TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/21 W244 2181545-1

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Veröffentlicht am 21.06.2019
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Entscheidungsdatum

21.06.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W244 2181545-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Verena JEDLICZKA-MESSNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.12.2017, Zl. 1081762607-151053024, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der zum damaligen Zeitpunkt minderjährige Beschwerdeführer stellte am 10.08.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er u.a. an, afghanischer Staatsangehöriger, im Iran geboren und aufgewachsen und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken zu sein.

Am 02.11.2017 wurde der nunmehr volljährige Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes führte der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf das Wesentliche zusammengefasst aus, im Iran aufgrund seiner Herkunft diskriminiert und schikaniert worden zu sein.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit im Spruch genanntem Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Weiters wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Schließlich sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Der zum damaligen Zeitpunkt minderjährige und ledige Beschwerdeführer stellte am 10.08.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.02.2019, Zl. W138 2211130-1, wurde der Mutter des Beschwerdeführers, XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt und ausgesprochen, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt in Verbindung mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.02.2019, Zl. W138 2211130-1. Dass es sich bei XXXX um die Mutter des Beschwerdeführers handelt, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Familienangehörigen in der Erstbefragung (AS 1) und in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (AS 71).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten:

3.1.1. §§ 2 und 34 AsylG 2005 lauten auszugsweise:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

[...]

22. Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat;

dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat;

[...]"

"Familienverfahren im Inland

§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

3.1.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 29.04.2019, Ra 2018/20/0031, klargestellt, dass, auch wenn in § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 nicht ausdrücklich auf den "Zeitpunkt der Antragstellung" hingewiesen wird, sich aus den Materialien (der Novelle BGBl. I Nr. 122/2009) zu § 34 Abs. 6 AsylG 2005 (RV 330 BlgNR 24. GP, 24) keine Hinweise darauf ergeben, dass der Begriff "Familienangehöriger" innerhalb des § 34 AsylG 2005 unterschiedlich ist und insbesondere der in § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 verwendete Begriff des "minderjährigen ledigen Kindes" als "Familienangehöriger" nicht im Sinn der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 zu verstehen wäre.

3.1.3. Für den vorliegenden Beschwerdefall bedeutet dies, dass der im Antragszeitpunkt minderjährige (und ledige) Beschwerdeführer als Familienangehöriger seiner Mutter anzusehen ist, sodass die Bestimmungen des Familienverfahrens umfänglich anzuwenden sind. In einem solchen Fall schließt § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 eine nach den Bestimmungen des Familienverfahrens erfolgte Zuerkennung des Status der Asylberechtigten an die Mutter nicht aus, dass auch der Beschwerdeführer wiederum im Weg des Familienverfahrens der Status des Asylberechtigten in Ableitung von seiner Mutter zuerkannt werden kann (vgl. nochmals VwGH 29.04.2019, Ra 2018/20/0031).

Da im vorliegenden Fall folglich ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 bezüglich der Verfahren des Beschwerdeführers und seiner Mutter vorliegt und der Mutter des Beschwerdeführers mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.02.2019, Zl. W138 2211130-1, der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist auch dem Beschwerdeführer als deren im Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriger und lediger Sohn der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, zumal keine Sachverhaltselemente, die unter einen der Tatbestände des § 34 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 zu subsumieren wären, erkennbar sind.

3.1.4. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 30.04.2018, Ra 2017/01/0418, ausdrücklich ausgesprochen, dass dem Gesetzgeber dann, wenn einem Familienangehörigen - aus welchen Gründen auch immer - ohnedies der Status der Asylberechtigten zu gewähren ist, nicht unterstellt werden kann, er habe darüber hinaus vorgesehen, dass auch in diesem Fall eigene Fluchtgründe zu prüfen wären; dies würde der vom Gesetzgeber ausdrücklich angeführten Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband entgegenstehen. Es kann daher im vorliegenden Fall dahin gestellt bleiben, ob dem Beschwerdeführer auch aufgrund eigener Fluchtgründe der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen wäre.

3.1.5. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.1.6. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz vor dem 15.11.2015 gestellt wurden; die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 finden daher gemäß § 75 Abs. 24 leg.cit. im vorliegenden Fall keine Anwendung.

3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. insbesondere VwGH 29.04.2019, Ra 2018/20/0031; 24.10.2018, Ra 2018/14/0040 bis 0044); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W244.2181545.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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