0-50, F 15-0-15, KJA ... cm,

Reklination 16 cm.

Normale Brustkyphose, BWS-Drehung 30-0-30, Schober Zeichen 10/13 cm,

FKBA 50 cm, Seitneigung bis 20 cm ober Patella.

Obere Extremitäten:

Schultern in S 40-0-170, F 170-0-50, R 80-0-80, Ellbogen 0-0-135, Handgelenke

60-0-60, Faustschluss beidseits möglich. Nacken- und Kreuzgriff durchführbar.

Untere Extremitäten:

Hüftgelenke in S 0-0-110, F 45-0-30, R 30-0-15, Kniegelenke in S 0-0-135, bandfest, reizfrei.

Sprunggelenke rechts 10-0-40 zu links 15-0-50. Dorsallexion und Extension

rechts möglich, Kraftgrad 3-4 zu 5 links. Quadricepsfunktion rechts KG 4 zu links

KG 5.

Lasegue beidseits negativ, auch kein Pseudolasegue.

Mukelumfangmessung in cm: rechts links

Oberschenkel 44 43,5

Wade 32 33

Gangbild/Mobilität:

Gang in Straßenschuhen mit und ohne die verwendete Stützkrücke gering rechtshinkend möglich. Zehenspitzen- und Fersenstand erschwert, aber möglich. Gering verkürzter Abrollvorgang rechts.

BEURTEILUNG

Ad 1) Gesonderte Einschätzung des Grades der Behinderung (GdB) für jede festgestellte Gesundheitsschädigung:

1) Zustand nach Bruch des 2. Lendenwirbelkörpers und Stabilisierung mit Versteifung 1. bis 3. Lendenwirbel mit Spezialsystem zum Erhalt der Wirbelkörperhöhe; Laminektomie.

Eine Stufe über unterem Rahmensatz, da Restschwäche rechtes Bein ohne relevantes Muskeldefizit, Restbeschwerden bei Harnlassen und Stuhlgang ohne Inkontinenz.

Wahl der Position, da Beschwerden im Sinne eines ‚failed back surgery syndroms' und ständige Opioidmedikation bei anhaltenden Schmerzen. 02.01.03 60%

Ad 2) Einschätzung und Begründung des fachbezogenen Gesamt-GdB, wobei auch auf eine allfällige Erhöhung durch wechselseitige Leidensbeeinflussung eingegangen werden möge: Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 60%.

Ad 3) Stellungnahme, ab wann der GdB anzunehmen ist:

Der GdB ist ab 5/2018 anzunehmen.

Ad 4) Ausführliche fachspezifische Stellungnahme zu den im Verwaltungsverfahren und vorgelegten Unterlagen und Befunden:

Die vorgelegten Befunde und das letzte CT, vom BF mitgebracht und vom Unterfertigenden durchgesehen, ergeben radiologisch keine Veränderung zum Vorbefund aus 2013. Das System ist stabil, das Material ohne Lockerungszeichen. Die Restschwäche ist nicht dem Segment L2 zuordenbar, eine Muskeldefizit findet sich nicht.

Ad 5) Ausführliche fachspezifische Stellungnahme zu den Einwendungen in der Beschwerde: Es bestehen vielleicht Lähmungserscheinungen im umgangssprachlichen Sinn, medizinisch ist eine geringe Restschwäche vorhanden, ein relevantes Defizit kann nicht bestehen, da die Muskulatur des rechten Beines praktisch seitengleich ist und schon das allein eine Lähmung ausschließt.

Der Unfall war 2010. Eine jahrelange Störung der Innervation hätte die betroffenen Muskeln messbar ausdünnen müssen. Eine Anschlussinstabilität ist definiv ausgeschlossen.

Es besteht ein relative, aber sicher keine absolute Spinalkanal-Stenose, und damit auch keine Claudicatio spinalis.

Es besteht ein Postlaminektomiesyndrom und eine Opioiddauereinnahme, dies wurde aber im Vorgutachten festgehalten und vollkommen korrekt eingeschätzt.

Die Erhöhung des GdB im Vergleich zum GA Dris. XXXX erfolgte zurecht und ausreichend.

Ad 6) Ausführliche Begründung zu einer allfälligen zum angefochtenen Sachverständigengutachten vom 23.07.2018 abweichenden Beurteilung:

Es ist keine Veränderung zum Gutachten erster Instanz objektivierbar.

Ad 7) Stellungnahme, ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist:

Eine ärztliche Nachuntersuchung ist nicht erforderlich."

8. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.10.2018 wurden der Beschwerdeführer und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs Gelegenheit eingeräumt, binnen drei Wochen eine Stellungnahme dazu abzugeben. Soweit nicht eine eingelangte Stellungnahme anderes erfordere, werde das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung auf Basis der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens erlassen.

Die belangte Behörde ließ dieses Schreiben unbeantwortet.

9. Mit Schreiben vom 21.11.2018 und vom 05.12.2018 ersuchte der Beschwerdeführer um Fristerstreckung zur Erstattung einer Stellungnahme. Bis dato langte keine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist seit 25.06.2014 Inhaber eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. und der Zusatzeintragung "Der Inhaber des Psses ist Träger von Osteosynthesematerial".

Der Beschwerdeführer stellte am 24.05.2018 einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung, dem durch Ausstellung eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung am 25.07.2018 seitens der belangten Behörde stattgegeben wurde.

Beim Beschwerdeführer besteht folgende Funktionseinschränkungt, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Zustand nach Bruch des 2. Lendenwirbelkörpers und Stabilisierung mit Versteifung des 1. bis 3. Lendenwirbels mit Spezialsystem zum Erhalt der Wirbelkörperhöhe; Laminektomie und Restschwäche des rechten Beines ohne relevantes Muskeldefizit; Restbeschwerden beim Harnlassen und beim Stuhlgang ohne Inkontinenz; Beschwerden im Sinne eines "failed back surgery syndroms" unter Opioidmedikation.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkung, deren Ausmaßes und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie vom 22.10.2018 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Ausstellung eines Behindertenpasses, das Datum der Einbringung des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung und die neuerliche Ausstellung eines Behindertenpasses basieren auf dem Akteninhalt.

2.2. Der festgestellte Gesamtgrad der Behinderung und die festgestellten Funktionseinschränkungen gründen sich auf das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten vom 22.10.2018. Darin wird auf das Leiden des Beschwerdeführers und dessen Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen.

Vom befassten Sachverständigen wurden die im verwaltungsbehördlichen Verfahren und im Beschwerdeverfahren vorgelegten Befunde einbezogen, die im Übrigen nicht in Widerspruch zur gutachterlichen Beurteilung stehen und kein höheres Funktionsdefizit dokumentieren, als anlässlich der Begutachtung festgestellt werden konnte.

Der vorliegende Sachverständigenbeweis vom 22.10.2018 wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes als schlüssig erachtet. Die getroffene Einschätzung, basierend auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund, entspricht den festgestellten Funktionseinschränkungen (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung korrekt eingestuft.

Der Beschwerdeführer leidet an einem Zustand nach Bruch des 2. Lendenwirbelkörpers und Stabilisierung mit Versteifung vom 1. bis zum 3. Lendenwirbel mit Spezialsystem zum Erhalt der Wirbelkörperhöhe und einer Laminektomie sowie Restschwäche des rechten Beines ohne relevantes Muskeldefizit und Restbeschwerden beim Harnlassen und Stuhlgang ohne Inkontinenz. Dieses Leidensbild wurde im Sinne eines "failed back surgery syndroms" vom befassten Facharzt für Unfallchirurgie korrekt der Positionsnummer 02.01.03 der Anlage zur Einschätzungsverordnung (Funktionseinschränkungen schwerden Grades) mit einem [im Vergleich zum Vorgutachten] um eine Stufe erhöhten Rahmensatz von 60 v.H. zugeordnet. Diese Einschätzung umfasst auch die ständige Opiatmedikation bei anhaltenden Schmerzen und das Postlaminektomiesyndrom. Der Sachverständige begründet nachvollziehbar und durch Befunde belegt, dass weder eine absolute Spinalkanalstenose (und somit auch keine Claudicatio spinalis), noch Lähmungserscheinungen vorliegen, die eine höhere Einstufung begründen würden. Er führt weiters schlüssig aus, das trotz Vorliegen einer relativen Spinalkanalstenose und einer geringen Restschwäche im rechten Bein der Muskelumfang von Oberschenkel und Wade links und rechts nahezu seitengleich ist und somit eine Lähmung ausgeschlossen ist.

Schließlich sind auch die übrigen Einwendungen des Beschwerdeführers im Rahmen der Beschwerde nicht geeignet, den vorliegenden Sachverständigenbeweis in Zweifel zu ziehen und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Der Beschwerdeführer vermochte insbesondere nicht darzulegen, wie sich wegen der bei ihm festgestellten - im Rahmen des Gutachtens bereits schlüssig eingeschätzten - Funktionseinschränkungen eine Erhöhung des Grades der Behinderung auf über 60 v.H. ergeben sollte.

Der Beschwerdeführer zeigt somit weder durch entsprechend aussagekräftige Befunde noch durch ein substantiiertes Vorbringen auf, dass eine höhere Einschätzung seines Leidens hätte erfolgen müssen.

Der Beschwerdeführer, dem es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl die getroffene Einschätzung des Sachverständigen zu entkräften, hat zu dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten trotz zweimaliger Fristerstreckung keine Stellungnahme abgegeben und dieses somit unwidersprochen zur Kenntnis genommen.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 22.10.2018. Das Gutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Zu Spruchteil A)

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"BEHINDERTENPASS

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist."

"§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

(...)"

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(...)"

"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(...)"

3.3. §§ 2 und 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sehen Folgendes vor:

"Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen."

"Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine."

3.4. Wie oben eingehend ausgeführt, wird der Entscheidung das schlüssige Sachverständigengutachten vom 22.10.2018 zugrunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 60 v.H. beträgt. Wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die Einwendungen in der Beschwerde nicht geeignet, den Sachverständigenbeweis zu entkräften.

Der Beschwerdeführer ist dem Sachverständigengutachten vom 22.10.2018 auch nicht mehr entgegengetreten.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers zum Entscheidungszeitpunkt weiterhin 60 v.H. beträgt.

3.5. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

3.6. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

3.6.1. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Wurde kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße und zu begründende Ermessen des Verwaltungsgerichtes gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 VwGVG normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH).

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

3.6.2. Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie. Diesem Sachverständigengutachten ist der Beschwerdeführer auch nicht mehr entgegengetreten. Die strittigen Tatsachenfragen gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung - trotz deren Beantragung - eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die angewendeten Teile des Bundesbehindertengesetzes und der Einschätzungsverordnung sind - soweit im Beschwerdefall relevant - eindeutig. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Neufestsetzung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W262.2205172.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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