TE Vwgh Erkenntnis 1998/11/10 98/11/0196

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Veröffentlicht am 10.11.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §46;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §74 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des S in V, vertreten durch Dr. Anton Schiessling und Dr. Othmar Knödl, Rechtsanwälte in Rattenberg, Hassauerstraße 75, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 26. Juni 1998, Zl. IIb2-3-7-1-170/5, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 73 Abs. 2 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B für die Dauer von acht Monaten ab Zustellung des Mandatsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 4. November 1997, somit ab 6. November 1997, vorübergehend entzogen. Gleichzeitig wurde gemäß § 73 Abs. 2a KFG 1967 die Absolvierung eines Lenkerverhaltenstrainings angeordnet.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der bekämpften Entziehungsmaßnahme liegt zugrunde, daß der Beschwerdeführer am 12. September 1997 als Lenker eines KFZ einen Verkehrsunfall verschuldet habe, bei dem er selbst verletzt worden und schwerer Sachschaden entstanden sei. Er habe sich in der Folge im Krankenhaus, in welches er eingeliefert worden sei, geweigert, seine Atemluft auf ihren Alkoholgehalt über Aufforderung eines Straßenaufsichtsorganes untersuchen zu lassen. Diesen Sachverhalt nahmen die Behörden des Entziehungsverfahrens auf Grund eigener Ermittlungen als erwiesen an. Sie gingen vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 aus und schlossen aus dieser auf die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen einer bestimmten Tatsache aus zwei Gründen: Auf Grund der beim Unfall erlittenen Verletzungen sei er einerseits im Zeitpunkt der Aufforderung zur Atemluftprobe nicht zurechnungsfähig gewesen und hätte auch eine Atemluftprobe auf Grund seiner Rippenfraktur gar nicht durchführen können.

Die belangte Behörde hat ein medizinisches Gutachten zu diesen Fragen eingeholt. Der ärztliche Sachverständige kam unter Verwertung des "Kartei-Blattes" des Landeskrankenhauses Schwaz zu dem Ergebnis, daß eine Bewußtseinseinschränkung, durch die der Beschwerdeführer "nicht in der Lage gewesen wäre, die Aufforderung zu begreifen und die Rechtsfolgen abzuschätzen", zum fraglichen Zeitpunkt "nicht begründbar" sei; weiters wäre ihm der Versuch der Durchführung des Alkomattestes zumutbar gewesen, jedenfalls wäre er in der Lage gewesen, eine Verweigerung derselben zu begründen. Daß die erlittene Rippenfraktur eine korrekte Durchführung ausgeschlossen hätte, könne nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden.

Die belangte Behörde hat auf Grund von Ermittlungen im Entziehungsverfahren in freier Beweiswürdigung als erwiesen angenommen, daß der Beschwerdeführer ein Alkoholdelikt im Sinne des § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen habe, weil er die an ihn gerichtete Aufforderung zur Durchführung einer Atemluftprobe verstanden habe, und in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, daß er zumindest hätte versuchen müssen, dieser Aufforderung nachzukommen.

Was die vom Beschwerdeführer bereits gegenüber den Straßenaufsichtsorganen behauptete Unmöglichkeit der Durchführung der Atemluftprobe als Folge der Rippenfraktur anlangt, kommt das von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Gutachten zu dem Ergebnis, daß die Unmöglichkeit nicht mit Sicherheit auszuschließen sei. Wenn es aber nicht auszuschließen ist, daß der Beschwerdeführer mit der Aufforderung zur Durchführung eines Alkomattests zu einem ihm nicht möglichen Verhalten aufgefordert wurde, kann die Verweigerung kein strafbares Verhalten sein. Die Verweigerung eines Versuches bei behaupteter Unmöglichkeit wäre nur strafbar und damit eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967, wenn die Behörde auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zum Ergebnis kommen kann, die Behauptung der Unmöglichkeit sei nur eine Scheinbehauptung. Genau das aber hat die belangte Behörde nicht getan, sondern den Standpunkt vertreten, der Beschwerdeführer wäre jedenfalls zur Vornahme eines Versuches verpflichtet gewesen und die Unterlassung eines möglicherweise untauglichen Versuches sei strafbar.

Die Annahme des Vorliegens einer bestimmten Tatsache leidet daher an dem Mangel, daß sie unter Zugrundelegung einer unrichtigen Rechtsansicht getroffen wurde. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf die Frage der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers zum damaligen Zeitpunkt bedurft hätte.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 10. November 1998

Schlagworte

Ablehnung eines Beweismittels Alkotest Verweigerung Verfahrensrecht Beweismittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998110196.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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