TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/24 W207 2217572-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.06.2019
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Entscheidungsdatum

24.06.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W207 2217572-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den KOBV - Der Behindertenverband für Wien, Nö und Bgld, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 21.02.2019, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 42 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) und § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen idgF abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin ist seit 22.08.2014 Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 60 v.H. Die Ausstellung dieses Behindertenpasses erfolgte auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens vom 07.07.2014, in dem auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung die Funktionseinschränkungen 1. "Knietotalendoprothese beidseits", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 40 v.H. nach der Positionsnummer 02.05.21 der Anlage der Einschätzungsverordnung, 2. "Hüfttotalendoprothese rechts, Hüftgelenksarthrose links", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 30 v.H. nach der Positionsnummer 02.05.08 der Anlage der Einschätzungsverordnung, 3. "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 30 v.H. nach der Positionsnummer 02.01.02 der Anlage der Einschätzungsverordnung und 4. "In Streckstellung versteiftes Großzehengrundgelenk rechts", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 10 v.H. nach der Positionsnummer 02.05.38 der Anlage der Einschätzungsverordnung, festgestellt wurden. Betreffend den festgestellten Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, dass das führende Leiden 1 durch die Leiden 2 und 3 um je eine Stufe erhöht werde. In diesem Gutachten wurde außerdem ausgeführt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.02.2015, W200 2015492-1/4E, wurde eine Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 08.04.2014, welche auf die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung als 60 v.H. abzielte, rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

Im Akt befindet sich eine von der Beschwerdeführerin gezeichnete Vollmacht vom 24.07.2018 zugunsten des KOBV - Der Behindertenverband für Wien, Nö und Bgld.

Mit Schreiben vom 01.08.2018, bei der belangten Behörde eingelangt am 03.08.2018, stellte die Beschwerdeführerin im Wege ihrer Rechtsvertretung beim Sozialministeriumsservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass und auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis für Menschen mit Behinderungen). Diesem Antrag legte die Beschwerdeführerin ein Konvolut an medizinischen Unterlagen bei.

Mit Schreiben vom 16.08.2018 wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde aufgefordert, einen aktuellen Visusbefund nachzureichen. Am 06.09.2018 langte ein entsprechender Befund bei der belangten Behörde ein.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung vom 24.01.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 26.11.2018, ein. In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wurde - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:

"...

Anamnese:

Unfallchirurgisches Sachverständigengutachten von Dr. K. vom 7. Juli 2014: Knietotalendoprothese beidseits 40 %, Hüfttotalendoprothese beidseits 30 %, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule 30 %, versteiftes Großzehengrundgelenk rechts 10 %. Gesamtgrad der Behinderung 60 %.

Derzeitige Beschwerden:

Die AW könne nichts tragen, habe sich 2015 die rechte Schulter luxiert nach Sturz, ein Jahr später seien 2 Sehnen im rechten Schultergelenk gerissen, eine Operation sei damals nicht durchgeführt worden. Eine Physiotherapie sei nach dem Unfall durchgeführt worden, seither nicht mehr. Die linke Schulter schmerze auch aufgrund einer Überlastung wegen Schonung der rechten Schulter. Sonst habe sie keine Beschwerden. Die Anreise heute erfolgte mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie würde sehr gerne mit dem Auto fahren.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Euthyrox, Lutamax.

Sozialanamnese:

Verwitwet, lebt alleine, 3 erwachsene Kinder. AW wohnt in einer Wohnung im Erdgeschoss, 6 Stufen müsse sie überwinden. Kein Pflegegeld.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Entlassungsbericht XXX vom 8. Mai 2015: Hallux rigidus rechts, Keller Brandes rechts mit Tenolyse am 5. Mai 2015, postoperativer Verlauf unauffällig.

Augenärztlicher Befund vom 11. Juni 2015: Presbyopie rechts, Astigmatismus rechts, links Astigmatismus, Drusen, AMD, seniler Katarakt, Visus rechts 0,2, links 0,6.

Arztbrief Augen vom 13. August 2015: Katarakt-Operation rechts am 13. August 2015. Arztbrief Augen vom 28.08.2015: CNV beidseits, Maculablutung rechts, Avastin Injektion am 28. August 2015.

Orthopädie und Traumatologie, Ambulanzkarte vom 4. Juli 2016: Lux. omi dext. cum fract. fac. glenoid., Reposition, konservativer Therapieversuch mittels Gilchrist gestartet.

Magnetresonanztomographie der rechten Schulter vom 24. Mai 2017:

chronisches Impingement, Verschmälerung des subacromialen Raumes, Zustand nach kompletter Ruptur der Supraspinatussehne- und subscapularissehne mit Retraktion, muskuläre Teilatrophie am Muskulus supraspinatus, Omarthrose und Humeruskopfhochstand, Gelenkserguss.

Orthopädische Ambulanzkarte vom 3. Mai 2017: Omarthrosis rechts, Verletzung des rechten Oberarmes beim Reinigen des Badezimmers.

Therapie: Schonung, MRT-Kontrolle.

Universitätsklinik für Augenheilkunde vom 31.08.2018: Kontrolle bei AMD, Z.n. Katarakt Operation rechts 8/2015, Z.n. Multiple IVOMs beidseits, zuletzt rechts 5/2018. Visus: 0,1 p rechts, 0,5 links.

Diagnosen: AMD beidseits, Pseudophakie rechts, okkulte CNV links.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

gut

Größe: 170,00 cm Gewicht: kg Blutdruck: 145/70

Klinischer Status - Fachstatus:

Aus- und Ankleiden erfolgt selbstständig, Aufstehen und Lagewechsel selbständig möglich, Gewicht: könne sie nicht sagen, sie sei zu schwer laut eigener Aussage, EZ: gut,

Caput: ua., keine Lippenzyanose,

keine Halsvenenstauung,

Cor: reine Herztöne, rhythmische Herzaktion,

Pulmo: V.A., sonorer KS, Basen atemversch., keine Sprechdyspnoe, keine maßgebliche Kurzatmigkeit bei Bewegungsprüfung im Untersuchungszimmer,

Abdomen: weich, keine Druckpunkte, keine path. Resistenzen palp., Leber am Ribo palp., Milz n.p., Darmgeräusche normal und unauffällig, Nierenlager bds. frei,

HWS: Kopfdrehung und -seitneigung: nach rechts und links, Inkl. und Rekl. frei,

BWS: gerade, LWS: Rumpfdrehung und -seitneigung endlagig eingeschränkt,

Extremitäten:

OE: Schultergelenk rechts: Armvorheben und -seitheben 90°,

Schultergelenk links: Armvorheben und -seitheben 120°, Nacken- und Schürzengriff beidseits frei durchführbar, Muskulatur an beiden Schultern insgesamt äußerlich unauffällig, kein maßgeblicher Schultertiefstand,

Ellenbogengelenk rechts: Beugung und Streckung frei,

Ellenbogengelenk links: Beugung und Streckung frei,

Handgelenke frei beweglich, Fingergelenke bds. frei, Daumengelenke bds. frei,

Faustschluß bds. komplett durchführbar, Zangengriff bds. durchführbar, Greif- und Haltefunktion beidseits unauffällig, Kraft beider Hände seitengleich unauffällig,

UE: Hüftgelenk rechts: Flexion 110°, Abd. und Add.

altersentsprechend frei,

Hüftgelenk links: Flexion 110°, Abduktion endlagig eingeschränkt und Adduktion frei, Kniegelenk rechts: Beugung 95°, Streckung frei, bandstabil,

Kniegelenk links: Beugung 95°, Streckung frei, bandstabil, blande Narbe beider Kniegelenke, blande Narbe rechtes Hüftgelenk,

Sprunggelenk rechts: frei, Sprunggelenk links: frei,

rechte Großzehe versteift, sonstige Gelenke altersentsprechend frei,

Fußheben und -senken bds. durchführbar,

1-Beinstand bds. durchführbar,

Hocke sei laut AW nicht möglich,

beide UE können von der Unterlage abgehoben werden, rechts 50°, links 75°,

Bein- und Fußpulse bds. palp.,

Venen: verstärkte Venenzeichnung, Ödeme: keine

Stuhl: unauffällig, Harnanamnese: unauffällig

Gesamtmobilität - Gangbild:

unauffälliges Gangbild, gering verlangsamt, flüssig, sicher, ein Schirm wird rechts getragen, Schirm wird fallweise wie ein Stock am Boden abgesetzt, Gehen im Untersuchungszimmer ohne Schirm sicher und unauffällig möglich. Aufstehen aus sitzender und liegender Körperhaltung selbstständig und unauffällig möglich. Freies Stehen unauffällig möglich, Konfektionsschuhe.

Status Psychicus:

klar, wach, in allen Qualitäten orientiert, keine Denkstörungen, Denkziel wird erreicht, Stimmung ausgeglichen, Kommunikation gut und unauffällig möglich.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Knietotalendoprothese beidseits

2

Hüfttotalendoprothese rechts, degenerative Veränderungen des linken Hüftgelenks

3

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

4

In Streckstellung versteiftes Großzehengrundgelenk rechts

5

Funktionseinschränkung beider Schultergelenke

6

Einschränkung des Sehvermögens beider Augen

Stellungnahme zu

gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Im Vergleich zum Vorgutachten dokumentiert ist eine Einschränkung des Sehvermögens an beiden Augen bei Visus rechts von 0,1 p sowie einem Visus links von 0,5. Zudem lassen sich im Rahmen der klinischen Untersuchung Funktionseinschränkungen der Schultergelenke bei Zustand nach Trauma objektivieren. Hinsichtlich der übrigen Leiden lassen sich keine maßgeblichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten objektivieren.

[X] Dauerzustand

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Im Rahmen der klinischen Untersuchung stellen sich ein guter Allgemeinzustand und ein guter Ernährungszustand dar. Erhebliche funktionelle Einschränkungen der Gelenke der unteren Extremitäten liegen nicht vor. Erhebliche funktionelle Einschränkungen der Wirbelsäulenfunktion lassen sich nicht erheben. Maßgebliche motorische Defizite bzw. Lähmungserscheinungen bestehen nicht. Das Gangbild stellt sich ohne Verwendung eines Hilfsmittels gering verlangsamt, jedoch insgesamt unauffällig und sicher dar. Bei mittelgradigen funktionellen Einschränkungen des rechten Schultergelenks und geringgradigen funktionellen Einschränkungen des linken Schultergelenks stellt sich die Greif-und Haltefunktion an beiden Händen als uneingeschränkt und gut dar. Erhebliche kardiopulmonale Funktionseinschränkungen lassen sich nicht erheben und sind nicht dokumentiert. Ein psychisches Leiden, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf erhebliche Weise erschwert, liegt nicht vor. Das dokumentierte Sehleiden erreicht kein Ausmaß, welches die sichere Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf erhebliche Weise erschwert. Zusammenfassend ist das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300-400 m, das Überwinden von Niveauunterschieden, das Be- und Entsteigen und die sichere Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht auf erhebliche Weise erschwert.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Eine schwere und anhaltende Erkrankung des Immunsystems liegt nicht vor.

Gutachterliche Stellungnahme:

Die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" liegen derzeit nicht vor (siehe oben).

..."

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 24.01.2019 wurde die Beschwerdeführerin über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt, das eingeholte Gutachten vom 24.01.2019 wurde der Beschwerdeführerin mit diesem Schreiben übermittelt. Der Beschwerdeführerin wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben.

Die Beschwerdeführerin brachte im Wege ihrer Rechtsvertretung am 13.02.2019 eine Stellungnahme folgenden Inhalts ein:

"...

Das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens entspricht nicht dem tatsächlichen Leidenszustand der AW. Die AW kann keinesfalls weitere Wegstrecken zurücklegen. Dies aufgrund der massiven orthopädischen Beschwerden wie unter den lfd. Nr. 1-5 im Gutachten der belangten Behörde angeführt. Weiters leidet die AW an einem Zwerchfellhochstand und aufgrund dessen an Atemnot bei geringster Belastung. Dadurch benötigt sie nach kürzesten Wegstrecken bereits Pausen.

Im Rahmen des ärztlichen Beweisverfahrens wurden diese Gesundheitsschädigungen nicht ausreichend berücksichtigt.

Beweis:

* nachzureichender Befund

* Einholung eines orthopädischen Gutachtens

* Einholung eines lungenfachärztlichen Gutachtens

Aufgrund der Schwere der gesundheitlichen Beeinträchtigungen, kann von der AW eine Wegstrecke von 300 bis 400m nicht mehr zurückgelegt werden.

Es wird beantragt, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nach Einholung der beantragten Gutachten einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen und festzustellen, dass bei der AW die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gegeben sind.

..."

Dieser Stellungnahme wurden keine medizinische Unterlagen beigelegt.

Aufgrund dieser Stellungnahme holte die belangte Behörde eine Stellungnahme des medizinischen Sachverständigen, welcher das Gutachten vom 24.01.2019 erstellt hatte, vom 21.02.2019 ein. In dieser Stellungnahme führt der sachverständige Gutachter Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - aus:

"...

Die AW erhebt Einspruch gegen das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens. Sie könne aufgrund der massiven orthopädischen Beschwerden keinesfalls weitere Wegstrecken zurücklegen.

Weiters leide die AW an einem Zwerchfellhochstand und aufgrund dessen an Atemnot bei geringster Belastung. Dadurch benötige sie nach kürzesten Wegstrecken bereits Pausen.

Aufgrund der Schwere der gesundheitlichen Beeinträchtigungen, kann von der AW eine Wegstrecke von 300 bis 400m nicht mehr zurückgelegt werden.

Bei gutem Allgemeinzustand konnte im Rahmen der klinischen Untersuchung am 26.11.2018 ein gering verlangsamtes, jedoch ohne Hilfsmittelverwendung flüssiges und sicheres Gangbild objektiviert werden. Erhebliche funktionelle Einschränkungen der Gelenke der unteren Extremitäten lagen nicht vor. Die Wirbelsäule zeigte geringe Funktionseinschränkungen bei Fehlen maßgeblicher motorischer Defizite oder Lähmungen. Bei mittelgradigen funktionellen Einschränkungen des rechten Schultergelenks und geringgradigen funktionellen Einschränkungen des linken Schultergelenks stellte sich die Greif- und Haltefunktion an beiden Händen als uneingeschränkt und gut dar. Hinsichtlich Herz- und Lungenfunktion ließen sich keine erheblichen Funktionseinschränkungen objektivieren, auch sind diese befundmäßig nicht belegt. Eine lungenärztliche Medikation bzw. eine medikamentöse Therapie zur Behandlung von Herz-Kreislauferkrankungen ist nicht etabliert. Eine periphere arterielle Verschlußerkrankung der unteren Extremitäten ist nicht dokumentiert und lässt sich nicht erheben. Das Sehleiden erreicht kein Ausmaß, welches die sichere Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf erhebliche Weise erschwert. Zusammenfassend ergeben sich keine Änderungen der Einschätzung. Auch wurden keine Befunde vorgelegt, welche eine Änderung bewirken würden. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" liegen derzeit nicht vor."

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 21.02.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 03.08.2018 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten eingeholt worden sei. Nach diesem Gutachten würden die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden. Das eingeholte Gutachten vom 24.01.2019 und die eingeholte Stellungnahme vom 21.02.2019 wurden der Beschwerdeführerin als Beilage gemeinsam mit dem Bescheid übermittelt.

Ein formaler bescheidmäßiger Abspruch über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis) erfolgte durch das Sozialministeriumservice nicht.

Die Beschwerdeführerin brachte im Wege ihrer Rechtsvertretung am 03.04.2019 fristgerecht eine Beschwerde folgenden Inhalts gegen den Bescheid vom 21.02.2019 ein:

"...

Dieser Bescheid ist rechtswidrig. Dazu wird nachstehendes ausgeführt:

Nach Ansicht der belangten Behörde liegen die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung aufgrund des eingeholten allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 26.11.2018 nicht vor. Dieses Gutachten ist jedoch nicht ausreichend zur Beurteilung des orthopädischen Beschwerdebildes. Die Beschwerdeführer leidet an einem Zustand nach Knietotalendoprothese beidseits, Zustand nach Hüfttotalendoprothese beidseits, schweren degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, versteiftem Zehengrundgelenk rechts sowie Schulterschädigung beidseits. Die multiplen Schädigungen führen dazu, dass die Gehstrecke aufgrund der auftretenden Schmerzen und der Sensibilitätsstörungen im Bereich der unteren Extremitäten stark eingeschränkt ist. Wie aus dem vorgelegten MRT-Befund vom Mai 2017 hervorgeht, liegt eine höhergradige Schädigung des rechten Schultergelenkes mit Komplettruptur der Supraspinatus- und Subscapularissehne sowie eine muskuläre Teilatrophie vor. Der rechte Arm ist daher nur eingeschränkt beweglich. Auch bestehen Einschränkungen im Bereich des linken Schultergelenkes. Dies führt dazu, dass ein Einsteigen in öffentlichen Verkehrsmitteln bzw. ein Anhalten nur schwer möglich ist. Würde die Beschwerdeführerin daher in einem öffentlichen Verkehrsmittel keinen Sitzplatz bekommen, hätte sie nicht die Möglichkeit, bei einem stärkeren Abbremsen oder einer Notbremsung sich ausreichend sicher fest anzuhalten und ist eine erhöhte Verletzungsgefahr in einem solchen Fall für die Beschwerdeführerin gegeben.

Das eingeholte allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten würdigt diese Umstände nicht in ausreichender Weise und wäre daher ein orthopädisches Fachgutachten notwendig gewesen.

Beweis:

* bereits aufliegende Befunde

* Durchführung einer mündlichen Verhandlung

* einzuholendes Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der

¿ Orthopädie

Bei Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung gegeben sind.

Beweis:

* w.o.

Aus genannten Gründen stellt die Beschwerdeführerin die

ANTRÄGE

1. Das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde Folge geben, den erstinstanzlichen Bescheid aufheben und feststellen, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen.

2. In eventu, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Name der Beschwerdeführerin"

Der Beschwerde ist eine von der Beschwerdeführerin gezeichnete Vollmacht vom 13.03.2019 zugunsten des KOBV - Der Behindertenverband für Wien, Nö und Bgld beigelegt, der Beschwerde wurden keine neuen medizinischen Unterlagen beigelegt.

Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 16.04.2019 zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 60 v.H.

Die Beschwerdeführerin stellte am 03.08.2018 beim Sozialministeriumservice den gegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.

Die Beschwerdeführerin leidet unter folgenden im Zusammenhang mit der Frage der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel relevanten Funktionseinschränkungen:

* Knietotalendoprothese beidseits

* Hüfttotalendoprothese rechts, degenerative Veränderungen des linken Hüftgelenks

* Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

* In Streckstellung versteiftes Großzehengrundgelenk rechts

* Funktionseinschränkung beider Schultergelenke

* Einschränkung des Sehvermögens beider Augen

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin zumutbar.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Befundungen und Beurteilungen im oben wiedergegebenen medizinischen Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 24.01.2019 bzw. die Beurteilungen in der ergänzenden Stellungnahme vom 21.02.2019 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Vorliegen eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 60 v.H. sowie zur gegenständlichen Antragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zu den vorliegenden Funktionseinschränkungen und die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" führt, gründen sich auf das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 24.01.2019, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 26.11.2018, und auf die ergänzend von der belangten Behörde eingeholte Stellungnahme dieses Arztes für Allgemeinmedizin vom 21.02.2019. Unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen und nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin wurde vom medizinischen Sachverständigen auf Grundlage der zu berücksichtigenden und unbestritten vorliegenden Funktionseinschränkungen festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für die Beschwerdeführerin zumutbar ist.

Der medizinische Sachverständige gelangte unter den von ihm geprüften Gesichtspunkten zu dem Schluss, dass bei der Beschwerdeführerin bei Bestehen eines guten Allgemeinzustandes im Rahmen der klinischen Untersuchung am 26.11.2018 ein gering verlangsamtes, jedoch ohne Hilfsmittelverwendung flüssiges und sicheres Gangbild objektiviert werden konnte. Erhebliche funktionelle Einschränkungen der Gelenke der unteren Extremitäten lagen nicht vor. Die Wirbelsäule zeigte geringe Funktionseinschränkungen bei Fehlen maßgeblicher motorischer Defizite oder Lähmungen. Bei mittelgradigen funktionellen Einschränkungen des rechten Schultergelenks und geringgradigen funktionellen Einschränkungen des linken Schultergelenks stellte sich die Greif- und Haltefunktion an beiden Händen als uneingeschränkt und gut dar. Hinsichtlich Herz- und Lungenfunktion ließen sich keine erheblichen Funktionseinschränkungen objektivieren, auch sind diese befundmäßig nicht belegt. Eine lungenärztliche Medikation bzw. eine medikamentöse Therapie zur Behandlung von Herz-Kreislauferkrankungen ist nicht etabliert. Eine periphere arterielle Verschlusserkrankung der unteren Extremitäten ist nicht dokumentiert und lässt sich nicht erheben. Das Sehleiden erreicht kein Ausmaß, welches die sichere Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf erhebliche Weise erschwert.

Diese Schlussfolgerungen des medizinischen Sachverständigen finden insbesondere Bestätigung in seinen Aufzeichnungen zur persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 26.11.2018 im Rahmen der (oben wiedergegebenen) Statuserhebung zu den oberen und unteren Extremitäten bzw. zur Gesamtmobilität und zum Gangbild ("...

Extremitäten: OE: Schultergelenk rechts: Armvorheben und -seitheben 90°, Schultergelenk links: Armvorheben und -seitheben 120°, Nacken- und Schürzengriff beidseits frei durchführbar, Muskulatur an beiden Schultern insgesamt äußerlich unauffällig, kein maßgeblicher

Schultertiefstand, Ellenbogengelenk rechts: Beugung und Streckung frei, Ellenbogengelenk links: Beugung und Streckung frei, Handgelenke frei beweglich, Fingergelenke bds. frei, Daumengelenke bds. frei, Faustschluß bds. komplett durchführbar, Zangengriff bds. durchführbar, Greif- und Haltefunktion beidseits unauffällig, Kraft beider Hände seitengleich unauffällig, UE: Hüftgelenk rechts:

Flexion 110°, Abd. und Add. altersentsprechend frei, Hüftgelenk links: Flexion 110°, Abduktion endlagig eingeschränkt und Adduktion frei, Kniegelenk rechts: Beugung 95°, Streckung frei, bandstabil,

Kniegelenk links: Beugung 95°, Streckung frei, bandstabil, blande Narbe beider Kniegelenke, blande Narbe rechtes Hüftgelenk,

Sprunggelenk rechts: frei, Sprunggelenk links: frei, rechte Großzehe versteift, sonstige Gelenke altersentsprechend frei, Fußheben und -senken bds. durchführbar, 1-Beinstand bds. durchführbar, Hocke sei laut AW nicht möglich, beide UE können von der Unterlage abgehoben werden, rechts 50°, links 75°, Bein- und Fußpulse bds. palp., Venen:

verstärkte Venenzeichnung, Ödeme: keine; Gesamtmobilität - Gangbild:

unauffälliges Gangbild, gering verlangsamt, flüssig, sicher, ein Schirm wird rechts getragen, Schirm wird fallweise wie ein Stock am Boden abgesetzt, Gehen im Untersuchungszimmer ohne Schirm sicher und unauffällig möglich. Aufstehen aus sitzender und liegender Körperhaltung selbstständig und unauffällig möglich. Freies Stehen unauffällig möglich, Konfektionsschuhe. ..."). Daraus ergibt sich, auch bestätigt durch die von der Beschwerdeführerin im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen, dass bei der Beschwerdeführerin zwar durchaus nicht unbeträchtliche Funktionseinschränkungen vorliegen, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren, dass aber die von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde vorgebrachten, subjektiv empfundenen und im Übrigen in keiner Weise näher konkretisierten Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht in entsprechendem Ausmaß - im Sinne des Vorliegens erheblicher Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit nach dem Maßstab des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen - objektiviert werden konnten. Dies gilt insbesondere auch für das Vorbringen in der Beschwerde, der Beschwerdeführerin sei ein sicheres Einsteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel bzw. ein Anhalten nur schwer möglich.

Sämtliche in der Beschwerde aufgezählten, bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Leiden (Zustand nach Knietotalendoprothese beidseits, Zustand nach Hüfttotalendoprothese beidseits, schwere degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, versteiftes Zehengrundgelenk rechts sowie Schulterschädigung beidseits) wurden im Rahmen der Erstellung des medizinischen Sachverständigengutachtens vom 24.01.2019 berücksichtigt (vgl. Sachverständigengutachten vom 24.01.2019, S. 4).

Insoweit in der Beschwerde ausgeführt wird, dass die multiplen Schädigungen dazu führen würden, dass die Gehstrecke aufgrund der auftretenden Schmerzen und der Sensibilitätsstörungen im Bereich der unteren Extremitäten bei der Beschwerdeführerin stark eingeschränkt sei, ist auf die diesbezüglichen Ausführungen des beigezogenen Sachverständigen nach einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 26.11.2018 zu verweisen; dieses Vorbringen vermochte durch die Ergebnisse der persönlichen Untersuchung in der von der Beschwerdeführerin dargestellten Intensität nicht objektiviert zu werden. Die Einschätzung des Sachverständigen, dass bei der Beschwerdeführerin ein gering verlangsamtes, jedoch ohne Hilfsmittelverwendung flüssiges und sicheres Gangbild objektiviert werden konnte, ist nicht zu beanstanden. Insbesondere gab die Beschwerdeführerin bei ihrer persönlichen Untersuchung keine Probleme im Bereich der unteren Extremitäten an und wurden solche auch nicht durch die Vorlage entsprechender Befunde dargetan.

Im Rahmen ihrer persönlichen Untersuchung am 26.11.2018 durch den beigezogenen medizinischen Sachverständigen führte die Beschwerdeführerin unter dem Punkt "Derzeitige Beschwerden" aus, dass ihre linke Schulter schmerze, dies aufgrund einer Überlastung wegen Schonung der rechten Schulter. Betreffend die vorgebrachten Schmerzen in der linken Schulter hielt der Gutachter fest, dass sich bei mittelgradigen funktionellen Einschränkungen des rechten Schultergelenks und geringgradigen funktionellen Einschränkungen des linken Schultergelenks die Greif- und Haltefunktion an beiden Händen als uneingeschränkt und gut darstelle. Die diesbezügliche Einschätzung durch den Sachverständigen ist nicht zu monieren, in diesem Zusammen ist insbesondere festzuhalten, dass der in der Beschwerde angeführte MRT-Befund vom Mai 2017 bei der Erstellung des Sachverständigengutachtens vom 24.01.2019 entsprechend berücksichtigt wurde (vgl. Sachverständigengutachten vom 24.01.2019, S. 2).

Hinsichtlich der bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Auswirkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel tätigte die Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom 13.02.2019 bzw. in der Beschwerde vom 03.04.2019 daher kein ausreichend konkretes und belegtes Vorbringen, das die Beurteilungen des medizinischen Sachverständigen vom 24.01.2019 bzw. 21.02.2019 entkräften hätte können; sie legte ihrer Stellungnahme bzw. der Beschwerde auch keine weiteren Befunde bei, die geeignet wären, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden im Sinne nachhaltiger, zumindest sechs Monate dauernder Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates zu belegen bzw. eine wesentliche Verschlimmerung bestehender Leiden zu dokumentieren und damit das Vorliegen erheblicher Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.

Die Beschwerdeführerin ist dem eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten bzw. der ergänzend eingeholten Stellungnahme in der Beschwerde daher im Ergebnis nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen daher keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin beruhenden medizinischen Sachverständigengutachtens eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 24.01.2019 bzw. an dessen ergänzender Stellungnahme vom 21.02.2019 und werden daher diese Gutachten in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"§ 1 ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes

a)...

b)...

...

2. ...

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)..."

In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, StF: BGBl. II Nr. 495/2013, wird betreffend § 1 Abs. 2 Z 3 (in der Stammfassung) unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall in Betracht kommend - Folgendes ausgeführt:

"§ 1 Abs. 2 Z 3:

...

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

...

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-

Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

-

hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-

schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

-

nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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