TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/18 W192 2216431-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.06.2019
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Entscheidungsdatum

18.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs2 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §53
FPG §55
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W192 2216431-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2019, Zahl: 1179000906-180053800, nach Beschwerdevorentscheidung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 16.04.2019 aufgrund des Vorlageantrages vom 30.04.2019 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerdevorentscheidung wird hinsichtlich der Spruchpunkte

I. bis VI und VIII. gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 13 Abs. 2 Z 3, 57 AsylG 2005 i. d. g. F., § 9 BFA-VG i. d. g. F. und §§ 52, 55 FPG i. d. g. F. bestätigt. Spruchpunkt VII. der Beschwerdevorentscheidung wird gemäß den §§ 27, 28 Abs. 1 und 2 VwGVG i.d.g.F. aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise am 16.01.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 18.01.2018 gab der Beschwerdeführer an, er sei sunnitischer Moslem, Paschtune, minderjährig und stamme aus der Provinz Nangarhar, wo sich unverändert seine Eltern und minderjährigen Geschwister aufhielten. Der Beschwerdeführer habe den Entschluss zur Ausreise drei Jahre zuvor gefasst und habe Afghanistan vor fünf Monaten tatsächlich verlassen. Er sei mit Unterstützung eines Schleppers über Pakistan, den Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien und Ungarn illegal nach Österreich gereist. Zum Grund seiner Flucht führte der Beschwerdeführer aus, sein Vater sei der persönliche Fahrer des ehemaligen Provinzgouverneurs von Nangarhar bzw. Mitglieds des Provinzrates. Als der Beschwerdeführer in der elften Klasse gewesen wäre, sei ein Mullah der Koranschule zu ihm gekommen, welcher ihn aufgefordert hätte, seinen Vater zu begleiten um den Provinzhauptmann zu töten. Andernfalls würde er den Beschwerdeführer töten. Der Beschwerdeführer habe Angst gehabt und sei nach Jalalabad geflüchtet; er sei jedoch auch dort nicht in Ruhe gelassen worden, weshalb er die Flucht ergriffen hätte. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, durch den erwähnten Mullah getötet zu werden.

Am 24.07.2018 erfolgte im Rahmen des zugelassenen Verfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers im Beisein seiner damaligen gesetzlichen Vertreterin. Der Beschwerdeführer gab eingangs an, sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage zu fühlen, er sei gesund und benötige keine medizinische Behandlung. Der Beschwerdeführer habe bis dato wahrheitsgemäße Angaben erstattet, welche korrekt protokolliert und rückübersetzt worden wären. Der Beschwerdeführer sei in einer näher bezeichneten Ortschaft in der Provinz Nangarhar aufgewachsen, habe ab dem Alter von sieben Jahren die Schule besucht und sei nach einem neunjährigen Schulbesuch ohne Beschäftigung gewesen. Der Beschwerdeführer habe gelegentlich Milch gesammelt. Seine Familie habe keine finanziellen Probleme gehabt. Der Beschwerdeführer verfüge über keine Berufsausbildung und habe sich bereits drei Jahre vor der tatsächlichen Ausreise aufgrund von Bomben und ziviler Opfer zum Verlassen seines Heimatlandes entschlossen; nachdem er direkt betroffen gewesen wäre, sei sein Ausreiseentschluss gefestigt worden. Die Kosten seiner schlepperunterstützten Ausreise in der Höhe von USD 8.000,- seien von seinem Vater zur Verfügung gestellt worden. Neben seinen nach wir vor im Herkunftsort aufhältigen Eltern und Geschwistern habe der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat drei Onkeln und drei Tanten, eine weitere Tante befinde sich in Österreich. Seine Herkunftsfamilie würde ihren Lebensunterhalt vom Einkommen des Vaters des Beschwerdeführers bestreiten, seine Familie habe zudem Grundstücke und zwei Häuser.

Der Beschwerdeführer sei nie von Problemen mit den Behörden seines Herkunftsstaates betroffen gewesen und sei keiner Verfolgung aufgrund seiner politischen Gesinnung, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Volkgruppenzugehörigkeit oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt gewesen. Sein Heimatland habe er verlassen, da er in der neunten Klasse von einem Mullah angesprochen worden sei, der ihm gesagt hätte, dass der Vater des Beschwerdeführers ein Ungläubiger wäre, da dieser für die Amerikaner arbeiten würde. Er habe dem Beschwerdeführer gesagt, dass er diese Leute töten solle und dafür in den Himmel kommen werde. Der Beschwerdeführer habe dies seinem Vater erzählt, seine Eltern hätten gesagt, dass es nicht möglich sei, was er verlange. Der Mullah hätte den Beschwerdeführer eingeengt und ihn nicht in Ruhe gelassen, weshalb sie in eine näher bezeichnete Stadt umgezogen wären, doch hätten sie auch dort nicht in Ruhe leben können. Auf Nachfrage führte der Beschwerdeführer aus, dass es sich beim erwähnten Mullah um seinen Koranlehrer gehandelt hätte, welcher ihn desöfteren in den Pausen angesprochen hätte. Dieser habe gewollt, dass der Beschwerdeführer die Personen, für die sein Vater arbeite, umbringe; konkret hätte der Beschwerdeführer mit einer Sprengstoffweste zum Haus des namentlich bezeichneten Provinzgouverneurs, welcher für die Amerikaner gearbeitet hätte, gehen sollen. Der Beschwerdeführer hätte erwidert, dass er dies nicht machen könne, woraufhin sie versucht hätten, ihn mit religiösen Argumenten zu überreden. Zuletzt sei er in der zuvor erwähnten Stadt rund sechs Monate nach seinem Umzug und etwa einen Monat vor seiner Flucht durch den erwähnten Mullah angesprochen worden. Sein Vater sei seit circa zwei Jahren Fahrer sowie Bodyguard des erwähnten Provinzgouverneurs gewesen; zuvor sei dieser bei näher bezeichneten amerikanischen Unternehmen angestellt gewesen. Der Vater des Beschwerdeführers habe die Behörden von dem Vorgefallenen in Kenntnis gesetzt, diese hätten ihnen jedoch nicht geholfen, weshalb sie umgezogen wären. Die Verfolgung durch den Mullah habe lediglich den Beschwerdeführer, nicht jedoch seine Familienmitglieder, betroffen. Neben den direkten Gesprächen mit dem Mullah sei er durch dessen Schüler, Taliban, ermutigt worden, zur Moschee zu gehen und den Gesprächen zuzuhören; zu direkten Bedrohungen sei es in diesem Zusammenhang nicht gekommen. Der Beschwerdeführer habe sich sechs Monate lang in der erwähnten Stadt aufgehalten, habe sich jedoch nicht frei bewegen können und in ständiger Angst gelebt. Sein Vater habe Kontakt zum Onkel des Beschwerdeführers aufgenommen, welcher einen Schlepper organisiert und den Beschwerdeführer nach Europa geschickt hätte. Als der Beschwerdeführer in der Türkei gewesen wäre, hätte sein Vater ihm mitgeteilt, dass Drohbriefe zu ihm nach Hause geschickt worden wären. Sein Vater hätte dies auch den Behörden mitgeteilt, welche jedoch nichts unternommen hätten; der Mullah könne sich immer noch frei bewegen. Eine Niederlassung in einer anderen Provinz sei nicht in Frage gekommen, da in Afghanistan keine einzige Provinz als sicher zu bezeichnen sei; auch im Falle eines Umzugs werde man nach einiger Zeit wieder gefunden. Die zuvor erwähnte Stadt liege etwa eine 45-minütige Autofahrt von seinem Heimatort entfernt. Für den Fall einer Rückkehr befürchte er, von den Taliban getötet zu werden.

In Österreich besuche der Beschwerdeführer einen Deutschkurs auf dem Niveau A1, finanziere seinen Aufenthalt aus Mitteln der Grundversorgung und sei bislang keiner Beschäftigung nachgegangen. Der Beschwerdeführer habe Freunde in Österreich.

Der Beschwerdeführer legte seine Tazkira im Original, eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Alphabetisierungskurs, ein Konvolut an Fotos, welche seinen Vater bei der Arbeit zeigen würden, Arbeitsbestätigungen, Empfehlungsschreiben sowie drei Ausweise seines Vaters (letztere im Original) sowie eine behördliche Ausreisebestätigung vor.

Mit Eingabe vom 08.08.2018 übermittelte der Beschwerdeführer ein Foto, auf welchem er gemeinsam mit seinem Vater zu sehen sei.

In einer am 09.08.2018 eingelangten schriftlichen Stellungnahme der ehemaligen gesetzlichen Vertreterin des Beschwerdeführers wurde insbesondere von einem zwischenzeitig im Beisein eines Dolmetschers geführten Telefonates der gesetzlichen Vertreterin des Beschwerdeführers mit dessen Vater berichtet; den Umstand, dass der Mullah nicht verhaftet worden wäre, trotzdem er den Gouverneur bedroht hätte, habe der Vater des Beschwerdeführers dadurch erklärt, dass die Polizei zum Teil dessen Gruppe angehöre, zum anderen Teil seien diese Beamten korrupt und es hätte niemand gewagt, diesen Schritt zu setzen, um nicht selbst ins Visier zu geraten. Der Vater selbst sei nicht bedroht worden, da man ihn nicht erwischt hätte; er habe sich am Hinweg und Nachhauseweg versteckt, sie hätten sogar die Stadt gewechselt. Einen Umzug in eine weiter entfernte größere Stadt hätten sie deshalb nicht unternommen, da überall dieselben Gefahren herrschen würden. Die Durchführung weiterer Ermittlungen wurde durch die gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers angeregt. Beiliegend übermittelt wurden Kopien der zwischenzeitig vom Vater des Beschwerdeführers übermittelten Drohbriefe des Mullahs, zudem wurden ein Familienfoto sowie mehrere Fotos, die den Beschwerdeführer in Afghanistan zeigen, übermittelt.

Am 23.12.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verdachtes der Begehung von Delikten nach dem Suchtmittelgesetz in Untersuchungshaft genommen. Mit Verfahrensanordnung vom 14.01.2019 wurde der Beschwerdeführer über den Verlust seines Aufenthaltsrechts gemäß § 13 Abs. 2 AsylG 2005 in Kenntnis gesetzt.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 13 Abs. 2 Z 3 AsylG wurde festgestellt, dass dieser sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem "30.06.2017" verloren hätte (Spruchpunkt VII.).

Die Behörde stellte die Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, nicht jedoch die präzise Identität des Beschwerdeführers fest. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan einer Verfolgung durch staatliche Organe oder Privatpersonen unterliegen würde. Ebensowenig habe festgestellt werden können, dass der gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer, dessen Kernfamilie sich in Afghanistan aufhielte, im Falle einer Rückkehr in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre. Dem Beschwerdeführer sei es, auch unter Berücksichtigung seiner Minderjährigkeit zum Zeitpunkt der Einvernahme, nicht gelungen, den vorgebrachten Fluchtgrund glaubhaft darzulegen. Aufgrund näher dargestellter unplausibler chronologischer Angaben zu seinem Lebenslauf in Zusammenschau mit dem auf der vorgelegten Tazkira aufscheinenden Geburtsdatum werde davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer absichtlich wahrheitswidrig seine Minderjährigkeit behauptet hätte. Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei von verschiedenen näher dargestellten Ungereimtheiten geprägt gewesen und es erscheine keineswegs plausibel, dass der Beschwerdeführer trotz der zur Anzeige gebrachten Anschlagspläne des Mullahs nie zu diesem Sachverhalt befragt worden wäre und der Genannte weiterhin an einer öffentlichen Schule als Koranlehrer unterrichten habe dürfen. Da es sich beim Provinzgouverneur von Nangarhar um die am meisten exponierte Position in einer Region, die sich mehr oder minder im Bürgerkrieg befände, handle, sei es nicht vorstellbar, dass bei Meldung eines solchen Plans durch dessen Bodyguard nicht alles Mögliche unternommen würde, um den Drahtzieher aus dem Verkehr zu ziehen, zumal ein Provinzgouverneur auch über entsprechende Mittel verfügen würde. Eine Überprüfung der vorgelegten Drohbriefe auf ihre Echtheit hin wäre nicht möglich; es sei ein Leichtes, sich derartige Drohbriefe zu besorgen, wie aus einer näher zitierten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 28.07.2016 hervorginge. Die vorgelegten Drohbriefe wie auch die Ausreisebestätigung seien demnach nicht geeignet, die Angaben des Beschwerdeführers zu bescheinigen, ebensowenig würden die darüber hinaus vorgelegten Belege über die Tätigkeit seines Vaters einen Bezug zur vorgebrachten Bedrohungssituation erkennen lassen.

Im Falle des Beschwerdeführers liege eine relevante Gefährdungslage in Bezug auf dessen unmittelbare Heimatprovinz - nicht jedoch eine auf das gesamte Staatsgebiet bezogene - vor. Die Lage in Mazar-e Sharif sowie die Erreichbarkeit jener Stadt seien als ausreichend sicher zu erachten. Die Provinz Balkh zähle nach wie vor zu den stabilsten Provinzen Afghanistans, in dieser seien im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Die Versorgung in Mazar-e Sharif sei grundlegend gesichert. Der Beschwerdeführer könnte sich bei einer Ansiedelung in dieser Stadt seine überdurchschnittliche Schulbildung sowie seine bereits gesammelte Berufserfahrung zu Nutzen machen und zudem durch seine in Afghanistan ansässigen Familienangehörigen Unterstützung erfahren. Desweiteren stünde es ihm offen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich an in seinem Herkunftsland ansässige Hilfsorganisationen zu wenden. Der Beschwerdeführer gehöre demnach keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen wäre, dass er sich in Bezug auf seine individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstelle, als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen könne.

Gründe für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz lägen nicht vor. Da der Beschwerdeführer über keine engen sozialen Bindungen im Bundesgebiet verfüge und angesichts der kurzen Dauer seines Aufenthaltes keine schützenswerten privaten Anknüpfungspunkte begründet habe, würden keine Hinderungsgründe gegen eine Rückkehrentscheidung vorliegen.

3. Gegen diesen, dem Beschwerdeführer am 25.01.2019 zugestellten, Bescheid brachte die Vertreterin des zwischenzeitig (ausgehend von dem von ihm angeführten Geburtsdatum) volljährigen Beschwerdeführers am 22.02.2019 fristgerecht einen Beschwerdeschriftsatz ein, in welchem zusammengefasst ausgeführt wurde, der Beschwerdeführer habe sämtliche Integrationsangebote genutzt, führe seit beinahe zwei Jahren eine Beziehung mit einer österreichischen Staatsangehörigen, sei in falsche Kreise geraten und werde im März 2019 mutmaßlich wegen Handels mit Marihuana verurteilt werden. Die Verfolgung des Beschwerdeführers liege in dessen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie begründet, zumal sein Vater erwiesenermaßen für die afghanische Regierung tätig wäre. Der Beschwerdeführer leide an einer Posttraumatischen Belastungsstörung sowie an Schlafstörungen und befinde sich aus diesem Grund in Behandlung. Die allgemeine Lage in Afghanistan unterstreiche die Glaubwürdigkeit des Vorbringens, zumal bekanntermaßen die Taliban weder von der Regierung, noch von einzelnen Gouverneuren, weder aus Schulen noch aus anderen Einrichtungen einfach zu entfernen wären. Die belangte Behörde verstoße gegen ihre Begründungspflicht und ihre Pflicht, auf das Parteienvorbringen einzugehen.

4. Mit Urteil eines österreichischen Landesgerichts aus März 2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall SMG, des Vergehens der Vorbereitung des Suchtgifthandels nach § 28 Abs. 1 SMG sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt, von der ihm ein Teil in der Höhe von sieben Monaten unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

5. Mit Schreiben vom 28.03.2019 setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer über die beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung mitsamt einem Einreiseverbot im Zuge einer Beschwerdevorentscheidung in Kenntnis und gewährte ihm die Möglichkeit, hierzu binnen Frist eine Stellungnahme abzugeben.

Mit Eingabe vom 03.04.2019 wurden bezugnehmende Stellungnahmen durch den Beschwerdeführer, seine österreichische Freundin sowie seine ehemalige gesetzliche Vertreterin übermittelt. Desweiteren wurden ein Ambulanzbefund vom 31.01.2019, ein psychologischer Befund vom 15.01.2019 sowie Fotos des Beschwerdeführers und seiner Freundin übermittelt.

Am 25.03.2018 langte eine weitere Stellungnahme des Beschwerdeführers ein.

Auf entsprechende Anfrage des Bundesamtes gab die ehemals mit der gesetzlichen Vertretung des Beschwerdeführers betraute Organisation bekannt, dass das Betreuungs- und Vertretungsverhältnis betreffend den Beschwerdeführer mit sofortiger Wirkung aufgelöst sei.

6. Mit Bescheid vom 16.04.2019 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG iVm AsylG 2005, FPG 2005 und BFA-VG in der Erledigung der gegenständlichen Beschwerdesache folgende Beschwerdevorentscheidung erginge: Der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom 16.01.2018 werde hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG werde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG werde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Afghanistan gem. § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Der Beschwerdeführer habe sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet gem. § 13 Abs. 2 Z 3 AsylG ab dem 23.12.2018 verloren (Spruchpunkt VI.), gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG wurde gegen diesen ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.) und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine vierzehntägige Frist zur freiwilligen Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VIII.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründete jene Entscheidung im Wesentlichen inhaltlich gleichlautend mit den im Bescheid vom 18.01.2019 getroffenen Ausführungen; zudem wurde der Entscheidung ein aktualisierter Ländervorhalt zur relevanten Lage in Afghanistan (Stand 26.03.2019) zugrunde gelegt. In Bezug auf die zwischenzeitig in Vorlage gebrachten ärztlichen Unterlagen wurde ausgeführt, dass die darin ersichtlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen keine lebensbedrohlichen Erkrankungen und kein Rückkehrhindernis darstellen würden, zumal es in Afghanistan, insbesondere in Mazar-e Sharif, näher angeführte Einrichtungen zur Behandlung psychischer Erkrankungen gebe. Der Beschwerdeführer sei die Beziehung zu seiner österreichischen Freundin im September 2018 eingegangen und habe sich von 21.12.2018 bis 11.03.2019 in Untersuchungshaft befunden, wodurch das im Bundesgebiet begründete Privatleben relativiert werde. Eine weitergehende Integrationsverfestigung sei nicht zu erkennen, weshalb die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen würden.

Zur Begründung des ausgesprochenen Einreiseverbotes wurde darüber hinaus auf eine nähere Darstellung der - zum Zeitpunkt der Beschwerdevorentscheidung nicht rechtskräftigen - Verurteilung wegen der Begehung von Delikten nach dem Suchtmittelgesetz verwiesen, welche das Vorliegen einer vom Beschwerdeführer ausgehenden schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit indiziere. Der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten gezeigt, dass er kein Interesse daran habe, die Gesetze Österreichs zu respektieren. Sein bisheriger Aufenthalt beeinträchtige das Grundinteresse der Gesellschaft an Ruhe, Sicherheit und sozialem Frieden, zumal der Beschwerdeführer Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge in Verkehr gebracht hätte. Schon im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei die Erlassung eines Einreiseverbotes auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden dringend geboten.

7. Gegen diese, dem Beschwerdeführer am 17.04.2019 zugestellte, Beschwerdevorentscheidung richtet sich der durch die nunmehr bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation am 30.04.2019 eingebrachte Vorlageantrag. Es wurde beantragt, die Behörde möge "gem. § 64 Abs. 2 AVG" die Beschwerde vom 22.02.2019 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorlegen; im Übrigen wurde auf die bereits eingebrachten Schriftsätze verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an, bekennt sich zum islamischen Glauben sunnitischer Ausrichtung und stammt ursprünglich aus der Provinz Nangarhar, wo sich unverändert die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers aufhalten. Der Beschwerdeführer, welcher Paschtu und Farsi auf muttersprachlichem Niveau beherrscht, hat im Herkunftsstaat etwa zehn Jahre lang die Schule besucht in den Jahren vor seiner Ausreise als Milchsammler gearbeitet. Seine Familie lebt den Angaben des Beschwerdeführers zufolge in guten wirtschaftlichen Verhältnissen, in ihrem Besitz befinden sich Grundstücke sowie zwei Häuser in der Heimatregion. Der Beschwerdeführer hat seinen Herkunftsstaat im zweiten Halbjahr 2017 illegal und schlepperunterstützt verlassen, ist über Pakistan, den Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien und Ungarn illegal nach Österreich gelangt und hat am 16.01.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Der Beschwerdeführer berief sich darauf, zum Antragszeitpunkt minderjährig gewesen zu sein. Laut dem von ihm angeführten Geburtsdatum hat er Anfang des Jahres 2019 die Volljährigkeit erreicht.

Der Beschwerdeführer hat den Herkunftsstaat verlassen, um in Europa bessere Lebensbedingungen vorzufinden. Die als fluchtkausal geltend gemachte Bedrohung durch einen Mullah, welcher vom Beschwerdeführer gefordert hätte, ein Selbstmordattentat auf den Arbeitgeber seines Vaters zu verüben, ist nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer hätte im Falle seiner Rückkehr keine Verfolgung durch den erwähnten Mullah respektive durch Angehörige der Taliban zu befürchten, da er sich der Aufforderung des Mullahs widersetzt hätte.

Es kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Bei einer Ansiedelung außerhalb seiner Heimatprovinz, insbesondere in der Stadt Mazar-e Sharif, besteht für den Beschwerdeführer als leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine konkrete Gefahr, einen Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit zu erleiden und liefe der Beschwerdeführer auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen. Der Beschwerdeführer leidet an keinen körperlichen Erkrankungen, die ihn in seiner Möglichkeit, seinen Alltag und seinen Lebensunterhalt eigenständig zu bestreiten, einschränken. Im psychischen Bereich wurden beim Beschwerdeführer insbesondere eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion, Hinweise auf das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung, missbräuchlicher Konsum von Amphetaminen, Kokain, Ecstasy und Cannabis, eine partielle, nicht organische Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus sowie eine chronisch rez. Cephalea, diagnostiziert. Der Beschwerdeführer hat nicht dargetan, dass er zum Entscheidungszeitpunkt eine Behandlung benötigen würde, welche in Afghanistan nicht erhältlich oder für ihn nicht individuell zugänglich ist.

Mit (seit 29.04.2019 rechtskräftigem) Urteil eines österreichischen Landesgerichts vom 11.03.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall SMG, des Vergehens der Vorbereitung des Suchtgifthandels nach § 28 Abs. 1 SMG sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt, von der ihm ein Teil in der Höhe von sieben Monaten unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Der Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung im Jänner 2018 bis 23.12.2018 auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und es kam ihm seither faktischer Abschiebeschutz zu. Er hat seinen Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung bestritten. Der Beschwerdeführer befindet sich seit September 2018 in einer Beziehung mit einer österreichischen Staatsangehörigen und hat einen Freundeskreis im Bundesgebiet aufgebaut. Der Beschwerdeführer war sich bei Begründung der privaten Beziehungen, insbesondere jener zu seiner Freundin, der Unsicherheit seines Aufenthaltsstatus bewusst. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer im Bundesgebiet keine Familienangehörigen oder sonstigen engen sozialen Bindungen. Der Beschwerdeführer besuchte Deutschkurse, hat jedoch keinen formellen Nachweis über bereits vorhandene Sprachkenntnisse in Vorlage gebracht. Er ging bislang keiner legalen Erwerbstätigkeit oder ehrenamtlichen Arbeit nach, ist in keinem Verein Mitglied und hat keine Ausbildungen abgeschlossen. Eine Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet konnte nicht festgestellt werden.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 21/Grundversorgung und Wirtschaft).

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen" welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

Quellen:

AJ - Al Jazeera (21.3.2019): Blasts in Afghan capital Kabul kill six during new year festival,

https://www.aljazeera.com/news/2019/03/blasts-afghan-capital-kabul-kill-6-year-festival-190321064823472.html, Zugriff 26.3.2019

AJ - Al Jazeera (8.3.2019): Death toll rises to 11 in attack on Shia gathering in Kabul,

https://www.aljazeera.com/news/2019/03/death-toll-rises-11-afghan-capital-attack-shia-gathering-190308102222870.html, Zugriff 26.3.2019

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (25.3.2019): Briefing Notes Afghanistan, liegen im Archiv der Staatendokumentation auf

NYT - The New York Times (7.3.2019): U.S. Peace Talks With Taliban Trip Over a Big Question: What Is Terrorism?, https://www.nytimes.com/2019/03/07/world/asia/taliban-peace-talks-afghanistan.html, Zugriff 26.3.2019

IFRCRCS - International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies (17.3.2019): Emergency Appeal Afghanistan: Drought and Flash Floods,

https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-drought-and-flash-floods

Qantara (12.02.2019): Any deal will do, https://en.qantara.de/print/34493, Zugriff 26.3.2019

Reuters (21.3.2019): Explosions in Afghan capital Kabul kills six during new year festival,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attack/explosions-in-afghan-capital-kabul-kill-6-during-new-year-festival-idUSKCN1R20GL, Zugriff 26.3.2019

Reuters (18.3.2019): U.S. freezes out top Afghan official in peace talks feud: sources,

https://www.reuters.com/article/us-usa-afghanistan/us-freezes-out-top-afghan-official-in-peace-talks-feud-sources-idUSKCN1QZ2OU, Zugriff 26.3.2019

Taz - Die Tagezeitung (6.2.2019): Auch Moskau spielt die Taliban-Karte,

https://www.taz.de/Gespraeche-zwischen-Taliban-und-Russland/!5568633/, Zugriff 26.3.2019

TDP - The Defense Post (21.3.2019): Bomb blasts around Afghanistan capital kill 6 during Nowruz celebrations, https://thedefensepost.com/2019/03/21/afghanistan-kabul-bombings-nowruz/, Zugriff 26.3.2019

UN OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (19.3.2019): Afghanistan: Flash Floods, Update No. 7 (as of 19 March 2019),

https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/afg_flash_floods_update_7_19_mar_2019_web.pdf, Zugriff 26.3.2019

VoA - Voice of America (20.3.2019): Afghanistan Again Postpones Presidential Election,

https://www.voanews.com/a/afghanistan-again-postpones-presidential-election/4840141.html, Zugriff 26.3.2019

WP - The Washington Post (18.3.2019): Afghan government, shut out of U.S.-Taliban peace talks, running short on options, https://www.washingtonpost.com/world/afghan-government-shut-out-of-us-taliban-peace-talks-running-short-on-options/2019/03/18/92cd6128-497d-11e9-8cfc-2c5d0999c21e_story.html?noredirect=on&utm_term=.ffa121b12dbc, Zugriff 26.3.2019

Kommentar:

Die Lage vor Ort wird weiterhin beobachtet und gegebenenfalls wird mit weiteren Kurzinformationen reagiert. Weiterführende Informationen zu der Friedensgesprächsrunde von Jänner 2019 können der KI vom 31.1.2019 entnommen werden.

KI vom 1.3.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018 (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eineMehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

(BFA Staatendokumentation 20.02.2019b)Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019). (UNAMA 24.2.2019)

Quellen:

BFA Staatendokumentation (20.02.2019a): kartografische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Jänner-Dezember 2018, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

BFA Staatendokumentation (20.02.2019b): grafische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Q1 bis Q4, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

SIGAR - Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.1.2019): Quarterly Report to the United States Congress, https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2019-01-30qr.pdf, Zugriff 20.2.2019

UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (24.2.2019): Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Annual report 2018,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/afghanistan_protection_of_civilians_annual_report_2018_final_24_feb_2019_v3.pdf, Zugriff 25.2.2019

UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (11.2018):

Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Special report: 2018 elections violence, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/special_report_on_2018_elections_violence_november_2018.pdf, Zugriff 20.2.2019

UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (10.10.2018): Quarterly report on the protection of civilians in armed conflict: 1 January to 30 September 2018, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_protection_of_civilians_in_armed_conflict_3rd_quarter_report_2018_10_oct.pdf, Zugriff 20.2.2019

UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (7.12.2018): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, Report of the Secretary General, https://undocs.org/S/2018/1092, Zugriff 20.2.2019

KI vom 31.1.2019, Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).

Quellen:

CNN - Cable News Network (27.1.2019): US-Taliban peace talks in Doha a 'significant step',

https://edition.cnn.com/2019/01/27/asia/us-taliban-afghan-peace-talks-doha-intl/index.html, Zugriff 31.1.2019

DP - Die Presse (28.1.2019): Afghanistan vor dramatischer Wende, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5570225/Afghanistan-vor-dramatischer-Wende, Zugriff 31.1.2019

FP - Foreign Policy (29.1.2019): Will Zalmay Khalilzad Be Known as the Man Who Lost Afghanistan?,

https://foreignpolicy.com/2019/01/29/will-zalmay-khalilzad-be-known-as-the-man-who-lost-afghanistan-envoy-taliban/, Zugriff 31.1.2019

IM - Il Messaggero (28.1.2019): Afghanistan, fonti Difesa: "Entro un anno via truppe italiane". Moavero: "Apprendo ora". Lega: "Nessuna decisione",

https://www.ilfattoquotidiano.it/2019/01/28/afghanistan-entro-un-anno-ritiro-del-contingente-italiano-moavero-lo-apprendo-ora-trenta-non-ne-ha-parlato-con-me/4930395/, Zugriff 31.1.2019

Internazionale (30.1.2019): La trattativa in Afghanistan arriva con 17 anni di ritardo,

https://www.internazionale.it/opinione/gwynne-dyer/2019/01/30/trattativa-afghanistan-ritardo, Zugriff 31.1.2019

NYT - The New York Times (28.1.2019): U.S. and Taliban Agree in Principle to Peace Framework, Envoy Says, https://www.nytimes.com/2019/01/28/world/asia/taliban-peace-deal-afghanistan.html, Zugriff 31.1.2019

Tolonews (28.1.2019): US Peace Envoy Visits Kabul To Consult On Talks With Taliban,

https://www.tolonews.com/afghanistan/us-peace-envoy-visits-kabul-consult-talks-taliban, Zugriff 31.1.2019

WP - The Washington Post (30.1.2019): The real challenge for Afghanistan isn't negotiating with the Taliban, https://www.washingtonpost.com/opinions/global-opinions/the-real-challenge-for-afghanistan-isnt-negotiating-with-the-taliban/2019/01/30/12229732-23ee-11e9-ad53-824486280311_story.html?noredirect=on&utm_term=.b049b43b3c79, Zugriff 31.1.2019

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KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 2/Politische Lage)

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:

Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilisten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

Zivile Opfer

Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).

(UNAMA 10.10.2018)Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert: davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamic State Khorasan Province (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).

Regierungsfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).

Quellen:

AAN - Afghanistan Analysts Network (26.10.2018): B

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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