Entscheidungsdatum
24.06.2019Norm
BBG §40Spruch
W133 2214219-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , gegen den als Bescheid geltenden Behindertenpass des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 03.12.2018, nach Beschwerdevorentscheidung vom 28.01.2019, betreffend die Höhe der Festsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Ein erster Antrag des Beschwerdeführers vom 10.02.2010 auf Ausstellung eines Behindertenpasses wurde mit Bescheid des Bundessozialamtes vom 17.08.2010 abgewiesen, da der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 40% betrug.
Der Beschwerdeführer stellte am 01.08.2018 einen neuerlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet), und legte medizinische Unterlagen vor.
Die belangte Behörde holte in der Folge zunächst ein medizinisches Sachverständigengutachten der Fachrichtung Allgemeinmedizin vom 30.11.2018 ein, worin nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 50% medizinisch festgestellt wurde.
Die belangte Behörde übermittelte in der Folge mit Schreiben vom 03.12.2018 einen bis 30.09.2023 befristeten Behindertenpass mit der Zusatzeintragung "Der Inhaber des Passes ist Träger einer Prothese", welchem Bescheidcharakter zukommt, an den Beschwerdeführer.
Mit E-Mailschreiben vom 27.12.2018 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den Behindertenpass, worin er einwendet, dass er dauerhaft arbeitsunfähig sei, jedoch im Gutachten festgehalten worden sei, dass er einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne. Weiters sei seine Zuckerkrankheit nicht berücksichtigt worden. Der Beschwerde legte er weitere medizinische Befunde und Unterlagen bei.
Im Rahmen eines Beschwerdevorentscheidungsverfahrens holte die belangte Behörde in der Folge auf Grund der erhobenen Einwendungen weitere Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde vom 10.01.2019, Allgemeinmedizin vom 23.01.2019 und ein, diese beiden Gutachten zusammenfassendes Gutachten der Allgemeinmedizinerin vom 24.01.2019 ein. In letzterem Gutachten stellte die Sachverständige einen Gesamtgrad der Behinderung von nunmehr 60% medizinisch fest.
Im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung stellte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 28.01.2019 einen, als Bescheid geltenden, bis 06/2023 befristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60% sowie den Zusatzeintragungen "Der Inhaber des Passes kann die Fahrpreisermäßigung nach dem BBG in Anspruch nehmen", "Gesundheitsschädigung gemäß §2 Abs. 1 erster Teilstrich der VO 303/1996" und "Der Inhaber des Passes ist Träger einer Prothese" aus.
Mit E-Mailschreiben des Beschwerdeführers vom 06.02.2019, welches die belangte Behörde als Vorlageantrag nach § 15 VwGVG wertete, erhob der Beschwerdeführer neuerlich Einwendungen gegen die jüngsten Gutachten.
Die belangte Behörde legte am 07.02.2019 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
Am 10.02.2019 legte der Beschwerdeführer eine medizinische Verordnung vor und wandte ein, er leide nun auch unter Harninkontinenz.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger und hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.
Er brachte zuletzt am 01.08.2018 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.
Bei dem Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
operiertes Adenokarzinom der Lingula des linken Lungenoberlappens 06/2018 unterer Rahmensatz, da derzeit kein Fortschreiten der Grunderkrankung nachweisbar
13.01.03
50
2
mittelgradige Hörstörung beidseits Tabelle Zeile 3/Kolonne 3 - eine Stufe über dem unteren Rahmensatz berücksichtigt die rezidivierenden Entzündungen des linken Ohres.
12.02.01
30
3
Rezidivierende Depression, Posttraumatische Belastungsstörung 2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da im Intervall stabilisierbar und stationären Aufenthalte an einer fachärztlichen Abteilung innerhalb der letzten 2 Jahre dokumentiert sind
03.06.01
30
4
Diabetes mellitus mittlerer Rahmensatz, da mittels oraler Medikation zufriedenstellende Blutzuckerwerte erzielt werden können.
09.02.01
20
5
Hüftkopfnekrose rechts, Zustand nach Hüfttotalendoprothese links unterer Rahmensatz, da nur endlagige Flexionsstörung des linken Hüftgelenkes beschrieben
02.05.08
20
6
Asthma bronchiale nach stattgehabtem Nikotinabusus oberer Rahmensatz, da ständiges Behandlungserfordernis ohne Dokumentation einer signifikanten Einschränkung der respiratorischen Leistungsreserven
06.05.01
20
Der führende Grad der Behinderung unter der Position 1 wird durch Leiden 2 um 1 Stufe erhöht, da dieses ein schwerwiegendes Sinnesleiden darstellt. Die weiteren Leiden erhöhen nicht weiter, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt und die Leiden 4 bis 6 gering ausgeprägt sind und daher keine erheblichen Funktionseinschränkungen bewirken.
Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 60 v. H.
Hinsichtlich der bei dem Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen in den Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde vom 10.01.2019, Allgemeinmedizin vom 23.01.2019 und dem, diese beiden Gutachten zusammenfassenden Gutachten der Allgemeinmedizinerin vom 24.01.2019 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.
Das von dem Beschwerdeführer erstattete Beschwerdevorbringen führt zu keiner geänderten Einschätzung. Die bestehenden Funktionseinschränkungen wurden in den vorliegenden Gutachten durch die vorgenommene medizinische Beurteilung korrekt berücksichtigt; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden beweiswürdigenden Ausführungen verwiesen.
Unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Ergebnisse im Gutachten ist eine höhere Einschätzung der festgestellten Leidenszustände zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich.
Das - trotz umfangreichem Ermittlungsverfahren der belangten Behörde - vom Beschwerdeführer erstmals nach Beschwerdevorlage behauptete Leiden einer Harninkontinenz durch Bettnässen unterliegt der im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht geltenden Neuerungsbeschränkung, weshalb es nicht berücksichtigt werden konnte.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergeben sich aus der im Akt aufliegenden Kopie der Meldebestätigung und seinen eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.
Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf den seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde vom 10.01.2019, Allgemeinmedizin vom 23.01.2019 und dem, diese beiden Gutachten zusammenfassenden Gutachten der Allgemeinmedizinerin vom 24.01.2019. In diesen Gutachten wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachter setzen sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden und dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den vorgelegten Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben nur auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen in den Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung auch richtig eingestuft. Der Beschwerdeführer ersuchte im Verfahren mehrmals, die Sachverständigengutachten nur auf Grund der Aktenlage zu erstellen, da er sich aufgrund seiner Einschränkungen nicht in der Lage sah, persönlich zu einer Untersuchung zu erscheinen.
Führendes Leiden des Beschwerdeführers ist der Zustand nach operiertem Adenokarzinom der Lingula des linken Lungenoberlappens 06/2018. Da derzeit kein Fortschreiten der Grunderkrankung nachweisbar ist, wurde dieses Leiden von der Sachverständigen korrekt dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 13.01.03 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet, welche Funktionseinschränkungen durch entfernte Malignome mit weiterführender Behandlungsnotwendigkeit innerhalb der fünfjährigen Heilungsbewährung betrifft. Diese Beurteilung entspricht auch den vorliegenden Befunden.
Auch das Leiden Nr. 2 "mittelgradige Hörstörung beidseits" wurde aufgrund des Umstandes, dass rezidivierende Entzündungen des linken Ohres vorliegen, korrekt der Positionsnummer 12.02.01, Tabelle Zeile 3/Kolonne 3 - eine Stufe über dem unteren Rahmensatz der Anlage zur Einschätzungsverordnung, welche eine mittelgradige Hörstörung beider Ohren betrifft, zugeordnet. Diese Beurteilung entspricht dem vorgelegten Tonaudiogramm.
Die rezidivierende Depression und Posttraumatische Belastungsstörung wurde unter Berücksichtigung des Umstandes, dass diese Funktionseinschränkung im Intervall stabilisierbar ist und stationäre Aufenthalte an einer fachärztlichen Abteilung innerhalb der letzten 2 Jahre dokumentiert sind, nachvollziehbar und richtig 2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, der Positionsnummer 03.06.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, welche Funktionseinschränkungen durch affektive Störungen mit sozialen Rückzugstendenzen betrifft, zugeordnet. Die von der Gutachterin gewählte Einstufung erweist sich somit auch unter Berücksichtigung des vom Beschwerdeführer am 18.01.2019 erstatteten Vorbringens, er könne auch aufgrund seiner psychischen Erkrankung unmöglich zu einer neuerlichen Untersuchung erscheinen, als nachvollziehbar und richtig.
Auch die beim Beschwerdeführer bestehende Diabetes mellitus - Erkrankung berücksichtigte die Sachverständige unter dem Leiden Nr. 4 und ordnete die daraus resultierenden Funktionseinschränkungen nachvollziehbar und richtig dem mittleren Rahmensatz der Positionsnummer 09.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zu, welche Funktionseinschränkungen durch einen nicht insulinpflichtigen Diabetes mellitus betrifft, da mittels oraler Medikation zufriedenstellende Blutzuckerwerte erzielt werden können.
Unter Leiden Nr. 5 berücksichtigte die Sachverständige die Hüftkopfnekrose rechts und den Zustand nach Hüfttotalendoprothese links und ordnete die daraus resultierenden Funktionseinschränkungen nachvollziehbar und richtig dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 02.05.08 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zu, welche Funktionseinschränkungen geringen Grades beider Hüftgelenke betrifft, da nur eine endlagige Flexionsstörung des linken Hüftgelenkes befundmäßig beschrieben ist.
Auch die Einstufung der Asthma-bronchiale-Erkrankung zum oberen Rahmensatz der Positionsnummer 06.05.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung unter Leiden Nr.6 erweist sich als nachvollziehbar und richtig. In dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Spirometrie-Befund vom 29.01.2018 wurde zusammenfassend ausdrücklich festgehalten, dass kein Hinweis auf eine Restriktion (=Einschränkung) vorliegt.
Wie bereits oben ausgeführt wurde, unterliegt das erstmals zeitlich nach Beschwerdevorlage behauptete Leiden einer Harninkontinenz durch Bettnässen der im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht geltenden Neuerungsbeschränkung, weshalb es nicht berücksichtigt werden konnte.
Dass die Gutachter die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers tatsachenwidrig beurteilt hätten, kann vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde nicht erkannt werden. Die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers wurden umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander nachvollziehbar und richtig berücksichtigt.
Die belangte Behörde hat - trotz des Umstandes, dass der Beschwerdeführer sich im Verfahren keiner persönlichen Untersuchung durch einen Sachverständigen unterziehen wollte - ein umfassendes und ordentliches Ermittlungsverfahren geführt und mehrere nachvollziehbare und vollständige Gutachten auf Basis der vorliegenden Befunde zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes eingeholt.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der Beschwerde ist somit nicht geeignet, die vorliegenden Sachverständigengutachten zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Der Beschwerdeführer ist dem Sachverständigengutachten im Rahmen der Beschwerde auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde vom 10.01.2019, Allgemeinmedizin vom 23.01.2019 und des, diese beiden Gutachten zusammenfassenden Gutachtens der Allgemeinmedizinerin vom 24.01.2019. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990 idF BGBl. I Nr. 59/2018, lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45.
(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
....
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."
Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung die vollständigen, schlüssigen und widerspruchsfreien Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde vom 10.01.2019, Allgemeinmedizin vom 23.01.2019 und das, diese beiden Gutachten zusammenfassende Gutachten der Allgemeinmedizinerin vom 24.01.2019 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 60 v. H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden in den Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen detaillierten Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen unsubstantiierten Einwendungen nicht geeignet, die vorliegenden aktuellen Gutachten zu entkräften. Es ist daher davon auszugehen, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt 60% beträgt.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60% sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, erfüllt, weshalb die Ausstellung des Behindertenpasses zu Recht erfolgte. Auch die Befristung ist nicht zu beanstanden, zumal die Sachverständige nachvollziehbar darlegte, dass hinsichtlich des Leidens Nr. 1 nach Ablauf der Heilungsbewährung eine Besserung und dadurch bedingte Absenkung des Leidens unter der Position 1 möglich ist.
Betreffend den Beschwerdeeinwand, dass der Beschwerdeführer in einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien aus dem Jahr 2018 auf Grund seiner Einschränkungen als dauerhaft arbeitsunfähig beurteilt worden sei, ist darauf hinzuweisen, dass die dortige Beurteilung nach den Bestimmungen des Mindestsicherungsgesetzes erfolgt war, wohingegen im vorliegenden Verfahren ein anderer Beurteilungsmaßstab nach den Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Einschätzungsverordnung heranzuziehen ist. Im vorliegenden Verfahren ist der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers zu ermitteln, welcher mit der nunmehr bestätigten Beurteilung von 60% ohnehin als hoch zu beurteilen ist.
Schließlich ist nochmals darauf hinzuweisen, dass für das Verfahren nach § 46 Bundesbehindertengesetz eine Neuerungsbeschränkung besteht, wonach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt jedoch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen und die Beschwerdevorentscheidung, welche in der Form eines neu ausgestellten Behindertenpasses erfolgte, zu bestätigen. Gemäß § 45 Abs. 2 BBG kommt dem ausgestellten Behindertenpass Bescheidcharakter zu.
Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Beide Parteien stellten zudem keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W133.2214219.1.00Zuletzt aktualisiert am
07.10.2019