TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/28 W114 2127670-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.06.2019
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Entscheidungsdatum

28.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W114 2127670-2/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, Außenstelle Salzburg, vom 05.09.2017, Zl. 1054261209-170564564/BMI-BFA_SBG_AST_01_TEAM_03, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.06.2019 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX , geb. XXXX , (im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF), ein afghanischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und damals noch schiitischer Moslem, stellte am 22.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei der am 24.03.2015 erfolgten Erstbefragung vor dem Bezirkspolizeikommando Baden, PI Traiskirchen, Erstaufnahmestelle gab der Beschwerdeführer an am 11.12.1999 geboren zu sein. Er stamme aus XXXX , im Distrikt Lal wa Sarjangal in der Provinz Ghor in Afghanistan. Seine Eltern wären bereits tot; er habe keine Geschwister. Im August 2014 sei er nach Stadt Herat gezogen, wo er gearbeitet und Geld angespart habe. Ende Dezember 204 habe er schlepperunterstützt von Herat verlassen und habe im Iran für ca. einen Monat als Schneider und als Bauarbeiter gearbeitet.

Befragt nach seinen Fluchtgründen führte er aus, dass - als er 5 Jahre alt gewesen sei - sein Vater von unbekannten bewaffneten Leuten mit der Pistole erschossen worden sei. Seine Mutter sei daraufhin zu seinem Onkel (Bruder seines Vaters) gezogen. Seine Mutter und auch er selbst wären vom Onkel stark geschlagen worden. Als er 8 Jahre alt gewesen sei, sei seine Mutter krank geworden und schließlich verstorben. Der Beschwerdeführer habe als Vollwaise beim Onkel gewohnt. Der Onkel habe ihn immer wieder geschlagen, sodass er ca. im Oktober 2014 von diesem weggelaufen sei. Da der Beschwerdeführer in Afghanistan niemanden habe und vom Onkel geschlagen werde, habe er entschieden, nach Österreich zu reisen und hier eine Existenz aufzubauen. Weitere Fluchtgründe habe er nicht. Im Fall einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben. Einerseits vor seinem Onkel, andererseits vor den Männern, die seinen Vater ermordet hätten.

3. In einem Altersfeststellungsverfahren wurde von XXXX sachverständig festgestellt, dass der Beschwerdeführer spätestens am

XXXX geboren wäre und daher zum Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz jedenfalls volljährig gewesen wäre.

4. In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 03.09.2015 beharrte der BF darauf, dass er am 11.12.1999 geboren sei. Er sei psychisch angeschlagen und leide an Schlafstörungen.

Nunmehr führte der BF - in Abänderung seines Vorbringens aus der Erstbefragung - aus, dass er einen Bruder habe, bei dem er wohne und von dem er unterstützt werde.

5. In einem neurologisch-psychiatrischem Gutachten betreffend den Beschwerdeführer vom 26.03.2016 führte XXXX als begutachtender Sachverständiger aus, dass es keine Hinweise für das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung beim Beschwerdeführer gebe. Er leide an einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradig depressiven Reaktion.

Im Zuge der Begutachtung vor dem Sachverständigen führte der Beschwerdeführer aus, dass er bereits im ersten Lebensjahr mit seinen Eltern in den Iran ausgereist sei. Sein Vater sei bereits verstorben gewesen. Er habe im Iran illegal mit dem Bruder und der Mutter gelebt und eine Ausweisung nach Afghanistan befürchtet. In Afghanistan habe er Feinde und diese würden ihn erkennen oder finden. Er sei eigentlich im Iran aufgewachsen und kenne Afghanistan nicht. Sein Bruder lebe bereits seit 7 Jahren in Österreich.

Im Zuge des Gespräches mit dem Sachverständigen erzählte der BF, dass sein Vater zum Christentum konvertiert sei. Die Frage, ob auch er zum Christentum konvertiert sei, hat er verneint.

6. Am 22.04.2016 wurde der Beschwerdeführer erneut durch das BFA, Regionaldirektion Salzburg, niederschriftlich einvernommen. Dabei führte der BF aus, dass er aus dem Iran ausgewiesen worden wäre und ca. acht Monate in Herat gelebt und gearbeitet habe. Er habe dort in einem Gasthaus gewohnt. Er habe dort Leute kennen gelernt, die seine Flucht aus Mitleid teilweise finanziert hätten, wobei für seine Schleppung Kosten in Höhe von ca. EUR 4.000.-- angelaufen wären. Er selbst habe auch etwas gespart gehabt, sodass die Kosten für seine Schleppung hätten aufgebracht werden können.

Er selbst sei von seinem einzigen Onkel, der in XXXX , im Distrikt Lal wa Sarjangal in der Provinz Ghor zuletzt gelebt habe, geflüchtet.

Konkretisierend zu seinem Fluchtgrund befragt wiederholte er, dass sein Vater ermordet worden wäre, als der BF fünf Jahre alt gewesen wäre. Danach seien sie zum Onkel gezogen, der sie alle, auch seine Mutter geschlagen habe. Zwei Jahre nach dem Vater sei auch die Mutter verstorben. In dieser Zeit habe sein Onkel immer Gewalt ausgeübt. Der Beschwerdeführer sei darauf gekommen, dass der Onkel das Grundstück des Vaters des Beschwerdeführers verkaufen wolle. Da der Onkel sie immer wieder geschlagen habe, habe der Beschwerdeführer keinen Sinn mehr gesehen, zurückzukehren. Der Onkel habe 100.000 Afghanis als Anzahlung zuhause gehabt, die der Beschwerdeführer an sich genommen habe. Der Onkel habe den Beschwerdeführer als Boten zum Käufer geschickt, um das Restgeld in Höhe von 100.000 Afghanis abzuholen, das der Beschwerdeführer ebenfalls an sich genommen habe. Der Beschwerdeführer sei damit nach Herat und dann in den Iran gegangen, von wo aus er wieder nach Afghanistan abgeschoben worden sei. Der Beschwerdeführer habe insgesamt acht Monate in der Stadt Herat in einem Gasthaus zugebracht und habe auch gearbeitet. Dort habe er Gäste kennen gelernt mit denen er in den Iran geflüchtet sei. Nach einiger Zeit habe er sich überlegt, nach Europa zu gehen, da er dieses Leben sattgehabt habe.

Auf die Frage nach dem Grund für die Ausreise vom Gasthaus in Herat in den Iran gab der Beschwerdeführer an, dass der Onkel, nachdem er das Geld des Onkels genommen habe, von ihm verfolgt worden wäre und dieser irgendwann erfahren hätte, dass sich der BF in Herat befinde. Der Onkel habe ihm auch einmal mit dem Umbringen gedroht.

7. Mit Bescheid des BFA vom 11.05.2016, Zl. 1054261209-150295658/BMI-BFA_SBG_AST_01_TEAM_03, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57, 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass der BF keine asylrelevanten Ausreisegründe vorgebracht habe. Nachdem der BF bewiesen habe, dass er in der Lage gewesen sei eine Dauer von 8 Monaten in Herat zu verbringen und dort nicht nur zu leben sondern auch zu arbeiten und keine individuellen Umstände vorliegen würden, die dafür sprechen würden, dass der BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan in eine derart extreme Notlage geraten würde, die eine unmenschliche Behandlung iSd Art. 3 EMRK darstellen würde, würden auch keine Gründe vorliegen, die gem. § 8 AsylG zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen würden.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 13.05.2016 zugestellt.

8. Gegen diese Entscheidung erhob der BF, vertreten durch XXXX , mit Schriftsatz vom 27.05.2016 Beschwerde. Einerseits wies er dabei auf eine Verfolgungsgefahr durch seinen von ihm bestohlenen Onkel und andererseits auf eine Verfolgungsgefahr infolge seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und als Rückkehrer nach Afghanistan hin. Darüber hinaus führte er aus, dass die Sicherheitslage in ganz Afghanistan derart volatil sei, dass dem BF jedenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren sei.

9. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 14.12.2016 wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 15.12.2016, GZ W123 2127670-1/6E, die Beschwerde hinsichtlich der Gewährung des Status eines Asylberechtigten bzw. hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt. Es wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise des BF mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Diese Entscheidung wurde weder beim VwGH noch beim VfGH angefochten. Der Beschwerdeführer hat Österreich nicht innerhalb der ihm zugestandenen Frist für eine freiwillige Ausreise verlassen noch wurde er nach Afghanistan abgeschoben.

10. Mehr als ein Jahr nachdem der BF hätte Österreich verlassen müssen stellte er am 11.05.2017 in Anwesenheit seines Vertreters

XXXX einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung zum Folgeantrag begründete er diesen damit, dass er jetzt Christ geworden sei. Sein Vater sei auch Christ gewesen und sei deswegen getötet worden. Er habe den Grund der Ermordung seines Vaters nicht gekannt. Erst als er seinen Bruder in Österreich getroffen habe, habe dieser ihm mitgeteilt, dass sein Vater Christ gewesen wäre und deshalb getötet worden wäre.

11. In einer Stellungnahme vom 15.03.2017 teilte XXXX , als mittlerweile ehemalige Pastorin der Gemeinde in Salzburg der Evangelisch-methodistischen Kirche in Österreich mit, dass der BF seit Ende 2017 mit ihrer Pfarrgemeinde in Kontakt stehe und seither regelmäßig den Gottesdienst besuche. Er habe kleinere Aufgaben wie das Austeilen der Liederbücher, das Einsammeln der Kollekte oder eine Mitarbeit beim Flohmarkt übernommen. Er habe den Wunsch geäußert Christ zu werden und getauft zu werden. Daher nehme er an einem Glaubenskurs teil. Es würden dort die Grundlagen in der Kenntnis der Bibel und des christlichen Glaubens gelegt werden. Es gehe um eine konkretere Vorbereitung auf die Taufe. Das nehme aber noch einige Zeit in Anspruch, da ein Kennenlernen des christlichen Glaubens am besten über das Mitfeiern der Feste innerhalb des Kirchenjahres geschehe. Der BF sei ein eifriger und höflicher junger Mann, der sich mit Interesse und Freude der Sache zuwende und große Eigeninitiative zeige. In seiner derzeitigen Situation sei für ihn das Mitfeiern der Gottesdienste, das persönliche Gebet und das Lesen in der Heiligen Schrift wichtige Quellen, um sein inneres Gleichgewicht zu finden.

12. Am 05.07.2017 fand beim BFA eine weitere Einvernahme des BF statt. Dabei führte der BF aus, dass die im ersten Asylverfahren vorgetragenen Fluchtgründe immer noch vorliegen würden. Zusätzlich dazu sei er noch Christ geworden. Er habe damals noch nicht gewusst, dass sein Vater Christ gewesen wäre. Das habe er erst vor 10 oder 11 Monaten (05/216 oder 06/2016) erfahren. Er sei bei der Einvernahme vor dem BVwG sehr durcheinander gewesen, da er erst neulich von seinem Bruder erfahren habe, dass sein Vater wegen dem Christentum getötet worden wäre. Er kenne seit März 2017 die Christliche Gemeinde. Sein Bruder habe ihm diese Kirche vorgeschlagen, aufgrund dessen er dann in die Kirche gegangen sei. Sein Bruder sei kein Christ. Auf seiner Flucht habe er im Iran sechs Monate lang auf einer Baustelle gearbeitet. In der Türkei habe er sich drei Monate lang aufgehalten. Er habe bei der Flucht kein Ziel gehabt, sei in Österreich gut behandelt worden, weswegen er hiergeblieben sei.

Sein Bruder, der selbst nichtpraktizierender Moslem sei, habe ihm geraten einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen.

Der BF sei noch nicht getauft; die Taufe erwarte er im Herbst. Auf die Frage, zu welchem Zweig des Christentums er sich nun bekenne, antwortete er "Methodistische und Orthodoxe und Evangelische und Katholische Kirche. Ich gehe einmal in der Woche zum Religionsunterricht."

Erst über Intervention einer anwesenden Vertrauensperson hat er schließlich ausgeführt, dass er einmal in der Woche in die Evangelische Methodistische Kirche gehe.

13. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Salzburg, Außenstelle Salzburg, vom 05.09.2017, Zl. 1054261209-170564564/BMI-BFA_SBG_AST_01_TEAM_03, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer weiterhin eine asylrelevante Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht glaubhaft gemacht habe. Bezüglich der vom BF angegebenen religiösen Gesinnung als evangelischer Christ wird in der Beweiswürdigung der angefochtenen Entscheidung hingewiesen, dass der BF diesbezüglich unglaubwürdig sei.

Da sein Bruder für den BF die Kirche ausgesucht habe und auch vorgeschlagen habe einen Folgeantrag zu stellen, sei es nicht überzeugend, dass der BF aus innerer Überzeugung konvertiert sei. Zudem habe der BF nachweislich gelogen, indem er angegeben habe, dass er von der Konversion seines Vaters erst später informiert worden wäre, dieses Wissen jedoch insbesondere erst beim Folgeantrag asylrelevant dargelegt habe. Der BF verfüge auch nur über ein unzureichendes Wissen über seine Glaubensgemeinschaft. Darüber hinaus habe er als Christ auch in der Einvernahme vor dem BFA zum Folgeantrag eine asylrelevante Verfolgungsgefahr als schiitischer Moslem vorgetragen und derart sein Fluchtvorbringen gesteigert.

Insgesamt vertrat das BFA die Auffassung, dass der vom BF vorgetragene Sachverhalt unglaubwürdig und konstruiert sei.

Zu Spruchpunkt II. wurde dargelegt, dass der Beschwerdeführer zumindest 8 Monate in Herat gelebt habe und daher wieder dorthin zurückkehren könne.

Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am 07.09.2017 zugestellt.

14. Mit Schriftsatz vom 20.09.2017, eingelangt am selben Tag beim BFA, erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch XXXX , Beschwerde.

Der Beschwerdeführer begründete diese Beschwerde im Wesentlichen zusammengefasst damit, dass er als konvertierter Christ, Hazara und Rückkehrer in Afghanistan in Lebensgefahr sei, da er dort der steigend konfessionell motivierten Gewalt von militanten Islamisten ausgesetzt sei. Als er erfahren habe, dass sein Vater Christ gewesen sei, habe der BF seine Religion gewechselt. Deshalb sei sein Leben in Gefahr.

Der Beschwerdeführer sei im wehrfähigen Alter und sei deswegen vor einer Zwangsrekrutierung durch radikale Gruppierungen bedroht.

Die Situation in Afghanistan sei nicht derart, dass der Beschwerdeführer sich dort ohne Unterstützung durch ein familiäres oder soziales Netz niederlassen könne, ohne in eine existenzbedrohende Lage zu geraten bzw. aufgrund der dort herrschenden Sicherheitslage der Gefahr ausgesetzt wäre, bei einem Anschlag getötet zu werden. Daher sei dem BF zumindestens der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren.

7. Die Beschwerde und die Unterlagen des Verwaltungsverfahrens wurden dem BVwG mit Schreiben des BFA vom 10.10.2017 zur Entscheidung vorgelegt.

8. Gemeinsam mit der Ladung zur Beschwerdeverhandlung vom 12.04.2019 wurden dem Beschwerdeführer Länderfeststellungen zu Afghanistan mit Aktualisierungen vom 26.03.2019 zugänglich gemacht und ihm die Möglichkeit geboten, eine Stellungnahme abzugeben.

9. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 04.06.2019 wurde der Beschwerdeführer, vertreten durch XXXX zu seiner Identität und Herkunft sowie zu seinen Fluchtgründen, insbesondere zu seiner von ihm behaupteten Konversion zum Christentum befragt. Die Verhandlung fand im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt. Das BFA verzichtete mit Schreiben vom 23.05.2019 auf eine Teilnahme an der Verhandlung. Darüber hinaus legte der Beschwerdeführer einen Taufschein über eine am 01.04.2018 stattgefundene Taufe, sowie Unterstützungserklärungen von Mitgliedern seiner Glaubensgemeinschaft in Salzburg sowie ein Deutschsprachkurszertifikat auf Niveau B1 vor.

Befragt, warum er nunmehr in der Beschwerde erstmals vorbringe, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch von Zwangsrekrutierung betroffen wäre, antwortete der BF, dass es beim XXXX in Salzburg keine Dolmetscher für Dari und Farsi gebe. Dort würden hauptsächlich nur Arabisch-Dolmetscher arbeiten. Jener Rechtberater, der die Beschwerde geschrieben habe, sei selber im Jahr 2015 nach Österreich gekommen. Der BF wisse gar nicht, was er alles geschrieben habe. Der Inhalt der Beschwerde sei mit dem BF nicht abgesprochen worden. Die Frage, ob er bei einer Rückkehr nach Afghanistan zwangsrekrutiert werden würde, verneinte der Beschwerdeführer.

Befragt, warum der Beschwerdeführer wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit bei einer Rückkehr nach Afghanistan verfolgt werden würde, entgegnete er, dass allgemein bekannt sei, dass Hazara in Afghanistan Schwierigkeiten ausgesetzt wären. Die Volksgruppe der Hazara würde in Afghanistan als etwas Überflüssiges betrachtet werden. Auf konkretere Nachfrage führte der BF aus, nichts von der Lage in Afghanistan zu wissen.

Die Frage, woran man bei einer Rückkehr nach Afghanistan merken würde, dass der BF Christ sei, beantwortete er ausweichend, dass er

In Afghanistan seinen Glauben nicht geheim halten und verstecken könnte. Wenn man über das Christentum sprechen würde, sei es allgemein bekannt, dass man dort sofort des Glaubensabfalls bezichtigt werde. Da diese Frage somit nicht beantwortet wurde, wurde sie wiederholt. Nunmehr antwortete der BF sehr allgemein und ausweichend, dass er in Österreich einen Weg gehe, den er auch in Afghanistan genauso weiter verfolgen würde. Er würde seinen Glauben aktiv leben. Nachdem auf die ausweichende Antwort hingewiesen wurde, wurde die Frage neuerlich wiederholt. Darauf antwortete der BF, dass er dort nicht so leben könnte, wie er früher gelebt habe. Das würde respektlos wirken, was solle er sonst noch dazu sagen. Nachdem der BF abermals auf die verallgemeinernden Antworten aufmerksam gemacht wurde und ergänzend ausgeführt wurde, dass er darlegen sollte, wie man in Afghanistan merken würde, wenn man sich mit ihm unterhalte oder ihm zusehe, dass er Christ sei, antwortete er, dass er ganz frei über seinen Glauben und die christliche Religion sprechen würde. Er habe doch gesagt, dass er seinen Glauben nicht geheim halten könne. Er würde religiöse (muslimische) Vorschriften, die in Afghanistan einzuhalten wären, nicht einhalten. Er würde nicht an das, was in Afghanistan gelebt wird, glauben. So würde man erkennen, dass er andersgläubig sei. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde jedoch jeder erfahren, dass er Christ sei, weil er darüber sprechen würde. Die Frage, wie er in Afghanistan sein Christentum ausleben würde, wurde von ihm damit beantwortet, dass er langsam ein paar Leute zum Christentum einladen würden. Ergänzend stellte er die Gegenfrage, was ein Christ sonst dort machen könnte. Die Frage, wie ein Christ in Österreich seinen Glauben ausübe beantwortete der BF mit einem Hinweis auf die Einhaltung der 10 Gebote. Man besuche einmal pro Woche den Gottesdienst und nehme auch sonntags an kirchlichen Veranstaltungen teil. Er selbst halte sich ganz streng an den Weg, der er eingeschlagen habe. Die Beziehung, die er zu Gott aufgebaut habe, erhalte er weiterhin. Danach wurde die Frage gestellt, was er bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht mehr machen könne, was er unbedingt machen müsse und was geschehen würde, wenn er das in Afghanistan trotzdem machen würde. Diese Frage beantwortete er damit, dass er hier Leute zum Christentum einladen müsse und über Jesus Christus erzählen müsse. In Afghanistan wisse niemand, dass Jesus für die Vergebung unserer Sünden gestorben sei. Da der BF die Frage offensichtlich nicht richtig verstand, wurde er darauf hingewiesen, dass wirkliche Christen in Österreich beten würden, regelmäßig den Gottesdienst besuchen würden und versuchen würden, ein Gott gefälliges Leben zu führen. Er selbst wies antwortend darauf hin, dass er (bei einer Rückkehr nach Afghanistan) nicht wieder wie der befragende Richter leben könne und auch nicht wie er beten könne. Er habe auch nicht die gleiche Denkweise wie diese. Als Rückkehrer aus Europa würde er sich in Gefahr begeben, wenn er über das Christentum sprechen würde. Die Frage, warum es im Christentum gehe, beantwortete der BF damit, dass Gott seinen Sohn auf die Erde geschickt habe, um uns zu retten. Er habe das Leben seines Sohnes für die Vergebung unserer Sünden geopfert. Die Beziehung zu Gott sei im Christentum näher und liebevoller als im Islam. Im Islam müsse man Gott fürchten.

Der BF vermochte auch Noah als Erbauer der Arche richtig einzuordnen, darzulegen, dass das Alte Testament mit der Schöpfungsgeschichte beginnt. Er konnte auch über entsprechendes Ersuchen, aus einer Farsi-Bibel vorlesen und eine Lieblingsstelle im neuen Testament benennen und diese Stelle nacherzählen.

In der mündlichen Verhandlung wurde auch der derzeitige Interims-Pastor der evangelisch methodistischen Gemeinde in Salzburg, XXXX , zeugenschaftlich einvernommen.

XXXX gab an, sich bereits im Ruhestand zu befinden und in Linz zu wohnen, jedoch regelmäßig die Gemeinde in Salzburg, die er übergangsmäßig betreue, besuche. Er habe den BF im Jahr 2017 über die Pastorin XXXX kennengelernt, von der er die Gemeinde in Salzburg übernommen habe. Sie habe ihm damals auch Unterlagen gegeben, was sie bisher den Asylwerbern beigebracht habe. Sie habe einen Bibelkurs mit ihnen gemacht, aber da die Deutschkenntnisse noch schwach waren, habe sie versucht den beiden Asylwerbern (neben dem BF sei auch noch ein weiterer Asylwerber Teilnehmer am Bibelkurs gewesen) an Hand von Kinderbibeln oder Bilderbibeln, insbesondere das Neue Testament nahe zu bringen. Er habe dann mit einem Taufkurs im Oktober 2017 fortgesetzt. Dieser habe unter XXXX bereits im Februar 2017 begonnen. seine Aufgabe sei es gewesen, die beiden in den Gottesdienst einzuführen und die einzelnen Elemente näher zu bringen. Sie hätten dann die Taufe und das Abendmahl als Sakramente besprochen. Beide und damit auch der BF hätten ausdrücklich einen Taufwunsch geäußert und hätten ein Bekenntnis abgelegt. Die Taufe habe am Ostersonntag am 01.04.2018 stattgefunden. Den Taufvorbereitungskurs habe ausschließlich er ab November 2017 gehalten. Das habe immer am Sonntag nach dem Gottesdienst stattgefunden. Der Kurs habe ca. ein- bis eineinhalb Stunden gedauert hat. Er sei nicht jeden Sonntag in Salzburg gewesen; teilweise sei er auch nur nach 14 Tagen in Salzburg gewesen. Er sei für den BF nicht die einzige Bezugsperson. Der BF sei auch von anderen Mitglieder der Gemeinde auch in Glaubensfragen unterstützt worden. Er habe auch Fragen an andere Gemeindemitglieder stellen können, die von diesen beantwortet worden wären. Die Taufe sei kein Abschluss, sondern ein markanter Meilenstein bei einer Umkehr und es finde auch nach der Taufe eine Fortsetzung des Glaubenskurses statt. Im konkreten Fall habe sein offizieller Glaubenskurs mit Abschluss des Jahres 2018 geendet. Der Glaubenskurs finde jedoch weiterhin im Privatkreis der Glaubensgemeinschaft statt. In diesem Jahr wären auch viele private Kontakte zum BF entstanden, er sei eingeladen worden, wodurch sich ein Vertrauensverhältnis entwickelt habe. Die Treffen würden immer noch stattfinden. Der BF sei in die Gemeinde gut integriert und erscheine jeden Sonntag zum Gottesdienst.

Befragt, ob er glaube, dass der BF Christ sei, antwortete XXXX , dass man nicht ins Herz blicken könne. Wenn er als Taufspender nicht überzeugt gewesen wäre, hätte er den BF nicht getauft. Er glaube auch, dass der BF das christliche Gedankengut derart intensiv verinnerlicht habe, dass er ohne dieses Gedankengut nicht mehr sein könnte. Die Frage, ob der BF evangelisierend tätig sei, beantwortete XXXX damit, dass der BF mit vielen Leuten über seinen Glauben spreche und auch andere mit in den Gottesdienst bringe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie Einvernahmen des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG und der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018 mit Aktualisierungen und Ergänzungen vom 04.06.2019 werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

Der auch bereits bei der Antragstellung auf internationalen Schutz volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und war - nach eigenen Angaben - jedenfalls bis zur Entscheidung des BVwG vom 15.12.2016, GZ W123 2127670-1/6E, schiitischer Moslem. Er spricht die Sprachen Dari und Farsi. Er ist mit den Gepflogenheiten in einem afghanischen Haushalt vertraut. Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Ghor in Afghanistan geboren. Er besuchte eine Schule und ist in der Lage Farsi zu lesen. Er hat Erfahrung als Hilfsarbeiter, wobei er als Schneider und Bauerbeiter arbeitete.

Es kann nicht festgestellt werden, ob der den Großteil seines Lebens in Afghanistan, allenfalls in der Provinz Ghor oder im Iran zugebracht hat. Der BF hat jedenfalls mehrere Monate in Herat zugebracht und hat dort auch gearbeitet. Er ist ledig und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer ist gesund. Er befindet sich in keiner Behandlung und benötigt keine medizinische Hilfe. Er geht in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach, lebt von der Grundversorgung und ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer lebt in Österreich in keiner Beziehung.

Es kann auch nicht festgestellt werden, wann, warum und auf welchem Weg der Beschwerdeführer Afghanistan verlassen hat. Es kann ebenfalls nicht festgestellt oder ausgeschlossen werden, ob der BF über Familienmitglieder in Afghanistan oder im Iran verfügt, bzw. ob jene Person, die sich in Österreich befindet und vom Beschwerdeführer als Bruder bezeichnet wird, tatsächlich sein Bruder ist. Es kann daher auch weder festgestellt bzw. ausgeschlossen werden, dass der BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan familiäre Unterstützung oder Unterstützung durch Freunde oder Bekannte, die sich einerseits im Iran und andererseits in Afghanistan befinden, erhalten würde.

Der Beschwerdeführer würde - wie bereits in der unangefochten gebliebenen rechtskräftigen Entscheidung des BVwG vom 15.12.2016, GZ W123 2127670-1/6E, ausgeführt wurde, weder wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit als Hazara noch als Schiit bzw. auch nicht von einem Onkel, den er nach eigenen Angaben bestohlen und zumindest verletzt habe, asylrelevant verfolgt werden.

Der Beschwerdeführer verfügt über ein beachtliches Wissen über christliche Glaubensinhalte und wurde nach Absolvierung eines Taufvorbereitungs- bzw. Glaubenskurses am 01.04.2018 in Salzburg von XXXX von der Evangelisch-methodistischen Kirche in Österreich getauft. Er vermochte jedoch nicht glaubhaft machen, dass er in Afghanistan sein zumindest in Ansätzen vorhandenes Christentum in einer nach außen erkennbaren Weise ausleben würde und deswegen bei einer Rückkehr nach Afghanistan als Christ erkannt werden würde, deswegen verfolgt werden würde und schließlich in eine besorgniserregende Situation geraten würde. Es kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass er christliche Glaubensinhalte und Glaubenswerte derart verinnerlicht hat, dass er diese bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch ausleben würde bzw. ausleben müsste. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines Interesses für den christlichen Glauben mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

Der Beschwerdeführer hat insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 04.06.2019 den Eindruck hinterlassen, dass er keinesfalls bereit ist, wieder nach Afghanistan zurückzukehren und bereit ist alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um dieses Ziel zu erreichen, selbst, wenn das bedeutet, dass er sich mühsam umfassende Kenntnisse über den christlichen Glauben aneignen muss. Der BF hat den Eindruck hinterlassen, dass ihm der christliche Glauben selbst nicht so wichtig ist, sondern von ihm nur als nötiges Mittel gesehen wird, damit er sein Ziel, in Österreich bleiben zu können und hier ein ruhiges und weitgehend sorgenfreies Leben zu führen, erreicht.

Ausgehend von den Länderfeststellungen zu Afghanistan und die UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 berücksichtigend kann sich der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan jedenfalls in Herat, das über einen für Zivilflugzeuge erreichbaren Flughafen verfügt, niederlassen, zumal er bereits in der Vergangenheit mehrere Monate dort gelebt und gearbeitet hat und damit dort auch mit den lokalen Verhältnissen vertraut ist und bereits in der Vergangenheit bewiesen hat, dass er dort leben und arbeiten kann. Die Vor-Ort-Verhältnisse und die Versorgungslage und auch die Sicherheitslage in Herat ist nicht derart, dass der BF als alleinstehender, junger, gesunder, arbeitsfähiger und volljähriger Mann mit Arbeitserfahrung, der in der Lage ist, sowohl eine in Afghanistan gebräuchliche Schrift zu lesen und zu schreiben, bei einer Wiederansiedelung - entsprechende erforderliche Bemühungen des BF vorausgesetzt - in Herat auf Dauer in eine aussichtslose Situation geraten würde, wenn auch eine Wiederansiedelung am Beginn mit Schwierigkeiten verbunden sein könnte.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019):

Politische Lage:

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.02.2015). Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.09.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.09.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen.

Friedens- und Versöhnungsprozess

Am 28.02.2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.03.2018; vgl. TS 28.02.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 07.03.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.04.2018; vgl. Tolonews 11.04.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.03.2018; vgl. TD 07.03.2018, NZZ 28.02.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.04.2018).

Am 07.06.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.06.2018 - 20.06.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 04.06.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 07.06.2018; vgl. Reuters 07.06.2018, RFL/RL 05.06.2018). Durch dieses Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 05.06.2018). Die Taliban selbst gingen am 09.06.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.).

Am Samstag dem 26.01.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.01.2019; vgl. NYT 28.01.2019, CNN 27.01.2019, Tolonews 28.01.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.01.2019; vgl. DP 28.01.2019, FP 29.01.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.01.2019; vgl. DP 28.01.2019).

Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde (Tolonews 31.05.2019).

Vom 29.04.2019 bis 03.05.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 06.05.2019 bis 04.06.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 06.05.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.05.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.05.2019).

Am 14.05.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.05.2019; vgl. IEC 14.05.2019, IEC 15.05.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.09.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.05.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.05.2019).

Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.01.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.01.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.01.2019; vgl. DP 28.01.2019, IM 28.01.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.01.2019; vgl. WP 30.01.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.01.2019; vgl. FP 29.01.2019).

Sicherheitslage in Afghanistan:

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.08.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 07.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.01.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 07.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.01.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 07.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 01.01.2018 und 30.09.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 07.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.01.2019).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (01.01.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.

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(BFA Staatendokumentation 20.02.2019)

In der folgenden Grafik der Staatendokumentation wird das Verhältnis zwischen den vier Quartalen des Jahres 2018 anhand der registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle für den Zeitraum 01.01.2018 - 31.12.2018 veranschaulicht.

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(BFA Staatendokumentation 20.02.2019)

Zivile Opfer:

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (01.01.2019 - 31.03.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.04.2019).

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.04.2019). Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.04.2019).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.04.2019).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele:

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.02.2018, NZZ 21.03.2018, UNGASC 27.02.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.03.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 01.06. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.02.2018; vgl. Slate 22.04.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.03.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.03.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.01.2018; vgl. BBC 29.01.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.01.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.01.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.05.2018; AD 20.05.2018). Zählt man nur die getöteten Zivilisten, sind die regierungstreuen Truppen im 1. Quartal sogar für mehr Opfer verantwortlich als die Aufständischen: Die afghanischen Sicherheitskräfte, ihre internationalen Unterstützer und regierungstreue Milizen töteten 305 unbeteiligte Bürger, die Taliban, die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) und andere regierungsfeindliche Kräfte 227. Mehr Tote gab es vor allem durch Luftangriffe und bei Suchoperationen.

49 Zivilisten kamen im Kreuzfeuer und bei anderen Vorfällen um. Sie wurden in der Statistik keiner Seite zugezählt. Insgesamt starben damit dem Bericht zufolge von Januar bis Ende März 581 Zivilisten in dem Konflikt und 1192 wurden verletzt. Unter den Toten waren 150 Kinder.

Die Einsätze der afghanischen Regierungstruppen und ihrer Verbündeten haben insgesamt zu einem Anstieg der zivilen Opfer geführt. Während die Gesamtzahl der verletzten oder getöteten Zivilisten in den ersten drei Monaten 2019 um 23 Prozent auf 1773 Personen sank, stieg die Zahl der Opfer der Einsätze regierungstreuer Truppen um 39 Prozent auf 608 (305 Tote, 303 Verletzte). Das geht aus einem Bericht der UNO-Mission in Afghanistan hervor.

Einschließlich der Verletzten gingen die meisten zivilen Opfer weiterhin auf das Konto der regierungsfeindlichen Kräfte. Ihre Gesamtzahl sank jedoch in Jahresfrist um 36 Prozent auf 963 (227 Tote und 736 Verletzte). Weniger Opfer gab es vor allem infolge von Selbstmordattentaten.

Im ersten Quartal 2019 wurden vier Angriffe mit Selbstmordattentätern dokumentiert; ein Jahr zuvor waren es noch 19 gewesen. Dazu könne der harte Winter beigetragen haben, heißt es. Unklar sei, ob auch die Gespräche der Taliban mit den USA zur Lösung des Konflikts damit in Zusammenhang stünden.

Zur Veranschaulichung öffentlichkeitswirkamer werden hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben (Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.06.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.06.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.06.2018; Gandhara 11.06.2018).

* Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 01.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefägnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 01.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 01.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

* Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

* Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

* Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

* Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.01.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.01.2019; vgl. IM 22.01.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.-amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.01.2019; vgl. NYT 21.01.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.01.2019; vgl. IM 22.01.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Katar (NYT 21.01.2019; vgl. IM 22.01.2019, Tolonews 21.01.2019).

* Am Vortag, dem 20.01.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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