Entscheidungsdatum
19.06.2019Norm
AsylG 2005 §34 Abs3Spruch
W225 2160529-1/26E
W225 2160528-1/31E
W225 2160520-1/26E
W225 2160527-1/28E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Dr. Barbara WEISS, LL.M. über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX ,
2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) mj. XXXX , geb. XXXX , 4.) mj. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Afghanistan, alle vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.04.2017, 1.) Zl. XXXX , 2.) Zl. XXXX ,
3.) Zl. XXXX , 4.) Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.08.2017 zu Recht:
A)
I. Den Beschwerden wird stattgegeben und 1.) XXXX , 2.) Say XXXX ,
3.) der mj. XXXX sowie 4.) dem mj. XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
II. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird 1.) XXXX , 2.) XXXX , 3.) der mj. XXXX sowie 4.) dem mj. XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte(r) für die Dauer von einem Jahr erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die im Spruch genannten Beschwerdeführer zu 1.) und 2.) (im Folgenden: BF1 und BF2) reisten mit ihrem Sohn, dem minderjährigen Beschwerdeführer zu 4.) (im Folgenden: BF4), alle Staatsangehörige Afghanistans, illegal in das Bundesgebiet ein und stellten für sich sowie als gesetzliche Vertretung für den BF4 am 21.06.2015 gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz.
I.2. Im Rahmen der am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführter niederschriftlicher Erstbefragungen gaben die BF1 und der BF2 getrennt voneinander befragt an, Angehörige der schiitischen Glaubensgemeinschaft sowie der Volksgruppe der Sadat zu sein, aus der Stadt Kabul zu stammen und traditionell verheiratet zu sein.
Der BF2 führte befragt nach seinen Gründen, die ihn bewogen hätten Afghanistan zu verlassen, aus, dass ihn Männer des XXXX (auch XXXX), der ein Mitglied der Taliban sei und der Volksgruppe der Paschtunen angehöre, mit dem Tode bedroht hätten. Ursächlich dafür sei der Vorwurf gewesen, dass der Vater des BF2 im Jahr 1993 als Spitzel für die Hazara tätig gewesen sei. Als die Ehefrau und das Kind von XXXX von unbekannten Männern getötet worden seien, sei der Vater des BF2 ebenfalls ermordet worden. Die Familie des BF2 sei daraufhin in den Iran geflohen und erst wieder nach Afghanistan zurückgekehrt, als das Taliban-Regime gestürzt worden sei. Das Leben sei ganz normal verlaufen, bis der BF2 im März 2015 von den Taliban des XXXX wiedererkannt worden und mit dem Tode bedroht worden sei. Dabei sei er auch geschlagen worden und habe man ihm die Rippen gekrümmt.
Die BF1 gab an, wegen der Probleme ihres Mannes geflohen zu sein. Dieser habe ihr gesagt, dass man ihn zweimal bedroht habe. Mehr wisse sie nicht.
Für den BF4 wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.
I.3. Am 19.11.2015 wurde die Beschwerdeführerin zu 3.) (im Folgenden: BF3) als gemeinsame Tochter der BF1 und des BF2 geboren.
Am 07.12.2016 wurde für die BF3 durch dessen gesetzliche Vertretung ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
I.4. Am 08.06.2016 wurden die BF1 (auch als gesetzliche Vertreterin für die BF3 und den BF4) und der BF2, von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des BFA und in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Farsi/Dari niederschriftlich und getrennt voneinander einvernommen.
I.4.1. Die BF1 führte dabei u.a. aus, im Iran geboren zu sein und im Alter von neun Jahren nach Afghanistan (Kabul) zurückgegangen zu sein. Dort habe sie zwölf Jahre lang die Schule besucht und ein Jahr lang auf einem Privatinstitut studiert. Von ihrer Familie halte sich niemand mehr in Afghanistan auf.
Sie selbst habe in Afghanistan keine Probleme gehabt, sondern habe das Land aufgrund der Probleme ihres Mannes verlassen. Aufgrund früherer Feindschaften sei der BF2 in Afghanistan zusammengeschlagen und mit dem Tod bedroht worden. Betreffend ihre Rückkehrbefürchtungen verwies die BF1 zudem darauf, dass Frauen das schwache Geschlecht seien und der Gefahr von Entführungen und Vergewaltigungen ausgesetzt seien.
I.4.2. Der BF2 führte seinerseits u.a. aus, in Kabul geboren zu sein, 1372 in den Iran gereist und 1381 wieder nach Afghanistan (Kabul) zurückgekehrt zu sein. Dort habe er sechs Jahre lang die Schule sowie anschließend für fünf Jahre eine Abend-Uni besucht und ein Studium für englische Literatur abgeschlossen. Von 1389 bis vor seiner Ausreise sei er Beamter der Kommission für Verwaltungsreform gewesen.
Befragt nach seinen Fluchtgründen verwies der BF2 auf Feindschaften der Familie mit Paschtunen, die der Haghani-Partei angehören würden. Er sei im Zuge eines Vorfalls zusammengeschlagen, mit dem Tode bedroht und beinahe mitgenommen worden. Etwa 1 1/2 Wochen nachdem der BF auch telefonisch bedroht worden sei, habe er mit seiner Familie Afghanistan verlassen.
I.5. Mit den Bescheiden vom 27.04.2017, Zlen. 1.) XXXX , 2.) XXXX ,
3.) XXXX und 4.) XXXX , wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den BF gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen die BF jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß §55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Das BFA stellte das Vorliegen eines Familienverfahrens fest. Den vorbrachten Fluchtgründen der Beschwerdeführer sprach das BFA die Glaubwürdigkeit ab, erachtete das Vorliegen einer Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention als nicht gegeben und verwehrte den Beschwerdeführern die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten. Unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführer und der aktuellen Sicherheitslage würden diese im Falle einer Rückkehr nach Kabul nicht in eine ausweglose Lebenssituation geraten und scheide daher auch die Gewährung subsidiären Schutzes aus. Letztlich würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens auch gegenüber den privaten Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen und sei eine Abschiebung der Beschwerdeführer nach Afghanistan zulässig.
I.6. Mit Verfahrensanordnungen vom 27.04.2017 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
I.7. Mit Schreiben 08.05.2017 wurde der Verein Menschenrechte Österreich von der BF1 und dem BF2 zu ihrer Vertretung (die Vertretung als gesetzliche Vertretung inkludiert) für das Beschwerdeverfahren bevollmächtigt.
I.8. Gegen die oben angeführten Bescheide des BFA vom 27.04.2017 erhoben die BF mit Schreiben vom 15.05.2017, beim BFA eingelangt am selben Tag, eine gemeinsame Beschwerde und fochten die Bescheide wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, in Folge einer mangelhaften Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung an. Die BF stellten die Anträge, ihnen jeweils den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen; in eventu ihnen jeweils den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen; in eventu ihnen jeweils einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zuzuerkennen; darüber hinaus die gegen sie ausgesprochenen Rückkehrentscheidungen und die Aussprüche über die Zulässigkeit der Abschiebungen nach Afghanistan aufzuheben; in eventu die angefochtenen Bescheide zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung neuer Bescheide an die erste Instanz zurückzuverweisen; eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Begründend wurde nochmals das Fluchtvorbringen der BF dargelegt und der Beweiswürdigung des BFA entgegengetreten. Zudem wurden nähere Ausführungen zur Volksgruppe der Sadat getätigt. Da die Beschwerdeführer in Kabul über kein soziales oder familiäres Netzwerk verfügen würden, über keine aktuellen Kenntnisse der infrastrukturellen Gegebenheiten und über keine relevanten (Berufs-)Ausbildungen verfügen würden, stünde eine Rückführung nach Afghanistan im Widerspruch zu Art. 3 EMRK und sei den Beschwerdeführern subsidiärer Schutz zuzuerkennen. Zudem gelte es in diesem Zusammenhang auf in Kabul stattfindende Anschläge zu verweisen. Letztlich hätten sich die Beschwerdeführer in Österreich bereits überdurchschnittlich gut integriert.
I.9. Mit Schreiben vom 04.08.2017 wurden die Beschwerdeführer zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen. Zugleich wurde ihnen das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vorab zur Information übermittelt.
I.10. An der am 31.08.2017 durch das Bundesverwaltungsgericht durchgeführten öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung nahmen sowohl die BF1 und der BF2 (auch als gesetzliche Vertretung der minderjährigen BF3 und BF4) teil. Auch die im Spruch genannte und von den BF bevollmächtigte Vertreterin, welche sich auf die mündlich erteilte Vollmacht berief, nahm an der Verhandlung teil. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verzichtete mit Schreiben zur Beschwerdevorlage vom 31.05.2017 auf die Teilnahme an der Verhandlung.
Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurden die BF1 der BF2 im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari u.a. zu ihrem gesundheitlichen Befinden, ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, ihren persönlichen Verhältnissen und ihrem Leben in Afghanistan bzw. im Iran, ihren Familienangehörigen, ihren Fluchtgründen und ihren Rückkehrbefürchtungen sowie zu ihrem Leben in Österreich ausführlich befragt.
Als Beilagen zum Protokoll der mündlichen Verhandlung wurden ein Konvolut an Unterlagen (Deutschkursbestätigungen, Zeitungsberichte, Schulbesuchsbestätigungen, Kindergarten-bestätigungen, etc) der BFs genommen.
I.12. Mit Eingabe vom 01.12.2017 übermittelte die Rechtsvertretung der BF die Geburtsurkunde des BF4 mit der Bitte um Änderung des im Verfahren genannten Geburtsdatums.
I.13. Mit Eingabe vom 12.09.2017 übermittelte die Rechtsvertretung der BF ihre Stellungnahme zur Beweisaufnahme vom 04.09.2017 und übermittelte im Zuge dessen Dokumente zu den in Deutschland lebenden Angehörigen der BF.
I.14. Mit Erkenntnis vom 26.03.2018, 1.) W225 2160526-1/9E, 2.) W225 2160528-1/15E, 3.) W225 2160520-1/10E und 4.) W225 2160527-1/11E wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden als unbegründet ab.
I.15. Mit Beschluss vom 24.10.2018, Ra 2018/18/0229 bis 0232-12, wies der Verwaltungsgerichthof die gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.03.2018 erhobene Revision hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten zurück und behob die weiteren Spruchpunkte. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts werde der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs hinsichtlich der besonderen Vulnerabilität von Kindern nicht gerecht.
I.16. Mit Beschluss vom 13.03.2019, E 1628-1631/2018-15, erklärte der Verfassungsgerichtshof die Beschwerden hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen den Ausspruch, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und gegen die Festsetzung einer vierzehntägigen Frist zur freiwilligen Ausreise, als gegenstandslos und lehnte die Behandlung der Beschwerde hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
-
Einsicht in die die BF betreffenden und dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakte des BFA, insbesondere in die Befragungsprotokolle;
-
Befragung der BF1(auch als gesetzliche Vertretung der BF3 und BF4), des BF2, der Eltern der BF1, den BF zu W225 2160524-1 bzw. zu W225 2160521-1, im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 31.08.2017;
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Einsicht in die dem Verfahren eingeführten Länderberichte und Gutachten zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat;
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Einsicht in die im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgelegten Unterlagen;
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Einsicht in das Strafregister.
II.1. Sachverhaltsfeststellungen:
II.1.1. Zu den BF und ihren Fluchtgründen:
Die BF1 bis BF4 sind Staatsangehörige von Afghanistan. Die BF1, der BF2 und der BF4 lebten vor ihrer Ausreise in Kabul. Die BF3 wurde in Österreich geboren. Sämtliche BF sind schiitischen Bekenntnisses. Die Volksgruppenzugehörigkeit konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden.
Die BF1 ist in Waramin, Iran geboren und lebte dort für 8 bis 9 Jahre. Anschließend lebte sie, bis zu ihrer Ausreise nach Europa in Kabul, Afghanistan. Sie besuchte bis zur 12. Klasse die Schule und anschließend etwas weniger als zwei Semester eine Hebammen-Schule.
Der BF2 ist in Kabul geboren und lebte mit Ausnahme des Zeitraums von 1993 bis 2002, in Afghanistan. Der BF2 hat 11 Jahre die Schule besucht und studierte 5 Jahre an einer Universität in Kabul. Der BF2 verfügt über fundierte Berufserfahrung als Sekretär bzw. Assistent bei der Kommission für Verwaltungsreformen in Kabul.
Sowohl die BF1 als auch der BF2 besitzen umfassende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Kabul. Sie haben in Kabul in verschiedenen Stadtvierteln gelebt.
Die BF1 und der BF2 haben einander traditionell geheiratet.
Die minderjährigen BF3 und BF4 sind die gemeinsamen Kinder der BF1 und des BF2 und haben ihren Lebensmittelpunkt im Kreise der Familie.
Die Eltern der BF1, die BF zu W225 2160524-1 bzw. zu W225 2160521-1, ihr Bruder, der BF zu W225 2160526-1, halten sich im Bundesgebiet auf. Ebenso hält sich ein Onkel der BF1, welchem bereits der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, im Bundesgebiet auf. Sonst verfügen die BF über keine weiteren Angehörigen im Bundesgebiet. Den Eltern und Brüdern des BF2 wurde in Deutschland subsidiärer Schutz gewährt.
Es wird festgestellt, dass den BF der Status des Asylberechtigten nicht zukommt.
Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in Herat und Mazar-e Sharif angespannt. Auch in Kabul hat sich die Versorgungslage verschlechtert. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Herat, Mazar-e Sharif oder Herat kann der BF2 jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen. Es ist dem BF2 möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Herat, Mazar-e Sharif oder Kabul Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.
Auch die BF1 verfügt über einen höheren Bildungsgrad, sodass ihr eine Arbeitsaufnahme in Großstädten wie Mazar-e Sharif, Herat oder Kabul grundsätzlich zumutbar wäre. Zudem könnte der BF2 für ihren Unterhalt sorgen, wie er dies auch in der Vergangenheit getan hat. Der BF1 wäre eine Rückkehr nach Herat, Mazar-e Sharif oder Kabul im Familienverband sehr wohl möglich und zumutbar.
Bei den BF3 und BF4 handelt es sich um unmündige Minderjährige, die im Familienverband mit ihren Eltern leben und weder über eigenes Vermögen noch über eine eigene Möglichkeit der Existenzsicherung verfügen. In Afghanistan besteht eine hohe Zahl an minderjährigen zivilen Opfern. Vor allem Kinder sind zudem besonders von Unterernährung betroffen. Ungefähr zehn Prozent der Kinder sterben vor ihrem fünften Geburtstag. Auch bestünde für die minderjährigen Beschwerdeführer die Gefahr, dass sie Kinderarbeit leisten müssen, falls der BF2 zu wenig verdienen würde, um die gesamte Familie zu erhalten, zumal der BF1 eine Arbeitsaufnahme aufgrund der Betreuung der beiden minderjährigen Kinder nicht zumutbar ist. In Anbetracht der festgestellten individuellen und familiären Situation der BF und der besonderen Schutzbedürftigkeit von minderjährigen Kindern wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes im Lichte der möglichen Gefahren, der hohen Zahl an minderjährigen Opfern auch in zentralen Regionen und Städten, der dadurch eingeschränkten Bewegungsfreiheit der minderjährigen BF3 und BF4 sowie der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für ihre erforderliche Versorgung im Herkunftsstaat festgestellt, dass die Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einem realen Risiko ausgesetzt wären, in eine existenzbedrohende (Not-)Lage zu geraten. Den BF3 und BF4 steht keine Rückkehrmöglichkeit nach Afghanistan zur Verfügung. Im Falle einer Verbringung der BF3 und des BF4 in ihren Herkunftsstaat droht diesen ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK).
Die BF leiden an keinen chronischen oder akuten Krankheiten oder anderen Gebrechen.
Die BF sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.
II.1.2 Zur Situation in Afghanistan:
II.1.2.1 Auszug Staatendokumentation (Stand 02.03.2017):
Neueste Ereignisse:
KI vom 21.12.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).
Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).
Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).
Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).
Sicherheitsrelevante Vorfälle
Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).
Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).
Zivilist/innen
Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres registrierte die UNAMA zwischen 1.1. und 30.9.2017 8.019 zivile Opfer (2.640 Tote und 5.379 Verletzte). Dies deutet insgesamt einen Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahreswert an (UNAMA 10.2017); konkret hat sich die Anzahl getöteter Zivilist/innen um 1% erhöht, während sich die Zahl verletzter Zivilist/innen um 9% verringert hat (UN GASC 20.12.2017).Wenngleich Bodenoffensiven auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer waren - führte der Rückgang der Anzahl von Bodenoffensiven zu einer deutlichen Verringerung von 15% bei zivilen Opfern. Viele Zivilist/innen fielen Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs zum Opfer - speziell in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Kandahar und Faryab (UNAMA 10.2017).
Zivile Opfer, die regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben wurden, sind um 37% zurückgegangen: Von insgesamt 849 waren 228 Tote und 621 Verletzte zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben werden, um 7%: von den 1.150 zivilen Opfer starben 225, während 895 verletzt wurden. Die restlichen Opfer konnten keiner Tätergruppe zugeschrieben werden (UNAMA 10.2017).
High-profile Angriffe:
Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)
Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017). In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen - in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).
Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).
Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vgl. NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).
Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh - Atta Noor - zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vgl. UN GASC 20.12.2017)
Interreligiöse Angriffe
Serienartige gewalttätige Angriffe gegen religiöse Ziele, veranlassten die afghanische Regierung neue Maßnahmen zu ergreifen, um Anbetungsorte zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempeln vor Angriffen zu schützen (UN GASC 20.12.2017).
Seit 1.1.2016 wurden im Rahmen von Angriffen gegen Moscheen, Tempel und andere Anbetungsorte 737 zivile Opfer verzeichnet (242 Tote und 495 Verletzte); der Großteil von ihnen waren schiitische Muslime, die im Rahmen von Selbstmordattentaten getötet oder verletzt wurden. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017).
Im Jahr 2016 und 2017 registrierte die UN Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Seit 1.1.2016 wurden 27 gezielte Tötungen religiöser Personen registriert, wodurch 51 zivile Opfer zu beklagen waren (28 Tote und 23 Verletzte); der Großteil dieser Vorfälle wurde im Jahr 2017 verzeichnet und konnten großteils den Taliban zugeschrieben werden. Religiösen Führern ist es möglich, öffentliche Standpunkte durch ihre Predigten zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017).
Quellen:
-
al Jazeera (20.10.2017): Deadly attacks hit mosques in Kabul and Ghor,
http://www.aljazeera.com/news/2017/10/dozens-feared-dead-attacks-afghanistan-171020142936566.html, Zugriff 20.12.2017
-
BBC (31.10.2017): Kabul Green Zone attacked by suicide bomber, http://www.bbc.com/news/world-asia-41819850, Zugriff 20.12.2017
-
BBC (21.10.2017): Afghan suicide mosque attacks kill scores of worshippers, http://www.bbc.com/news/world-asia-41699320, Zugriff 20.12.2017
-
BS - Business Standard (24.11.2017): Key Haqqani network leader among dozens killed in Afghanistan, http://www.business-standard.com/article/news-ani/key-haqqani-network-leader-among-dozens-killed-in-afghanistan-117112400292_1.html, Zugriff 21.12.2017
-
Guardian (7.11.2017): Kabul TV station defiantly resumes broadcasting moments after Isis attack ends, https://www.theguardian.com/world/2017/nov/07/gunmen-attack-kabul-tv-station-after-explosion, Zugriff 20.12.2017
-
Handelsblatt (20.12.2017): Afghanistan stürzt in politische Krise, http://www.handelsblatt.com/politik/international/gouverneurs-abloesung-afghanistan-stuerzt-in-politische-krise/20759742.html, Zugriff 21.12.2017
-
KUNA - Kuwait News Agency (15.12.2017): Security operations kill 12 rebels in Afghanistan,
http://www.kuna.net.kw/ArticleDetails.aspx?id=2669249&language=en, Zugriff 21.12.2017
-
Independent (20.10.2017): Kabul attack: Isis claims responsibility for Shia mosque suicide bombing killing at least 30 in Afghan capital,
http://www.independent.co.uk/news/world/middle-east/kabul-attack-latest-update-shia-mosque-suicide-bomb-kills-death-afghanistan-capital-prayers-a8011466.html, Zugriff 20.12.2017
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Politische Lage:
Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).
Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9.2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017).
Parlament und Parlamentswahlen
Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9.2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.1.2017).
Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.4.2016, vgl. auch: CRS 12.1.2017).
Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50 % mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25 % im Parlament und über 30 % in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.4.2016).
Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellsch