TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/25 W175 2184846-1

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Veröffentlicht am 25.06.2019
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Entscheidungsdatum

25.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W175 2184846-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Neumann als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , afghanischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.01.2018, Zahl:

1105148801-160221759, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 11.02.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Bei einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 12.02.2016 gab der BF in Dari befragt an, afghanischer Staatsangehöriger, Hazara und Schiit zu sein. Er sei in der Provinz Ghazni geboren, minderjährig und ledig. Der BF konnte keine Unterlagen zum Nachweis seiner Identität vorlegen.

Er habe keine Schulausbildung und habe zuletzt als Schuhmacher in Pakistan gearbeitet, wo er im Kindesalter mit der Familie hingezogen sei und wo sich die Kernfamilie (Eltern, zwei Brüder, eine Schwester) nach wie vor aufhalte.

Nach seinem Fluchtgrund befragt gab er an, dass sein Vater seine Flucht organisiert und bezahlt habe, da die Lage in Quetta/Pakistan unsicher gewesen sei. Er habe Pakistan vor vier oder fünf Monaten verlassen und sei zu Fuß in den Iran gegangen, wo er sich drei bis vier Monate aufgehalten habe. Über andere Länder (Reisezeit etwa ein Monat) sei er nach Österreich gelangt. Der BF unterfertigte das Protokoll mit seinem Daumenabdruck.

2. Ein Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung vom 24.10.2016 ergab eine mögliche Minderjährigkeit des BF zum Zeitpunkt der Antragstellung, das sich daraus ergebende fiktive Geburtsdatum wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem weiteren Verfahren zu Grunde gelegt.

3. Am 14.12.2017 wurde der nunmehr volljährige BF durch das BFA im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari befragt. Er gab an, bisher die Wahrheit gesagt zu haben, die Rückübersetzung sei korrekt gewesen. Er spreche Dari, Farsi, Urdu und etwas Deutsch.

Das vorgehaltene Gutachten nahm der BF zur Kenntnis, seine Geburt sei im Koran vermerkt worden, er habe das ihm bekannte Datum angegeben.

Er sei in Ghazni geboren und 2003 nach Pakistan gezogen. Vor seiner Reise nach Österreich Ende 2016 habe er sich noch drei Monate im Iran aufgehalten.

Er sei Hazara und Schiit, derzeit besuche er die protestantische Kirche in Österreich. Er gehe keiner Arbeit nach, da es keine Möglichkeit gebe und sei in der Grundversorgung.

Der Vater sei in Afghanistan in der Landwirtschaft tätig gewesen, in Pakistan habe er als Hausmeister gearbeitet und die Familie versorgt. Ein Bruder arbeite in einem Kleidungsgeschäft. Die Eltern hätten Afghanistan aufgrund der allgemein schlechten Sicherheitslage verlassen. Er könne nichts über Afghanistan sagen, da er bei der Ausreise ein Kleinkind gewesen sei. Er habe in Pakistan bei den Eltern in einem gemieteten Haus gelebt und zwei Jahre ein englisches Schulcenter besucht, wo er auf Englisch und Farsi unterrichtet worden sei. Die englische Sprache habe er jedoch in Österreich verlernt. Er sei gelernter Schuster und habe diesen Beruf drei Jahre ausgeübt, weiters habe er zwei Jahre als Teppichknüpfer gearbeitet.

In Afghanistan habe er einen Onkel in Kabul, zu dem er jedoch keinen persönlichen Kontakt habe. Weitere Verwandte lebten in Pakistan. Der Familie gehe es derzeit gut. Zu seiner Familie in Pakistan habe er regelmäßig Kontakt. In Österreich habe er keine Verwandten, oder näheren Bekannten, er habe keine Freunde, er habe keine physischen oder psychischen Erkrankungen.

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab er an, dass ihn sein Vater aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage in Pakistan nach Europa geschickt habe. Er habe gehört, dass es in Afghanistan auch nicht sicher sei.

Auf neuerliche Nachfrage fügte er hinzu, dass er im Iran von der Polizei an der Grenze aufgegriffen und nach Syrien geschickt worden sei. Er habe sich zwei Monate und zehn Tage in Syrien aufgehalten und gegen den IS gekämpft. Er sei einfacher Soldat und Mitglied der Fatemioun (Anm.: Liwa Fatemiyoun) gewesen, eine Gruppierung, die für die Schiiten und für das Regime kämpfe. Er habe eine Kalaschnikow gehabt und Sold erhalten. Auf die Frage, ob er Angreifer erschossen habe, gab der BF an, er habe "auf den IS geschossen, die Kämpfer aber nicht aus der Nähe sehen können. Es sei Nacht gewesen und man habe ihnen befohlen, den Weg von Damaskus nach Aleppo zu befreien. Auf die Frage ob er Menschen erschossen habe, gab er an, es seien keine Menschen gewesen, sie hätten nur auf die Häuser geschossen. Er wäre fast gestorben, da man auf ihn geschossen habe. Obwohl man auf sie geschossen habe, hätten sie nur auf die Häuser geschossen. Er habe an 30 bis 40 Gefechten aktiv teilgenommen. Man habe ihnen gesagt, dass gegenüber die Feinde wären, sie hätten in die Richtung geschossen. Er habe auch gegen Al Nusra gekämpft. Nach zwei Monaten habe er einen Monat Urlaub bekommen und sei geflüchtet.

Die abschließende Frage, ob er sich für den christlichen Glauben interessiere, bejahte der BF. Er habe keine Zeit für eine Taufvorbereitung, da er einen anderen Kurs besuche. Auf die Frage, was ihn am christlichen Glauben interessiere, gab er an, er "bekomme dort ein gutes Gefühl". Inhaltsfragen konnte er nicht beantworten.

Er habe keine sonstigen Probleme, insbesondere keine aufgrund seiner Religion oder Volksgruppenzugehörigkeit gehabt.

Der BF unterfertigte das Protokoll mit einem Schriftzug.

4. Mit angefochtenem Bescheid des BFA vom 10.01.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) als auch der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Unter einem wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der BF keine ihn betreffende individuelle Verfolgung oder Gefährdung, weder durch den Herkunftsstaat Afghanistan noch durch Drittpersonen in seinem Herkunftsstaat glaubhaft geltend gemacht habe. Auch ergebe sich aus den Länderfeststellungen keine allgemeine Gefahr. Eine landesweite allgemeine und unmittelbare Gefährdung auf Grund der schlechten Sicherheitslage habe nicht festgestellt werden können. Ghazni zähle zu den volatilen Provinzen; aufgrund der Sicherheitsprobleme könne eine allfällige Rückführung in diese Region auf dem Landweg mit einer ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben verbunden sein, weshalb dem BF eine Rückkehr in seine Herkunftsprovinz nicht zugemutet werden könne. Der BF sei volljährig, gesund und erwerbsfähig. Eine innerstaatliche Fluchtalternative, etwa in Kabul, komme daher in Frage, insbesondere, da er dort Verwandte habe. Es sei davon auszugehen, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in sein Herkunftsland keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen könnte.

5. Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 11.01.2018, brachte der BF fristgerecht eine alle Spruchpunkte des Bescheides betreffende Beschwerde (datiert 29.01.2018) ein. Eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wurde beantragt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF im Herbst 2017 vom islamischen Glauben abgefallen sei. Der BF besuche seit mehreren Monaten eine protestantische Kirche und habe sich intensiv mit der neuen Religion auseinandergesetzt. Eine Konversion könne daher nicht ausgeschlossen werden. Er habe sich für einen Taufvorbereitungskurs der protestantischen Kirche interessiert, was jedoch aus Zeitgründen (Kollision mit dem Deutschkurs) nicht möglich gewesen sei. Es drohe ihm daher Verfolgung aufgrund seiner Konversion, der Teilnahme an christlichen Glaubenspraktiken, dem regelmäßigen Besuch einer Kirche und einem folglich (unterstellten) Abfall vom islamischen Glauben.

Im Falle einer Rückkehr würden ihm aufgrund seines Kampfeinsatzes in Syrien Probleme durch Taliban oder andere extreme sunnitische Gruppen drohen.

Weiters drohe ihm Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara.

Vorgelegt wurden Berichte zur Sicherheitslage in Afghanistan, zur Rekrutierung von Afghanen im Iran, zu den Hazara und zur Konversion, das BFA habe sich nicht damit auseinandergesetzt.

6. Am 25.04.2018 fand eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt. Der BF wurde in Anwesenheit seines Vertreters ausführlich zu seinen Fluchtgründen, zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie zu seiner Integration in Österreich befragt. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsmitschrift wurde der Erstbehörde übermittelt.

Zu seinem Alter und dem Gutachten vom 24.10.2016 gab der BF an, das Datum seiner Geburt sei nach dem afghanischen Kalender im Koran notiert worden sei, dieses sei umgerechnet worden. Weiter wurde vom BF dazu nichts ausgeführt.

Seine Familie lebe nach wie vor illegal in Quetta, er habe regelmäßig Kontakt. Der Onkel in Kabul rufe ihn etwa halbjährlich an, er kenne ihn nicht persönlich und wisse auch nichts Näheres über ihn.

Er habe in Pakistan ein bis eineinhalb Jahre lang einen Alphabetisierungskurs besucht, es habe sich auch um einen Englischkurs gehandelt. Er habe auch als Schuster gearbeitet. Der BF sprach in der Verhandlung ein spontanes und flüssiges, einigermaßen verständliches, Deutsch. Er habe sich verschiedene Berufszweige in Österreich überlegt, falls das nicht funktioniere, wolle er weg aus der Stadt und vielleicht auf einem Bauernhof bei einer Familie helfen, Tiere seien interessant.

Zu seinen Fluchtgründen gab der BF an, er fürchte wegen des Kampfeinsatzes in Syrien eine staatliche Verfolgung in Afghanistan. Sein Bruder habe dies dem Onkel ausgeplaudert. Es könnten auch andere davon wissen.

Auf die Frage des Vertreters "ob auch andere Dinge, die in Österreich passiert seien, eine Rückkehr nach Afghanistan erschweren würden, etwa im Bereich der Religion", gab der BF an, dass er sich sieben Monate mit dem Christentum befasst habe, jetzt habe er es aufgegeben, er glaube nicht an Gott, weil er keine Gestalt habe. Er wolle als Atheist ein unbeschwertes Leben führen. Auf die Frage, wie er seine Überzeugung zum Ausdruck brächte, gab er an, er verlasse sich auf sich selbst. Die Freunde in Österreich wüssten davon, einige seien nun weniger herzlich zu ihm. Auf die Frage, ob es ihm ein Bedürfnis sei, darüber zu reden, gab er an, er habe keine Vorurteile, wenn jemand beten wolle, er habe Freunden nur erzählt, was er darüber denke. Er lehne es ab in die Moschee zu gehen und alles über sich ergehen zu lassen, das sei für ihn problematisch. Auf die Frage, inwiefern es problematisch sei, gab er an, er wolle nicht mitmachen. Der Mutter habe er es erzählt, sonst niemandem, da er befürchte, man werde den Kontakt zu ihm abbrechen oder ihn verstoßen. Es könne auch sein, dass die eigenen Angehörigen in Pakistan oder Afghanistan ihn hinrichten oder anzünden würden. Die Leute würden mitbekommen, wie er lebe.

In einer Stellungnahme vom 25.06.2018 wurde festgehalten, dass der BF nach einer langen Auseinandersetzung mit dem islamischen und dem christlichen Glauben zur Überzeugung gekommen sei, dass keine höhere Macht existiere und habe sich somit von jeder Religiosität, insbesondere aber vom Islam abgewandt. Diese Überzeugung sei wichtig für sein Selbstverständnis. Es sei nicht denkbar, dass er zum Schein an religiösen Feiern teilnehme, dies widerspräche seiner Überzeugung. Es sei ihm nicht zumutbar, seinen Atheismus zu verheimlichen (verwiesen wurde auf das Urteil des

EuGH vom 05.09.2012, in den verbundenen Rechtsachen C-71/11 und C-99/11).

Der BF habe sich auch einen sehr westlichen Lebensstil angeeignet, so besuche er Tanzveranstaltungen und halte Kontakt zu weiblichen Bekannten. Verwiesen wurde auf eine Anfragebeantwortung von ACCORD (01.06.2017) wobei zur Situation von Künstlern, deren Lebensstil als westlich wahrgenommen werde, bemerkt werde, dass dies zu einer asylrelevanten Verfolgung führen könne.

7. Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan (Gesamtaktualisierung 29.06.2018) inkl. des Updates von 26.03.2019, die UNHCR Guidelines zu Afghanistan von 30.08.2018 sowie der ESAO Bericht zu Sozioökonomischen Kennzahlen vom 20.04.2019 wurden durch das BVwG im Rahmen der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme am 24.04.2019 in das Verfahren eingebracht. Weiters wurde ersucht, Integrationsbemühungen oder Änderungen im sozialen und beruflichen Bereich des BF seit der Verhandlung vor dem BVwG binnen 14 Tagen bekanntzugeben (übernommen am 24.04.2019).

Es erfolgte keine Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in:

-

den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschrift der Erstbefragung am 12.02.2016, die Niederschrift der Einvernahme vor dem BFA am 14.12.2017, die Beschwerde vom 29.01.2018

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die Stellungnahme vom 25.06.2018

-

das multifaktorielle Gutachten zu Altersfeststellung vom 24.10.2016

-

die Länderinformationen des BFA zu Afghanistan (Gesamtaktualisierung 29.06.2018) inkl. des Updates von 04.06.2019, die UNHCR Guidelines zu Afghanistan von 30.08.2018, der ESAO Bericht zu Sozioökonomischen Kennzahlen vom 20.04.2019 und die ACCORD-Anfragebeantwortung vom 12.10.2018 betreffend die Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif

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eine ACCORD Anfragebeantwortung vom 01.06.2017 zu Afghanistan (zusammengefasst: Situation von Apostaten; christlichen Konvertiten; Personen, die Kritik am Islam äußern oder sich nicht an dessen Regeln halten; Rückkehrern aus Europa)

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die vorgelegten Unterlagen zum Thema Integration.

Weiters herangezogen wurden die Angaben des BF in der Verhandlung vor dem BVwG am 25.04.2018.

2. Feststellungen:

Zur Person des BF:

Die Identität des BF steht nicht fest. Angaben zu seiner Person dienen lediglich einer Identifizierung für das Verfahren.

Der bei Antragstellung minderjährige BF ist mittlerweile volljährig, afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem. Der BF wurde in der Provinz Ghazni geboren und zog im Kindesalter aufgrund der allgemeinen Lage in Afghanistan mit seinen Eltern und Geschwistern nach Pakistan, wo er mehrere Jahre eine Schule besuchte. Sein Vater schickte ihn aufgrund der allgemeinen Lage in Pakistan Oktober/No-vember 2015 nach Europa, wo der BF nach einem drei bis viermonatigen Zwischenaufenthalt im Iran nach Österreich einreiste. Der BF war in Pakistan drei Jahre als Schuster und zwei Jahre als Teppichknüpfer tätig. Die Familie des BF ist nach wie vor in Pakistan aufhältig, der Vater arbeitet als Hausmeister, der Bruder in einem Bekleidungsgeschäft. Der BF hat regelmäßigen Kontakt zu seiner Familie in Pakistan und zu einem Onkel in Kabul.

Der BF spricht Dari, Farsi, Urdu und etwas Deutsch.

Der BF reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt (vermutlich Anfang 2016) unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein, stellte am 11.02.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und hält sich seither aufgrund eines vorläufigen Aufenthaltsrechts als Asylwerber im österreichischen Bundesgebiet auf.

Er hat in Österreich keine Familienangehörigen oder Verwandten, ist ledig, führt keine Lebensgemeinschaft und hat keine Kinder. Freundschaften führt der BF im gesamten Verfahren nicht an. Der BF besuchte nachweislich Deutschkurse von 02.10.2017 bis 08.11.2017 und von 13.11.2017 bis 20.12.2017, einen Werte- und Orientierungskurs am 10.04.2017, einen Kurs "Zukunft Bildung Steiermark" von 19.12.2016 bis 07.07.2017 und einen Kurs "Projekt Zukunft Bildung" des Bifi von 25.09.2017 bis 11.07.2018. Er legte am 12.07.2017 eine Deutschprüfung Niveau A1 ab und erreichte knapp die Mindestpunkteanzahl.

Er geht keiner Erwerbstätigkeit nach, bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Es liegen keine strafrechtlichen Verurteilungen vor.

Zu den Fluchtgründen des BF:

Dem BF droht bei einer Rückkehr keine physische oder psychische Gewalt, Strafverfolgung oder sonstige Verfolgung aufgrund eines Glaubensabfalls oder eines sonstigen - nicht als wertekonform angesehen - Verhaltens.

Ebenso wenig droht ihm Verfolgung, Gewalt oder Diskriminierung von erheblicher Intensität aufgrund seiner Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit oder einer (ihm unterstellten) politischen Gesinnung.

Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass dem BF aufgrund einer Asylantragstellung oder aufgrund seines Auslandaufenthaltes Repressalien von erheblicher Intensität drohen.

Ebenso ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen Kampfeinsatz des BF in Syrien und einer sich daraus möglicherweise ergebenden Verfolgung durch private oder staatliche Akteure.

Er wurde in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder aufgrund seiner Rasse, Nationalität, seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwo Probleme. Er war nie politisch tätig und gehörte keiner politischen Partei an.

Zur Rückkehrsituation des BF in seinem Herkunftsland:

Der volljährige BF leidet unter keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen, ist arbeitsfähig, kinderlos, nicht verheiratet und lebt in keiner Partnerschaft. Er hat eine mehrjährige Schulbildung in Pakistan absolviert, eine dreijährige Berufserfahrung als gelernter Schuster und eine zweijährige Berufspraxis Teppichknüpfer. Der BF spricht sowohl Dari als auch Farsi und Urdu sowie etwas Deutsch. Außergewöhnliche Gründe, die diesbezüglich eine Rückkehr des BF ausschließen könnten, konnten nicht festgestellt werden.

Seine Kernfamilie lebt in Pakistan, ein Onkel des BF, zu dem er zumindest regelmäßig telefonischen Kontakt hat, lebt in Kabul. Der Vater und ein Bruder des BF sind berufstätig und können den BF zumindest marginal unterstützen.

Der BF kommt aus der Provinz Ghazni, eine Rückkehr in seine Heimatprovinz ist ihm aufgrund der dort herrschenden volatilen Sicherheitslage nicht zumutbar. Es stehen ihm aber zumutbare innerstaatliche Flucht- beziehungsweise Schutzalternativen jedenfalls in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung. Er verfügt dort zwar über kein familiäres oder soziales Netzwerk, als junger und gesunder Mann kann er jedoch in diesen Städten, auf Grund der dort herrschenden Versorgungs- und Sicherheitslage, Fuß fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Er kann die Städte Herat und Mazar-e Sharif von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen. Der BF kann bei einer Rückkehr diverse Unterstützungsleistungen staatlicher und nichtstaatlicher Natur in Anspruch nehmen.

Zur Lage im Herkunftsstaat:

Unter Bezugnahme auf das aktuellste Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Stand 04.06.2019), die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, sowie dem "EASO - Country Guidance Afghanistan, Juni 2018" inklusive des "EASO - Afghanistan - Country of Origin Information Report, Key socio-economic indicators" vom 20.04.2019 werden folgende entscheidungsrelevante, die Person des BF individuell betreffende Feststellungen zu Lage in Afghanistan getroffen:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Gesamtaktualisierung 29.06.2018, Letzte KI vom 04.06.2019):

"KI vom 4.6.2019, politische Ereignisse, zivile Opfer, Anschläge in Kabul, IOM (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 23/ Rückkehr).

Politische Ereignisse: Friedensgespräche, Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl

Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

(...)

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019). Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019).

Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019). Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b). Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019)

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).

Rückkehr

Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (BAMF 20.5.2019).

Quellen:

1 TV NEWS (30.5.2019): At least six killed in suicide blast near military academy in Kabul,

http://www.1tvnews.af/en/news/afghanistan/38366-breaking -blast-rocks-kabu l, Zugriff 3.6.2019 AAN - Afghanistan Analysts Network (17.5.2019): The Results of Afghanistan's 2018 Parliamentary Elections: A new, but incomplete Wolesi Jirga, https://www.afghanistan-analysts.org/the-results-of-afghanistans-2018-parliamentary-elections-a-new-but-incomplete-wolesi-jirga/, Zugriff 22.5.2019

AJ - Al Jazeera (30.5.2019): Suicide bomber targets Afghan military training centre in Kabul,

https://www.aljazeera.com/news/2019/05/suicide-bomber-targets-afghan-military-training-centrekabul-190530082719388.html, Zugriff 3.6.2019

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.6.2019): Briefing Notes, Afghanistan, per Email BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (20.5.2019): Briefing Notes, Afghanistan, per Email BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (6.5.2019): Briefing Notes, Afghanistan, per Email BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (13.2.2019): Kabul Police Districts Map, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf Heise (16.5.2019):

Afghanistan: Wie viel Macht hat der Präsident?, https://www.heise.de/tp/features/Afghanistan-Wie-viel-Macht-hat-der-Praesident-4422023.html, Zugriff 3.6.2019

IEC - Independent Electoral Commission via Facebook (14.5.2019):

Press Declaration 24/2/1398,

https://www.facebook.com/AfghanistanIEC/posts/2361637283896572?__tn__=-R, Zugriff 4.6.2019 IEC - Independent Electoral Commission (15.5.2019):

Kabul - Wolesi Jirga Final Results, http://www.iec.org.af/results/en/home/finalresult_by_province/1/2, Zugriff 4.6.2019 LWJ - Long War Journal (2.6.2019): Islamic State bombs bus, security personnel in western Kabul, https://www.longwarjournal.org/archives/2019/06/islamic-state-bombs-bus-securitypersonnel-in-western-kabul.php, Zugriff 3.6.2019

Newsweek (21.5.2019): Russia Spy Chief warns 5,000 ISIS Foreign Fighters Threaten Borders of Former Soviet Union, https://www.newsweek.com/russia-spy-chief-warns-5000-isis-foreignfighters-threaten-borders-former-1431576, Zugriff 4.6.2019

Tolonews (3.6.2019): Five Killed As Explosion Targets Govt Employees Bus In Kabul,

https://www.tolonews.com/afghanistan/explosion-targets-govt-bus-kabul, Zugriff 3.6.2019

Tolonews (31.5.2019a): Taliban Wants An ‚Inclusive Post-Peace Govt', https://www.tolonews.com/afghanistan/taliban-wants-inclusive-post-peace-govt, Zugriff 3.6.2019

Tolonews (31.5.2019b): Concerns Mount Over Sharp Increase In Attacks

In Kabul,

https://www.tolonews.com/afghanistan/concerns-mount-over-sharp-increase-attacks-%C2%A0kabul, Zugriff 3.6.2019

Tolonews (31.5.2019c): Heavy Explosion Rocks Kabul; 4 Civilians Killed,

https://www.tolonews.com/afghanistan/heavy-explosion-rocks-kabul, Zugriff 3.6.2019

Tolonews (27.5.2019a): Seven Members Of One Family Murdered in Kabul,

https://www.tolonews.com/afghanistan/seven-members-one-family-murdered-kabul, Zugriff 3.6.2019

Tolonews (27.5.2019b): 10 Wounded As Blast Targets Govt Employees Bus In Kabul,

https://www.tolonews.com/afghanistan/10-wounded-blast-targets-govt-employees-bus-kabul, Zugriff 3.6.2019

TW - The Week (2.6.2019): Afghan officials: 3 bomb blasts in capital, 1 killed,

https://www.theweek.in/news/world/2019/06/02/afghan-officials-3-bomb-blasts-in-capital-1-killed.html, Zugriff 3.6.2019

UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (24.4.2019): Quarterly Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 31 March 2019, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_protection_of_civilians_in_armed_conflict_-_first_quarter_report_2019_english_.pdf, Zugriff 3.4.2019

VOA - Voice of America (21.5.2019): Islamic State in Afghanistan Growing Bigger, More Dangerous, https://www.voanews.com/a/islamic-state-in-afghanistan-growing-bigger-moredangerous/4927406.html, Zugriff 4.6.2019

Politische Lage / Friedens- und Versöhnungsprozess

Am 28. Februar 2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.3.2018; vgl. TS 28.2.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 7.3.2018). Quellen zufolge wird die Annahme beziehungsweise Ablehnung des Angebots in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt:

die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.3.2018; vgl. TD 7.3.2018, NZZ 28.2.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.4.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen (vgl. Kapitel 3. "Sicherheitslage").

Am 19.5.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.5.2018).

Am 7.6.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.6.2018 - 20.6.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 4.6.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 7.6.2018, RFL/RL 5.6.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 5.6.2018). Die Taliban selbst gingen am 9.6.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.6.2018; vgl. TH 10.6.2018, Tolonews 9.6.2018).

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).

Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach den Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).

Quellen:

AJ - Al Jazeera (30.12.2018): Afghan presidential elections postponed until July 20: official, https://www.aljazeera.com/news/2018/12/afghan-presidential-elections-postponed-july-20-official-181230185336213.html, Zugriff 8.1.2019

AJ - Al Jazeera (25.12.2018): Kabul attack: Gunmen storm government building, kill dozens,

https://www.aljazeera.com/news/southasia/2018/12/gunmen-storm-kabul-government-compound-gun-battle-ensues-181224115249492.html, Zugriff 8.1.2019

IEC - Independent Electoral Commission (o.D.): 2018 Afghanistan Wolesi Jirga Elections, http://www.iec.org.af/results/en/home, Zugriff 17.12.2018

NYT - The New York Times (24.12.2018): Militants Storm Afghan Offices in Kabul, Killing Dozens, https://www.nytimes.com/2018/12/24/world/middleeast/kabul-militant-attack.html, Zugriff 8.1.2019

ORF - Österreichischer Rundfunk (24.12.2018): Tote bei Angriff auf Regierungsgebäude in Kabul, https://orf.at/stories/3105448/, Zugriff 8.1.2019

Reuters (30.12.2018): Afghanistan to delay presidential election to July: election body,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-election/afghanistan-to-delay-presidential-election-to-july-election-body-idUSKCN1OT0FR, Zugriff 8.1.2018

RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (6.12.2018): Afghan Commission Invalidates All Kabul Votes In October Parliamentary Election,

https://www.rferl.org/a/afghan-commission-invalidates-all-kabul-votes-in-october-parliamentary-election/29640679.html, Zugriff 17.12.2018

TAZ - Die Tageszeitung (6.12.2018): Erste Wahl, dann das Chaos, https://www.taz.de/Parlamentswahl-in-Afghanistan/!5553677/, Zugriff 17.12.2018

Telepolis (15.12.2018): Chaos nach Parlamentswahlen, https://www.heise.de/tp/features/Chaos-nach-Parlamentswahlen-4248743.html, Zugriff 17.12.2018

Tolonews (7.1.2019) IEC Accused of Making 'Fake Result Sheets' For Polling Stations,

https://www.tolonews.com/elections-2018/%E2%80%98iec-make-fake-result-sheets-polling-stations%E2%80%99, Zugriff 8.1.2019

Tolonews (25.12.2018): Kabul Attack Death Toll Rises To 43, https://www.tolonews.com/afghanistan/kabul-attack%C2%A0death-toll-rises-43, Zugriff 8.1.2019

Tolonews (12.12.2018): IEC Resumes Recounting Of Kabul Votes Under New Method,

https://www.tolonews.com/index.php/elections-2018/iec-resumes-recounting-kabul-votes-under-new-method, Zugriff 17.12.2018

Tolonews (8.12.2018): IECC Conditions Decision To Review Kabul Votes,

https://www.tolonews.com/index.php/elections-2018/iecc-conditions%C2%A0decision%C2%A0%C2%A0review-kabul-votes, Zugriff 17.12.2018

WP - The Washington Post (30.12.2018): Afghanistan's presidential elections delayed until July,

https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistans-presidential-elections-delayed-until-july/2018/12/30/038faea0-0c45-11e9-8f0c-6f878a26288a_story.html?noredirect=on&utm_term=.07428f9afbb6, Zugriff 8.1.2019

ZO - Zeit Online (24.12.2018): Mindestens 32 Tote bei Angriff in Kabul,

https://www.zeit.de/news/2018-12/24/mindestens-32-tote-bei-angriff-in-kabul-181224-99-340827, Zugriff 8.1.2018

Am 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).

Quellen:

CNN - Cable News Network (27.1.2019): US-Taliban peace talks in Doha a 'significant step',

https://edition.cnn.com/2019/01/27/asia/us-taliban-afghan-peace-talks-doha-intl/index.html, Zugriff 31.1.2019

DP - Die Presse (28.1.2019): Afghanistan vor dramatischer Wende, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5570225/Afghanistan-vor-dramatischer-Wende, Zugriff 31.1.2019

FP - Foreign Policy (29.1.2019): Will Zalmay Khalilzad Be Known as the Man Who Lost Afghanistan?,

https://foreignpolicy.com/2019/01/29/will-zalmay-khalilzad-be-known-as-the-man-who-lost-afghanistan-envoy-taliban/, Zugriff 31.1.2019

IM - Il Messaggero (28.1.2019): Afghanistan, fonti Difesa: "Entro un anno via truppe italiane". Moavero: "Apprendo ora". Lega: "Nessuna decisione",

https://www.ilfattoquotidiano.it/2019/01/28/afghanistan-entro-un-anno-ritiro-del-contingente-italiano-moavero-lo-apprendo-ora-trenta-non-ne-ha-parlato-con-me/4930395/, Zugriff 31.1.2019

Internazionale (30.1.2019): La trattativa in Afghanistan arriva con 17 anni di ritardo,

https://www.internazionale.it/opinione/gwynne-dyer/2019/01/30/trattativa-afghanistan-ritardo, Zugriff 31.1.2019

NYT - The New York Times (28.1.2019): U.S. and Taliban Agree in Principle to Peace Framework, Envoy Says, https://www.nytimes.com/2019/01/28/world/asia/taliban-peace-deal-afghanistan.html, Zugriff 31.1.2019

Tolonews (28.1.2019): US Peace Envoy Visits Kabul To Consult On Talks With Taliban,

https://www.tolonews.com/afghanistan/us-peace-envoy-visits-kabul-consult-talks-taliban, Zugriff 31.1.2019

WP - The Washington Post (30.1.2019): The real challenge for Afghanistan isn't negotiating with the Taliban, https://www.washingtonpost.com/opinions/global-opinions/the-real-challenge-for-afghanistan-isnt-negotiating-with-the-taliban/2019/01/30/12229732-23ee-11e9-ad53-824486280311_story.html?noredirect=on&utm_term=.b049b43b3c79, Zugriff 31.1.2019

Sicherheitslage

KI vom 1.3.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independent Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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